3.2. Die Astronomen und ihre Metalle

In der Astronomie ist man sehr darauf bedacht, möglichst viele Begebenheiten und Eigenschaften des Kosmos vereinfacht zu beschreiben, denn auch so ist das Universum immer noch kompliziert genug. Ein Beispiel ist die chemische Zusammensetzung eines Sterns. Um sie kurz und einfach zu beschreiben, wurde schon vor langer Zeit eine simple Notation eingeführt: »X« beschreibt, welchen Anteil der Wasserstoff an der Gesamtmasse des Sterns hat, »Y« den Heliumanteil, und unter »Z« werden alle restlichen Elemente summiert, die in der Astronomie kurz und knapp als »Metalle« bezeichnet werden. Mit Hilfe von X, Y und Z kann dann sozusagen das »Periodensystem der Astronomen« zusammengestellt werden. Es ist in Abbildung 3.2 gezeigt.

Beim Anblick des Begriffs »Metalle« muss wohl jeder Chemiker mit den Augen rollen, weil im chemischen Sinn bei weitem nicht alle Elemente Metalle sind. Aber jedes Feld hat eben so seine Eigenheiten. Die Astronomie ist sicher eines der eigenwilligeren Gebiete, denn auch heute ist sie noch sehr von historischen Klassifikationen, Notationen und Gebräuchen geprägt. Neue Definitionen setzen sich nur langsam durch.

Abb. 3.2 : Das Periodensystem der Astronomen. Drei Dinge sind wichtig im Universum: Wasserstoff, Helium und Metalle.

Die chemische Zusammensetzung eines Sterns kann also durch die Angaben von X, Y und Z charakterisiert werden. Ein typisches Zahlenbeispiel für die Werte von X, Y und Z liefert unsere Sonne mit X ~ 0,715, Y ~ 0,27 und Z ~ 0,014. Da sich ein Stern aus einer interstellaren Gaswolke bildet, entspricht seine Zusammensetzung der der Wolke, die selbst hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium besteht (X ~ 0, 75 und Y ~ 0, 24). Dies erklärt, warum der Anteil der Metalle, also Z, an der Gesamtmasse eines Sterns immer extrem niedrig ist. Die Werte von Z schwanken dabei je nach Stern zwischen Z ~ 0,000001 und Z ~ 0,04.

Trotz dieses scheinbar vernachlässigbaren Anteils der Metalle bezeichnet Z eine fundamentale messbare Eigenschaft eines Sterns. Er liefert die ausschlaggebende Information, um den Stern chemisch zu klassifizieren, denn es ist lediglich Z, worin sich letztendlich alle Sterne unterscheiden. Wie schon Kirchhoff, Bunsen oder auch Huggins vor mehr als 100 Jahren, wollen Astronomen auch heutzutage die chemische Zusammensetzung von Sternatmosphären und die Häufigkeiten der darin befindlichen Elemente bestimmen. Was der beobachtende Astronom letztlich bestimmen kann, sind jedoch nicht die Massenanteile X, Y und Z, sondern die Anzahldichten der entsprechenden Elemente, die sich über die Atomgewichte und die Dichte des Gases im Prinzip ineinander umrechnen lassen. In der Praxis ist die Dichte des Gases jedoch oft nicht genau genug bekannt.

Zum Glück verändern sich die Werte von X und Y, die an der Sternoberfläche gemessen werden, bei den meisten Sternen bis kurz vor ihrem Lebensende kaum oder gar nicht. Erst wenn Sterne am Ende ihrer Entwicklung ihre äußere Wasserstoffhülle abstoßen, kommen tiefer liegende, heißere Gasschichten, in denen Wasserstoff zu Helium fusioniert wurde, zum Vorschein. Dadurch werden die inneren Schichten des Sterns beobachtbar, wodurch der Wert von X dramatisch abnimmt, während der von Y stark zunimmt. Da aber alle Sterne während ihrer Entwicklung etwa das gleiche X und Y besitzen, zeigen solche drastischen Veränderungen eindeutig das Ende eines Sternlebens an.

Die Menge der Metalle, also Z, kann für jeden Stern bestimmt werden, wie es in Kapitel 7 beschrieben wird. Diese Menge wird auch Metallizität genannt. Die Metallizität eines Sterns hängt vor allem davon ab, wann der Stern geboren wurde. Wie in Abbildung 3.3 gesehen werden kann, war das Universum zu Frühzeiten noch »metallarm«. Nur wenige Supernova-Generationen hatten zu jener Zeit für eine Elementproduktion gesorgt. Dementsprechend wurden damals Sterne mit extrem niedrigen Metallhäufigkeiten aus diesem metallarmen Gas gebildet. Sie werden als metallarme Sterne bezeichnet.

Abb. 3.3 : Schematische Darstellung der chemischen Entwicklung. Kurz nach dem Urknall wird die primordiale Materie stückweise mit den neu synthetisierten Elementen durch Supernovae und Sternwinde angereichert. Die metallärmsten Sterne entstanden im metallarmen frühen Universum.

Der Begriff »metallarmer Stern« ist ein grundlegender und sehr gebräuchlicher Ausdruck in der Stellaren Astronomie. Sterne mit einer Metallizität, die niedriger als ein Zehntel von der der Sonne ist, werden generell als metallarm bezeichnet. In vielen Fällen werden wir noch über wesentlich metallärmere Sterne sprechen wie die sogenannten extrem metallarmen Sterne. Sie haben weniger als ein Tausendstel an Z verglichen mit der Sonne. Dies bedeutet, dass nur ca. 0,001% der Atome in diesen Sternen schwerer als Wasserstoff und Helium sind. Um die Metallizitätsklassen zu veranschaulichen, sind in Tabelle 3.1 Definitionen für verschiedene metallarme Sterne aufgelistet.

Tabelle 3.1 : Definitionen für metallarme Sterne

Typ
Definition
Sonne
der Referenzstern
Metallarm
1/10tel des solaren Eisengehalts
Sehr metallarm
1/100stel des solaren Eisengehalts
Extrem metallarm
1/1000stel des solaren Eisengehalts
Ultra metallarm
1/10 000stel des solaren Eisengehalts
Hyper metallarm
1/100 000stel des solaren Eisengehalts
Mega metallarm
1/1 000 000stel des solaren Eisengehalts

Anhand der Metallizität kann im Prinzip darauf geschlossen werden, ob der Stern eher jung oder eher alt ist. Generell gilt: Je niedriger die Metallizität, desto früher muss der Stern gebildet worden sein. Die Sonne dient uns dabei als Referenzstern und ist als »Nullpunkt« definiert, obwohl sie schon ca. 4,6 Milliarden Jahre alt ist. Dementsprechend gibt es junge Sterne, die eine höhere Metallizität als die Sonne haben. Sie werden oft als supermetallreich bezeichnet, und der höchste bekannte Wert liegt beim Dreifachen des solaren Wertes. Die niedrigste bekannte Metallizität liegt grob bei einem Hunderttausendstel des Sonnenwertes. Genau diese metallarmen Sterne sind die Botschafter des frühen Universums, die uns zurück in die Zeit kurz nach dem Urknall führen.

Der Erfolg der Stellaren Archäologie basiert auf der grundlegenden Annahme, dass metallarme Sterne aus Gas im frühen Universum gebildet wurden und dieses Gas bis heute in ihren äußeren Schichten unverändert geblieben ist. Indem wir die Sterne als langfristige Gas-Konserven betrachten, können wir noch heute die Zusammensetzung des ursprünglichen Gases bestimmen. Aus dem Verhalten der chemischen Häufigkeiten der verschiedenen Sterne können wir dann die Anreicherungsgeschichte dieses Gases durch die Zeit verfolgen und weitere seiner Eigenschaften ableiten. Indem wir Sterne mit verschiedenen Metallizitäten untersuchen, können wir die chemische Entwicklung des Universums bis hin zur Entstehungszeit der Sonne vor 4,6 Milliarden Jahren und darüber hinaus genau zurückverfolgen. Diese Details der Vergangenheit können nur mit Hilfe von alten, metallarmen Sternen gewonnen werden, was sie zu einem wertvollen Hilfsmittel in der Astronomie macht.

Diese Informationen liefern wichtige Einblicke in die ersten Sternentstehungsvorgänge und natürlich in die Nukleosyntheseprozesse, die für die Produktion der ersten Metalle verantwortlich waren. Die Bildung von schwereren Elementen aus leichteren wird als Nukleosynthese bezeichnet. Es ist spannend, dem Ursprung der chemischen Elemente auf der Spur zu sein, denn wir Menschen mit ca. 30 Elementen in unserem Körper sind ja das Ergebnis dieses Jahrmilliarden andauernden Produktionsprozesses.

Auf der Suche nach den ältesten Sternen
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