8. Kapitel

 

Die Wing legte im Hafen von Dandoria an. Nach ihren Reiseabenteuern wirkte die Beständigkeit der Stadt auf die Gefährten fast einschüchternd. Sie benötigten kein Beiboot, um an die Mole zu kommen, denn es gab lange Ausleger, an denen sie die Wing pollern konnten. Neben der Wing lagen zwei weitere Schiffe, eine Bark und ein Zweimaster.

Conner und Bob lehnten an der Reling.

»Die Stadt wirkt einladend«, sagte Bob. »Hier also sind wir im Herzen von Mythenland.«

»Weiße Gebäude, braune Lehmhäuser, Stroh bedeckte Hütten, eine bunte Vielfalt«, gab Connor zurück. Er wies nach oben. »Und obendrauf eine graue Burg.«

Im Hafen herrschte reges Treiben.

Fuhrwerke ratterten über Kopfstein. Menschen und andere Rassen diskutierten lebhaft. Esel röhrten. Pferde scheuten. Bob wunderte sich über die Vielfalt der Rassen und der Kleidung. Manche waren festlich gekleidet, andere wiederum in einfach wirkenden weißen Umhängen. Frauen trugen ihre Haare kunstvoll frisiert, manche hatte sie hochgesteckt, andere kurzgeschnitten. Bob fiel auf, dass viele Menschenfrauen sehr freizügig angezogen waren und ihre Reize bedenkenlos darboten. Männer waren in Leder gekleidet, andere in weitem Leinen, Halblinge in engen schwarzen Kostümen und zwei Elfen, die in eine Gasse einbogen, die Hände hinter dem Rücken ins Gespräch vertieft, waren wunderschön gewandet.

Die Kaimauern waren mit Efeu berankt, eine gewundener Weg mit blühenden Pflanzen eingefasst. Waiden und Birken, vereinzelte palmenähnliche Gewächse und Ziersträucher in Schalen rundeten das von Farbe durchdrungene Bild ab.

Über dem Hafen lag ein Geruch von frisch gebackenem Brot, Algen und Fisch. Bob knurrte der Magen und Connor eiferte ihm nach.

Irgendwo erklang eine Glocke.

Dunkelhäutige Wesen, die Bob wegen ihrer farbenfrohen Bekleidung erst auf den zweiten Blick als Trolle ausmachte, schoben oder zogen Handkarren, auf denen Waren gestapelt waren.

Auf dem Nachbarschiff gestikulierte ein hagerer Seemann, dessen Bart bis zu seinem Gürtel reichte und rief Befehle. Man sah ihm an, dass er eiligst seine Fracht löschen wollte. Immer wieder klatschte er in die Hände und trieb Trolle und Menschen an.

Bob meinte für einen Augenblick, diesen seltsamen Typ schon mal gesehen zu haben. Hatte dieses Schiff auf Fuure angelegt und Holz aufgenommen? Unmöglich war das nicht.

Über ihnen kreisten Möwen und stießen herab, um sich Abfälle und andere Reste zu schnappen.

Lysa hatte ihre abschließenden Befehle gegeben und trat zu Bob und Connor. »Warst du schon einmal hier?« Sie blickte den Hünen an.

»Noch nie.«

»Ich auch nicht«, sagte Bob überflüssigerweise.

»Und du, Fret?« Connor drehte sich zu dem Zwerg herum. »Nein. Ich wollte es immer, aber es kam nie dazu.«

»Ich wollte es auch, ich habe sogar davon geträumt«, sagte eine helle Stimme. Es handelte sich um Bluma.

»Du wolltest nach Dandoria?«, fragte Bob seine Tochter.

»Ja«, nickte Bluma versonnen. »Ich wollte nichts mehr als das.«

»Und warum hast du das nie gesagt?«, fragte Bob.

Bluma lächelte. Sollte sie ihrem Vater erzählen, dass sie vor einigen Jahren mit einem Freund aus dem Dorf geplant hatte, Fuure bei Nacht und Nebel zu verlassen, sich auf ein Schiff zu schleichen, um als blinde Passagiere nach Dandoria zu fahren? Nein, es war sowieso nicht geschehen und nicht mehr als ein Kindertraum geblieben.

»Wenn wir Glück haben, finden wir hier eine Lösung für euer Problem«, sagte Connor und sah Lysa an.

Darius war schon an Land. Er winkte und lächelte. Eine Amazone schlang das Tau um den Poller. Frethmar sagte: »Als erstes möchte ich in eine Schenke. Ein schönes Bier, frisches Brot und ein gutes Stück Fleisch, danach sehne ich mich.«

»Keine schlechte Idee«, antwortete Connor.

»Ich bin dabei«, ergänzte Bob.

Bob und Connor gingen an Land, Lysa, Bluma und Bama folgten ihnen. Frethmar folgte ihnen. Sie mussten einem beladenen Karren ausweichen. Der Kutscher hieb auf den Gaul ein und fluchte. Wohin man blickte, pulsierte das Leben. Eigentlich war es wie in jedem Hafen. Hektik, Geschäftigkeit, ein buntes Publikum und rauhe Worte.

Sie schoben sich durch die Menge und betraten eine Gasse. Sie führte leicht abwärts und es wirkte, als beugten sich die Häuser nach vorne.

»Da vorne«, rief Frethmar und überholte die kleine Gruppe. »Seht ihr das Schild?«

Beim Groppel stand auf einem verwitterten Balken. Die Farbe war verwittert, doch das Schild wies auf eine Schenke hin.

»Was ist ein Groppel?«, wollte Bob wissen.

Sie erfuhren es schnell. Ein wuchtiger Mann, genaugenommen ein Fass mit Haaren, begrüßte sie. Der Raum war dämmerig, den die Fenster waren winzig. Der Boden war mit Stroh bedeckt, es roch nach Spucknapf, Maische und Schweiß. »Groppel heiß‘ ich!« polterte der Wirt los. »Habt’a Durst oder auch ‘n Hunger?«

Darius wies auf einen großen Tisch hin. »Wir nehmen dort Platz, wenn es recht ist?«

»Is sonst noch wer hier? Kannst dich setzen wo du wills‘.«

Sie nahmen Platz. Groppel kam zu ihnen und nahm die Bestellung auf. »Dauert!«, brummte er. »Is‘ viel auf’n’mal!«

»Lasst Euch Zeit, Schenkmeister«, sagte Frethmar. »Aber vergesst das Bier nicht!«

»Nix Schenkmeister und nix Euch. Kannst du zu mir sagen, Kleiner. Oder einfach Groppel.«

Frethmar steckte den Kleinen weg und blieb freundlich. »Aber gerne. Eine schöne Stadt ist das.«

»Meinste Dandoria?« Der Wirt blickte einfältig.

»Nein, Dandoria«, sagte Frethmar.

Groppel kratzte sich den vierkantigen Schädel und zog an seinem Nasenring. »Mmh – na klar. Is‘ ‘ne schöne Stadt. Und bleibt’s, wenn die Dämonen uns nich‘alle platt machen.«

»Dämonen?«, fragte Darius.

»Ham das Weib vom König alle gemacht. Und der König is weg. Hat ‘nen Riesen verjagt und ward nich‘ mehr gesehen. Is‘ sehr seltsam. Seid nich‘ von hier, was?«

»Erst das Bier, dann die Antworten«, sagte Frethmar.

»Jau!«

Blitzschnell standen die Krüge vor den Gästen. Groppel schien sehr wissbegierig zu sein – oder er war gelangweilt. »Mein Weib macht’s Essen. Is‘ die beste Köchin von Dandoria. Aber jetz‘ sagt mal, wo ihr herkommt?«

»Wir haben eine lange Reise hinter uns«, sagte Bob. »Wir suchen den besten Magus, den es in Dandoria gibt. Und jemanden, der sich Agaldir nennt.«

»Deshalb seid ihr hier? Wegen nem Magus? Und wegen Agaldir?«

»So ist es, bester Groppel«, gab Bob zurück. »Kennst du diesen Agaldir?«

Der Wirt legte den Kopf schief, was nicht einfach schien, da er keinen Hals hatte und glotzte Bob an. »Irgendwie kenn‘ ich dich«, grunzte er, ohne die Frage zu beantworten.

Bob lachte. »Das kann ich mir nicht vorstellen!«

Sie tranken und prosteten sich zu. Groppel nickte zufrieden. »Schmeckt euch’s?«

»Wunderbar«, sagte Frethmar und wischte sich den Schaum aus dem Bart. »Kannst gleich noch einen ansetzen.«

Groppel machte sich an die Arbeit und umgehend gab es Nachschub. Aus der Küche ertönte das typische Zischen, wenn Fleisch auf einen Fleischrost gelegt wurde.

Die Tür öffnete sich und zwei Männer betraten die Schenke. Sie setzten sich an den erstbesten Tisch und Groppel machte sich an die Arbeit. Blitzschnell war er wieder bei den Gefährten. »Müss’n leise reden«, wisperte er. »Sind welche von oben. Der Burg. Packen sich jeden, der’n bisschen anders wirkt. Haben Mordsschiss vor Dämonen. Alle haben Panik.«

»Zapf dir auf meine Kosten ein Bier und setze dich zu uns«, sagte Darius.

Groppel stampfte davon.

Die Gefährten sahen sich an. »Ist wohl doch nicht alles so schön, wie es aussieht«, sagte Connor.

»Mmpf!« sagte Bob.

Groppel setzte sich auf einen Stuhl, der bedenklich knarrte und sein Humpen krachte auf die Tischplatte. »Is‘ nich‘ alles, das mit dem Weib vom König und dem König selbst. Sein Inquister, ein schlimmer Mann vonner Burg, is‘ bekloppt geworden und kriecht durch die Strassen. Ham‘ ihn fast gelyncht. Konnte in letzter Sekunde von seine Leute gerettet werden. Alles is‘ ganz merkwürdig. Außerdem hat’n Dämon vor kurzem ‘n Attentat auf den König verübt. Der is‘ durch ‘n Zufall entkommen. Dafür is‘ ‘n anderer gestorben.«

»Und wo kommen die Dämonen her und warum geschieht das alles?«, fragte Darius.

»Weiss nix. Is‘ so. Seit fast vierzig Jahren gab’s keine Dämonenüberfälle mehr, aber alle flüstern von’nem Dunkelelf in Unterwelt, der sich aufmacht, um unser schönes Mythenland anzugreifen. Überall im Mythenland soll es ganz komisch sein, sagen die Leute vonne Schiffe. Leute, die krank werden, sogar bei den Elfen is‘ das so.«

Lysa fuhr hoch. Bama legte ihr warnend die Hand auf den Unterarm.

»Und Drachenüberfälle soll es gegeben haben, erzählen die Seemänners. Kürzlich war’n Typ hier, der so ähnlich aussah, wie ihr ...« Groppel wies auf Bama und Bob. »Er meinte, dass wäre wohl nur das Vor ... Vor ... Vorspiel für’ne schlimmere Sache.« Groppel beugte sich vor und flüsterte. »Was ganz übles kommt über Dandoria, glaubt’s mir. Is‘ besser, ihr haut ab. Kann euch ‘ne Adresse von ‘nem Magus geben, aber dann macht euch besser aus’m Staub. Ihr scheint freundliche Genossen zu sein, nich‘ so Krakeler, wie sonst so oft. Habt was zivi ... lisi ...«

»Zivilisiertes?«, ergänzte Bob.

»Ja, genau.«

»Wie kommt es, dass ein starker Kerl wie du sich fürchtet?«, fragte Connor gerade heraus.

Groppel wurde rot. »Is‘ schon richtig, Blonder. Bin sonst nich‘ ängstlich. Mein Papa wurde von Dämonen geschnappt. Ham‘ ihm den Verstand geraubt und meine Mama ist danach verrückt geworden. War ganz schlimm und mein Papa starb ganz fürchterlich. Is‘ von innen heraus zerfressen. Hab‘ als Kleiner alles miterlebt. Kamen aus den Gräber, glaub‘ ich. Sollen von welchen, die man die Wächter nannte, geschickt worden sein. Ham‘ sich die Seelen von uns Menschen geholt.«

Man sah dem Wirt an, dass es ihn schauderte.

»He, Dicker! Bring uns noch was!«, brüllte einer der beiden Männer.

Groppel stand auf und folgte der Anweisung.

»Unfreundliche Kerle«, zischte Bluma.

»Wieso habe ich das Gefühl, wir sind mitten in ein Wespennest gestoßen?«, fragte Lysa. »Er weiß so manches. Auch über die Amazonen und er sagte etwas von den Elfen…«

»Er kennt Agaldir«, fügte Bob hinzu.

»Da kommt er. Mal sehen, was wir noch erfahren«, flüsterte Connor.

Groppel setzte sich.

Inzwischen hatte der Duft gebratenen Fleisches und leckerer Gewürze den schmutzigen Dunst vertrieben. Den Gefährten lief das Wasser im Mund zusammen.

»Früher war Dandoria ‘n fiedliches Pflaster. Aber nu ham alle Schiss vor den Dämonens. Wir ham kein König nich mehr und keine Königin. Keiner sagt uns, was richtig is‘. Seitdem strolchen Gardisten durch die Stadt und führen ein eigenes Regiment. Sind erbarmungslos. Schlimmer, als es der Inquister war. Sogar der General vonne Gardisten ist tot. Das funktioniert nich‘. Ne Stadt und ‘n Land braucht einen, der sagt, wo’s lang geht. Sonst machen alle, was sie wollen.«

»Der Beginn einer Anarchie«, murmelte Darius.

Groppel nickte wissend. Er kniff die Augen zusammen. »Sach mal, kenn ich dich?«

Darius grinste und zuckte die Achseln.

»Doch, ich kenn‘ dich. Du warst mal ‘n Anwalt hier, oder haste nen Bruder, der so aussieht wie du? Mann, ich wette, du hast mal die Regina beschützt. Ham ihr vorgeworfen, sie wär ‘ne Hexe. Hast sie freigekriegt. Dürftest eigentlich nicht hier sein aber bistes doch ...«

»Du verwechselst mich, Schankmeister«, gab Darius eiskalt zurück. »Aber nun bin ich interessiert. Was geschah mit dem Anwalt? Arbeitet er noch?«

Groppel rieb sich die Augen und sah selten dämlich drein. »Mann, du siehst ihm wirklich ähnlich. Na gut – neee! Der Anwalt ist tot! Ham ihn aufgehängt!«

Bluma stöhnte. Darius verzog keine Miene. »Und wie kommst du darauf, ich sei jener Anwalt? Wenn er aufgehängt wurde?«

Groppel überlegte. »Das is .. so’ne Sache ...«

Darius Gesicht war wie aus Stein.

Bluma konnte ihre Erregung nicht verbergen und seufzte.

Erfuhr der Manndämon nun endlich, was wirklich geschehen war? Warum er als Dämon in Unterwelt gelandet war, ohne zu wissen, warum? Warum er sich erinnerte, gehängt worden zu sein, aber keine Wunden am Hals hatte? Warum er die Gabe besaß, als Toter in Menschengestalt in Mythenland leben zu können, was eigentlich unmöglich war?

»He, Dicker! Quatsch nicht rum und sehe zu, dass wir unsere Kehlen spülen können!«, tönte einer der beiden Männer, die nahe der Tür saßen.

Groppel stand auf.

»Warte. Ich brauche noch eine Antwort. Was geschah mit dem Anwalt?«, zischte Darius und beugte sich über den Tisch. Nun war ihm seine Erregung anzusehen.

»Oder sollen wir dir Beine machen?«, brüllte der andere.

»Bin gleich wieder da...«, sagte der Wirt. »Sind Gardisten. Können übel draufkommen. Dann erklär ich alles.«

Darius schnappte nach Luft und fiel auf den Stuhl zurück.

Groppel ging weg.

Connor sprang auf. »Denen muss man das Maul stopfen!«

Bob hielt ihn fest. »Lass es! Wir sollten uns mit niemandem anlegen.«

Connor zauderte, seine Wangenmuskeln zuckten. Zögernd setzte er sich.

»Bobba hat Recht«, sagte Bluma. »Wir sollten jeden Ärger vermeiden.«

Connor brummte und hob den Humpen. »Wird Zeit, dass das Essen aufgetragen wird. Hunger macht wütend.« Er sah zu Groppel hin, der geflissentlich den Anweisungen der Gardisten folgte. Die Augen des Barbaren blitzten. »Er ist ein netter Kerl. Man sollte ihn nicht so behandeln.«

»Er ist Wirt«, sagte Darius, der sich etwas gefasst hatte. »Er kennt das.«

»Trotzdem ...«, murmelte Connor.

Die Tür zur Küche öffnete sich und die Wirtin, genauso breit wie ihr Mann, kam mit einer Platte in den Schankraum, auf der dampfendes Fleisch lag und duftendes Brot. Sie steuerte um den Tresen herum, als einer der beiden Gardisten aufsprang und sich ihr in den Weg stellte.

»Ist das nicht ein merkwürdiger Zufall?«, grölte er. »Wir haben Hunger und die gute Mörte hat alles schon gekocht. Dann bring uns mal was an den Tisch, und zwar hopplahopp!«

»Das ... das ist für die Gäste dort hinten«, sagte die Wirtin, Mörte.

»Die können warten. Sind nicht von hier, wie es aussieht. Die haben Zeit. Zuerst gibst du uns reichlich. Den Rest kannst du diesen Leuten dort bringen.«

»Aber ...«

»Kein Aber, Weib. Lege dich nicht mit den Gardisten des Königs an.«

»Es gibt keinen König«, fuhr Groppel dazwischen.

»Eben«, sagte Mörte und wollte um den Gardisten herum, doch der vertrat ihr den Weg.

Groppel stützte sich auf den Tresen. Sein Gesicht war knallrot. »Vor dem Riesen seid ihr abgehaun, aber gegen’n Weib markiert ihr die starken Kerls. Pah!«

Der zweite Gardist sprang auf, plötzlich hielt er ein gezücktes Schwert in der Hand. »Was hast du gesagt? Habe ich mich verhört? Du wirfst der Leibgarde des Königs Feigheit vor?«

Der andere Gardist stieß Mörte an, diese stolperte, das Tablett fiel ihr aus der Hand und köstlich gebratene Fleischeiben, Haxen, frisches Brot, kleiner grüner Kohl und Gewürzbutter polterten ins Stroh und rollten durch die Gegend. Die Wirtin schrie auf. Groppel sprang um den Tresen.

Im selben Moment war Connor da.

 

 

Connor bedrohte den Gardisten mit dem Schwert, welches er sich bei den Barbs auf Fuure geschmiedet hatte. Frethmar war sofort neben ihm, in der Hand die blitzende Axt, die er von Connor erhalten hatte. Der Hüne und der Zwerg waren ein ungleiches Paar, doch ihre Kampeslust einte sie.

Bob erhob sich und tastete nach seinem Hammer. Er stellte fest, dass er ihn an Bord der Wing gelassen hatte. Sehr langsam nahm Lysa den Bogen von der Schulter und spannte ihn. Darius blieb sitzen, Bluma neben sich. Auch Bama wendete sich lediglich auf dem Stuhl um. Zu viele Kämpfer in diesem kleinen Raum würden sich nur gegenseitig behindern.

Der Gardist lachte hart. »Ihr solltet Euch überlegen, ob Ihr Euch in Dinge einmischt, die Euch nichts angehen. Ihr seid Gäste.«

»Und Ihr seid nicht sehr gastfreundlich«, gab Connor zurück. »Das Essen war für uns gedacht, nicht für Euch. Ich fände es gut, wenn Ihr das Fleisch aufsammelt und es der Wirtin reicht. Man sollte ein fleißiges Weib niemals schlecht behandeln.«

Der zweite Gardist kicherte. »Was seid Ihr denn für einer?«

»Einer, der Euch den Kopf vom Rumpf schneidet, wenn Ihr nicht befolgt, was ich Euch sage.«

Frethmars Axt pendelte hin und her. »Ich denke, Ihr solltet Euch überlegen, was mein hochgewachsener Freund sagt. Sonst werdet Ihr Dämonenbrecher schmecken. Er schneidet Euch in Scheiben, bevor Ihr rülpsen könnt.«

Der zweite Gardist zögerte. Sein Partner jedoch sagte: »Wir werden weder das Fleisch vom Boden aufheben, noch uns von Euch bedrohen lassen. Wer nach Dandoria kommt, hat die Gesetze zu beachten – und das Gesetz sind wir!«

»Seitdem der König weg ist und seine Gemahlin tot«, sagte Mörte mit zitternder Stimme.

»Mein Weib hat Recht – seitdem machta wassa wollt mit uns!«, röhrte Groppel.

Der Gardist schüttelte den Kopf. »Seit wann diskutiert man mit der königlichen Leibgarde?« Er zog sein Schwert von rechts nach links und hätte Connor nicht blitzschnell reagiert, wäre er in der Mitte zerteilt worden. Im selben Moment stürmte Frethmar mit einem Schrei nach vorne und sein Axtblatt schlug zu. Der zweite Gardist konnte sich soeben in Sicherheit bringen und die Axt krachte in die Tischplatte, die in der Mitte zerbrach.

Ein Pfeil surrte über Connors Schulter und schlug nur Millimeter neben dem ersten Gardisten in die Wand. Um Haaresbreite hätte er Connor getroffen. Hinter ihnen fluchte Lysa.

»Machen wir dem ein Ende«, forderte Frethmar. Er brüllte auf und erneut wirbelte seine Axt. Der Zwerg war blitzschnell und duckte sich unter einem, dann noch einem Schwerthieb weg. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass der schwere Groppel auf die Theke sprang und einen Knüppel schwang, während Mörte sich in Sicherheit brachte.

Connor rutschte auf einer Fleischscheibe aus. Er torkelte und wäre fast in das Schwert des zweiten Gardisten getaumelt. Frethmar riss den Hünen zurück, im richtigen Moment. Während Connor seinen festen Stand suchte, krachte Dämonenbrecher gegen die Schwertklinge, sodass Funken sprühten.

Groppel versuchte krampfhaft, jemanden mit dem Knüppel zu treffen, doch die Gardisten waren gute Kämpfer. Sie hielten sich den Rücken frei.

Es würde nicht einfach werden.

Erneut zischte ein Pfeil, diesmal traf er den ersten Gardisten in die Schulter. Der muskulöse Mann lachte scheppernd und tat so, als sei nichts geschehen. Sein Schwert wirbelte und blockierte so schnell, dass man ihm mit dem bloßen Auge kaum folgen konnte. Connor hatte genug zu tun, die Abwehr zu halten.

Frethmar nutzte seinen Zwergenwuchs und unterlief die aneinander prallenden Schwerter. Seine Axt fuhr in die Beine des ersten Gardisten und Blut spritzte. Der Gardist brüllte auf und kippte weg wie ein gefällter Baum.

Sein Partner nutzte den Überraschungsmoment und seine Schwertklinge krachte gegen die von Connor, verhakte sich und Stahl rieb gegen Stahl, auf und ab, was einen grellen Laut hervorbrachte.

Frethmar versuchte dieselbe Finte ein zweites Mal, doch diesmal hatte er nicht mit der Cleverness des Gardisten gerechnet.

»Pass auf!«, brüllte jemand.

Frethmar blickte sich instinktiv um und das war gut so. Der gefällte Gardist hatte einen Dolch geworfen, der Frethmars Gesicht streifte, ihn aber nicht traf.

»Verdammter Kerl!«, schrie Frethmar, der außerdem aufpassen musste, nicht von Groppels Knüppel getroffen zu werden. »Du legst dich alleine mit den zwei besten Kämpfern von Mythenland an?«

Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen und es wurde dunkel, so viele Männer schoben sich herein. Alle hatten gezückte Schwerter, einer von ihnen eine gespannte Armbrust. Der Pfeil zeigte direkt auf Connor.

»Bei den Göttern, sie brauchen Nachschub für uns«, rief Frethmar. »Also müssen wir auch euch den Arsch versohlen?«

»NEIN!«, donnerte eine Stimme durch den Raum. Sie gehörte zu einem hageren Winzling, erst auf den zweiten Blick war er als Halbling auszumachen.

Der kämpfende Gardist hielt inne, sein Partner lag auf dem Boden und wand sich in Schmerzen. Sein Unterschenkel hing nur noch an Hautfetzen.

»Nein! Die Armbrust wird einen von euch erledigen, meine Männer besorgen den Rest. Lasst die Waffen fallen!«

Der nächste Moment dauerte endlos.

Dann ließ Connor sein Schwert fallen und Frethmar seine geliebte Axt. Sie klatschten in Mörtes Kochkünste.

Bob, Lysa und Darius kamen heran.

»Das sind unsere Freunde. Sie wurden provoziert«, sagte Lysa.

Der Halbling mit der Halbglatze musterte die Amazone und zeigte ein zahnlückiges Grinsen. »Aha! Deshalb wird auch hier vorne an der Tür gekämpft und nicht dort hinten bei euch am Tisch.«

»Das Weib sacht die Wahrheit, Störmer«, sagte Groppel, der inzwischen vom Tresen geklettert war. »Die Gardisten …«

»M – e – i – n – e Kameraden«, vervollständigte der Halbling.

»Se ham mein Weib belästicht. Guckt da, was da liegt. Alles Fleisch. Sie ham es ihr vom Tablett geschmissen. Es war für die Leute da gedacht.«

Der verletzte Gardist kreischte hell auf, dann fiel er in Ohnmacht.

»Und das soll ich glauben?«, fragte der hagere Kerl.

»Ich sach die Wahrheit, ehrlich …«, beteuerte Groppel.

Der Halbling grinste fies. »Eines habe ich gelernt – wenn jemand einen Satz mit ehrlich beendet, lügt er.« Er machte eine harte Handbewegung. »Nehmt sie fest. Wir werden sehen, was wirklich war.«

»Einen Moment«, sprang Bob dazwischen. »Diese Männer sind meine Freunde. Sie hatten nichts unrechtes im Sinn.«

»Das stimmt«, fiel Bluma ein.

»Sie wollten die Wirtin beschützen«, fügte Bob hinzu.

»Denkt doch mal logisch«, sagte Bluma. »Warum sollten wir uns mit den Gardisten anlegen? Wir hatten nur Hunger, sonst nichts?«

»Logisch?« Der Halbling kniff die Augen zusammen. »Hier gibt es keine Logik!«

»Doch«, begehrte Bluma auf. »Die gibt es immer.«

Darius schaffte sich Raum. »Der Hüne und der Zwerg wollten nichts Böses. Sie beschützten die Wirtin, denn sie sind edle, gute Männer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Dandorier Edelmut bestraft.«

»Deshalb wurde einem meiner besten Männer ein Bein abgeschlagen? Edelmut ist etwas für Geschichten und Lieder. In der Realität sorgt Edelmut für Ärger und Blut. Das brauchen wir nicht in dieser Stadt«, fuhr der Halbling auf. Er tat, als überlege er, dann sagte er sehr leise, sehr hart, schneidend und sehr deutlich: »Wir werden den Blonden und den Zwerg mitnehmen. Sie werden eingesperrt. Wir werden den Vorfall untersuchen. Wenn nichts an der Sache ist, sind sie morgen wieder frei, anderenfalls werden sie sterben. So einfach ist das!«

Groppel mischte sich ein. Sein fassförmiger Körper schob sich zwischen Connor, Frethmar und die Gardisten. »Das is’ mein Laden. Ich bin hier der Herr. Ich will nich, dass meine Gäste so behandelt werden. Bisher war es imma so, dass ich Hausrecht hab. Geht raus und lasst die guten Leute in Ruhe!«

Der Halbling schüttelte den Kopf, als wundere er sich über die Frechheit des Wirtes: »Dir scheint noch nicht klar zu sein, wer die Herren von Dandoria sind?«

»Nee!«

»Bei den Göttern, bist du dämlich. Das sind wir, die Gardisten. Es wird Zeit, dass du das kapierst, Schwachkopf. Und dass du begreifst, dass du dich aus so was raus hältst.«

»Will ich nich’.«

»Dann hast du ein Problem, Groppel.«

»Nix hab ich das. Is’ mein Laden. Haut ab. Ich will euch hier nich’ sehen.«

Groppel streckte die Arme aus, als wolle er den Halbling nach draußen, in den Sonnenschein stoßen. Ein Schwert zischte und Groppel sank zusammen. Blut spritzte aus seiner Kehle.

»NEIN!«, schrie Darius. Er sprang nach vorne und schob Connor und Frethmar weg. Er ging in die Hocke und beugte sich über den Sterbenden.

»Was geschah mit dem Anwalt? Wer ist Agaldir? Wo finden wir ihn?«, stieß er hervor. »Was geschah mit dem Anwalt? Bitte – bitte sage es mir!«

Groppel röchelte.

Mörte kreischte und raufte ihr Haar. Ihre hellen Töne füllten die Schenke. Der verletzte Gardist erwachte und fiel in das Geschrei ein. Noch mehr Blut sammelte sich im Stroh.

Groppel zitterte am ganzen Körper. Seine Lippen öffneten sich. »Der Anwalt – der Anwalt … er … er …«

Mörte stieß Darius weg. Sie warf sich über ihren Mann. Sie heulte wie ein waidwundes Tier.

Darius gab nicht auf. »Was?« brüllte er. »Was geschah mit dem Anwalt? Sage es mir, sage es mir!«

Bob kam zu ihm und seine Hand lag auf Darius’ Schulter. »Lass ihn. Wenn er es weiß, wissen es auch andere in Dandoria.«

Darius schüttelte Bobs Hand ab und fuhr herum. Seine Augen blitzten. Aus seinen Haaren lief Schweiß. »Misch dich nicht ein«, zischte er und Bob wich erschrocken zurück.

»Was habt Ihr getan?«, schluchzte Mörte und sah mit tränennassem Gesicht auf. »Er war ein friedliebender Mann.«

Groppel bäumte sich auf und holte zum letzten Mal Luft.

Der Halbling, Störmer, beobachtete die Szene schweigend. Dann sagte er: »Festnehmen!«

Er winkte ein Dutzend Männer herein, die Connor und Frethmar in Fesseln legten und wegbrachten.

 

 

 

 

 

 

 

Im Schatten der Drachen
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