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»Soll ich jetzt auch noch über übersinnliche Fähigkeiten verfügen? Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat«, sagte Art und trank zwischen den Bissen seines Sandwichs einen Schluck Eistee. Ich hatte ihn nach meinem Treffen im Federal Building voller Panik angerufen, und er war einverstanden gewesen, sich mit mir zum Mittagessen im Caloun’s On the River zu treffen, das sich rühmte, das beste Barbecue in der ganzen Stadt zu servieren.

»Selbst wenn du es nicht weißt, kannst du mir wenigstens dabei helfen, zu überlegen, was es heißen könnte«, beharrte ich.

»Okay, du machst Vorschläge«, sagte er, »und ich gebe dir meine wohlüberlegte Meinung dazu.«

»Szenario A«, begann ich. »Williams hat sich an das FBI gewandt, weil er weiß, dass der Sheriff die Hahnenkämpfe, das Glücksspiel und den Drogenhandel deckt, wie Price sagte.« Art kaute gedankenverloren an seiner gegrillten Schweineschulter. »B: Williams hat sich an sie gewandt, weil er glaubt, dass der Sheriff in dem Mordfall etwas verschweigt oder jemanden schützt.« Art grübelte noch ein bisschen weiter. »C: Das FBI hat Williams herbeizitiert, weil sie dort glauben, er sei in etwas Illegales verwickelt, und ihn unter Druck setzen wollen, damit er mit ihnen kooperiert.« Art strich sich langsam übers Kinn. Ich versuchte geduldig zu warten, doch das gelang mir nicht. »Also, worauf tippst du?«

»Könntest du mir die verschiedenen Szenarios noch einmal aufzählen?« Er nahm noch einen Bissen.

»Komm schon, Art, das bereitet mir wirklich Bauchschmerzen.«

»Nun, ich bin mir nicht sicher, ob ich A oder B glaube«, sagte er mit vollem Mund. »Die Tatsache, dass Williams Waylon wahrscheinlich geholfen hat, dich zu kidnappen, lässt mich zweifeln, für wen der Deputy wirklich arbeitet. C ist möglich, nehme ich an, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das FBI das Risiko eingehen würde, einen kooperierenden Zeugen bis nach Knoxville zu laden – wie soll er erklären, dass er den halben Tag weg war? Man muss natürlich auch noch D und E in Erwägung ziehen.«

»D und E? Wie lauten die?«, fragte ich.

»D: Williams glaubt, du behinderst die Justiz, und war dort, um dich zu verpfeifen.«

»Mich? Wie sollte ich denn die Justiz behindern?«

»Indem du Jim O’Conner schützt.«

»Was? Ich schütze doch nicht Jim O’Conner. Ich weise nur darauf hin, dass einiges nahe legt, dass er unschuldig ist. Einiges, was sie vielleicht nicht sehen wollen, weil sie einen Groll gegen ihn hegen oder weil er einfach einen praktischen Sündenbock abgibt. O’Conner schützen? Nicht zu fassen, dass du das gesagt hast.«

»Hey, jetzt reg dich nicht auf«, sagte Art. »Ich bin schließlich nicht derjenige, der dich verpfeift.«

»Du glaubst wirklich, dass Williams ihnen das erzählt?«

»Nein, eigentlich nicht. Ich versuche nur, alle Möglichkeiten im Auge zu behalten.«

»Super. Vielen Dank. Und E? Ich kann es kaum erwarten, Szenario E zu hören.«

»E ist ›keins von den obigen‹. Vielleicht arbeitet Williams an einem Aspekt der Sache, den wir noch gar nicht bedacht haben. Vielleicht wäre er selbst gern Sheriff und denkt sich, es wäre viel leichter, gewählt zu werden, wenn Kitchings hinter schwedischen Gardinen sitzt. Was ich damit sagen will: Wir haben absolut keine Möglichkeit, zu erfahren, was er ihnen erzählt und warum. Also musst du weiterhin genau das tun, was du bislang getan hast: Alles in Erfahrung bringen, was du kannst, die Wahrheit sagen und auf dich aufpassen. Und niemandem vertrauen.«

»Einschließlich dir?«

»Besonders mir nicht.« Er ließ das Kinn auf die Brust fallen, zupfte vorne an seinem Hemd und sprach so laut, als wollte er sichergehen, dass seine Worte auch von einem billigen Mikrofon erfasst wurden, das an seinem Brustbein klebte: »Ganz richtig, Dr. Bill Brockton, besonders mir nicht.«