Geheime Beratung

Kurze Zeit später brach der Feind ins Land. Walther erhielt von Etzel den Oberbefehl über das Heer und führte die hunnischen Recken zum Streit. Bald stießen sie auf den Feind. Wie ein Löwe stürzte sich Walther in das Getümmel der Schlacht. Da half auch der tapferste Widerstand nicht, nur eilige Flucht rettete vor Tod und Verderben! Bald begann der Feind zu weichen, und als sich die Nacht herniedersenkte, hatten die hunnischen Heerscharen den Sieg an ihre Fahnen geheftet.

Jauchzend kehrten die Helden in die Heimat zurück. Als Walther in die Halle der Burg eilte, um Etzel den Sieg zu melden, trat ihm die schöne Hildegunde entgegen. Lange schon hatte sich Walther nach dieser Begegnung gesehnt, aber stets störten Fremde eine vertrauliche Unterredung.

»Reiche mir den Willkommtrunk, Hildegunde!« bat Walther.

Die Jungfrau füllte den Goldpokal mit edlem Wein und bot ihn schüchtern dem Helden.

Durstig leerte dieser den Becher. Dann ergriff er Hildegundens Hand und sprach: »Weißt du wohl noch, daß du meine Verlobte bist seit den Tagen unserer Kindheit?«

Wehmütig nickte da das Mädchen und klagte: »Warum erinnerst du mich an ein längst verlorenes Glück? Willst du durch herben Spott noch mein Herzeleid mehren? Was gilt dir Hildegunde, die dienende Magd, da Fürstentöchter um die Gunst des Siegers werben?«

Erschrocken stammelte Walther: »Nicht kränken wollte ich dich, du Holde. Jeder Spott sei mir fern. Nur mit dir will ich in die Heimat ziehen, und dort sollst du als Königin an meiner Seite herrschen. Und nun magst du mein Geheimnis erfahren: Gemeinsam wollen wir fliehen! Du bist die Hüterin der Schatzkammern und wirst für die Ausrüstung sorgen. Halte Helm, Panzer und Eisenhemd des Königs für mich bereit, und gib den Goldschatz, den unsere Väter einst Etzel zahlten, in zwei Schreine. Vergiß auch nicht auf einige gute Angelhaken, denn der Weg ist weit, und ich werde Vögel und Fische für unseren Unterhalt fangen müssen. Lange genug haben wir in der Knechtschaft geschmachtet. In acht Tagen will ich dem König und seinen Rittern ein Fest in meiner Halle rüsten. Wenn sie, betäubt von schwerem Wein, entschlummern, dann ist die Stunde für unsere Flucht gekommen!«

Aufschluchzend sank die Jungfrau an die Brust des Helden und fühlte sich seit langem wieder an einem treuen Herzen geborgen.