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Sie standen in dem Umkleideraum am
Hintereingang. In einem Kleiderschrank mit Schneeanzügen. Eine
Thermohose aus steifem Nylon war von ihrem Bügel gerutscht. Sie war
stehend aufgekommen, und ihre Beine waren halb eingeknickt wie die
einer Comicfigur, die eben einen schlimmen Schock erlitten hat. So
lehnte sie nach hinten gesunken in einer Ecke. Reacher schob sie
aus reiner Gewohnheit zur Seite und fand dahinter die Schneestiefel
einer Frau. Ein Hightechprodukt mit Ösen und Schnallen. In
Damengröße fünfeinhalb, was sehr klein war.
Er sagte: »Stiefel im Schrank beweisen
etwas, richtig? Sie war nicht nur vorübergehend hier.«
»Wenn sie’s war. Könnte irgendwer anders
gewesen sein.«
»Richtig. Aber dieser Fund beweist, dass ein
Kerl, den zwei Leute unabhängig voneinander als Einzelgänger
bezeichnet haben, hier zeitweise mit einer Frau zusammengelebt hat.
Was die Ermittlungen hätte beeinflussen müssen, nachdem dieser Kerl
tot aufgefunden worden war. Aber vielleicht kann der Sheriff nichts
dafür, dass er eine vorgefasste Meinung hatte. Und ich wette, dass
in Wyoming jedes Haus über einen Raum dieser Art verfügt. Schwer zu
differenzieren, was man immer sieht. Aber wer später hier
reingekommen ist, hätte es mit frischem Blick erkennen müssen. Ich
frage mich, wer das gewesen sein mag. Und was er hier gemacht hat.
Vielleicht hat er gar nichts gesucht. Vielleicht war das nur ein
flüchtiger Besuch, um sich etwas zurückzuholen. So muss es gewesen
sein. Deshalb ist hier nichts durchwühlt worden.«
Bramall sagte: »Wir sollten uns die anderen
Schränke ansehen.«
Das taten sie, ohne mehr zu finden als
Porterfields eigene Kleidung. Der Mann hatte offenbar gern Jeans
getragen und kein Problem damit gehabt, Sachen zu waschen, bis sie
fadenscheinig waren.
Keine Frauensachen.
Keine Kleider, keine Blusen, keine
Hosen.
Bramall fragte: »Wieso hat sie nur ihre
Stiefel dagelassen?«
»Sie ist im Frühjahr
ausgezogen. Hatte sie einen Monat nicht mehr getragen. Sie hat sie
vergessen. Oder vielleicht waren sie unbequem. Vielleicht hat sie
sie absichtlich dagelassen oder wollte sich neue kaufen. Aber sie
war hier. Oder eine andere Frau. Porterfield hat nicht allein
gelebt. Nicht die ganze Zeit.«
»Das ist viel in ein einziges Paar Stiefel
hineininterpretiert.«
»Ich wette, dass wir mehr finden.«
Das taten sie. Aber nicht sehr viel mehr.
Nach zwei Stunden konnten sie auf eine sehr bescheidene Ausbeute
herabblicken. Mehr suggestiv als beweiskräftig. Sie sparten Zeit,
indem sie alles ignorierten, was offen sichtbar war. Stattdessen
sahen sie in Dinge, unter Dinge und hinter Dinge.
Zwischen den Sofakissen fanden sie einen
Frauenkamm aus rosa Kunststoff. Alle Zinken waren mit weiten
Abständen angeordnet, nicht halb und halb wie bei normalen Kämmen.
Im Bad neben dem großen Schlafzimmer gab es zwei Waschtische, jeder
mit einer Seifenschale, eine mit einem Stück parfümierter, die
andere mit einem Stück gewöhnlicher Seife. Ebenfalls im Bad fanden
sie zwei bereitgelegte Handtuchsätze. Und im Haushaltsraum
entdeckten sie hinter dem Wäschetrockner ein Paar Sportsocken.
Pink, aus irgendeiner Wunderfaser, auffällig klein, voller
Wollmäuse.
Das war’s.
Nicht genug für einen Gerichtssaal, aber
suggestiv. Reacher sagte: »Sie war hier. Oder sonst jemand.
Zumindest zeitweilig. Vielleicht war das nur eine lockere
On-off-Beziehung. Aber sie hielt sich lange genug hier auf, um
etwas heimisch zu werden. Ihr Auszug ging stilvoll vonstatten. Sie
hat einen deutlichen Schlussstrich gezogen. Als eine klare Ansage.
Sie ist durchs Haus gewandert, hat alles eingepackt, was ihr
gehörte, und nur ein paar Dinge zurückgelassen, die sie nicht
mitnehmen konnte. Wie den verlorenen Kamm. Auch die Seife musste
sie dalassen, weil sie nass und glitschig war. Sie konnte sie nicht
einfach mit ihrer Kleidung in den Koffer werfen. Die Handtücher hat
sie nicht gezählt. Wer hätte das getan? Ihre Schneestiefel hat sie
vergessen. Aber am besten gefallen mir die Socken.«
»Wie das?«
»Sie beweisen, dass sie weiter zwei Beine
hat. Das Purple Heart ist vielleicht nicht so schlimm, wie’s sein
könnte.«
»Wenn sie’s war.«
»Nehmen wir mal an, sie wär’s gewesen.
Porterfield muss ab und zu auch in ihre Wohnung gefahren sein. Wo
könnte die sein? Wie weit von hier entfernt? Stellen Sie sich vor,
Sie wären dieser Kerl. Wie weit würden Sie fahren, um bumsen zu
können?«
»Kommt darauf an.«
»Worauf?«
»Auf verschiedene Dinge.«
»Nehmen Sie das Leben von der heiteren
Seite. Sie ist vielleicht nicht gerade Miss America, aber wir
wollen annehmen, dass sie nett aussieht.«
»Wir sind hier in Wyoming. Die Leute fahren
Riesenstrecken für einen Laib Brot. Für eine Freundin vielleicht
zwei Stunden. Hundert Meilen.«
»Was uns nichts nützt«, sagte Reacher. »Das
wäre ein viel zu großer Suchbereich.«
Bramall nickte. »Ich wollte sagen, dass wir
als Nächstes mit Porterfields Nachbarn reden sollten. Aber ich weiß
nicht genau, was das hier draußen bedeutet. Alle Leute leben
zwanzig Meilen voneinander entfernt. Ich wette, dass sie ihre
Nachbarn nie besuchen.«
»Aber ich denke, dass sie sich aufeinander
verlassen. Stellen Sie sich einen plötzlichen Notfall vor. Wen
sollen sie da anrufen? Die zwei Stunden weit entfernte Polizei oder
Feuerwehr? Oder ihren nächsten Nachbarn, der in einer Viertelstunde
da sein kann? Vielleicht gehört das zum ländlichen Lebensstil.
Vielleicht stehen sich die Nachbarn auf dem Land näher, als Sie
vermuten. Vielleicht sind sie bestens übereinander informiert und
haben uns eine Menge zu erzählen.«
»Sie sind sehr optimistisch.«
Reacher äußerte sich nicht dazu. Er sah sich
in der Küche um – vielleicht aus dem unbewussten Bedürfnis heraus,
seinen Fluchtweg im Auge zu behalten. Das offene Fenster mit der
zerbrochenen Scheibe und dem herausgerissenen Fliegengitter. Eine
kühle Brise wehte herein. Und brachte Geräusche mit. Die meisten
waren harmlos. Wind in den Bäumen, Vogelstimmen, das Summen einer
Biene, die vorbeiflog, eine kurze Pause machte und
weiterflog.
Ganz kurz und weit entfernt. Kaum hörbar.
Nur ein Fragment. Ein winziges Kratzen oder Knirschen oder
Quietschen. Ein kleiner Teil eines vertrauten hiesigen Geräuschs.
Ein für Wyoming typisches Geräusch. Wie alle Geräusche aus
verschiedenen Komponenten bestehend. Wie eine DNA .
Geröll hatte damit zu
tun.
Und Fels.
Und Gummi.
»Wir müssen raus«, sagte Reacher. »Auf der
Zufahrt ist ein Auto unterwegs.«
Bramall schlüpfte als Erster hinaus. Er
würde weniger leicht stecken bleiben. Nachdem Reacher ihm gefolgt
war, griff Bramall durch die zerbrochene Scheibe und kurbelte das
Fenster wieder herunter. Dann hasteten sie zur Vorderfront des
Hauses.
Noch nichts.
»Wir sollten uns ins Auto setzen«, sagte
Bramall. »Für alle Fälle.«
Reacher sagte: Ȇberfahren Sie sie im
Zweifelsfall.«
Sie stiegen in den Toyota, und Bramall ließ
den Motor an.
Ein Truck kam das letzte Steilstück herauf
und rollte über das Plateau auf sie zu.
Ein Ford Pick-up mit Doppelkabine und der
Polizeiversion eines Campingaufbaus. Sein weißer Lack glänzte
frisch gewaschen. Auf den vorderen Türen prangten goldene Sterne
mit gut einem halben Meter Durchmesser, über denen in einem Bogen
der Name des Countys und unter denen in einem Bogen Sheriff’s Department stand. Das Design
erinnerte ein wenig an einen West-Point-Ring.
Sheriff Connelly.
Connelly parkte dicht neben dem Toyota – in
einem lässigen Winkel, der nonchalant und unbesorgt, keineswegs
bedrohlich wirken sollte. Aber Reacher merkte, dass er vor allem
den Toyota blockieren wollte. Das machte er recht geschickt.
Unauffällig, aber Bramall hätte zurückstoßen und um ihn herumfahren
müssen.
Der Sheriff öffnete sein Fenster. Er trug
seinen Stetson. In dem Ford war reichlich Platz.
Auch Reacher öffnete sein Fenster. Er war
ihm am nächsten.
Connelly sagte: »Sie haben mir erzählt, dass
Sie keinerlei Verbindung zu Porterfield haben.«
Reacher sagte: »Korrekt.«
»Aber trotzdem sind Sie jetzt vor seinem
Haus.«
»Die Frau, die ich suche, war hier,
zumindest für ein paar Monate. Ich
versuche rauszukriegen, wohin sie von diesem Ort aus gegangen
ist.«
»Porterfield hat allein gelebt.«
»Nicht immer.«
Connelly fragte: »Waren Sie im Haus?«
»Ja«, sagte Reacher.
»Wie?«
»Vor uns hat hier jemand eingebrochen,
vermutlich vor über einem Jahr. Wir haben dasselbe Loch
benutzt.«
»Welchen Einbruch meinen Sie?«
»Nach seinem Tod haben Sie das Haus
durchsucht und gefunden, wonach Sie suchen, hinter sich abgesperrt
und sind weggefahren. Dann ist noch jemand gekommen und durchs
Fenster eingestiegen.«
»Zeigen Sie’s mir«, sagte Connelly.
Sie stiegen aus ihren Autos und gingen zur
Rückseite des Hauses. Connelly sah sich alles ganz genau an. Er
entfaltete das herausgerissene Fliegengitter und hielt es
probeweise ans Fenster. Er zerrieb etwas Schimmel zwischen Daumen
und Zeigefinger und roch daran.
Er sagte: »Könnte eineinhalb Jahre her
sein.«
Dann fragte er: »Wie hat’s drinnen
ausgesehen?«
Reacher sagte: »Kein Durcheinander, keine
Schäden, nichts rausgerissen oder umgestürzt. Das waren keine
Einbrecher, keine Hausbesetzer.«
Connelly fragte: »Wie kommen Sie darauf,
dass hier eine Frau gelebt hat?«
Sie traten an das Verandageländer mit
schönem Blick auf Wald und Berge. Bramall berichtete von den
Stiefeln und dem Kamm, der Seife, den Handtüchern und den rosa
Socken in Damengröße.
Der Sheriff sagte: »Die Stiefel bedeuten
nicht viel, der Kamm und die Socken auch nicht. Die können
historisch sein. Vielleicht waren vor zehn Jahren jeden Sommer und
Winter Neffen und Nichten hier. Solche Sachen halten sich oft
erstaunlich lange.«
»Aber?«, fragte Reacher.
»Ich scheue mich nicht davor, einen Fehler
zuzugeben. Mir gefallen die Seife und die Handtücher. Zwei
Waschbecken im Bad bedeutet immer ein Paar, und wenn die eine Seife
parfümiert ist, handelt es sich um einen Mann und eine Frau. Und
Seife und Handtücher sind Echtzeitbeweise. So hat’s am Morgen von
Porterfields Tod in seinem Bad ausgesehen. Das muss ich übersehen
haben. Aber damals hat sich niemand bei uns gemeldet. Auch seither nicht. Alles deutete darauf hin,
dass Porterfield ein Einzelgänger gewesen ist, den praktisch
niemand kannte. Aber wo ist die Frau jetzt, die damals hier gelebt
hat?«
»Genau das versuchen wir
rauszukriegen.«
»Wenn’s dieselbe Frau ist.«
»Dagegen spricht nichts.«
Connelly sagte: »Der Ring, den Sie mir
gezeigt haben, war ziemlich klein.«
Reacher nickte.
»Beruht Ihre Theorie nur auf der Größe der
Socken? Die können beim Waschen eingegangen sein.«
»Die Stiefel nicht. Die sind auch
klein.«
»Wo war sie im Einsatz?«
»Irak und Afghanistan, fünfmal.«
»Ganz schön tough.«
»Mehr, als Sie sich vorstellen
können.«
»Wenn’s dieselbe Frau ist.«
»Immerhin möglich.«
»Würde eine Frau dieser Art heimkehren,
parfümierte Seife benutzen und rosa Socken tragen?«
»Ich bin mir ganz sicher, dass sie genau das
tun würde. Solche Dinge symbolisieren, dass man wirklich
heimgekehrt ist.«
Der Sheriff drehte sich um und betrachtete
die Rückfront des Hauses.
Speziell das eingeschlagene Fenster.
»Ich weiß«, sagte Reacher.
»Was wissen Sie?«
»Wir rätseln auch darüber nach, wer das
gewesen sein könnte. Das ist gute professionelle Arbeit. Ein
glatter Bruch, und drinnen ist nichts durcheinandergeworfen. Das
spricht für Ausbildung und Erfahrung. Als ob eine staatliche Stelle
die Finger im Spiel gehabt hätte. Aber diese Vorstellung ist
lächerlich.«
Connelly sagte: »Vor allem wegen der Frage,
was der Staat von Porterfield gewollt haben könnte. Der Kerl war
eher unbedeutend. Und jede staatliche Stelle hätte zuerst mich
angerufen. Zumindest aus Höflichkeit, aber auch, um zu fragen, ob
ich behilflich sein kann. Das hätte ich können. Ich hatte die
Schlüssel.«
»Dann arbeiten gewöhnliche Verbrecher
heutzutage sauberer.«
»Nicht meiner Erfahrung
nach.«
»Wer war’s also?«
»Vielleicht Eliteverbrecher. Leute, die sich
das Beste leisten können.«
»Was können sie von einem unbedeutenden
Typen wie Porterfield gewollt haben?«
Der Sheriff gab keine Antwort.
Bramall erklärte: »Wir entschuldigen uns für
den Einbruch. Wir wollten dem County gegenüber nicht respektlos
sein.«
Connelly sagte: »Was die Frau betrifft, kann
ich Ihnen leider nicht helfen. Nichts weist auf eine Straftat hin.
Ich kann nicht mit Seife und Handtüchern vor den Ausschuss treten,
der mein Budget bewilligt. Sorry, aber ich habe einfach nicht genug
Leute.«
»Wer könnte uns helfen?«, fragte Bramall.
»Nachbarn?«
»Schon möglich. Ich bin ihr Sheriff, aber
ich kenne keinen von ihnen. Ich befinde mich überhaupt erst zum
zweiten Mal hier draußen. Dies ist ein stiller Winkel. Ich muss
mich vor allem um die quietschenden Räder kümmern.«
»Wir müssen weiter«, sagte Bramall. »Danke
für Ihre Zeit, Sheriff.«
Dreihundert Meilen entfernt in Rapid City,
South Dakota, saß Gloria Nakamura in ihrem blauen Chevy, den sie so
geparkt hatte, dass sie diesmal den Hintereingang von Scorpios
Waschsalon im Auge behalten konnte. Sie saß seit fast zwei Stunden
hier, aber bisher hatte sich noch nichts Interessantes
ereignet.
Bis jetzt.
Eine in Montana zugelassene Harley-Davidson
bog auf die Gasse ab. Ihr Motorengeräusch hallte von den Hauswänden
wider. Dann verstummte es. Der Biker stieg ab, die Hintertür wurde
geöffnet, und der Biker ging hinein.
Nakamura notierte sich etwas.
Nach ihrer Uhr kam der Biker vier Minuten
später wieder heraus. Er schwang sich auf seine Maschine, ließ den
Motor an und röhrte davon.
Nakamura notierte sich etwas.
Dann fuhr sie wieder zurück zum
Revier.
Bramall und Reacher folgten der Zufahrt und
bogen an der unbefestigten Straße nach
Westen ab, weil sie glaubten, dort lebe die Masse der Nachbarn,
wenn man überhaupt von einer »Masse« reden konnte. Bramall
beobachtete die linke Straßenseite, Reacher die rechte. Sie waren
sich darüber einig, dass sie die erste Abzweigung nehmen würden, an
deren Ende Sy Porterfields nächster Nachbar wohnen musste.
Die erste Zufahrt kam nach elf Meilen. Auf
der linken Seite. Die beiden hätten sie fast übersehen, so schlicht
und unscheinbar war sie. Sie schlängelte sich über bewaldete Hügel,
wies enge und steile Stellen auf und war insgesamt besser
instandgehalten als Porterfields. Der Land Cruiser rollte über drei
Meilen weit, bis der Wald plötzlich zurückblieb und die Zufahrt auf
eine weite Fläche mit Aussicht nach Osten hinausführte. Hier stand
ein ebenerdiges Haus auf einem Natursteinfundament. Es war mit
braun gestrichenen Brettern verschalt, die an einigen Stellen
silbrig verwittert wirkten. Auf der Veranda stand eine alte
Kirchenbank, auf der man sitzen und in der Morgensonne die frische
Luft genießen konnte.
Bramall parkte in respektvoller Entfernung
von dem Haus. Er blickte auf sein Smartphone.
»Zwei Balken«, sagte er. »Die Überdeckung
ist hier draußen ziemlich gut. Sie hätte von überall anrufen
können.«
Sie wollten aussteigen, aber bevor sie das
tun und zur Haustür gehen konnten, wurde die Tür geöffnet, und eine
Frau kam auf die kleine Veranda vor der Haustür. Sie musste den
SUV gehört haben. Sie war schlank
und kräftig, von Wind und Wetter gegerbt und trug ein
ausgebleichtes rotes Kleid. Ihre nackten Beine steckten in
Cowboystiefeln. Sie schien um die vierzig zu sein, aber ihr Alter
war schwer zu schätzen. Reacher hätte vorsichtshalber dreißig
gesagt und wäre nicht überrascht gewesen, wenn fünfzig richtig
gewesen wäre. Sie stand mit in die Hüften gestemmten Armen da,
musterte die Neuankömmlinge. Nicht feindselig. Noch nicht.
Bramall sagte: »Sie hält uns für
Mormonen.«
Reacher stieg aus. Er hob eine Hand. Eine
universelle Geste: unbewaffnet, freundlich. Sie bewegte den Kopf
halb antwortend, halb fragend. Bramall stieg aus. Reacher und er
traten vor und machten in gebührendem Abstand von der Veranda
halt.
Reacher sagte: »Ma’am, wir sind auf der
Suche nach einer verschwundenen Frau, die anscheinend einige Zeit
bei Ihrem Nachbarn Sy Porterfield gelebt hat. Vielleicht können Sie
uns etwas über sie erzählen?«
»Kommen Sie lieber rein«, sagte die Frau.
»Ich habe gerade einen Krug Limonade
angesetzt.«