König Hettel

Damals lebte in Dänemark ein hehrer König. Das war der junge Hettel, Herr der Hegelingen, dem auch Hortland und die Mark Stürmen untertan waren. Ihm rieten seine Freunde, ein Weib zu nehmen, das ihm ebenbürtig wäre. Doch er sprach: »Ich kenne keine, die mit Ehren der Hegelingen Königin sein könnte.« Da sagte der junge Morung von Nifland: »Ich weiß wohl eine Jungfrau, schöner ist keine in der ganzen Welt.« — »Wie heißt die Maid?« fragte Hettel; und Morung sprach: »Sie heißt Hilde und wohnt in Irland; ihr Vater ist der König Hagen, Siegbands Sohn. Mit ihr hättest du dein Lebtag Freude und Wonne.«

Da sprach Horand, der Däne, Hettels Schwestersohn: »Das wird wohl nie geschehen. Wißt ihr nicht, daß Hagen jeden hängen läßt, der zu ihm kommt, um Hilde zu werben?« »Wenn nun«, begann der weise Frute, »Wate von Stürmen dein Bote nach Irland sein wollte? Ich meine wohl, dann müßte es uns gelingen, die Jungfrau dir heimzuführen.« — »Wohlan«, rief Hettel, »so will ich ihn gen Sturmland senden. Ich weiß, der Alte tut gern, worum ich ihn bitte.« Sogleich hieß er den Boten dahin reiten, wo der kühne Wate bei seinen Mannen weilte.

Die Boten meldeten ihm, daß der König ihn zu sich entbiete. Ohne Verweilen machte er sich auf den Weg; und als er zur Burg der Hegelingen kam, eilte ihm Hettel entgegen und grüßte ihn gar freundlich. Darauf führte er ihn an der Hand in den Saal und setzte ihn an seine Seite. Wohl war der König ein hehrer Mann, aber auch der alte Wate war in allen Dingen herrlich und gewaltig.

Da sprach Hettel: »Mir raten alle meine Freunde, die schöne Hilde von Irland zu freien. Nun weiß ich keinen bessern Boten, der die Werbung übernähme, als dich, lieber Wate. Sei du mein Bote in Hagens Land!« Aber zornig antwortete der Alte: »Wer dir das geraten hat, den kümmerte es wenig, wenn ich noch heute stürbe. Gott lohn euch, Helden«, wandte er sich zu Horand und Frute, »daß ihr inzwischen so gut für meine Ehre hier bei Hofe sorgtet! Habt ihr es so eilig, mich nach Irland zu schicken? Wohlen, so sollt ihr beide mich begleiten, damit wir zusammen dem Könige dienen.«

Da antwortete Horand: »Ich fahre gern mit dir! Wo es Müh und Arbeit um schöner Frauen willen gilt, da will ich nimmer fernbleiben.« Ebenso sprachen Frute, Morung und Irold von Friesland, der mit Wate an den Hof gekommen war. »Mein Rat ist«, sagte Frute, »daß wir uns für Kaufleute ausgeben. Laßt uns Waffen, Gewänder, Ringe und Kleinode feilbieten; so wird man uns ohne Arg empfangen.« Aber der alte Wate sprach: »Zum Kaufmann tauge ich schlecht. Herr König, laßt unser Schiff mit Flanken decken und in dem untern Schiffsraum siebenhundert Mannen sich verbergen; die sollen uns streiten helfen, wenn uns der wilde Hagen nicht in Frieden scheiden läßt. Wir aber stellen uns, als ob wir Geächtete wären.«

Nun beschlossen sie zu fahren, wenn der Frühling wiederkäme; inzwischen ritt jeder heim in sein Land. König Hettel aber ließ indessen die Schiffe auf das prächtigste rüsten: die Beschläge waren von Silber, die Ruder mit lichtem Gold umwunden, Segel und Ankerseile von köstlicher Seide. Als nun der Winter verstrichen war, kamen die Helden zu Hofe, die gen Irland fahren wollten; und der König schloß seine Schatzkammer auf und hieß den alten Frute, seinen Schatzmeister, so viel herausnehmen als er wollte, und es an alle Becken verteilen. Endlich schieden sie und fuhren mit gutem Winde davon.

Als nun die Boten König Hettels vor Hagens Hofburg landeten, da wunderten sich die Leute. Bald brachte man dem König die Kunde, daß fremdes Volk hergekommen sei. In bürgerlicher Kleidung, doch kostbar geschmückt, ging Frute mit sechzig Männer am Ufer auf und ab. Der Richter der Stadt vernahm die Kunde, stieg zum Strand hinab und fragte die Gäste, woher sie gekommen wären. Doch Frute antwortete nur: »Aus weiter Ferne! Wir sind Kaufleute und haben gar reiche Herren an Bord.« Zugleich ließ er den König um Schutz und Frieden bitten.

Als man das dem wilden Hagen meldete, sprach er: »Schutz und Frieden biete ich den fremden Männern. Am Strange büßt mir, wer meinen Gästen etwas zuleide tut.« Da schickten die Hegelingen dem Könige gar köstliche Kleinode zum Dank. Horand und Irold brachten mit zwanzig Mannen diese Gabe an den Hof. Hagen lud sie freundlich zum Sitzen ein und sprach: »Noch niemals hatt’ ich Gäste, die mir so herrliche Gaben boten. Darum sagt mir nun, aus welchem Lande ihr seid.« — »Herr«, begann Horand, »auf Eure Gnade will ich’s Euch vertrauen: wir sind landflüchtige Leute; ein reicher König vertrieb uns aus der Heimat, sein Name ist Hettel von Hegelingenland.« — »Wahrlich«, antwortete Hagen, »er scheint ein Tor, daß er so treffliche Leute aus seinem Reiche verjagte. Wollt ihr bei mir bleiben, so will ich euch zehnmal mehr Ehre, Land und. Gold spenden, als euch daheim zuteil wurde.« Da dankten sie dem Könige und ritten wieder an das Gestade zurück. Dort brachten sie die unermeßlichen Schätze aus Land und schlugen eine große Krambude auf.

Nun eröffnete Frute seinen Kramladen auf dem Strande und gab die köstlichsten Waren zu solchen Spottpreisen hin, daß man in ganz Irland noch nie so billigen Handel gesehen hatte. Hatte einer kein Geld, um zu zahlen, so bekam er die Ware geschenkt. Da rühmte man bald in ganz Irland, wie reich und milde die fremden Gäste wären.

Der König hörte auch davon sagen, und um die Gäste zu ehren, lud er sie öfters an seinen Hof. Da trieb man nach irischer Sitte allerlei Kurzweil. Einst trug des Königs Gesinde Keulen und Buckelschilde, Wurfspeere und andre Waffen in den Saal, und es wurde manch ritterliches Kampfspiel ausgefochten. Da wandte sich der König an den alten Wate und sprach: »Nun saget mir, habt ihr in eurer Heimat schon so gewaltiges Waffenspiel gesehen?« Der Alte von Sturmland antwortete listig: »Nein, nie sah ich dergleichen. Wenn mich’s doch einer lehren wollte; ich bliebe gern ein ganzes Jahr hier, bis ich’s auch so gut könnte.«

Da sprach der wilde Hagen zu seinen Knechten: »Gebt mir ein Schwert! Ich will meinem Geste vier meiner besten Schläge zeigen. Ich denke, er wird mir’s danken.« Nun begannen sie das Spiel; die übrigen sahen mit Bewunderung, wie stark und gewandt die beiden waren; und Hagen erkannte schnell, daß er keinen Neuling in der Waffenkunst vor sich habe. Da sprach Wate: »Herr, deine vier Hiebe habe ich jetzt gelernt; empfange nun auch meinen Dank dafür!« Zum zweitenmal begannen sie den Kampf, und nun schlugen sie aufeinander, daß der Saal widerhallte. Fürwahr, vor andern Gegnern hätte jeder von ihnen den Sieg erfochten. Sie ruhten nicht eher vom Streite, als bis beiden die Schwertklinge am Knauf zersprungen war. Darauf setzten sie sich, und der König sprach lachend zu seinem Gaste: »Hätt’ ich vorher gewußt, was für ein wackrer Recke du bist, das Schwert wäre nimmer in meine Hand gekommen. Nie sah ich einen Schüler so geschwind lernen.« Da lachten auch alle andern, und es gab große Fröhlichkeit am Hofe.

Eines Abends geschah es, daß der kühne Horand von Dänemark im Burghofe seine wundersüße Stimme ertönen ließ. Er sang so wonniglich, daß jeder Hörer schweigend lauschte und selbst die Vöglein in den Zweigen verstummten. Und als die Nacht vergangen war, erhob er seinen Gesang, und wieder schwiegen die Vögel im nahen Hain, und die Leute sprengen aus ihren Betten, um zu horchen. Immer mächtiger und süßer erscholl das Lied, selbst den wilden Hagen zog der Zauberklang aus dem Gemach an die Burgzinne, und auch die schöne Hilde hörte mit Entzücken zu. Als nun der letzte Ton verklungen war, da faßte die Königstochter ihren Vater schmeichelnd am Kinn und sprach:

»Ach, liebes Väterchen, laß doch den fremden Meister einmal hier bei Hofe singen!« Er aber schüttelte den Kopf und antwortete: »Liebes Kind, wollte er dir mit seiner Kunst dienen, ich gäbe ihm gern tausend Pfund. Doch leider sind meine Gäste zu stolz, um sich dingen zu lassen; darum kann ich ihm auch nicht befehlen, dir hier am Hofe etwas vorzusingen.« Damit ging er weg und ließ seine Tochter betrübt zurück.

Aber es währte nicht lange, da begann Horand zum drittenmal sein Lied, und nun sang er Töne, die er noch nie gesungen: Kranke und Gesunde, Greise und Kinder horchten den Wunderklängen; ja selbst die Tiere im Walde ließen die frischen Kräuter stehen, die Würmer im Grase hörten auf zu kriechen, die Fische im kühlen Wasser schwammen nicht mehr; alles hielt still wie festgebannt und lauschte dem gewaltigen Lied. Auch die Königstochter vernahm in ihrem abgelegenen Gemache das ferne Klingen. Da konnte sie nicht länger widerstehen und sandte einen klugen Kämmerer heimlich zu dem Sänger, daß er am Abend ohne ihres Vaters Wissen zu geheimer Zwiesprache in ihre Kammer komme.

Des Tages Schein war vergangen, als Horand, vom Kämmerer geleitet, in Bildes Gemach trat. Die edle Maid hieß ihn sich setzen und begann: »Stimmt doch noch einmal das Lied an, das Ihr heute sanget. Keine höhere Wonne weiß ich, als immerdar Eurem Gesange zu lauschen.« — »O schöne Jungfrau«, erwiderte der Held, »wäret Ihr doch daheim in meines Herren Lande, wie gern diente ich Euch Tag für Tag mit meinem Singen.« Und nun begann er ein zauberisches Lied; nie verhahm es ein Ohr, nie sang es ein menschlicher Mund; auf wilden Meeresfluten lehrten es ihn die Wassernixen.

Reichen Lohn bot Hilde dem Sänger, als er geendet hatte; er aber wollte nichts nehmen als einen einzigen Gürtel. »Wenn einer sagt«, sprach er, »ich hätte um Lohn gesungen, so wißt, den Gürtel bring’ ich meinem Herrn; der freut sich über die Gabe.« — »Wer ist denn dein Herr?« fragte Hilde, »trägt er auch eine Krone und hat ein Land zu eigen?« Da sprach Horand: »Einen reicheren König sah ich nimmer. Vielschöne Jungfrau, wenn uns niemand verraten würde, so sagte ich dir gern mehr von ihm. Er sandte uns um deinetwillen hierher zu deines grimmen Vaters Burg.« — »Schnell laß mich hören«, flüsterte das Mägdlein, »was mir der hehre König zu sagen hat.« Da sprach er leise: »So höre denn! Sein Herz trägt heiße Liebe zu dir; das läßt er dir künden. Nun sei auch du ihm hold, dieweil er um deinetwillen vor allen andern Frauen sein Gemüt verschlossen hat.« »Gott lohn ihm seine Liebe«, sprach Hilde, »ist er mir wirklich recht von Herzen gut? Wie gern folgt’ ich Euch zu ihm! Aber ach, mein Vater wird es mir gewiß verwehren!«

Da sagte der Held: »Darum machet Euch keine Sorge! Wisset, daß wir in unserm Schiffe siebenhundert Hecken liegen haben, die bereit sind, alle Gefahren mit uns zu teilen. Seid Ihr nur erst aus dem Schlosse, so lassen wir Euch nie mehr in Hagens Gewalt. Wir wollen bald Abschied von dem gewaltigen Herrn nehmen. Dann sollt Ihr ihn bitten, sich mit Euch und Eurer Mutter einmal unser Schiff und die darin liegenden Schätze zu beschauen.« Das versprach die Königstochter. Darauf führte der kluge Kämmerer den Helden sicher zur Herberge, ohne daß es der wilde Hagen gewahr wurde.

Horand freute sich, daß es ihm so gut bei Hofe gelungen war, und meldete dem alten Wate, wie die edle Maid ihren Freund Hettel von Herzen liebe. Da hielten die Becken geheimen Rat, wie sie die Königstochter davonbringen könnten.

Am vierten Morgen danach nahmen die Gäste Abschied von Hagen, und der alte Wate sprach: »Der König der Hegelingen hat nach uns gesandt, er ladet uns heim und will sich mit uns aussöhnen. Ihr aber sollt uns eine Gunst gewähren: ehe wir scheiden, kommt einmal selbst ans Gestade und schauet, was wir noch haben! Auch Eure schöne Tochter und die Königin sollen uns die Ehre erweisen, mit Euch zu unserm Schiff zu kommen. Das ist unsre einzige Bitte, großer König.« Solchen Wunsch wollte ihnen Hagen gern erfüllen und versprach, am andern Morgen mit Weib und Tochter ihre Schätze zu beschauen.

Am nächsten Morgen schmückten sich viele schöne Mägdlein und Frauen, die mit der Königstochter an den Strand reiten wollten; und tausend irische Recken rüsteten sich, sie zu begleiten. So ritt König Hagen mit herrlichem Gefolge aus seiner Burg. Als sie zum Schiffe kamen, wurden die edlen Frauen von den Rossen gehoben; denn sie wollten das Schiff besteigen, um die Herrlichkeiten zu schauen. Jetzt aber gab Watte das verabredete Zeichen. Die schöne Hilde wurde von der Seite ihrer Mutter weg auf das Schiff getragen; und im gleichen Augenblick sprangen die siebenhundert Becken aus dem untern Raume in voller Rüstung auf das Deck. Die Segel wurden aufgezogen; die schon das Schiff bestiegen hatten, die stieß man ins Meer hinab, daß sie wie Wasservögel auf- und niedertauchten. Die alte Königin stand am Gestade und weinte um ihre Tochter; der wilde Hagen aber schrie wütend nach seinen Wurfspeeren.

Rings leuchtete die Flut vom Widerschein der Waffen, Schwerter wurden gezückt und Speere geschleudert. Aber umsonst. Die Hegelingen setzten die Ruder ein, und schnell glitt das Schiff dahin, dem offnen Meere zu.

Zu Waleis am Meeresstrande hatte Wate das Schiff ankern lassen, um seinen wassermüden Helden kurze Rast zu gönnen. Zelte wurden aufgeschlagen, und man lebte sich an Speise und Trank. Da erhielten sie die Nachricht, König Hettel, an den Botschaft vorausgesandt werden war, komme herbei, um sein holdes Weib zu begrüßen. Schnell rüsteten sich die Recken zum Empfang und zogen ihrem Herrn entgegen. Wate und Frute, die edlen Greise, ritten allen andern voran. Und als der König sie sah, sprang er vom Rosse und lief ihnen entgegen. Sie taten das gleiche; und nun trafen sie zusammen, und Hettel küßte die beiden Alten vor Freude auf den Mund.

Siehe, da kamen über das Feld Horand der Däne und Irold von Friesland dahergeschritten, und zwischen ihnen ging die schöne Hilde, um ihren Ehgemahl zu empfangen. Nach edler Sitte grüßte Hettel die Jungfrau, küßte sie auf den roten Mund und hielt sie mit beiden Armen fest umschlungen. Nun gab es allüberall ein frohes Grüßen; dann saßen die Recken zwischen bunten Blumen unter seidenen Zelten mit ihrem Könige und der holden Irentochter zum festlichen Mahle nieder, bis endlich die Nacht dem lauten Jubel ein Ende machte und alle sich zur Ruhe begeben.

Aber noch harrte schwere Arbeit der Helden. Kaum begann es zu tagen, als Horand, der scharfäugige Däne, ein Segel auf hohem Meere schwanken sah, worin ein wohlbekanntes Wappen stand. Laut rief er dem Recken Irold zu: »Auf, eile zum König und melde ihm, ich sähe Hagens Wappen in einem Segel schweben. Wacht auf, ihr Schläfer! Der Irenfürst will uns für unsern derben Abschied seinen Dank sagen!«

Da rüsteten sich alle zum Kampf. Als Hagens Schiffe herangesegelt kamen, standen die Hegelingen kampfbereit am Meeresstrand, die Feinde zu empfangen. In wildem Wechsel sausten Speere hin und her. Mancher sank getroffen nieder und färbte die blaue Flut mit seinem Blute rot. Von Schiffes Bord sprang der wilde Hagen in die Wogen und bahnte sich den Weg ans Ufer, nicht kümmerten ihn die feindlichen Pfeile und Speere, die ihn wie Schneegestöber umflogen. Dem Könige folgten seine kühnsten Mannen; unwiderstehlich drangen sie vor, und die Hegelingen mußten weichen.

Das sah voll Zorn und Scham der kühne Hettel; mit geschwungenem Schwert kam er heran, um selbst den Kampf mit dem gewaltigen Irenhelden zu wagen. Aber die treuen Recken Frute und Wate litten es nicht, mit tausend Mannen warfen sie sich dazwischen und schlugen manchen zu Tode.

Da erhob sich großes Getöse, als Hagen und Wate zusammensprangen. Hagens Schwert traf den Greis so hart aufs Haupt, daß ihm das Blut unter dem Helm hervorrann und ihm über den grauen Bart rieselte. Da ergrimmte der Sturmlandrecke und schwang sein Schwert mit aller Macht auf Hagens Helm. Sprühende Funken stohen heraus, und dem Irenkönig wurde es dunkel vor den Augen.

Das sah die schöne Hilde, die von einem Hügel aus schreckensbleich dem Kampfe zugeschaut hatte. Da rief sie jammernd ihren Gatten an: »O hehrer König, wehre den Todesstreich von meines lieben Vaters Haupt! Sieh, er steht dort in hittrer Not vor dem alten Wate.« Rasch ließ Hettel sein Banner dahin tragen, wo Wate und Hagen stritten, und hatte sich bald bis zu ihnen durchgeschlagen. Nun rief er mit weithin schallender Stimme: »Bei deiner Ehre, Hagen, stolzer Fürst, halt ein! Genug des Streites! Zu schrecklich hat schon der Tod gewütet.« — »Wer ist es, der mich ruft?« fragte Hagen zornig zurück. »Ich bin Hettel«, rief jener, »der Hegelingen König, der seine lieben Freunde nach der schönen Hilde sandte.« Darauf sprang er näher, um den Streit zu enden; und als Wate in seiner Kampflust nicht darauf achtete, hielt Hettel seinen Königsschild zwischen die beiden, die nun endlich die Schwerter senkten und zurücktreten.

Da band Hagen den Helm ab, und alsbald wurde der Friede über das Land ausgerufen. Die wackeren Männer legten die Waffen ab und ruhten vom heißen Kampfe. Wohl manchem schufen seine Wunden Welt, auch lag da mancher still, der von aller Not der Erde Ruhe gefunden hatte. Nun ging der König Hettel auf Hagen zu und sprach zu ihm: »Edler König, wisset, in Ehre und Zucht hin ich Eurer schönen Tochter Hilde ergehen. An meiner Seite soll sie als Königin im Hegelingenlande herrschen. Dazu geht nun auch Euren Segen.« Da nahm der wilde Hagen die dargebotene Hand und sprach: »Gern hör’ ich, daß die Maid nicht zu zuchtlosem Frevel entführt ist. Als gute Helden habt ihr euch bewährt und hohen Ruhm erkämpft. Mit schöner List gelang euch die Werbung um mein liebes Kind.«

Die schöne Hilde stand unterdes noch immer zagend fern und sprach mit Seufzen: »Ach, dürft’ ich doch meinem Vater nahen! Doch leider hab ich ihn zu tief gekränkt.« Dann faßte sie sich ein Herz und sandte einen Boten zu ihm; der sprach zu Hagen: »Herr, Eure Tochter fühlt herzliches Sehnen, Euch als ihren lieben Vater zu umarmen.« Da antwortete der Irenkönig: »Sagt ihr, ich will sie gern empfangen. Vergessen sei aller Kummer, den sie mir angetan hat. Leid und Schande soll uns nun König Hettel mit hoher Ehre aufwägen. Warum sollt’ ich nicht hier im fremden Lande mein Kind begrüßen?« Da gingen Harand und Frute zu der Jungfrau, nahmen sie bei der Hand und führten sie zu König Hagen. Der sprang, als er sie kommen sah, von seinem Sitze auf, lief ihr entgegen und küßte sie freundlich.

Da ward ein steter Friede geschlossen zwischen Iren und Hegelingen. König Hettel lud seinen Schwäher ein, mit in sein Land zu fahren, und Hagen gewährte ihm gern den Wunsch. So zogen sie fröhlich gen Hegelingenland, wo Hettel seinem schönen Weihe die Königskrone aufs Haupt setzte. Zwölf Tage währten die Festlichkeiten. Dann nahm der alte Hagen freundlichen Abschied und fuhr mit den Seinen wieder heim gen Irland. Und als er nun wieder bei seinem Weihe, der alten Königin Hilde, saß, sprach er zu ihr mit heiterm Mute: »Du brauchst dich wahrlich nicht um unser Kind zu grämen; wir konnten sie nirgends besser unterbringen als bei dem König Hettel. Hätt’ ich noch mehr Töchter, bei Gott, ich schickte sie alle nach Hegelingenland.«