26
Seit dem Zwischenfall mit dem Rollstuhl nahm Grace sich viel mehr vor ihrem Patienten in Acht. Matt Conner hatte ihr Vertrauen ausgenutzt, um sie zu erschrecken, und damit den Vertrag zwischen Schwester und Patient eindeutig verletzt. Grace hatte nun ständig das Gefühl, sich hüten zu müssen. Sie wusste, dass es nichts Ungewöhnliches war, wenn Patienten Wut auf ihre Pfleger bekamen und sich gegen sie auflehnten. Aber was ihr an Matts Benehmen am meisten zu schaffen machte, war seine offensichtliche Gesundheit. Es ging ihm zusehends besser, so dass er bald aus dem Krankenhaus entlassen würde. Grace fürchtete sich vor diesem Tag. Seitdem Matt aufgewacht und zu einer realen Person für sie geworden war, hatte sie ununterbrochen an ihn gedacht.
Wenn sie das nur mit jemandem bereden könnte! Joanne und Cherry waren nur selten zu Hause. Was konnte sie ihnen auch schon sagen? Es war albern, zuzugeben, seltsame, wunderbare Gefühle für jemanden entwickelt zu haben, der so berühmt war wie Matt Conner. Aber genau so war es. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte Grace es kaum abwarten, zur Arbeit zu gehen. Und morgens, nach ihrer Schicht, konnte sie vor Aufregung kaum schlafen, weil sie ihn am Abend wiedersehen würde. Sie gab dem fürchterlichen Drang nach und sah sich im Internet Videos von Matts Auftritten bei Talkshows an. Stets wirkte er kühl, selbstbewusst und entspannt, ein normaler, gut gelaunter Mann, der seinem Publikum gefallen wollte. Aber wenn man ihn genauer betrachtete, erkannte man, dass sein Herz nicht ununterbrochen bei der Sache war, besonders nicht, wenn der Interviewer alberne Fragen nach seinem Liebesleben oder seiner Arbeit stellte. Bei einer Talkshow vor ein paar Jahren mit einem weiblichen Fernsehstar ging es um einen Actionfilm. Die Frau war eine attraktive, ziemlich dumme Blondine, die offensichtlich in Matt verliebt war und über alles kicherte, was er sagte. Matt versuchte die ganze Zeit, nicht allzu gelangweilt auszusehen. Aber Grace erkannte, wie er am liebsten die Augen verdreht hätte. Beim Zusehen bekam sie immer das Gefühl, ihn ganz genau zu kennen.
Das machte ihre Situation noch unerträglicher. Letzte Nacht hatte er starke Kopfschmerzen bekommen und vor Schmerz und Frustration laut geschrien. Grace war, ebenso schnell wie vielleicht zu einem Kind, aus dem Schwesternzimmer zu ihm gerannt und hatte ihm ein Beruhigungsmittel gegeben. »Ich habe alles versaut«, hatte er zu Grace gesagt, als die Wirkung einsetzte, »aber wenn ich den Rest meines Lebens hierbleiben muss, mit diesem albernen Nachthemd, wäre das gar nicht so schlecht.« Dann hatte er nach ihrer Hand gegriffen. Grace hatte sie ihm entzogen und ihm geraten, auszuruhen.
Heute erreichte sie das Krankenhaus ohne eine Ahnung, was auf sie zukam. Als sie aus dem Aufzug trat, bemerkte sie als Erstes, dass es auf dem Gang unheimlich still war. Niemand bellte ins Telefon, kein Gelächter drang aus den Zimmern, kein Zeichen von irgendjemandem. Grace ging auf direktem Weg in die Pavarotti-Suite, wie immer, weil sie plötzlich beunruhigt dachte, mit Matt wäre etwas geschehen. Was sonst würde das Schweigen auf den Gängen erklären?
Aber als sie den Kopf durch die Tür schob, saß er aufrecht im Bett und verschlang fröhlich ein chinesisches Fertiggericht. Er streckte es ihr mit erwartungsvoll hochgezogenen Brauen entgegen. In letzter Zeit hatte er oft versucht, Grace einzubeziehen, ob es um das Essen ging oder eine Wortsuche in einem billigen Rätselbuch. Diese Bücher wurden normalerweise nur von Kindern oder lernbehinderten Erwachsenen benutzt, aber für Matt gehörte es zur Therapie, und er wurde immer ganz aufgeregt, wenn er ein langes Wort auf der Diagonale identifizieren konnte. Eines Nachts nahm Grace seine Einladung an, neben ihm zu sitzen und ein Tennismatch zwischen zwei Frauen anzusehen. Dabei erfuhr sie, dass er mit einer der Spielerinnen ausgegangen war, einer niedlichen Schweizer Brünetten, die das Spiel aber verlor.
»Kommen Sie, nur einen Bissen«, sagte Matt und hielt ihr eine Gabel voll entgegen.
»Nein, danke«, ewiderte Grace. »Aber es riecht sehr gut.«
»Jaja«, meinte Matt, »aber wir haben vielleicht keine weitere Gelegenheit …!« Er verstummte, als würde ihm ein Wort fehlen.
»Zusammen zu essen?«, half Grace ihm aus.
Matt lächelte, was auf Grace igendwie kindlich wirkte. »Ja«, sagte er dann. »Ich esse nicht gerne alleine.«
»Das kenne ich«, meinte Grace, obwohl sie sich nicht einmal daran erinnern konnte, wann sie zum letzten Mal mit jemandem zusammen gegessen hatte. »Im Moment habe ich eine Menge zu tun. Ich komme sobald wie möglich wieder. Okay?«
Beim Umdrehen rief Matt ihren Namen. Grace wandte sich zu ihm um.
»Ich habe von Ihrer Wohngenossin gehört«, sagte Matt.
»Meiner Wohngenossin?«
»Ich habe gehört, dass sie einen schweren Fehler gemacht hat. Einer ihrer Patienten ist gestorben. Daher ist sie früher nach Hause gegangen.«
Cherry, dachte Grace, da Joanne heute frei hatte. Cherry! Das erklärte das Schweigen auf den Gängen.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Grace, und ihre Sorge um Cherry lag im Wettstreit mit ihrer Entrüstung, wer die Regeln verletzt und Matt informiert hatte. Vermutlich stammte es von Michael Lavender, der es wiederum von Dawn erfahren haben musste. Wunderbar!
Matt zuckte die Achseln, als könne er sich nicht daran erinnern, und das war in seinem Zustand auch durchaus möglich. Grace entschuldigte sich und ging über den Gang zu Kathys Büro.
Kathys Tür stand offen. Drinnen saß die Chefin an ihrem Schreibtisch und tippte etwas auf dem Computer. Ohne Zweifel war es ein Bericht.
»Kathy?«, fagte Grace leise.
Kathy blickte auf und sah sie mit kühlen, bürokratischen Augen an. Nie war sie konzentrierter und autoritärer, als wenn eine der Schwestern einen größeren Fehler beging.
»Wir hatten einen ereignisreichen Tag«, sagte sie. »Falls Sie das noch nicht gehört haben.«
»Ich habe es gehört«, antwortete Grace, die einen anklagenden Ton in Kathys Stimme vernommen hatte, denn Cherry galt als Grace’ Schützling. »Was genau ist denn passiert?«
Kathy tippte weiter, als könnte sie Grace’ Anblick nicht ertragen. »Was geschehen ist … nun, Schwester Bordeaux …« Kathy benutzte die altmodische Anrede ohne Ironie. »… hat Mr. Donahue ein Blutverdünnungsmittel verabreicht, und prompt ist bei ihm ein Aneurysma geplatzt. Unser erster fataler Fehler in zwei Jahren.«
»Meinen Sie, dass sie die Patientenkarte falsch gelesen hat?«
Kathy schüttelte den Kopf - nicht so sehr über die Frage als über die Ausrede, die sie vorher darüber gehört hatte. »Wir sind alle müde und überarbeitet«, sagt Kathy. »Ich bin seit dreißig Jahren müde und überarbeitet. Aber ich prüfe die Kartei immer doppelt und dreifach, ehe ich auch nur ein Aspirin verabreiche.«
Grace wusste, dass sie dazu besser schwieg. Kathy war davon überzeugt, dass die jungen Schwestern lange nicht so gut ausgebildet und gewissenhaft waren wie die ältere Generation.
»Jedenfalls«, fuhr Kathy fort, »waren Doktor Nash und Doktor Hirsch zufrieden, alles unter den Teppich zu kehren.«
»War es Ricks Patient?«
»Ja«, antwortete Kathy, »was besonders interessant ist, denn es war Dr. Nash, der gebeten hatte, Cherry zur Tagesschicht einzuteilen.«
Grace erkannte, das Kathy keine Ahnung hatte, dass Cherry und Rick eine Beziehung hatten. Sie schien bei solchen Dingen immer bewusst auf einem Auge blind zu sein.
»Ich habe mit Dr. Hirsch beschlossen, Cherry drei Monate Probezeit zu geben«, sagte Kathy. »Was unter diesen Umständen mehr als nur großzügig ist.«
Wenn es nach Kathy gegangen wäre, hätte sie Cherry auf der Stelle entlassen. Aus irgendeinem Grund hatte sie für Cherry nie viel übrig gehabt, aber sie hatte es Grace immer zugute gehalten, dass diese sich einsetzte, aus Cherry eine bessere Krankenschwester zu machen, als Kathy je erwartet hätte. Jetzt war dieses Vertrauen zerstört.
Grace entschuldigte sich und ging zur Schwesternstation, um Cherry anzurufen. Keine Antwort. Vermutlich war sie bei Rick, dachte Grace. Kein Arzt verliert gerne Patienten, und Grace konnte nur hoffen, dass Rick die Sache für Cherry nicht noch schlimmer machte, als sie ohnehin war.
Sie blickte den Gang entlang zur Pavarotti-Suite. Die Tür stand einen Spalt weit offen, so dass sie in der Dunkelheit das bunte Farbenspiel des Fernsehers sehen konnte. Eigentlich wollte sie nichts lieber, als mit Matt zusammen fernsehen.
Unter dem Vorwand, seinen Puls prüfen zu müssen, betrat Grace das Zimmer, wo Matt gelangweilt mit der Fernbedienung spielte.
»Fernsehen macht mich nervös«, sagte er.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Grace. Sie wollte nicht, dass er den Eindruck bekam, dass sie aus anderen als beruflichen Gründen hier war. »Kopfschmerzen?«
»Ja, aber seit einer Stunde sind sie verschwunden.«
Grace lachte. »Damit meinen Sie vermutlich Michael Lavender?« Darauf brauchte sie keine Antwort. »Manche Kopfschmerzen«, sagte sie, »wird man leichter wieder los als andere.«
»He«, meinte Matt da lebhaft. »Sie wissen doch, dass ich gerade einen Film drehte, als es passierte, ja? Also, wir waren schon halb damit fertig, aber jetzt wollen sie … wie heißt das gleich … weitermachen. Sie meinen aber, dass ich dazu noch nicht imstande bin, daher haben sie … wie heißt das, wenn man mit etwas aufhört?«
»Abbrechen? Unterbrechen?« »Genau. Sie haben die Produktion unterbrochen. Und Farren ist völlig wütend auf mich, die Hauptdarstellerin. Es sollte ihr Durchbruch werden, und jetzt wirft sie mir vor, ihre Karriere zerstört zu haben.« Matt seufzte reumütig. »Ich hatte noch nicht daran gedacht, wie das alles andere Menschen betrifft.«
»Das tut mir leid, Matt.« »Aber die gute Nachricht ist«, fuhr er aufheiternd fort, »dass ich dadurch frei geworden bin, diesen anderen Film zu drehen, wo ich das Skript schon auswendig gelernt habe.«
»Großartig!«, rief Grace, fragte sich aber, wie er für den einen Film gesund genug sein konnte, nicht aber für den anderen. Vermutlich hatte Lavender daran gedreht, dass Matt nun ein lukrativeres Projekt übernehmen konnte. Er hatte seinen Zustand bei dem einen Produzenten übertrieben, beim anderen untertrieben.
»Sie fangen in drei Wochen mit den Dreharbeiten an«, sagte Matt. »Werden Sie mich am Drehort besuchen?«
»Klar«, meinte Grace, nahm ihn aber nicht allzu ernst. Sie konnte sich gut vorstellen, hinzufahren, dass er sich aber ihr gegenüber dann völlig anders verhielt: abweisend, wieder in seiner eigenen Welt statt in ihrer. Jedenfalls fand sie es völlig unrealistisch, dass Matt in drei Wochen wieder vor einer Kamera stehen würde. Sie wusste allerdings, dass man beim Filmen keine großen Dialoge auswendig lernen musste, daher konnte es ihm gerade eben gelingen.
»Ich meine das ernst«, sagte Matt. »Kommen Sie rüber. Das Wetter ist dort großartig, und ich kümmere mich um Sie.«
»Ich könnte Ihnen den Puls fühlen«, sagte Grace und behandelte damit die ganze Angelegenheit eher wie einen Scherz, für den sie dieses Angebot auch hielt.
»Es wäre toll, wenn Sie mitkämen«, sagte Matt und starrte Grace nun offen an. Sie erwiderte den Blick mit einer Art verträumter Intensität, wie man ihn oft in Kneipen nach zwei, drei Drinks sieht. In Matts Augen tanzten Lichter. Das hatte Grace auch in einigen Nahaufnahmen von seinen Filmen gesehen. Er schien dann tief in ihr Innerstes zu blicken, durch alle Barrieren hindurch, die sie vielleicht errichtet hatte. In diesem Augenblick fühlte Grace sich, als hätte er sie für sich auserkoren. Als gäbe es nur sie beide und nichts anderes mehr.
Dann dachte Grace, wenn jemand nun unvermutet ins Zimmer trat, könnte er sie für unprofessionell halten (sie dachte insbesondere an Kathy), und aus diesem Grund richtete sie sich auf, reckte das Kinn vor und fingerte an dem kalten Stethoskop um ihren Hals. »Also«, meinte sie dann in dem Versuch, den Tonfall wieder für die Pavarotti-Suite angemessen zu machen, »ich freue mich sehr, von dem Film zu hören. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie irgendetwas brauchen.« Dann trat sie wieder auf den Flur zurück. Ihr Herz raste.
Um Kathy aus dem Weg zu gehen, begab sie sich nach unten in die Cafeteria und holte sich einen Eistee. Den Weg im Aufzug nach unten fühlte sie sich schwerelos. Dann fiel ihr Cherry wieder ein. Die Ärmste! Einen Patienten zu verlieren. Wie schrecklich. Aber dann flogen ihre Gedanken wieder zu Matt zurück.
Als die Aufzugtüren sich öffneten, sah sie Dawn und Michael Lavender auf sich zukommen. Sie unterhielten sich angeregt und leise miteinander. Lavender sah blass und aufgeregt aus, während Dawn auf ihn einredete. Erst in drei Metern Entfernung blickte Lavender hoch und sah Grace. Beide blieben unvermittelt stehen und lächelten sie auf die gleiche gekünstelte Weise an.
»Wie geht’s bei Pavarotti?«, fragte Dawn mit hinterhältigem Unterton, als deutete sie einen Flirt zwischen Patient und Schwester an.
»Oh, du meinst Matt?«, fragte Grace betont unschuldig. »Alles in Ordnung. Er hat gute Laune.« Dann fuhr sie zu Lavender gewandt fort: »Er sagte, er würde in drei Wochen mit den Dreharbeiten zu einem neuen Film anfangen. Das ist ja fantastisch!«
»Nein«, erwiderte Lavender ernst. »Die Pläne haben sich geändert.«
»Ach ja?«
»Mit anderen Worten«, unterbrach Dawn wie eine ungeduldige Mutter, die für ihr stotterndes Kind einspringt: »Es wäre nicht recht, Matt nur des Geldes wegen dazu zu treiben, ehe er nicht wieder richtig gesund ist.«
Lavender blickte bei diesen Worten auf seine Schuhspitzen, und Grace vermutete, dass man ihm gerade seinen Plan ausgeredet hatte, das fragwürdige Interesse der Öffentlichkeit an dem Kranken auszunutzen und den hirngeschädigten Schauspieler zu einem vorzeitigen und katastrophalen Comeback zu überreden. Grace selbst glaubte nicht, dass Matt gesund genug für die Strapazen eines teuren Filmes war. Sie begrüßte es, dass Dawn, kaum die beste Krankenschwester der Welt, auch zu diesem Schluss gelangt war, egal wie sie Michael Lavender dazu überredet hatte. Lavender nickte bloß, als Dawn fortfuhr, wie »sie gemeinsam« beschlossen hatten, es sei das Vernünftigste, Matt aus allem herauszuhalten, bis er sich wieder richtig erholt hätte.
»Matt wird das nicht gefallen«, sagte Lavender. »Ich habe seit Jahren daran gearbeitet, ihm eine solche Rolle zu besorgen. Aber wenn ich ihn zu früh wieder losschicke und er versagt, dann verdirbt das alles. Daher müssen wir klug sein und langfristig denken.« Dieser letzte Satz klang verdächtig nach einer gerade erst entwickelten Idee, und Grace erkannte, dass Lavender damit noch seine Probleme hatte.
»Das halte ich für sehr vernünftig«, erwiderte Grace, sosehr ihr auch Matts Einladung gefiel, ihn am Drehort zu besuchen. »Sicher wird er enttäuscht sein, aber letztendlich auch dankbar.«
 
In den zwölf Jahren als Krankenschwester hatte Grace so etwas noch nie gesehen. Von zehn Uhr an bis weit nach Mitternacht blieb die Tür zur Pavarotti-Suite geschlossen. Fünf weitere Personen waren zu dieser vermutlichen Krisensitzung eingelassen worden. Grace gehörte nicht zu dieser prestigeträchtigen Gruppe, die aus Lavender, Fred Hirsch, Judy Putnam, Dr. Daras und Yvette Soffian bestand, der Pressesprecherin des Manhattan Hospitals. Diese eindrucksvolle Versammlung, die für einen Unfalltoten angemessener gewesen wäre, fand sich aus keinem anderen Grund zusammen, als dass ein Prominenter einen Wutanfall bekommen hatte.
Matt Conner hatte nicht gut auf Lavenders Ankündigung reagiert, der Schauspieler würde ein paar Monate lang »aus dem Verkehr gezogen«, damit er sich richtig erholen konnte. Man hatte aus der Pavarotti-Suite gedämpfte Schreie und klirrendes Glas gehört. Als Grace von der Aufregung hörte, war sie aus dem Schwesternzimmer den Gang entlanggerannt und hatte Matt gerade noch gesehen, wie er in seinen Boxershorts vor Michael Lavender stand und ihn wütend beschimpfte. Lavender saß mit gesenktem Kopf auf der Bettkante und kniff sich den Nasenrücken.
»Matt!«, hatte Grace gerufen, und Matt hatte sie angeblickt und war erstarrt, als würde er sie zwar erkennen, aber nicht richtig.
Dann war Lavender aufgestanden und hatte Grace hinaus auf den Flur geführt.
»Er muss es einfach loswerden«, sagte Lavender und wechselte in die Rolle des diplomatischen Rock-Managers. »Er ist bei der Nachricht einfach ausgerastet. Verständlicherweise. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Wir kommen natürlich für alles auf.«
Eine knappe Stunde später wurden aus bisher unbekannten Gründen alle Schlüsselfiguren benachrichtigt und in die Pavarotti-Suite beordert. Einer nach dem anderen erschienen sie. Als Letzter kam Daras um Viertel nach elf in einem Smoking, denn man hatte ihn von einer Wohltätigkeitsveranstaltung für den Bürgermeister weggerufen.
Grace versuchte im Schwesternzimmer, Cherry zu erreichen. Sie hinterließ drei Nachrichten, sie anzurufen, falls sie mit jemandem reden wollte.
Als die Matt-Conner-Sitzung vorbei war, fing Grace den Blick von Judy Putnam auf, die gerade mit ihrem fantastischen Laufsteg-Gang am Schwesternzimmer vorbeirauschte. Sie bedeutete Grace, ihr zu folgen. Auf dem Weg zum Aufzug berichtete ihr Judy knapp von dem Geschehen.
»Grundsätzlich hat Dr. Daras zugestimmt, dass Matt noch ein paar Monate Ruhe und Therapie braucht, und Matt fand das in Ordnung. Aber auch wenn er diesen Film nicht drehen würde, würde er verdammt nochmal nicht in diesem fürchterlichen Krankenhaus bleiben - das waren seine Worte, nicht meine. Er verlangte, sofort entlassen zu werden. Daras stimmte zu, und Yvette Soffian entschied, morgen früh eine Pressemitteilung herauszugeben.«
»Eine Pressemitteilung?«, fragte Grace. »Aber dann erfahren es sämtliche Medien, und die Reporter schwirren überall hier herum.«
»Nein«, erwiderte Judy, »entschuldigen Sie, aber das habe ich nicht genau erklärt. Matt Conner wird in der nächsten Stunde das Krankenhaus verlassen - mitten in der Nacht. Das ist alles bereits arrangiert, und zwar mit Zustimmung von Dr. Daras.«
»Oh.« Grace spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. In einer Stunde? Er sollte doch erst in ein paar Tagen entlassen werden. »Danke, Judy«, war alles, was sie herausbrachte. Da waren sie beim Lift angekommen.
»Oh, ja«, fügte Judy noch hinzu, als die Türen sich öffneten. »Ich brauche eigentlich nicht zu erwähnen, dass der Vorfall heute mit Mr. Donahue sich nicht wiederholen darf. Das wirft ein schlechtes Licht auf die ganze Station und das Krankenhaus. Also bitte, immer die Patientenkarten sorgfältig lesen. Okay?« Judy ließ noch einmal ihr gewinnendes professionelles Lächeln aufblitzen, ehe die Türen des Lifts sich schlossen.
Schicksalspfad Roman
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