3.3. Element-Nukleosynthese in der kosmischen Küche
Die Astronomie wird oft als Teilgebiet der Physik betrachtet und somit Astrophysik genant. Aber es gibt noch weitere Arbeitsbereiche, bei denen die Astronomie an andere Wissenschaften angrenzt wie z.B. die Chemie (Astrochemie), die Biologie (Astrobiologie) und natürlich auch an die Informatik (Computersimulationen und statistische Analysen). Das astronomische Forschungsgebiet der alten Sterne ist eng mit den chemischen Elementen und ihrer Entstehung verbunden. Allerdings nicht so sehr mit den Eigenschaften der Elemente, sondern eher mit der Kernchemie und dadurch auch mit der Kernphysik, da die physikalischen Vorgänge rund um die Atomkerne von großem Interesse sind. Astronomen, die speziell mit Sternen und deren chemischer Zusammensetzung arbeiten, werden so zu Experten für die Entstehungsprozesse der Elemente. Sie beschäftigen sich dabei mit den Atomen und deren Eigenschaften, um ihren Ursprung zu erforschen. Zusammengefasst wird dieses Gebiet oft als nukleare Astrophysik bezeichnet.
Bei der Erforschung der Elemente wird uns von nun an das Periodensystem der Elemente auf unserer kosmischen Reise ein ständiger Begleiter sein. Auch ich habe in meinem Büro das Periodensystem als Platzdeckchen unter meiner Tastatur liegen. Ab und zu muss ich mal schnell nachschauen, welche Kernladungszahl denn z.B. Thulium, ja genau, Thulium, nun genau hat. 67? 68? 69? Ah, 69 natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen?!?
Ein Blick auf des Periodensystems in Abbildung 3.4 zeigt, wie geschickt und aufschlussreich es aufgebaut ist. Jedes Element hat seinen Namen, welcher meistens in abgekürzter Form in dem jeweiligen kleinen Kästchen angegeben ist. Weiterhin werden die Kernladungszahl und das Atomgewicht angegeben. Die Kernladungszahl, auch Ordnungszahl genannt, gibt an, wie viele Protonen ein Atom dieses Elements hat. Jedes Atom setzt sich nämlich aus drei verschiedenartigen Teilchen zusammen: Protonen, Neutronen und Elektronen. Protonen und Neutronen machen den Kern eines Atoms aus, während sich die Elektronen in der Umgebung der Atomkerne bewegen. Um die positive Ladung eines Protons auszugleichen, hat ein Atom genauso viele negativ geladene Elektronen wie Protonen.
Abb. 3.4 : Das Periodensystem der Elemente.
Einige Beispiele für Atomkerne sind in Abbildung 3.5 dargestellt. Das Atomgewicht (oder auch die Massenzahl) gibt dann das Gesamtgewicht aus Protonen, Neutronen und Elektronen an. Elektronen wiegen aber im Vergleich zu Protonen und Neutronen nur extrem wenig und tragen daher zum Atomgewicht nur geringfügig bei. Das Wasserstoffatom ist das leichteste Atom und hat nur ein Proton in seinem Kern. Somit ist ein Proton zugleich ein ionisiertes Wasserstoffatom. Wenn der Astronom von einem ionisierten Atom spricht, dann meint er, dass das Atom eines oder mehrere Elektronen aus seiner Hülle verloren hat. Da Wasserstoff nur ein einziges Elektron besitzt, bleibt im Fall einer Ionisation nur das Proton übrig. Dieses Elektron könnte z.B. von einem Photon mit genügend hoher Energie herausgeschlagen worden sein.
Abb. 3.5 : Atomkerne verschiedener Elemente. Wasserstoff (H), Helium (He) und Lithium (Li) stammen aus dem Urknall. Kohlenstoff (C), Magnesium (Mg), Kalzium (Ca) und Eisen (Fe) wurden erst später in Sternen synthetisiert.
Helium hat zwei Protonen, Lithium hat drei Protonen und so weiter. Die Anzahl der Protonen eines Atomkerns bestimmt also, um welches Element es sich handelt. Wasserstoff hat die Kernladungszahl 1, Helium 2 und Lithium 3. Das Periodensystem der Elemente ordnet alle chemischen Elemente nach der Anzahl ihrer Protonen, also nach ihrer Kernladungszahl. Daher auch der Name Ordnungszahl. Ein »Element« ist somit nur der Namensgeber für einen Atomkern mit einer ganz bestimmten Anzahl von Protonen und Neutronen. »Leichte« Elemente, also Atome, die nur aus wenigen Protonen und Neutronen bestehen, befinden sich im oberen Teil des Periodensystems. Protonen- und neutronenreichere, »schwerere« Elemente sind im unteren Teil anzutreffen.
In der Chemie interessiert man sich mehr für die stofflichen Eigenschaften der Elemente und Elementgruppen. So machen die Elemente einer Spalte im Periodensystem eine Gruppe aus. Alle Elemente einer Gruppe haben ähnliche chemische Eigenschaften, da die äußerste Schale ihrer Elektronenhüllen dieselbe Anzahl Elektronenhüllen besitzt. Die in einer Reihe nebeneinanderstehenden Elemente werden Perioden genannt. Sie sind für die nukleare Astrophysik besonders interessant und für die Entstehungsgeschichte der einzelnen Elemente ausschlaggebend. Denn ähnlich schwere Atome werden im gleichen oder in ähnlichen nukleosynthetischen Prozessen in Sternen und deren Explosionen erzeugt. Einige bestimmte Elementgruppen, mit denen Astronomen in diesem Zusammenhang immer wieder arbeiten, sind in Tabelle 3.2 aufgelistet.
Wie läuft nun die Elementsynthese im Detail ab? Da ist zunächst ein Blick in die innere Struktur und Energieerzeugung eines Sterns hilfreich. Denn vereinfacht gesehen ist ein Stern ein riesiges, kugelförmiges Objekt im All, welches aus heißem, ionisiertem Gas, also einem Plasma, besteht. Die Sonne ist ein gutes Beispiel für einen typischen Stern, anhand dessen die diversen Vorgänge bei der Elementproduktion erläutert werden können.
Um überhaupt über längere Zeit existieren zu können, muss sich ein Stern im Gleichgewicht befinden: Die Schwerkraft, die die Materie zum Zentrum hin zieht, und die Druckkraft des heißen Sterngases, die das Gas auseinander treibt, müssen sich die Waage halten. Abbildung 3.6 stellt diesen ständigen Wettstreit der Kräfte dar. Ein Stern, bei dem dieses Gleichgewicht gestört ist, stürzt entweder in sich zusammen oder fliegt auseinander.
Tabelle 3.2 : Wichtige Elementgruppen in der nuklearen Astrophysik
Elementgruppe |
Elemente und Ordnungszahlen |
Entstehungsort |
CNO-Elemente |
C ( 6), N (7), O (8) |
Riesensterne |
α-Elemente |
Mg ( 12), Si (14), Ca (20), Ti (22) |
Letzte Stadien während der Sternentwicklung |
Eisengruppenelemente |
Sc ( 21), V (23) – Zn (30) |
Während der Sternentwicklung und der Supernovaexplosion |
Neutroneneinfangelemente |
s-Prozess in weit entwickelten Riesensternen und r-Prozess in Supernovaexplosionen |
|
– leicht |
Sr ( 38) – Sn (50) |
|
– schwer |
Ba ( 56) – U (92) |
Abb. 3.6 : Bei einem Stern müssen sich die nach außen gerichtete Druckkraft und die nach innen gerichtete Gravitationskraft die Waage halten. Nur so bleibt der Stern im Gleichgewicht und stürzt weder zusammen, noch fliegt er auseinander.
An seiner Oberfläche strahlt der Stern jedoch jede Menge Energie in das Universum ab. Wenn der Stern diese verlorene Energie nicht ständig ersetzen könnte, würde dies zu einer Abkühlung des Gases und somit zu einem Druckverlust führen. Der Stern würde kollabieren. Als Energiequelle verwendet der Stern die Kernreaktionen, die in seinem Inneren ablaufen. Bei einer Kernfusion treffen zwei positiv geladene Atomkerne mit hoher Geschwindigkeit aufeinander und bilden einen neuen, schwereren Atomkern. Da sich aber zwei positiv geladene Protonen voneinander abstoßen, muss bei diesem Prozess diese elektrische Abstoßung erst einmal überwunden werden, bevor die auf kurzen Entfernungen stark anziehende Kernkraft wirken kann. Nur dann können sich die Protonen vereinen.
Die für die Kernfusion benötigten Temperaturen entstehen im Sternzentrum durch die Kompression des Gases unter seiner eigenen Schwerkraft. Für eine Wasserstofffusion werden etwa 10 Milliarden Grad benötigt – nur dann kann diese Barriere überwunden werden. Das Zentrum der Sonne ist aber nur etwa 10 Millionen Grad heiß. Wie kann die Fusion dort trotzdem stattfinden? Dank des quantenmechanischen Tunneleffekts kann ein winziger Bruchteil aller Protonen die Barriere auch bei diesen »kühleren« Temperaturen durchtunneln. So verschmelzen genügend Protonen miteinander und gewinnen ausreichend Energie, um die Sonne leuchten zu lassen.
Aber woher kommt die Energie bei der Kernfusion letztlich? Hier liefert Albert Einsteins berühmte Gleichung E = mc2 die Antwort. Die Kernkraft bindet die vier Teilchen eines Heliumkerns sehr stark aneinander. Diese Kraft ist so stark, dass ein Heliumkern leichter als vier einzelne Protonen zusammen ist. Verglichen mit den vier einzelnen Protonen »fehlt« ca. 0,7% der Masse. Diesem anscheinend winzigen Massendefizit (auch Massendefekt genannt) entspricht nach E = mc2 eine Energie, die bei jeder dieser Kernreaktionen freigesetzt wird. Dies ist die Energiequelle der Sonne.
Angenommen, die Sonne würde zu 100% aus Wasserstoff bestehen, und hiervon würden 10% zu Helium fusionieren. Dann würden also 0,7% der 10% Wasserstoff in Energie umgewandelt: Dies entspricht etwa 1044 Joule. Diese Menge an Energie würde der Sonne reichen, um für insgesamt etwa 10 Milliarden Jahre zu scheinen. Die Sonne ist jedoch erst rund 4,6 Milliarden Jahren alt. Sie hat seitdem also noch nicht mal ein Promille ihrer gesamten Masse in Energie umgewandelt. Und das, obwohl sie in jeder Sekunde 4,2 Millionen Tonnen Materie in Strahlung verwandelt. Nur aufgrund all dieser Vorgänge können wir nachts am Himmel die Sterne der Milchstraße überhaupt sehen.
Nach den Arbeiten von Carl Friedrich von Weizsäcker und Hans Bethe um 1939 gibt es zwei Arten, wie Wasserstoff zu Helium fusioniert werden kann: durch die sogenannte Proton-Proton-Kette (p-p-Kette) und den Kohlenstoff(-Sauerstoff-Stickstoff)-Zyklus (CNO-Zyklus). Je nachdem, wie heiß ein Stern ist und wie viel Energie als Gegendruck gegen die Schwerkraft benötigt wird, dominiert einer der beiden Prozesse die Wasserstofffusion. Da unsere Sonne in ihrem Zentrum nicht so heiß wie andere, massereichere Sterne wird, fusioniert sie ihren Wasserstoff hauptsächlich über die p-p-Kette zu Helium.
Tabelle 3.3 : Überblick über Elementarteilchen
Teilchen |
Kommentar |
Protonen |
Positiv geladenes Kernteilchen |
Neutronen |
Ungeladenes Kernteilchen |
Elektronen |
Negativ geladenes leichtes Elementarteilchen, das in der Hülle von Atomen vorkommt |
Positronen |
Positiv geladenes leichtes Elementarteilchen, mit bis auf die Ladung gleichen Eigenschaften wie das Elektron (Antimaterieteilchen des Elektrons); wird bei einem radioaktiven β +-Zerfall freigesetzt |
Neutrinos |
Nahezu masseloses, ungeladenes Elementarteilchen, das bei radioaktiven β-Zerfällen freigesetzt wird |
Photonen |
Lichtteilchen |
Wie in den Teilschritten in Abbildung 3.7 dargestellt ist, verbinden sich bei dieser Reaktion zunächst zwei Protonen zu einem Deuteriumkern, also zu schwerem Wasserstoff. Eines dieser beiden Protonen wandelt sich beim sogenannten inversen β-Zerfall spontan in ein Neutron um und setzt dann ein Positron und ein Neutrino frei. Tabelle 3.3 beschreibt die diversen Teilchen, die an der Nukleosynthese beteiligt sind.
Abb. 3.7 : In der Proton-Proton-Kette werden zwei Wasserstoffatome in drei Schritten zu einem Heliumkern fusioniert. Dabei wird Energie freigesetzt.
Der neu entstandene Deuteriumkern besteht aus einem Proton und einem Neutron. Trifft dann ein solcher Kern wieder auf ein Proton, verschmelzen sie zu einem Heliumisotop (3He), das Energie in Form von hochenergetischen Photonen als γ-Strahlung aussendet.
Das entstandene 3He-Isotop besteht aus zwei Protonen und nur einem Neutron, d.h., die Kernladungszahl ist dieselbe wie die des regulären Heliumatoms (4He), welches aus zwei Protonen und zwei Neutronen zusammengesetzt wird. Die Massenzahl von 3He ist jedoch um 1 niedriger. Wenn zwei 3He-Kerne ihrerseits wieder aufeinandertreffen, verbinden sie sich zu einem 4He-Atom. Die zwei übrigen Wasserstoffkerne werden bei dieser Kernreaktion wieder freigesetzt, so dass sie erneut für die Wasserstofffusion zur Verfügung stehen.
Im Gegensatz zur p-p-Kette müssen für den CNO-Zyklus wenigstens kleine Mengen an Kohlenstoff im Stern vorhanden sein, weil Kohlenstoffkerne als Katalysatoren gebraucht werden. Dieser »Anfangs-Kohlenstoff« kommt gewöhnlicherweise direkt aus der Geburtsgaswolke und ist über den ganzen Stern hin verteilt. Um den in Abbildung 3.8 dargestellten CNO-Zyklus zu starten, werden im Sterninneren dann Temperaturen von ca. 30 Millionen Grad Kelvin benötigt.
In einer ersten Reaktion fusioniert ein Wasserstoffkern mit einem Kohlenstoffkern (12C) zu einem Stickstoffkern (13N). Da diese Art des Stickstoffs radioaktiv ist, zerfällt es in einem sogenannten β+-Zerfall. Dabei wandelt sich ein Proton in ein Neutron um, und zwei leichtere Teilchen, ein Positron und ein Neutrino, werden abgestoßen. Durch diesen Zerfall wird aus dem Stickstoffkern ein Kohlenstoffisotop mit der Massenzahl 13. Dies hat die gleiche Kernladungszahl, aber eine höhere Massenzahl als der Ausgangskern des Kohlenstoffs. Trifft nun wieder ein Proton auf dieses Kohlenstoffisotop, wird daraus ein Stickstoffkern (14N).
Bei einem weiteren Protoneneinfang entsteht daraus ein Sauerstoffkern (15O). Dieser Sauerstoffkern ist wiederum radioaktiv, stößt ein Positron und ein Neutrino ab und verwandelt sich dabei in einen Stickstoffkern mit der Massenzahl 15. Wenn dann schließlich ein letztes Proton auf diesen Stickstoffkern (15N) trifft, kann ein Heliumkern (4He) abgestoßen werden. Heliumkerne werden generell auch α-Teilchen genannt. Bei diesem letzten Vorgang verwandelt sich der Stickstoffkern gleichzeitig wieder in einen Kohlenstoffkern mit der Massenzahl 12, also in den Ausgangskohlenstoffkern.
Der wesentliche Unterschied zwischen der p-p-Kette und dem CNO-Zyklus besteht darin, dass am Anfang der p-p-Kette ein von der Temperatur unabhängiger schwacher Zerfall stattfindet, d.h., die Energieerzeugungsrate der p-p-Kette skaliert nur mit einer kleinen Potenz der Temperatur. Der CNO-Zyklus skaliert mit einer viel höheren Potenz. Dafür sind jedoch die elektrisch abstoßenden Coulomb-Kräfte bei den p-p-Reaktionen dank der geringeren Kernladungszahlen der involvierten Elemente viel kleiner als beim CNO-Zyklus. Bei niedrigen Sterntemperaturen wie denen der Sonne hat die p-p-Kette also einen Startvorteil, der bei steigender Temperatur jedoch schnell von der steileren Temperaturabhängigkeit der CNO-Zyklen wettgemacht wird.
Abb. 3.8 : Im Kohlenstoff(-Sauerstoff-Stickstoff)-Zyklus wird durch insgesamt sechs Schritte Helium aus Wasserstoffatomen synthetisiert.
Prozess der Wasserstofffusion wird in der Astronomie Wasserstoffbrennen genannt. Es verschafft dem Stern für 90% seines Lebens die nötige Energie, um das Gleichgewicht zwischen Schwerkraft und Druckkraft zu gewährleisten. Seine Temperatur, Größe und Helligkeit kann der Stern auf diese Weise während des gesamten Wasserstoffbrennens in seinem Zentrum relativ konstant halten.
Die vom Wasserstoffbrennen freigesetzte Energie wandert nun durch den gesamten Stern vom Zentrum an seine Oberfläche, wo sie dann als Licht abgestrahlt wird. Für den Transport der Energie vom Sternzentrum nach außen hin gibt es mehrere Möglichkeiten: Energietransport durch Wärmeleitung, durch Strahlung oder durch Konvektion. Wärmeleitung findet in Sternen statt, ist aber nicht besonders effizient. Eine andere Transportart ist die der Strahlung, bei der sich die Photonen, die sich eigentlich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, erst einmal durch die Sternmaterie kämpfen müssen. Da die Photonen auf ihrem Weg durch das ionisierte Plasma oft gestreut, verschluckt und wieder ausgesandt werden, ist das Sterninnere für Licht ziemlich undurchlässig. Energietransport durch Strahlung ist daher sehr zeitaufwendig. Außerdem gibt es in allen Sternen Gebiete, die für Photonen völlig undurchlässig sind. Dort übernimmt die sogenannte Konvektion den Energietransport. Dabei wird die Energie durch aufsteigende Gaspakete in Richtung Oberfläche transportiert.
Die Wirkung dieser drei Wärmetransportmechanismen kann jeder anhand einer brennenden Kerze selbst erleben. Hält man seine Finger seitlich neben die Flamme, so spürt man ihre Wärme. Das ist die Wärmestrahlung. Hält man aus derselben Entfernung eine metallene Stecknadel in die Flamme hinein, so verbrennt man sich nach kurzer Zeit die Finger an der Nadel. Das ist Wärmeleitung. Hält man die Finger im selben Abstand über die Flamme, verbrennt man sich die Finger sofort in der aufsteigenden heißen Luft. Das ist Konvektion. An diesem Beispiel wird auch sofort klar, dass Wärmeleitung in Gasen verglichen zu Wärmeleitung in Metall kaum eine Rolle spielt und dass Konvektion viel effizienter transportiert als Wärmestrahlung.
Nach dem zentralen Wasserstoffbrennen im Stern kommt es dann zu weiteren Brennphasen. Der Stern hat ja noch 10% seiner Lebenszeit vor sich. Nachdem der Wasserstoff im Zentrum des Sterns aufgebraucht ist, frisst sich das Wasserstoffbrennen in einer riesigen brennende Schale langsam aber sicher weiter nach außen fort. Dieser Vorgang wird auch Schalenbrennen genannt. Abbildung 3.9 zeigt das zentrale Wasserstoffbrennen in einem noch nicht sehr weit entwickelten Stern im Vergleich zu einem schon weiter entwickelten Stern in der nächsten Brennphase.
Abb. 3.9 : Schematische Darstellung des zentralen Wasserstoffbrennen (links; in einem sogenannten Hauptreihenstern) sowie einer späteren Entwicklungsphase (rechts; in einem Riesenstern), in der Helium zu Kohlenstoff im Kern und Wasserstoff zu Helium in einer Brennschale fusioniert wird.
Da der innere, aus Helium bestehende Bereich des Sterns nun keine Energie mehr produziert, sondern nur noch Wärme nach außen abgibt, zieht er sich mit der Zeit zusammen und heizt sich dabei weiter auf. Dies geschieht, bis das Zentrum heiß genug ist, um dort Helium zu schwereren Elmenten zu fusionieren wie z.B. Kohlenstoff und Sauerstoff durch die Fusion von drei bzw. vier Heliumkernen. Die Fusion von zwei α-Teilchen, also von Heliumkernen, führt zu einem Berylliumkern, der durch den Einfang eines weiteren α-Teilchens zu einem Kohlenstoffkern mit der Massenzahl 12 verwandelt wird. Dies ist der sogenannte 3α-Prozess. Wenn ein solcher Kohlenstoffkern noch ein weiteres α-Teilchen einfängt, bildet sich schließlich ein Sauerstoffkern.
Nach Abschluss einer Brennphase im Sternzentrum, also wenn das dazugehörige Ausgangselement aufgebraucht ist, wird für kurze Zeit keine Energie mehr produziert. Dadurch gewinnt die Schwerkraft die Oberhand und komprimiert den Stern. Die Dichte im Zentrum des Sterns wird erhöht, was zu einer Aufheizung und zur Zündung der nächsten Kernbrennphase führt. Denn die immer schwerer werdenden Elemente benötigen immer heißere Bedingungen, um miteinander zu fusionieren und dadurch schwerere Atome zu synthetisieren. Das Kohlenstoffbrennen erfordert ca. eine Milliarde Grad, die aber nur von sehr schweren Sternen mit mehr als dem Achtfachen der Masse der Sonne aufgebracht werden können. In dieser Brennphase werden Neon, Natrium und Magnesium erzeugt. Im darauffolgenden Neonbrennen wird weiterhin Magnesium, aber auch Sauerstoff, aus einem energiebedingten Abspalten eines α-Teilchens von Neonkernen synthetisiert. Die Verschmelzung von zwei Sauerstoffkernen führt hauptsächlich zur Bildung von Silizium, aber auch kleineren Mengen von Phosphor und Schwefel. Nur durch die weitere Aufheizung nach Beendigung des Sauerstoffbrennens kann Silizium schließlich durch den sogenannten α-Prozess in eine ganze Reihe von Elementen verwandelt werden. Denn durch den Einfang von α-Teilchen werden Isotope von Elementen mit geraden Ordnungszahlen bzw. Kernladungszahlen aufgebaut: Silizium (Z = 14) zu Schwefel (16) zu Argon (18) zu Kalzium (20) zu Titan (22) zu Chrom (24) zu Eisen (26) zu Nickel (28). Das schwerste Isotop ist 56Ni (Nickel) mit 28 Protonen und 28 Neutronen. Es ist radioaktiv und zerfällt über 56Co (Kobalt) mit 27 Protonen und 29 Neutronen zu stabilem 56Fe (Eisen) mit 26 Protonen und 30 Neutronen.
Tabelle 3.4: Kernbrennphasen eines Sterns mit 20 Sonnenmassen. Die Angaben in der vierten und letzten Spalte hängen von der Masse des Sterns ab. Die letzte Spalte gibt dabei speziell die Masse des hinterlassenen Kerns an, welcher in der jeweiligen Fusionsphase synthetisiert wurde. So besitzt der Stern z.B. nach dem Ende des Wasserstoffbrennens einen 10 Sonnenmassen schweren Heliumkern.
Brennstoff |
Temp. in Mio Grad K |
Dichte in g/cm 3 |
Dauer in Jahren |
Fusionsprodukte |
Masse in Sonnenmassen M ☉ |
H |
37 |
4,5 |
8,1 Mio |
He |
10 |
He |
190 |
970 |
1,2 Mio |
C, O |
6 |
C |
870 |
170 000 |
980 |
Ne, Na, Mg |
5 |
Ne |
1600 |
300 000 |
0,6 |
Mg, O |
3 |
O |
2000 |
6 Mio |
1,3 |
Si, S |
2 |
Si |
3300 |
43 Mio |
11,5 Tage |
Fe, Ni |
1,5 |
Auf diese Weise werden alle Elemente »aufgebraucht«, bis sich zum Schluss ein gewaltiger Kern aus Eisen und Nickel im Sterninneren gebildet hat. Bis zu diesem Punkt kann dank des Massendefekts Energie aus der Fusion gewonnen werden. Für die Fusion von Elementen, die schwerer als Eisen und auch Nickel sind, wird aber aus kernphysikalischen Gründen Energie benötigt. Anstatt Energie aus diesem Prozess zu gewinnen, bedeutet dies also, dass ein Stern Energie aufbringen müsste, um noch schwerere Elemente zu bilden. Dies geschieht natürlich nicht. Deswegen endet das Leben eines Sterns ziemlich abrupt, wenn er einen Eisen-Nickel-Kern in seinem Zentrum erzeugt hat.
Ohne eine weitere Energiequelle siegt letztendlich die Schwerkraft: Das Zentrum kollabiert, und eine riesige Schockwelle wird ausgelöst, die den Stern in einer gigantischen Supernova-Explosion komplett zerreißt. Die Vorgänge der Explosion werden in Kapitel 4 beschrieben. Vor der Explosion gleicht der Stern in seinem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium jedoch ganz im Sinne der kosmischen Küche einer riesigen Zwiebel. Ein solches Zwiebelschalenmodell eines massereichen Sterns ist in Abbildung 3.10 anschaulich dargestellt. Denn das Schalenbrennen hat dazu geführt, dass der Stern zu diesem Zeitpunkt von außen nach innen aus vielen Schichten verschiedener Elemente besteht. Außen ist eine Wasserstoffschicht, dann kommen Schichten aus Helium, Kohlenstoff, Neon, Sauerstoff, Silizium sowie diversen anderen Elementen, die in kleineren Mengen im Schalenbrennen synthetisiert wurden. Der Kern aus Eisen und Nickel befindet sich schließlich im Zentrum.
Der durch die Implosion des Eisen-Nickel-Kerns eines massereichen Sterns verursachten Schockwelle folgt zunächst die plötzliche Verdichtung des Sterns nach innen. Nach Auftreffen auf den Kern wird die Schockwelle reflektiert und läuft nach außen durch die vielen Element-Schichten von Silizium, Sauerstoff, Kohlenstoff, Helium und auch Wasserstoff hindurch. Dadurch entsteht eine kurze, aber extreme Aufheizung der Sternmaterie. Durch den Kollaps des Eisen-Nickel-Kerns wird so viel Energie freigesetzt, dass das gesamte, während des früheren Sternlebens in vielen Brennphasen mühselig synthetisierte Eisen und Nickel und Teile des umgebenden Siliziums schlagartig wieder vollständig in Neutronen zerlegt wird. Diese Neutronen bestrahlen das Material in der Sternhülle. Die Bombardierung mit Neutronen und die vorübergehend hohen Temperaturen während der Supernova-Explosion ermöglichen dann die Synthese von Elementen, die schwerer als Eisen und Nickel sind, wenn auch nur in geringen Mengen. Diese sogenannten Neutroneneinfangelemente befinden sich in der unteren Hälfte des Periodensystems. Kapitel 5 ist diesen Elementen gewidmet. Durch die Explosion werden alle neu synthetisierten Elemente aus den inneren Schichten des Sterns ins All geschleudert und mit dem interstellaren Gas vermischt.
Abb. 3.10 : Zwiebelschalenmodell eines massereichen Sterns von mehr als acht Sonnenmassen am Ende seines Lebens. Der übrig gebliebene Eisen-Nickel-Kern ist von Schichten neu synthetisierten Materials umgeben. Aus ihm kann durch Fusion keine weitere Energie mehr gewonnen werden.
Der Lebenslauf eines Sterns und somit der Verlauf der stellaren Elementsynthese hängt jedoch von der Masse des Sterns ab. Sterne mit weniger als acht Sonnenmassen Anfangsmasse durchlaufen nicht alle diese Brennphasen und enden somit auch nicht als Kern-Kollaps-Supernova. Wie in Kapitel 4 erklärt wird, können in diesen leichteren Sternen nur Elemente bis hin zum Sauerstoff synthetisiert werden, da ihre Masse und die daraus resultierende Schwerkraft nicht ausreicht, um eine genügend hohe Temperatur und den benötigten Druck für weitere Brennphasen zu erzeugen. Es sind also die massereichen Sterne, die ausschließlich für die Produktion der schwereren Elemente verantwortlich sind. Somit haben die massearmen und massereichen Sterne ganz unterschiedliche Rollen in der Elementproduktion und der chemischen Entwicklung des Universums.
Ein anschauliches Beispiel für Sternentwicklung und Nukleosynthese ist der Stern Beteigeuze. Er befindet sich im Sternbild Orion und bildet dort den linken Schulterstern des tapferen Jägers. Abbildung 3.A im Farbbildteil zeigt die Position von Beteigeuze im Orion genau an. Mit bloßem Auge lässt sich leicht erkennen, dass Beteigeuze orangerot leuchtet, ganz im Gegensatz zu den anderen Sternen im Orion, wie der weiß-bläuliche rechte »Fuß-Stern« Rigel. Beteigeuze ist mit etwa 3200 Grad C sehr kühl, was seine rote Erscheinung erklärt. Somit fällt er in die M-Kategorie der Spektralklassifikationen. Dieser ca. 20 Sonnenmassen schwere sogenannte Rote Überriese ist wahrscheinlich nur etwa zehn Millionen Jahre alt und befindet sich schon in den letzten Stadien seines Sternenlebens. Das bedeutet, dass das Wasserstoffbrennen im Kern schon abgeschlossen ist und er im Moment Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff fusioniert. Wahrscheinlich wird er schon bald, also innerhalb der nächsten Million Jahre, als Supernova explodieren. Weiterhin strömen große Mengen von Materie von seiner Oberfläche als Sternwind ins All. Wenn der neue Kohlenstoff und Sauerstoff vom Zentrum an die Oberfläche transportiert worden ist, wird auch Beteigeuze schon vor seinem Lebensende viel von seinem neu synthetisierten Material sofort wieder an seine Umgebung abgeben.
Abb. 3.A
Rigel hingegen befindet sich noch in der Phase des Wasserstoffbrennens. Strenggenommen ist Rigel ein Doppelstern, wenn auch sein Begleiter wesentlich schwächer leuchtet. Der 25 Sonnenmassen schwere Primärstern ist nur etwa eine Million Jahre alt und wird als heißer B-Stern klassifiziert. Deswegen strahlt Rigel im Gegensatz zum kühlen Beteigeuze weiß-bläulich. Anhand dieser Sterne kann man also selbst die verschiedenen Phasen der Sternentwicklung und die Elementsynthese »in Aktion« sehen. Man muss nur genau wissen, wo man am Himmel nach ihnen suchen muss.
Seit einigen Jahren gibt es kleine, einfache und sehr günstige Fernrohr-Teleskope, sogenannte Galileoskope, mit deren 5 cm-Linsen immerhin eine Vergrößerung um das 25- bis 50fache erreicht werden kann. Das Konzept wurde von der Internationalen Astronomischen Union als Aktion im Internationalen Jahr der Astronomie 2009 entwickelt. Die Idee dahinter war, dass möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben sollten, mit einfachen Mitteln den Sternhimmel selbst zu erkunden. Mit solchen oder ähnlichen Miniteleskopen oder auch nur einem guten Feldstecher eröffnen sich jedem von uns sofort die Weiten des Alls. Nicht nur verschiedene Sterne mit ihren differenzierteren Färbungen, wie z.B. Beteigeuze und Rigel, sondern auch nebelhafte Sternentstehungsgebiete, Gasnebel und Galaxien werden mit etwas Hintergrundwissen auf einmal visuell erlebbar.
Alle Sterne sind also für die chemische Vielfalt der Elemente im Universum und ihren Mengen im All verantwortlich. Über Jahrmilliarden hinweg haben sie Stück für Stück jedes Element synthetisiert. Dieser Prozess dauert bis heute an und wird auch in Zukunft weiter fortschreiten. Mit diesem Wissen können wir jetzt den kosmischen Ursprung des Periodensystems verstehen. Obwohl die meisten von uns das Periodensystem der Elemente nur aus dem Chemieunterricht in der Schule kennen, ist es letztendlich die Astrophysik zusammen mit der Kernphysik, die uns lehrt, wie alle diese Elemente in Sternen entstanden sind.