11.4. Die nächste Generation von Riesenteleskopen
Die Tatsache, dass die neuen Durchmusterungen viele extrem schwache Objekte im Halo und in diversen Zwerggalaxien identifizieren werden, stellt die Astronomie vor eine große Herausforderung – wenn zusätzliche spektroskopische Beobachtungen nötig werden. Gleichzeitig provoziert dieses Problem aber den Wunsch, diese Grenzen zu überwinden, um weiter als je zuvor in den Kosmos schauen zu können.
Doch die Möglichkeiten für hochauflösende Spektroskopie dieser zu schwachen und somit momentan unbeobachtbaren Sterne könnten in den nächsten zehn Jahren durchaus steigen: Mit der nächsten Generation von riesigen optischen Teleskopen. Sie werden über einen Spiegeldurchmesser von mehr als 25 m verfügen und somit hervorragend für die hochauflösende Beobachtung von interessanten Objekten geeignet sein, die uns heute noch vollständig unzugänglich sind.
Zur Zeit sind drei solcher Teleskopriesen in der detallierten Planung: ein europäisches und zwei amerikanische. Das »European Extremely Large Telescope« (E-ELT) soll 39 m Durchmesser haben, was durch das Zusammenspiel von fast tausend sechseckigen 1,4 m-Spiegeln erreicht wird. Der Gesamtspiegel wird dann wie eine riesige Bienenwabe aussehen. Das Projekt wird von der Europäischen Südsternwarte (ESO) geleitet, die schon seit langem eine ganze Reihe von Teleskopen in Chile betreibt. Es ist geplant, dass das E-ELT auf dem 3000 m hohen Berg Cerro Armazones im zentralen Teil der Atacamawüste im Norden Chiles stehen wird. Dieser Standort befindet sich 130 km südlich der Stadt Antofagasta und ist nur ca. 20 km vom Cerro Paranal entfernt, auf welchem das Very Large Telescope der ESO steht.
Der Spiegel des »Thirty Meter Telescope« (TMT) soll aus 492 Segmenten bestehen, die sich zu einem 30 m-Spiegel zusammensetzen lassen. Die Universitäten in Kalifornien (USA) zusammen mit Partnern aus Kanada, Japan, China und Indien sind an diesem Teleskopbau beteiligt. Zusammen mit anderen Teleskopen, wie dem Subaru- und den Keck-Teleskopen, wird es auf dem 4000 m hohen Mauna Kea auf der hawaiianischen Insel »Big Island« stehen.
Das »Giant Magellan Telescope« (GMT) wird einen Spiegeldurchmesser von 25 m besitzen. Das Design unterscheidet sich von dem der anderen Teleskope dadurch, dass die Einzelspiegel nicht eckig und relativ klein sind, sondern dass es sieben große 8,4 m Spiegel geben wird, die wabenförmig zusammengesetzt werden. Ein Spiegel ist dabei in der Mitte platziert, und sechs weitere werden außen herum angeordnet. Die Einzelspiegel sind dabei so groß wie die der größten heutigen Teleskope. Farbabbildung 11.B zeigt, wie dieses riesige Teleskop aussehen wird. Der Standort wird auch Chile sein, aber am Las Campanas-Observatorium, das derzeit die beiden Magellan-Teleskope beherbergt. Der obere Teil des dortigen 2500 m hohen Cerro Las Campanas wird schon abgeflacht, um dort eine große Ebene für den Bau dieses Teleskops zu schaffen. Das GMT wird von einer Gruppe aus der amerikanischen Carnegie Institution for Science ausgeführt, zusammen mit Partnern aus mehreren US-Bundesstaaten, Australien und Korea.
Abb. 11.B
Die Planung und Konstruktion dieser neuen, aufregenden Teleskope ist aber teuer und kostet pro Teleskop etwa eine Milliarde US-Dollar. Das Betreiben einer solchen Einrichtung über 10 Jahre hinweg kostet gleich noch einmal so viel. Deswegen sind alle diese Projekte große internationale Angelegenheiten mit vielen Partnerinstituten, um sicherzustellen, dass eines Tages tatsächlich Sternlicht auf diese Riesenspiegel fällt.
Das TMT und das GMT sollen gegen 2018 fertig werden, während das E-ELT einige Jahre später folgen wird. Sie werden mit verschiedenen Instrumenten ausgestattet sein. Neben monströsen Digitalkameras wird es erfreulicherweise auch einen hochauflösenden optischen Spektrographen geben, zumindest am GMT und später vielleicht auch an den beiden anderen Teleskopen. An der Entwicklung des Konzeptes für diesen GMT-Spektrographen war auch ich beteiligt, indem ich ein internationales, etwa zwanzigköpfiges Team von Wissenschaftlern leitete. Unsere Aufgabe war es, eine detaillierte Beschreibung der neuartigsten und vielversprechendsten wissenschaftlichen Projekte von der Suche nach erdähnlichen Planeten über die metallärmsten Sterne bis zu hochrotverschobenen Gaswolken anzufertigen. Die dafür benötigten Instrumentspezifikationen wurden direkt mit dem Designteam diskutiert und dann umgesetzt, um die vorgesehenen wissenschaftlichen Projekte zu ermöglichen. Mit Begeisterung entwickelten wir Pläne, wie auf bisher unbeantwortete Fragen mit dem neuen Spektrographen Antworten gefunden werden können. Es war spannend, sich dabei vorzustellen, wie viele neue Entdeckungen so vielleicht bald möglich werden.
Denn mit diesem Instrument werden wir Spektroskopiker sehr weit in den Halo hinausschauen und die chemische Komposition der metallärmsten Sterne weit draußen im Halo bestimmen können. Wir werden weitere Sterne in den kleinen Zwerggalaxien beobachten und zu Galaxien vordringen können, die sich sogar in der weit ausgedehnten Lokalen Gruppe befinden. Wir werden einzelne Sterne in den beiden Magellan’schen Wolken auf ihre Zusammensetzung hin untersuchen und die wahrscheinlich von Kollisionen geprägte Entstehungsgeschichte dieser beiden Galaxien dokumentieren können.
Wir werden aber auch extrem hohe Datenqualitäten erlangen, wenn wir hellere Sterne mit diesen Teleskopriesen beobachten. Das könnte uns zu großartigen neuen Ergebnissen in der nuklearen Astrophysik führen. Denn um die kleinsten spektralen Details sichtbar zu machen, braucht man exzellente Daten mit sehr hohem Signal-Rausch-Verhältnis. Sterne mit Uran könnten dann ausreichend beobachtet werden, so dass wir ihr Alter bestimmen können. Dies funktioniert heutzutage nur bei sehr hellen Sternen. Alle diese Beobachtungen würden unseren Horizont im wahrsten Sinne des Wortes erweitern, da sie uns etwas über die Geschichte der frühen chemischen Entwicklung mitteilen und somit ungeahnte Einblicke in die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Galaxienarten ermöglichen.
Alle diese zukünftigen Beobachtungen werden dann hoffentlich vor dem Hintergrund von einem verbesserten theoretischen Verständnis der ersten Sterne und Galaxien, von Supernovae und Elementsynthese, Gasmischungsprozessen und Sternentstehung detailliert interpretiert werden können. Neue Generationen von ausgeklügelten Computersimulationen, die auf extrem schnellen Supercomputern gerechnet werden können, werden zukünftig eine direkte Untersuchung der chemischen Entwicklung und der daran beteiligten physikalischen und dynamischen Prozesse von Sternsystemen, wie z.B. der allerersten Galaxie, ermöglichen. Solche komplexen Simulationen werden helfen herauszufinden, ob oder inwieweit die lichtschwächsten Zwerggalaxien mit den allerersten Galaxien verwandt sind und ob Galaxien wie diese Überlebenden tatsächlich die »Originalbausteine« des galaktischen Halos sind.