3.1. Der Kreislauf der Materie im Universum

Ein Materiekreislauf von wahrhaft kosmischen Ausmaßen bildet die Grundlage für die Bildung und Entwicklung aller Sterne und Galaxien im Universum. Ein Überblick über diesen gigantischen Kreislauf, der in Abbildung 3.1 dargestellt ist, erleichtert das anfängliche Verständnis.

Abb. 3.1 : Der kosmische Materiekreislauf: Aus dem interstellaren Gas werden Sterne gebildet. Während ihrer Entwicklung werden neue Elemente in ihrem Inneren synthetisiert, die entweder durch Sternwinde, Planetarische Nebel oder Supernovaexplosionen wieder an das interstellare Medium zurückgegeben werden. Jede nachfolgende Sterngeneration besitzt deswegen einen etwas höheren Gehalt an schweren Elementen, »Metallen«, da sie aus einem immer weiter angereicherten interstellaren Medium gebildet wurden.

Der Materiekreislauf begann einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall mit der Bildung der ersten riesigen Sterne. Sie entstanden aus gigantischen Gaswolken, die unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabierten und so das Gas zu einem Stern verdichteten. Zu dieser Zeit bestand das Universum noch aus der primordialen Materie, also aus rund 75% Wasserstoff, 24% Helium und Spuren von Lithium. Nach einem kurzen Leben von nur wenigen Millionen Jahren explodierten diese ersten Elementfabriken bald als mächtige Supernovae. Die schon zu Lebzeiten der Sterne und besonders während ihrer Explosionen neugebildeten Elemente wurden von der Wucht dieser Supernovae nun weit ins All geschleudert. Die zunächst noch »unverschmutzte« primordiale Materie wurde damit durch die erste Generation von Sternen schlagartig für immer verändert. Die chemische Entwicklung war eingeleitet worden.

Die Existenz neuer Elemente im Universum hatte weitreichende Konsequenzen. So hängen z.B. die chemischen und physikalischen Eigenschaften jedes Gases von seiner jeweiligen chemischen Zusammensetzung ab. Man kann sich das Universum zu diesem Zeitpunkt wie einen großen Suppentopf vorstellen. Eine klare Brühe köchelt langsam vor sich hin. Wenn man etwas davon kosten würde, würde es wahrscheinlich eher fad schmecken. Was fehlt? Etwas Salz natürlich. Die Elemente, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium, sind für das Universum, was das Salz für die Suppe ist. Nur in kleinsten Mengen vorhanden, verändern sie doch den »Geschmack«, also das Verhalten des Gases enorm.

Mit dem Vorhandensein dieser ersten schwereren Elemente kam der Materiekreislauf dann richtig in Schwung. Eine nächste Generation von Sternen bildete sich nun aus einem Gasgemisch, das eine etwas andere chemische Zusammensetzung hatte als das der allerersten Sterne zuvor. Diese neuen Sterne bestanden also nicht mehr aus primordialer Materie, sondern aus »gesalzenem« Gas.

Dank der neuen Elemente konnte das Gas erstmals so weit abkühlen, dass auch immer kleinere Anteile einer Gaswolke zu Sternen kollabierten. So konnten leichtere Sterne als die Kolosse der ersten Sterngeneration gebildet werden. In ihrem Inneren produzierten alle Sterne zur Energiegewinnung neue Elemente. Die massereicheren dieser zweiten und der darauf folgenden Stern-Generationen beendeten ihre kurzen Leben in enormen Supernovaexplosionen. Das neu synthetisierte Material wurde durch diese Explosionen wieder in das interstellare Gas gemischt. Dieser chemische Anreicherungsprozess wiederholte sich von einer Generation zur nächsten über viele Milliarden von Jahren hinweg.

Die schwereren Elemente wurden nicht nur während der Supernovaexplosionen schwerer Sterne ins All verstreut, sondern auch durch sogenannte Sternwinde. Sterne blasen kontinuierlich Gas von ihrer Oberfläche in den Weltraum. So können noch während der Sternentwicklung, also zu »Lebzeiten« eines Sterns, signifikante Mengen z.B. an Kohlenstoff von der Sternoberfläche an das interstellare Medium abgegeben werden. Auch die Sonne verliert durch ihren Sonnenwind geringe Mengen ihres Oberflächenmaterials.

Dieser Masseverlust spielt für die meisten Sterne jedoch zunächst keine große Rolle. In späteren Entwicklungsphasen kann ein Stern, der nicht schwer genug ist, um als Supernova zu explodieren, durch das Abströmen von Oberflächenmaterial dann doch entscheidend verändert werden. Anstatt zu explodieren, stoßen diese leichteren Sterne am Ende ihres Lebens ihre Wasserstoffhülle nahezu vollständig ab. Diese abströmende Hülle kann man bei einigen Sternen direkt beobachten; man nennt sie Planetarische Nebel. Alle neuen Elemente, die während der früheren Entwicklung eines solchen Sterns aus seinem Inneren in die Hülle gemischt wurden, werden mit dem Verlust der Hülle an das interstellare Medium zurückgegeben. Der übrig gebliebene Kern des Sterns ist ein sogenannter Weißer Zwerg. Er besteht größtenteils aus Helium oder Kohlenstoff und Sauerstoff.

Im Gegensatz zu Sternen laufen in Weißen Zwergen keine Kernreaktionen mehr ab. So kühlen sie immer weiter ab, bis sie so kalt und dunkel wie das Universum selbst sind. Ist ein Weißer Zwerg jedoch Teil eines engen sogenannten Doppelsternsystems, kann die Geschichte auch völlig anders enden. Denn wenn der Weiße Zwerg durch zusätzlichen Massentransfer von seinem Begleitstern schwerer als die Sonne wird, bricht er schlagartig unter seiner eigenen Schwerkraft zusammen und explodiert dabei als energiereiche Supernova. Diese Explosion wird durch unkontrolliert ablaufende Kernreaktionen hervorgerufen, die das ursprüngliche Material des Weißen Zwerges vollständig in schwerere Elemente bis hin zu Eisen umwandeln. Diese neu erzeugten Elemente werden dann auch in das interstellare Medium zurückgegeben.

Nicht alle Arten von Sternen und Supernova-Explosionen erzeugen komplett alle Elemente des Periodensystems. Diese »Arbeit« ist unter den verschiedenen Sternarten und unterschiedlichen Supernovaexplosionen aufgeteilt. Aber meistens werden doch relativ umfangreiche Gruppen von Elementen synthetisiert, wie in Kapitel 3.3 im Detail beschrieben ist. Dabei spielen die verschiedenen Nukleosyntheseprozesse eine entscheidende Rolle, weil sie letztendlich bestimmen, welche Elemente synthetisiert werden können und in welchen Mengen.

Von den Elementen, die schon seit der Geburt eines Sterns in seiner Gashülle vorhanden sind, sind aber aus atomphysikalischen und auch diversen technischen Gründen nicht alle vermessbar. Dennoch ist es möglich, bis zu etwa 65 Elemente in bestimmten Sternarten zu detektieren. Insgesamt sind 83 Elementhäufigkeiten für die Sonne gemessen worden: 64 aus der sogenannten Spektralanalyse sowie 19 weitere aus Meteoriten, von denen angenommen wird, dass sie aus dem gleichen Gasnebel wie die Sonne gebildet wurden.

Es sind also die Sterne, die den Materiekreislauf stetig und verlässlich bis heute vorantreiben. Sie sind für die kosmische Produktion von Elementen verantwortlich, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind. Dadurch steigt der Gesamtgehalt der Elemente in jeder Galaxie, aber auch im Universum als Ganzem, mit der Zeit immer weiter an. Als Konsequenz verfügt jede neue Sterngeneration über eine winzige Menge mehr an schwereren Elementen als die vorhergehende.

Die Sonne spiegelt diese chemische Entwicklung wider: Sie besitzt relativ große Mengen aller Elemente, denn sie wurde »erst« vor 4,6 Milliarden Jahren aus Gas geboren, das schon von vielen anderen Sternen vor ihr angereichert worden war. Denn bei der chemischen Entwicklung war es nicht möglich, das neu synthetisierte Material in großem Stil wieder zu vernichten. Der einzige Weg, um diesem Gaskreislauf wieder größere Mengen an Elementen zu entziehen, verläuft über kompakte Sternüberreste wie Weiße Zwerge, Neutronensterne, Schwarze Löcher oder auch Planeten. Aber letztlich überwog die Elementproduktion in Sternen bei weitem. Weitere Details zu allen diesen Vorgängen werden ausführlicher in den nachfolgenden Kapiteln betrachtet.

Wir Menschen haben also nicht nur eine lange biologische Evolutionsgeschichte auf dem Planeten Erde hinter uns, sondern auch eine kosmo-chemische Entwicklung der Elemente in unserer Galaxie, die den Weg für die Existenz der Sonne, der Erde und letztendlich von Leben bereitet hat. Carl Sagans Botschaft »Wir sind Sternenstaub« fasst prägnant zusammen, dass wir Menschen gemeinsam mit der Sonne und unserem Sonnensystem an der chemischen Entwicklung teilnehmen. Denn als Nachfahren der Sterne tragen wir ihre kosmischen Gene in uns, die chemischen Elemente.

Auf der Suche nach den ältesten Sternen
titlepage.xhtml
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_000.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_001.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_002.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_003.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_004.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_005.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_006.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_007.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_008.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_009.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_010.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_011.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_012.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_013.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_014.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_015.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_016.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_017.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_018.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_019.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_020.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_021.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_022.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_023.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_024.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_025.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_026.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_027.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_028.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_029.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_030.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_031.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_032.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_033.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_034.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_035.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_036.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_037.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_038.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_039.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_040.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_041.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_042.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_043.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_044.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_045.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_046.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_047.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_048.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_049.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_050.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_051.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_052.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_053.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_054.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_055.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_056.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_057.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_058.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_059.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_060.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_061.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_062.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_063.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_064.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_065.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_066.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_067.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_068.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_069.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_070.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_071.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_072.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_073.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_074.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_075.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_076.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_077.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_078.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_079.html
CR!5J7X5D5G2S1F50MX0VE0QD1EBFJB_split_080.html