13. Kapitel
»Es vergeht kein Tag, an denen ich meinen Kleinen nicht nachtrauere!« begann Jamus.
»Es begann in einer Spelunke, vor ungefähr zehn Jahren. Ich hatte damals eine sehr schlechte Gewohnheit. Ich spielte. Würfel und Karten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben – ich lebte ganz gut davon, da ich geschickt bin und mit den Karten umzugehen weiß. Eines Tages bekam ich es mit einem Piraten zu tun. Er hieß Bluebink und war ein finsterer Geselle. Ich knöpfte ihm fast alles ab, was er hatte. Er wurde immer wütender, von einem, wie er es nannte, Rotspross besiegt zu werden. Irgendwann saßen nur noch er und ich am Tisch.«
Tabakrauch schwängerte die Spelunke. Zwei Dutzend mehr oder weniger angetrunkene Gäste standen um den Tisch, an dem er Junge und der Piratenkapitän saßen. Viele hatten von Bluebink gehört und bewunderten ihn für seinen Mut, sich hier blicken zu lassen. Entweder der König hatte ihm einen Kaperbrief ausgestellt oder der bärtige Pirat war tollkühn. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, den rauen Kerl danach zu fragen.
Sie würfelten und legten Karten aus und der junge Barde gewann und gewann. Manch einer grinste schadenfroh, andere hielten sich zurück, schließlich wusste man, wie locker Bluebinks Messer saß.
Es ging alles mit rechten Dingen zu, wie unschwer zu erkennen war. Der Barde hatte schlicht und einfach Glück. Das schien auch Bluebink so zu sehen, denn sein Zorn richtete sich nicht gegen seinen Gegner. Er legte die beringten Finger auf den Tisch und sagte: »Aye, du hast mich besiegt!«
Der Barde strich das Geld und einige Schmuckstücke zusammen, als Bluebink knurrte: »Alles oder nichts!«
Der Barde blickte auf. »Wie? Ihr habt nichts, was ihr setzen könntet, Kapitän.«
»Oh doch.« Er nestelte in seiner Ledertasche und legte drei Eier auf den Tisch.
»Ihr macht Scherze …«, sagte der Barde.
»Keineswegs, Rotschopf«, sagte Bluebink.
»Was soll ich mit diesen Dingern?«
»Diese Eier fanden wir in der Nähe der Toten Wüste. Sie sind von unschätzbarem Wert.«
»Was soll daran so wertvoll sein?«
Einige Gäste fingen an zu murren und einige flüsterten miteinander. Bluebink nahm die Eier, schob den Stuhl zurück und ging zum Kamin, in dem ein Feuer loderte, dass den Gästen einheizte. Er warf die Eier in die Flammen. Alle starrtemn dort hin. Jamus stand ebenfalls auf und stellte sich neben Bluebink, der ins Feuer starrte.
»Und nun?«, fragte er.
»Warte ab«, knurrte Bluebink.
Im selben Moment verfärbten sich die Eier. Sie wurde knallrot und durch die Schale sah man, dass sich in ihnen etwas bewegte.
»Ihr tötet die Vögel«, sagte der Barde und nahm eine Schaufel um die Eier zu retten.
Bluebink hielt ihn am Arm fest. »Noch nicht.«
Die Eierschale wurde fast durchsichtig und als der Barde sich hinkniete, um genau zu sehen, was sich in den Eiern abspielte, stand für einen Moment sein Atem still. Er starrte zu Bluebink hoch, dann wieder zu den Eiern.
»Jetzt kannst du sie rausholen und dir überlegen, ob du noch eine Runde mit mir spielst«, sagte der Kapitän.
»Ihr könnt euch denken«, setzte Jamus seine Erzählung fort, »dass ich mir sofort klar war, welchen Wert diese Eier besaßen. Dracheneier! Es gab Legenden, die davon berichteten, gesehen hatte ich noch keines und vermutlich auch keiner der anderen Gäste. Ich zögerte nicht eine Sekunde. Alles oder nichts! Der Kapitän legte die abgekühlten Eier auf den Tisch und ein Gast teilte die Karten aus. Wir nahmen die Würfelbecher und es ging los. Eine Runde konnte durchaus eine Viertelstunde dauern und glaubt mir – es war die längste Viertelstunde meines Lebens. Gewann ich, war ich Besitzer von drei Dracheneiern und hatte genug Geld, um mir eine hübsche Kate zu bauen. Verlor ich, stand ich genauso da, wie zu Beginn des Spieles. Ich konnte nur gewinnen. Und so kam es auch. Glaubt mir, ich habe selten einen so zornigen Mann gesehen und wären nicht so viele Gäste anwesend gewesen, hätte er mir vermutlich die Kehle durchgeschnitten. So trollte er sich, setzte zu seinem Schiff über und war am nächsten Tag verschwunden. Mit ihm die meisten Gäste, die den Piraten angehört hatten, sodass nur wenige Bürger in Dandoria von meinem Gewinn wussten, was mir auch Recht war.«
Jamus baute sich die Kate und hatte so viel Geld übrig, dass es für zwei weitere Jahre reichte. In der Zwischenzeit überlegte er, wie er mit den Eiern verfahren sollte. Er versuchte alles, was es über Drachen zu wissen gab, zu lesen. Er forschte und kam zu dem Schluss, dass es genügte, die Eier einmal täglich den Flammen eines Feuers auszusetzen. Nicht zu lange, sondern nur, bis die Schale durchsichtig wurde. Das tat Jamus. Nach einem Jahr verlor er fast die Geduld und als hätten die Eier das gespürt, krachte die Schale auf und ziemlich gleichzeitig schlüpften drei rote Drachen, jede von ihnen so winzig, dass er auf einer Handfläche Platz hatte.
Jamus rechnete sich aus, dass ihn diese Drachen zu einem vermögenden Mann machen konnten, wenn er wollte. Es würde nicht wenige Interessenten geben, die jeden Preis für die Winzlinge bezahlt hätten. Er entschied sich dagegen, denn die Drachen wuchsen ihm ans Herz.
Er pflegte sie, trainierte sie, redete mit ihnen in der Hohen Sprache und spielte ihnen Lieder auf der Flöte vor, was sie besonders mochten.
»Ich bin euer Beschützer«, sagte er und freute sich daran, wie die Drachen wuchsen.
Was er mit ihnen tun würde, wenn sie ausgewachsen waren, wusste er noch nicht und das war auch unwichtig. Jamus war ein Mann, der für die Gegenwart lebte.
Bis er eines Tages aus der Stadt kam und die Drachen weg waren. Gestohlen! Seine Kate stank nach Schwefel und Fäulnis und nicht wenige meinten, der Lord von Unterwelt sei persönlich gekommen, um die Drachen zu stehlen. Offensichtlich wussten mehr Leute von den Drachen, als Jamus glaubte. In Dandoria konnte man nichts geheim halten.
Jamus litt und trauerte.
Irgendwann, hoffte er, würde er seine Drachen wiedersehen. Er hatte ihnen versprochen, sie zu schützen und dieses Versprechen gebrochen.
Er würde dieses Versprechenn nie erfüllen.
»Ich liebe solche Geschichten«, brummte Ron. »Du bist ein wahrer Meister darin, kleiner Mann. Geschichten mit Piraten und Drachen. Du solltest noch mehr davon erfinden und sie aufschreiben.«
»Magst du auch Geschichten über Balger, Syndar und Grisolde?«, fragte Egg behutsam.
Ron grinste schräg. »Über wen?«
Egg schüttelte den Kopf. »Ist nicht wichtig …«
Obwohl sie klein waren, so winzig und Ron sich in acht nehmen musste, sie nicht zu verletzen, spürte er Jamus’ Tränen und fragte sich, warum dieser Winzling weinte?
Ron erwachte. Er fuhr hoch und begutachtete die Höhle, die man ihm zugewiesen hatte. Gut so, sie war seiner würdig. Seitdem er das Menschsein abgeschüttelt hatte, war Frieden in seiner Brust. Zwar empfand er seine Wiedergeburt als etwas seltsam, dennoch kam er damit zurecht.
Es gab unzählige Lieder, die von solchen Wundern hanedelten. Nun war auch er eines davon.
Er wusste, warum er zurückgekehrt war. Er würde sein Volk, die Steinriesen im Kampf gegen die Sumpfer anführen. Er schwang die Beine von der Schlafstatt, steckte sich im Vorbeigehen eine Schweinekeule in den Mund, schlürfte sie ab und trat nach draußen. Feiner Nieselregen tauchte das Tal in ein graues Bad. Er kratzte sich den Hintern und fragte sich, was ihn geweckt hatte.
Er war zufrieden eingeschlafen, allerdings erst, nachdem er sein Spiegelbild im See betrachtet hatte. Symbylle war begeistert um ihn herumgesprungen und hatte in die Hände geklatscht. Begeistert hatte sie auf ihn gezeigt und frohlockt, er sei ein richtig hübscher Riese.
Ja, das fand Ron auch. Schlank, muskulös, noch keine Wampe. Man hatte ihm Ehrenzeichen an der Kleidung befestigt, besondere Steine und mehrere Tierköpfe. Er war einst ein großer Jäger gewesen. Er war es noch. Er betrachtete sich und war erstaunt, wie ebenmäßig sein Gesicht war. Schwarze, lange Haare, ein ebenso schwarzer Bart mit einigen grauen Strähnen, eine runde, schöne Nase und große Augen. Wenn er lachte, zeigte er weiße Zähne. Kein Wunder, dass ihm Zeit seines Lebens die Weiber schöne Augen gemacht hatten.
So war er ins Dorf zurückgekehrt und hatte sich schlafen gelegt. Traumlos, tief und zufrieden. Mit sich und der Welt zufrieden.
Etwas hatte ihn geweckt.
Er spitzte die Ohren.
Trommeln!
Es konnten nur Trommeln sein. Das dumpfe Pochen näherte sich und sofort wusste er, was dies zu bedeuten hatte. Die Sumpfer waren schneller gewesen, als erwartet. Niemand hatte mit deren Ankunft so früh gerechnet. Bevor es Mittag war, würden sie das Tal der Riesen erreichen.
Bevor es Nachmittag war, würden unzählige Leichen das Tal mit Verwesungsgestank überziehen. Es galt zu handeln.
Er stapfte durch das Tal und rief sein Volk zusammen. Hörner ertönten und in Windeseile hatten sich die Wichtigsten seiner Rasse versammelt. Zwei Menschen, für die er ein freundliches Gefühl hegte, wieselten zwischen den Füßen seiner Leute umher.
»Bevor die Sonne am Zenit steht, werden die Sumpfer hier sein!«, rief er.
Okor schlug seine Keule in den Boden. »Auf einen offenen Kampf können wir uns nur einlassen, wenn wir an Ort und Stelle den Zorn der Riesen brauen! Deshalb schenkte ich ihn dir einst, Ron. Aus Respekt!«
»Ich weiß, mein Guter. Damit wir den Sumpfern auf Augenhöhe begegnen, nicht wahr?«
»So ist es!«
»Dennoch sind sie die erfahreneren Kämpfer. Kraft und Stärke alleine nützen uns nichts!«
»Also lass uns zwei Strategien durchführen«, sagte Okor. »Ich bin ein Sumpfer und ich will nicht, dass Blut fließt. Was können meine Leute dafür, dass sie dumm sind? Ich weiß allerdings auch, dass euch Steinriesen der Kampf fern liegt, der Zorn und die Wut sowieso. Mein Vorschlag wäre, wie brauen den Trunk und nehmen ihn zu uns. Dennoch werden wir nicht gewalttätig, sondern bieten meinen Leuten einen Handel an. Erst wenn das nichts nützt, schlagen wir los.«
Talus schüttelte den Kopf. »Wenn gekämpft wird, gibt es eine Vereinbarung. Und wir halten uns an Vereinbarungen! Soviel ich weiß, mein sumpfiger Freund, war das bei euch auch so?«
»Mit einem Unterschied«, sagte Okor. »Wir wissen nicht, ob sie sich auf diesen Handel noch einmal einlassen. Vor allen Dingen, wenn sie sehen, dass Ron zurückgekehrt ist. Und wenn sie das nicht tun? Ohne Trank sind wir hilflos.«
Talus nickte. »Die Situation ist vertrackt.«
»Die Geschichte soll sich wiederholen?«, fragte Talus, der die Antwort genau kannte.
»So ist es!«, rief Ron. »Welchen Sinn sollte meine Rückkehr sonst gemacht haben? Ihr glaubt, ich könne das Rad noch einmal zurückdrehen. Nur die Götter wissen, warum ihr auf diese Idee verfallen seid, dennoch besteht eine Chance.«
»Schau dich an«, sagte Borkler, ein halbversteinerter Riese, der sich mit großer Mühe aufgemacht hatte. »Du bist stärker als jeder von uns, abgesehen von Triomos und mir – doch wir sind zu langsam. Wenn es einem gelingen kann, einen erneuten Kampf zu gewinnen, bist du es.«
Kann sich Geschichte wiederholen, fragt sich Ron. Ist so etwas jemals gelungen?
Er räusperte sich. »Gehen wir davon aus, wir haben den Trank zu uns genommen. Wie wollt ihr euren Zorn bändigen, während ich kämpfe? Und wie wollt ihr ihn bändigen, falls ich unterliege?«
Alle schwiegen und einige blickten betreten drein.
Die zwei Menschen saßen auf einem Baumstumpf und beobachteten alles. Jamus und Egg. Ron erinnerte sich an ihre Namen. Zwei gute Männer. Das spürte er. Tapfere Männer!
Er war Häuptling der Steinriesen und seine Aufgabe war es, Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden. Das wurde von ihm erwartet. Entschieden sie sich für den Zorn der Riesen war es schwer, diesen zu kontrollieren. Was, wenn er, Ronius, in einem Zweikampf unterlag?
Andererseits war unklar, ob die Sumpfer sich auf den Handel einlassen würden. Also mussten die Steiner den Zorn der Riesen zu sich nehmen, denn ohne den Trank waren sie ihren Feinden ausgeliefert.
Er musste sich entscheiden. Für oder gegen den Zorn!
Jemand klopfte auf seinen rechten Zeh. Er blickte nach unten. Dort stand der rothaarige Mann, Jamus. Er grinste und sagte: »Vielleicht habe ich eine Lösung, Ron.«
Die Trommeln feuerten sie an.
Sie wussten, was sie wollten. Sie wanderten durch die Ebenen und überbrückten Felsen, die keines Menschen Fuß je betreten hatte. Ihre Keulen waren schwarze Todeswaffen, gespickt mit Stahl oder mit Zähnen von Untieren, die sie gefangen und getötet hatten. Ihr Gesang glich dem Singsang schwarzer Dämonen. Ein Klang, den man mit dem Ton einer Dumpftrommel vergleichen konnte. Sie stampften Büsche und Bäume nieder, wild und kampfbereit. Sie drückten Bäume zur Seite und warfen Felsen, die ihren Weg störten, wohin sie wollten.
Sie hielten sich – wie es Riesenart war – fern von Menschen oder anderen Rassen, doch manchmal ging es nicht. Es gab winzige Ansiedlungen, die weit entfernt der großen Städte lagen. Bauern, Steinmetze, Ziegelbrenner. Dann zermalmten ihre Füße, zerstörten ihre Waffen, was ihnen im Wege war. Sie fegten mit ihren Keulen Behausungen weg, wie man Insekten verscheucht.
Ihnen voran marschierte Gromor, der Sohn des Kollios. Gromor wusste um die Legende des Ronius, doch er war ein junger Kämpfer, der erst weniger als zweihundert Jahre lebte. Er würde die Ehre seines Volkes wieder herstellen. Er hatte auf diesen Augenblick gewartet. Hatte alles getan, um gewappnet zu sein.
Wie dumm waren seine Leute gewesen und erst Okornir, der sein Volk verlassen hatte, um bei den Steinern zu leben. Ein Verräter, ein Abtrünniger. Heute war der Tag, an dem Gromor dessen Feigheit rächen würde.
Solange Gromor denken konnte, hasst er die Geschichten, die man sich über den legendären Kampf zwischen Ronius und Jorgol erzählte. Besonders widerte ihn an, wenn er in den Augen seiner Artgenossen so etwas wie Ehrfurcht vor dem Steinriesen las. Nein, dieser Ronius hatte Jorgol nicht getötet, ja, er hatte dem Unterlegenen den sanften Tod in der Schlucht geschenkt, anstatt sich entweder an einem langen Todeskampf zu weiden oder kurzen Prozess zu machen.
Dieser Ronius musste ein wahres Abbild des Edlen sein. Gerüchte sagten, er sei gestorben, andere wieder meinten, er lebe zufrieden in seinem Tal. Bald würde er es wissen. Diesem Ronius wollte er gegenüber treten, schließlich hatte dessen Tat dazu geführt, dass sich bei den Sumpfriesen Koalitionen gebildet hätten – jene, die Ronius’ Tat gut fanden, andere, die sie hassten. Schlussendlich wurde dadurch das Leben der Sumpfer unterwandert.
Es gab einige, die Okornirs Weggang nicht verziehen hatten. Okornir war Häuptling gewesen, was seine feige Tat noch verschlimmerte. Es ging das Gerücht, der Abtrünnige habe den Steinern den ZORN geschenkt, noch ein Grund mehr, ihn zu töten.
Andere wiederum fragten sich, ob ihr geliebter Häuptling richtig gehandelt hatte. Sie versuchten, seine Tat zu rechtfertigen. Es gab ein paar Oberschlaue, die von Kultur und Geschichte faselten.
Gromor, noch ein junger Riese, entpuppte sich als schrecklicher Kämpfer. Obwohl noch ein Kleiner, besiegte er jeden, den es zu besiegen gab. Seine Lehrer machten ihm klar, dass es keine andere Möglichkeit gab. Man musste siegen. Niemand schwang den Hammer wie er, niemand führte die Keule so hart.
Hinter ihm erbebte das Land. Einige seiner Leute waren so schwer, dass ihre Fußabdrücke Vertiefungen zurückließen. Diese würden sich mit Wasser füllen und die Landschaft bekam neue Teiche geschenkt, eine Region, in der sich anzusiedeln lohnte, denn wo Wasser war, gab es Leben.
Gromor war sich bewusst, dass er und seine Leute das Land veränderten. Sie waren stark wie Götter und genauso mächtig, denn sie schufen. Jeder Fels, den sie warfen, jeden Wall den sie türmten, veränderte das Land der Mythen. Brachen sie Bäume und verbrannten sie, schufen sie fruchtbaren Boden. Nahmen sie Grün mit sich und hinterließen es mit all seinen Samen an anderer Stelle, veränderten sie die Vegetation.
Der Gedanke, dass sie schufen, bedeutete ihm aber nichts. Es war lediglich die Macht, die ihn interessierte. Dass er es konnte, wenn er wollte.
Obwohl es zuhause am schönsten war. Was gab es schöneres, als sich im Sumpf oder im Brackwasser zu wälzen, während Nebel über der Ebene waberten? Mit den Füßen im Schlamm einzutauchen? Der Geruch nach faulendem Holz und verwesendem Fleisch? Der süße Duft des Torfes, den sie stachen, um damit Feuer zu machen. Nicht selten fanden sie im Torf die Überreste toter Krieger oder verendeter Tiere. Aus deren Knochen fertigten sie Schmuck. Früher hatten sie die Gebeine ihrer Gegner getragen, und so sollte es wieder sein.
Gromor überzog es heiß, wenn er daran dachte, was man mit dem verblichenen Schädel eines Steiners alles anstellen konnte. Dieses Artefakt würde seinen Bau schmücken und jeder, der zu ihm kam, sah sofort, mit wem man es zu tun hatte. Ellen, Schenkel und anderes Gebein würde sein Heim stützen. Er würde den Sumpfriesen ihre Identität zurückgeben. Endlich würden sie wieder sein, wie es die Natur verlangte. Ein kriegerisches Volk.
Er lauschte dem Gesang der Trommel.
Man würde sie meilenweit hören, vielleicht bis nach Dandoria. Aus Langeweile hatte Gromor einige Male überlegt, die Stadt anzugreifen. Doch was nützte es ihm? Er würde einen Haufen Stein zurücklassen. Die dort lebenden Kreaturen waren winzig klein und hilflos. Mit ihnen konnte man nichts anfangen. Außerdem fühlte ein Sumpfer sich am Meer nicht wohl.
Nein, ein wahrer Krieger trat gegen seinesgleichen an.
Riesen gegen Riesen. So war es gedacht. Nur an seinesgleichen konnte man sich messen. Er ahnte, dass man ihn nach einem erfolgreichen Feldzug zum Häuptling machen würde.
Er sah hinter sich. Fünfzig waren sie, ausgebildete Krieger, jeder viermal so stark wie ein Steiner, selbst, wenn das Gerücht stimmte und die Steiner den ZORN hatten. Es war niemand dabei, dem man nicht vertrauen konnte. Keiner dieser – Friedensverkünder! Er spuckte aus. Schwächlinge, welche die Ruhe und die Harmonie genossen, weil sie diesen verdammten Okornir nicht vergessen konnten. Alte zumeist, die ihren Kindern Dummheiten einflüsterten.
Man würde sehen, was ihre Gesichter verrieten, wenn Gromor siegreich zurückkehrte, während die Stärksten der Steiner und deren beste Weiber, ihm in Ketten folgten. Gefangen! Erniedrigt! Zu Sklavendiensten verurteilt, solange sie lebten.
Ja, er war für den Kampf geschaffen.
Er erbebte im Takt der Trommel. Nicht mehr lange und Blut würde das Tal der Riesen nässen wie ein Winterregen.