17. KAPITEL

»Alles hängt zusammen«, sagte Caleb leise.
»Was ist?«, fragte sie ein wenig atemlos vom Tanz und dem kalten Feuer seiner Energie, die sie umkreiste. »Hatten Sie denn Einblicke irgendwelcher Art?«
»Ja, dank Ihnen.« Sein Kinn spannte sich. »Ich hätte die auf der Hand liegende Frage gleich zu Beginn unserer Bekanntschaft stellen sollen, doch war ich zu sehr erpicht, Hulsey aufzuspüren.«
»Und wie lautet diese Frage?«
»Wie hängen die Morde an Ihrem Vater und an seinem Partner mit dem Diebstahl des Farns zusammen?«
»Wie bitte?« Zutiefst erschüttert sah sie in sein von Schatten gezeichnetes Antlitz. »Ich verstehe wohl nicht … wie könnte es eine Verbindung zwischen diesen Ereignissen geben?«
»Das gilt es herauszufinden, Miss Bromley.«
»Aber Sie spüren, dass es eine gibt?«
»Ich hätte sie wie gesagt schon eher wahrnehmen sollen. Ich kann nur sagen, dass ich irgendwie abgelenkt wurde.«
»Immerhin hatten Sie viel zu tun. Sie machten dem verbotenen Kult ein Ende und entdeckten, dass der Mann, den ich als Dr. Knox kannte, der von Ihnen gesuchte wahnsinnige Wissenschaftler ist. Ganz zu schweigen von der Kleinigkeit, dass Sie Mrs Daykins Leichnam fanden und dafür sorgten, dass ich nicht unter Mordverdacht verhaftet wurde. Sie waren in letzter Zeit sehr beschäftigt, Sir. Verständlich, dass Sie sich nicht mit den Verbrechen an zwei Menschen befassen konnten, die vor anderthalb Jahren starben.«
»Ach, das waren ja nur kleinere Probleme«, sagte er. »Es war etwas ganz anderes, das mir im Weg stand.«
»Was denn?«
»Da wir schon bei dem Thema sind … ich glaube, dass der Tod Ihres Verlobten auch mit dieser Sache zu tun hat. Es muss sich so verhalten.«
Wieder war sie wie vor den Kopf geschlagen. »Sie wollen tatsächlich Mr Glassons Ermordung auch mit dieser Sache in Verbindung bringen?«
»Alles ist eine Einheit. Das Schema ist mir jetzt ganz klar. Wie gesagt, das Problem war die große Ablenkung, die meine Gedankengänge störte.«
»Ach?« Sie zog die Brauen hoch. »Und was war diese erstaunliche Ablenkung, die so stark war, dass dem talentierten Caleb Jones ein Fehler unterlief?«
»Sie«, sagte er einfach.
Sie war sprachlos.
»Was?«, brachte sie schließlich heraus.
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine starken Hände. »Sie sind die Ablenkung, Lucinda. Nie bin ich jemandem begegnet, der meine Gedanken so verwirrte wie Sie.«.
»Das klingt aber nicht wie ein Kompliment.«
»So war es auch nicht gemeint. Es ist die Feststellung einer Tatsache. Außerdem glaube ich nicht, dass ich mich gut konzentrieren kann, ehe ich nicht sicher weiß, dass Sie mich als ebensolche Ablenkung empfinden.«
»Oh«, flüsterte sie. »Ja, ja, ich finde, dass Sie mich ablenken, Sir. Sogar sehr.«
»Es freut mich, das zu hören.« Sein Mund schloss sich über ihrem.
Ihre plötzlich entflammten Sinne waren weit offen für die Nacht. In der Dunkelheit erwachten die Gärten zum Leben und glühten irisierend in allen Farben des Spektrums. Sekunden zuvor waren die am Rand der Terrasse blühenden Blumen in der Dunkelheit unsichtbar gewesen. Nun waren sie wie kleine Feen-Laternen, die in Myriaden von zauberhaften Farben leuchtend funkelten. Das Gras verströmte eine smaragdene Aura. Die hohen Hecken wurden zu leuchtenden grünen Mauern. Die Energie des Lebens ließ Lucindas Sinne erklingen.
Caleb zog sie fest an sich. Sein Mund glitt schwer von ihren Lippen und fand ihre Kehle.
»Willst du mich, Lucinda?«, fragte er rau. »Das ist es, was ich wissen muss. Ehe diese Frage nicht beantwortet ist, werde ich mich nie wieder richtig konzentrieren können.«
Sie hatte jede Hoffnung aufgegeben, jemals die Macht der Leidenschaft zu erleben. Und nun hatte diese beängstigende Kraft sie wie ein gewaltiger Sturm erfasst. Wenn sie sich von diesem heftigen Wind mitreißen ließ, würde sie niemanden hintergehen. Die einzige Gefahr drohte ihrem Herzen, und zwar eine ernste. Doch der Gedanke, niemals die köstlichen Gefühle zu erleben, die sie, wie sie ahnte, in Calebs Armen erwarteten, war die viel schlimmere Alternative. Besser geliebt und verloren zu haben.
Sie hob ihre behandschuhten Finger zu seinem Gesicht. »Ich begehre dich, Caleb. Ist das die Antwort, die du willst?«
»Mehr als ich jemals in meinem Leben etwas wollte.«
Wieder schloss sich sein Mund über ihrem, versengend und hungrig. Musik und gedämpfte Geräusche aus dem Ballsaal schienen in eine andere Dimension zu verklingen. Rohe Kraft pulsierte heiß in der Nacht. Die Flut leuchtender, heftiger Energie zog sie tiefer in ein berauschendes Chaos.
Sie schlang die Arme um seinen Nacken und öffnete ihm ihren Mund. Die schimmernde Atmosphäre verschob sich um sie herum. Erst nach ein paar Sekunden gewahrte sie, dass Caleb sie hochgehoben hatte und sie von der Terrasse tief in den phosphoreszierenden Garten trug.
»Ich spüre die Hitze in dir«, sagte er. »Deine Sinne sind heiß.«
»Ja.« Sie strich mit der Fingerspitze über seine Kinnlinie. »Deine auch.«
»Dieser Garten ist deine Welt. Wie wirkt er auf dich?«
»Er ist zauberhaft. Lebendig. Jede Pflanze bis hin zum kleinsten Grashalm verströmt feine Leuchtkraft. Ich sehe tausend Grünschattierungen im Laub, und die Blumen leuchten mit eigenem Licht.«
»Das klingt ja, als wäre es ein Märchenland.«
»Das ist es auch. Und was siehst du?«
»Nur dich.« Vor einem niedrigen dunklen Bau blieb er stehen. »Öffne die Tür.«
Sie griff hinunter, fand den Türknauf und drehte ihn. Die Tür schwang nach innen auf. Angenehme Wärme und ein Schwall intensiver pflanzlicher Düfte fluteten ihnen entgegen. Ihre Sinne summten unter der mächtigen Energie von getrocknetem Lavendel, Rosen, Kamille, Minze, Rosmarin, Thymian und Lorbeer. Im Mondschein sah sie dunkle Kräuter- und Blumensträuße von der Decke hängen. Auf dem Boden standen mehrere Körbe voll duftender Sträuße.
»Ein Trockenschuppen«, sagte sie entzückt. »Ich habe auch einen.«
»Hier sind wir ungestört.«
Er stellte sie behutsam auf die Beine und durchquerte den Raum zu einem Holzstuhl. Diesen hob er hoch und klemmte ihn unter den Türknauf. Dann kam er wieder zu ihr.
»Du denkst an alles«, bemerkte sie.
»Ich versuche es.«
Ganz sacht nahm er ihr die Brille ab und legte sie weg. Dann nahm er Lucinda wieder in die Arme.
Erwartung und Erregung ließen sie so stark zittern, dass sie seine Schultern umklammerte, um ihr Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Wieder küsste er sie und drehte sie dann um, dass sie ihm den Rücken zukehrte. Er machte sich daran, die feinen Haken ihres versteiften Mieders aufzuhaken. Nur wenige Augenblicke, und das Kleid war offen.
Er küsste ihre nackte Schulter. »Gottlob trägt du keines dieser verdammten stählernen Korsetts.«
»Die Gesellschaft für Vernünftige Kleidung hält sie für sehr ungesund«, erklärte sie.
Er lachte leise und kehlig. »Ganz zu schweigen von der Zeitverschwendung beim Öffnen.«
Er drehte sie wieder um und schob sanft das Mieder herunter, wobei er die gestuften, kunstvoll drapierten Röcke gleich mitnahm, bis das Kleid zu ihren Füßen herabsank und diese wie eine Pfütze umgab. Sie stand nun in ihrer dünnen Unterwäsche und in Strümpfen und Schuhen da.
Wie in Trance knöpfte sie seine Jacke auf und schob ihre Hände hinein, wobei seine Körperhitze sie in Erregung versetzte. Er schüttelte die Jacke mit raschen, ungeduldigen Bewegungen ab, löste seinen Schlips und öffnete das Hemd. Sie drückte die Handflächen an seine nackte Brust.
»Wir brauchen ein Bett«, stellte Caleb fest.
Er löste sich von ihr, griff nach dem Korb, der am nächsten stand und leerte ihn. Eine Unmenge getrockneter Kräuter und Blumen fiel heraus, Geranien, Rosenblätter, Eukalyptus, Zitronenbalsam. Ein zweiter, dritter und vierter Korb wurden geleert, bis ein großer, aromatischer Haufen auf dem Boden lag. Ihre weit geöffneten Sinne waren von dem berauschenden Duft so vieler botanischer Energie geblendet, so dass sie sich um ein Haar mit einem Kopfsprung in den duftenden Haufen gestürzt hätte.
Caleb bedeckte die duftende Unterlage mit seiner Jacke und zog sie auf das provisorische Lager hinunter. Die unter ihrem Gewicht zusammengedrückten zarten getrockneten Kräuter und Blütenblätter verströmten noch mehr ätherische, betäubende Energie in die Atmosphäre.
Sie halb bedeckend streckte er sich neben ihr aus und umschloss mit einer Hand die Rundung ihrer Brust. Etwas in ihr wurde noch empfindlicher erregt. Sie hörte einen leisen, erstickten Schrei und merkte, dass er aus ihrer eigenen Kehle gekommen war.
»Pst«, befahl er leise. Es hörte sich an, als verschlucke er ein Lachen oder ein Aufstöhnen. Er streifte warnend ihre Lippen. »Wir haben diesen Ort für uns und wollen nicht riskieren, die Aufmerksamkeit anderer auf uns zu ziehen, die im Garten promenieren wollen.«
Einen Moment tauchte sie aus der köstlichen Trance auf. Ihr Ruf konnte in den Augen der Welt nicht noch tiefer sinken, doch es hätte den Gipfel an Peinlichkeit dargestellt, nackt in den Armen eines Mannes ertappt zu werden. Es gab Dinge, die einer Frau niemals verziehen wurden.
»Keine Angst«, sagte Caleb. »Ich merke es, wenn sich jemand nähert. Ein richtiger Jäger bin ich nicht, doch liegt ein ausgezeichnetes Gehör in der Familie.«
»Bist du sicher?«, fragte sie.
»Traust du mir nicht zu, dass ich dich beschützen kann?«
Er war so unerschütterlich wie ein Granitblock. Wenn er einen Schwur tat, würde er ihn halten, dachte sie.
»Ich vertraue dir«, flüsterte sie und war erstaunt, sich selbst diese Worte sagen zu hören. Die Wahrheit erschütterte sie bis ins Innerste. »Ich vertraue dir wirklich, Caleb Jones.«
Er beugte sich über sie und küsste sie langsam und andächtig. Sie wusste, dass es seine Art war, das gegebene Versprechen zu besiegeln.
Sie schmiegte sich an ihn und ließ sich von seinem harten, schweren Gewicht erregen. Er berührte sie, als wäre sie eine seltene und exotische Orchidee. Energie blitzte und pulsierte zwischen ihnen und vermengte sich mit den starken Düften der getrockneten Kräuter und Blumen.
Ein Schock durchzuckte sie, als sie Calebs Hand zwischen ihre Beine gleiten fühlte. Sie erstarrte.
»Ich muss deine Hitze spüren«, flüsterte er.
Sie öffnete ihre Schenkel für ihn, erst zögernd, dann mit einem Gefühl wachsender Erregung. Seine warme Handfläche strich ihren Strumpf entlang zur nackten Haut über dem Strumpfband. Die Intimität dieser Berührung war nahezu unerträglich. Tief in ihrem Inneren spürte sie glühendes Beben.
»Du bietest alles, was ein echter Alchemist zu hoffen findet«, sagte Caleb heiser vor Verwunderung. »Alle Geheimnisse der Mitternacht und des Feuers.«
Er streichelte sie sanft und tief und fand die empfindlichen Punkte innen und außen, er verzauberte sie. Tief einatmend spannte sie jeden Muskel an. Das Verlangen, das sich in ihrem Inneren staute, verband sich irgendwie mit der exotischen Energie des Raumes, bis sie nicht mehr zwischen normal und paranormal unterscheiden konnte.
Da sie instinktiv das Verlangen spürte, Caleb so intim zu kennen, wie er sie kannte, strich sie über seinen harten Körper. Bei seiner Hose angelangt, entdeckte sie, dass er diese bereits geöffnet hatte. Ihre tastenden Finger fanden die schwere steife Länge seiner Erektion. Erschrocken wich sie zurück.
Caleb erstarrte zur Reglosigkeit.
»Findest du mich … unakzeptabel?«, flüsterte er. Seine Frage klang tonlos. Sie spürte Schmerz unter der unerbittlichen Selbstbeherrschung.
»Du bist mehr als … akzeptabel.« Sie drückte ihr Gesicht an seine Brust, dankbar für die Dunkelheit, die ihr flächendeckendes Erröten verbarg. »Es ist nur … ich habe nicht so viel … Akzeptables erwartete.«
Sie spürte das Erbeben seiner Brust.
»Wage ja nicht, mich auszulachen, Caleb Jones.«
»Niemals.«
»Ich spüre, wie du lachst.«
»Ich lache nicht, ich lächle. Das ist ein signifikanter Unterschied.«
Sie wollte sich in eine Debatte stürzen, doch er streichelte sie wieder, dass köstliche Spannung sie durchrieselte und sie nicht mehr klar denken konnte. Sie spürte, dass sie im Begriff stand, ins Auge des Sturms geschleudert zu werden. Impulsiv ließ sie ihre Finger spielen, von seiner Größe nicht mehr erschreckt. Sie hörte, wie er scharf die Luft einsog.
»Ich tue dir weh«, sagte sie und ließ ihn sofort los.
»Nein«, ächzte er.
Zögernd berührte sie ihn wieder. Er stöhnte in ihre Kehle.
»Nimm mich«, sagte er.
Wieder glitt seine Hand über sie, um sie zu erregen, doch die Glut seiner Worte hatte sie in so große Leidenschaft versetzt, dass sie glaubte, von wirbelnden Strömungen mitgerissen zu werden. Ihre innere Spannung löste sich in einem weißglühenden Blitz enormer Energie, der sich mit nichts vergleichen ließ, was sie je erlebt hatte.
Caleb legte sich auf sie und stieß schwer in sie.
Schmerz und köstliche Lust mischten sich einen unerträglichen Moment lang und steigerten ihr inneres Feuer. Dunkle Wellen durchtosten sie. Calebs Energie, dachte sie, die er mit voller Kraft verströmt. Sie hatte ihn aus den Fängen der Selbstbeherrschung befreit, die er aufgeboten hatte, um seine Energie zu zügeln.
Es war, als hätten sich Schleusen geöffnet. Ein Sturzbach der Kraft umgab sie, ertränkte den Schmerz, drohte ihre Sinne zu überfluten. Die unwiderstehlichen Strömungen pulsierten stärker, als Caleb immer wieder stoßweise in sie eindrang. Irgendwoher wusste sie, dass sie irgendwie reagieren musste.
Sie grub ihre Nägel in seine Schultern und sammelte ihre ganze Kraft. Gegenströmungen stießen in der Nacht heftig aufeinander. Die Umarmung wurde zu einem Kampf der Willenskraft. Caleb hatte die rohe Kraft auf seiner Seite, sie entdeckte aber bald, dass sie über ihre eigene weibliche Stärke verfügte.
Einen schrecklichen Moment fürchtete sie, dass sie einander vernichten würden, als die Ströme psychischer Energie immer wieder hart aufeinanderprallten.
Doch mit einem Mal spürte sie, wie die Strömungen zwischen ihnen an Resonanz gewannen und den anderen stärkten und erhoben, bis die gemeinsam erzeugte Kraft stärker war als das, was jeder einzeln hervorzubringen vermochte.
»Lucinda.« Seine Stimme war abgehackt, als litte er große Not oder großen Schmerz.
Sie schlug die Augen auf. Er betrachtete sie mit so durchdringender Intensität, dass es sie nicht gewundert hätte, wenn der Raum in Brand geraten wäre.
»Lucinda.«
Diesmal äußerte er ihren Namen wie in großer Verwunderung.
Seine Rückenmuskeln verwandelten sich in Granit. Sein Mund öffnete sich mit einem gedämpften Jubelruf. Dann packte ihn sein Höhepunkt und löste eine zweite, mildere Woge der Wonne tief in ihr aus. Sie fühlte, wie seine und ihre Aura einen hellen, glänzenden Moment zu schockierender Intimität verschmolzen.
Gemeinsam glitten sie auf blitzenden, wogenden und pulsierenden Strömungen ins Herz der Nacht.
Suesses Gift Der Liebe
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