8. KAPITEL
Caleb traf den eleganten kleinen schwarzbraunen
Wagen genau an der Stelle, die Mr Shute ihm in der Guppy Lane
angegeben hatte. Im Morgenlicht präsentierte sich die Gegend mit
einem Anflug stolzer, fleißiger Redlichkeit. Der Landreth Square
lag in der Nähe, war aber in Bezug auf sozialen Status Welten
entfernt. Was zum Teufel hatte Lucinda hier zu suchen?
Ein dünner Mann mit Hut und Cape eines Kutschers
lehnte am Eisengeländer, das die Vorderseite eines kleinen Hauses
schützte. Caleb stieg aus der Droschke und zuckte zusammen, als
seine geprellten Rippen gegen den kleinen Stoß protestierten. Er
bezahlte den Fahrer und ging zu dem Mann am Geländer.
»Mr Shute?«
»Sehr wohl, Sir.« Shute sah ihn aus leicht
zusammengekniffenen Augen an. »Ich bin Shute.«
»Mrs Shute nannte mir diese Adresse«, sagte
Caleb. »Ich suche Miss Bromley.«
Shute neigte den Kopf in Richtung der Haustür.
»Da drinnen ist sie.« Er holte seine Taschenuhr hervor und warf
einen Blick darauf. »Schon seit einer Stunde. Vielleicht auch
länger.«
Caleb studierte die Tür. »Ein Besuch?«, fragte
er neutral.
»Eigentlich nicht. Sie hat im Haus zu
tun.«
»Ach?«
»Sie sind gekommen, weil Sie wissen wollen, was
eine Dame wie Miss Bromley in diese Gegend führt.«
»Sie sind ein sehr kluger Mann, Mr Shute.«
»Sie dachten wohl, sie könnte sich in Gefahr
begeben, oder?«
»Das kam mir in den Sinn.« Die andere
Möglichkeit war natürlich, dass sie eine Affäre hatte. Aus einem
unerfindlichen Grund hatte ihn dies ebenso bekümmert.
»Mrs Shute und ich sind in dieser Gegend
aufgewachsen.« Shute sah zu der Reihe schmalbrüstiger Häuser auf
der anderen Straßenseite hinüber. »Mrs Shutes Tanten wohnen in
Nummer fünf dort drüben. Sie sind nach fast vierzig Jahren Dienst
in einem reichen Haus im Ruhestand. Nach dem Tod ihres Herrn ließen
seine Erben sie ohne Rente gehen. Miss Bromley kommt für ihre Miete
auf.«
»Ich verstehe.«
»Am Ende der Straße habe ich zwei Kusinen, Miss
Bromley beschäftigt die Mädchen in ihrem Haushalt. Mrs Shute und
ich haben einen Sohn. Er und seine Frau und ihre zwei Kleinen
wohnen in der nächsten Straße. Mein Sohn arbeitet in einer
Druckerei. Miss Bromleys Vater verschaffte ihm vor einigen Jahren
den Job.«
»Allmählich dämmert mir etwas, Mr Shute.«
»Meine Enkelkinder gehen zur Schule. Miss
Bromley hilft mit dem Schuldgeld aus. Sie sagt, Bildung wäre der
einzig sichere Weg, heutzutage voranzukommen.«
»Offenbar eine Dame mit fortschrittlichen
Ansichten.«
»So ist es.« Shute wies mit dem Daumen über
seine breite
Schulter auf die Tür des Hauses hinter ihm. »Dort wohnen die
Tochter meiner Schwester und ihre Familie.«
»Sie haben mich überzeugt, Mr Shute. Meine
Besorgnis um Miss Bromley war unbegründet. Hier droht ihr keine
Gefahr.«
»Die Leute hier und in den angrenzenden Straßen
würden jeden, der Miss Bromley nur ein Haar krümmt, glatt
massakrieren und den Leichnam ohne zu zögern in den Fluss werfen.«
Shute kniff die Augen eine Spur fester zusammen. »Sie haben wohl
einen kleinen Raufhandel hinter sich?«
»Letzte Nacht geriet ich in eine kleine
Auseinandersetzung«, erklärte Caleb. Er hatte sein Bestes getan,
sein blaues Auge zu verbergen, indem er den Mantelkragen
aufgestellt und seine Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen hatte,
eine Tarnung, die jedoch nicht sehr überzeugend wirkte.
Shute nickte ungerührt. »Ich nehme an, Sie haben
Ihren Gegner erledigt.«
»Könnte man sagen. Er wird im Irrenhaus
landen.«
»Nicht das übliche Ende einer Prügelei.«
»Es war auch keine übliche Prügelei.«
Shute sah ihn nachdenklich an. »Kann ich mir
denken.«
Die Tür des kleinen Hauses wurde geöffnet, im
Eingang erschien Lucinda, eine große schwarze Ledertasche in der
unbehandschuhten Hand. Sie stand mit dem Rücken zu Caleb, während
sie mit einer Frau in abgetragenem Kleid und Schürze sprach.
»Machen Sie sich nicht die Mühe, ihm Nahrung
aufzuzwingen«, sagte Lucinda. »Viel wichtiger ist es, dass er
mehrmals in der Stunde ein paar Schlückchen von dem Kräutertee
trinkt.«
»Ich werde dafür sorgen«, versprach die
Frau.
»Kinder verlieren so rasch Flüssigkeit, wenn sie
diese Art Leibschmerzen haben. Aber ich bin sicher, dass Tommy sich
in ein, zwei Tagen erholen wird, vorausgesetzt, er trinkt weiterhin
den Tee.«
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Miss
Bromley.« Die Miene der Frau verriet Erschöpfung und Erleichterung
zugleich. »Da ich nicht wusste, was ich tun sollte, rief ich Sie.
Der Arzt wäre vermutlich nicht in diese Gegend gekommen.« Sie
verzog den Mund. »Sie wissen, wie es ist. Er hätte angenommen, dass
wir uns sein Honorar nicht leisten können. Außerdem vermutete ich
sofort, dass Tommy etwas nicht bekommen ist, was er aß, und hier in
der Gegend wissen alle, dass Sie von diesen Dingen mehr verstehen
als jeder Arzt.«
»Tommy kommt wieder in Ordnung. Ganz sicher.
Geben Sie ihm nur den Tee.«
»Das werde ich, Miss Bromley. Keine Sorge.« Die
Frau beugte sich vor und winkte Shute zu. »Guten Morgen, Onkel Jed.
Bestell Tante Bess liebe Grüße.«
Shute stieß sich vom Geländer ab. »Wird gemacht,
Sally.«
Erst als Lucinda sich im Eingang umdrehte,
erblickte sie Caleb.
»Was machen Sie denn hier, Mr Jones?«
»Ich war um acht Uhr bei Ihnen, um Ihnen vom
Fortschritt meiner Ermittlungen zu berichten und ein paar Fragen zu
stellen«, sagte er. »Sie waren nicht zu Hause.«
»Guter Gott.« Sie starrte ihn verblüfft an. »Sie
kamen um acht Uhr morgens? Das ist doch keine Zeit für
Geschäftliches.«
»Für Sie offenbar schon.« Er wies mit einer
Kopfbewegung auf das Haus, das sie eben verlassen hatte.
»Mein Anliegen hier ist ganz anderer
Natur.«
Er nahm ihr die Tasche ab, die erstaunlich
schwer war. »Als ich entdeckte, dass Sie nicht zu Hause waren,
entschloss ich mich, Ihre Spur aufzunehmen. Sie wissen doch, dass
Sie auf einem täglichen Bericht bestanden?«
»Ich erinnere mich nicht, das Wort täglich verwendet zu haben«, sagte sie. »Ich glaube,
ich sagte oft und regelmäßi g.«
»Ich interpretierte
oft und regelmäßig
als täglich.«
Sie sah ihn unter der Krempe ihres mit Bändern
geschmückten Hütchens hervor an. »Sagen Sie ja nicht, Sie wollen
mich täglich um acht Uhr morgens aufsuchen. Das wäre unverschämt.«
Plötzlich verstummte sie und riss die Augen hinter ihren
Brillengläsern auf. »Was ist Ihnen denn zugestoßen, Mr Jones?
Hatten Sie einen Unfall?«
»So ähnlich.«
Er half ihr in den leichten Wagen und stieg
vorsichtig hinter ihr ein. Dennoch jagte die Bewegung neuen Schmerz
durch seine Rippen. Er wusste, dass es Lucinda nicht entging.
»Wenn wir zu Hause sind, werde ich Ihnen etwas
gegen Ihre Schmerzen geben«, sagte sie.
»Danke.« Er stellte die Tasche auf den Boden des
Wagens. »Das weiß ich sehr zu schätzen. Ich nahm Salicin, doch es
wirkt nicht.«
Die winzigen Ledersitze waren nicht geschaffen,
einen Mann seiner Größe zu befördern. Behutsam ließ er sich Lucinda
gegenüber nieder, konnte aber nicht verhindern, dass
seine Hose die drapierten Falten ihres Kleides streifte. Ein
heftiger Ruck, und sie würde auf seine Schenkel fallen. Oder er
würde auf ihr landen, Bilder, die sein Blut in Wallung brachten und
ihn seine Rippen vergessen ließen.
»Zusätzlich zu dem Schmerzmittel habe ich noch
eine Kräutermischung für Sie«, sagte Lucinda.
Er furchte die Stirn. »Wozu?«
»Ihre Aura wirkt verspannt.«
»Letzte Nacht konnte ich nicht gut
schlafen.«
»Das Ungleichgewicht, das ich spüre, wird nicht
vom Schlaf gelindert. Es wird von einem Problem psychischer Natur
verursacht. Ich glaube, mein Tonikum wird helfen. Ich bereitete es
zu, nachdem Sie gestern gegangen waren.«
Er schob die Schultern hoch und blickte aus dem
Fenster. »Sie erfreuen sich in dieser Gegend eines gewissen Rufes,
Miss Bromley.«
»Eines Rufes, der sich völlig von jenem
unterscheidet, der mir in der feinen Gesellschaft anhaftet?« Sie
lächelte einer Frau zu, die aus einem Eingang winkte. Als sie sich
wieder zu ihm umdrehte, war ihr Lächeln verschwunden. »Es stimmt,
dass die Menschen in der Guppy Lane mir vertrauen und nicht
befürchten, von mir vergiftet zu werden.«
»So wie ich«, sage er, zu müde und
schmerzgeplagt, als dass er sich hätte provozieren lassen.
»Offenkundig.« Sie entspannte sich ein wenig.
»Nun, Sir, was haben Sie mir zu berichten?«
Er stellte fest, dass es ihn große Mühe kostete,
sich von Lucindas schwachem, verführerischem Duft und den sanften
Strömungen lockender Energie, die seine Sinne zu betäuben drohten,
nicht ablenken zu lassen. Ihre Nähe übte eine verstörende
Wirkung auf seine meist wohl geordneten Gedanken aus. Das muss der
Schlafmangel sein, dachte er.
Oder es gab eine einfachere Erklärung. Er hatte
schon zu lange auf die therapeutische Wirkung einer sexuellen
Begegnung verzichtet. Es war schon einige Monate her, seitdem er
seine laue Beziehung zu einer gewissen attraktiven Witwe wie alle
Verbindungen dieser Art mit dem üblichen Gefühl der Erleichterung
beendet hatte.
Dennoch erschien es ihm sonderbar, dass er bis
zum Vortag, als ihn das unerklärliche Verlangen überfiel, Lucinda
zu küssen, diese gelegentlich stattfindenden Leibesübungen
spezieller Art nicht vermisst hatte. Und ebenso unerklärlich
überfiel ihn abermals derselbe nahezu unwiderstehliche Drang. Er
brauchte wirklich mehr Schlaf.
»Sir?«, sagte Lucinda mit einer gewissen
Schärfe.
Er zwang sich, seine Selbstbeherrschung zu
mobilisieren. »Ich sagte schon gestern, dass ich eine andere Sache
zu erledigen hätte, ehe ich mich mit voller Kraft auf Ihren Fall
konzentrieren kann. Die Sache wurde letzte Nacht bereinigt.«
Neugier blitzte in ihren Augen auf.
»Zufriedenstellend, nehme ich an?«
»Ja.«
Sie studierte sein Gesicht. »Stimmt die Annahme,
dass diese dringende Sache Ihnen Ihre Verletzungen
einbrachte?«
»Die Dinge überstürzten sich«, gestand er.
»Kam es zu einer Prügelei?«
»So könnte man sagen.«
»Um Himmels willen, was ist passiert?«, fragte
sie.
»Wie ich schon sagte, die Angelegenheit hat sich
erledigt.
Heute Morgen nahm ich mir die Zeit, einen Plan für die
Ermittlungen um den Diebstahl ihres Farns zu entwickeln.«
»Wann sind Sie letzte Nacht ins Bett
gekommen?«
»Wie bitte?«
»Wie lange konnten Sie schlafen?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Als ich gestern mit Ihnen sprach, war klar,
dass Sie auch die Nacht zuvor nicht viel geschlafen hatten. Ich
spürte es an Ihrer Aura.«
Langsam wurde er ärgerlich. »Ich dachte, Sie
hätten in meiner Aura Anspannung gespürt.«
»Allerdings. Vermutlich ist dies der Grund,
warum Sie keine Ruhe finden.«
»Ich sagte schon, dass ich an einem anderen Fall
arbeite. Die Situation spitzte sich zu einer Krise zu. In letzter
Zeit war nicht viel Zeit für Schlaf. Aber nun hätte ich ein paar
Fragen, Miss Bromley, wenn es recht ist.«
»Frühstück?«
»Wie bitte?«
»Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Kaffee.« Er kniff die Augen zusammen. »Meine
neue Haushälterin gab mir für unterwegs ein Muffin mit. Für eine
richtige Mahlzeit war keine Zeit.«
»Ein herzhaftes Frühstück ist für einen Mann
Ihrer Konstitution sehr wichtig, Sir.«
»Meiner Konstitution?«
Sie räusperte sich. »Sie sind ein gesunder,
kräftiger Mann, Mr Jones, nicht nur physisch, sondern auch
psychisch. Sie brauchen sehr viel Energie. Schlaf und ein
nahrhaftes Frühstück sind für Ihr Wohlbefinden entscheidend.«
»Verdammt, Miss Bromley, ich machte mich nicht
in aller Herrgottsfrühe auf die Jagd nach Ihnen, um mir eine
Lektion über meine Schlaf-und Essgewohnheiten anzuhören. Sie
gestatten, dass wir uns jetzt wieder ihrem gestohlenen Farn
widmen.«
Sie saß sehr aufrecht auf ihrem schmalen Sitz
und faltete die Hände im Schoß.
»Ja, natürlich«, sagte sie. »Also gut, was trieb
Sie um acht Uhr morgens aus dem Haus?«
Er verspürte das lächerliche Bedürfnis, sich zu
rechtfertigen. »Miss Bromley, wenn ich mit Ermittlungen befasst
bin, kann ich mich nicht nach den willkürlichen Regeln der feinen
Gesellschaft richten und an die passenden Besuchszeiten halten.«
Wohl wissend, dass es sich ungehobelt anhörte, fuhr er in
unverändertem Tonfall fort. »Ich erfinde keine Entschuldigungen für
meine Methoden. So arbeite ich eben, einerlei welches Projekt mich
beansprucht. Diese spezielle Untersuchung ist aber, wie ich gestern
bereits ausführte, für mich und die Society von großer Bedeutung.
Ich werde sie auf meine Art führen.«
»Ja, Sie machten deutlich, dass Sie an Dr. Knox
großes Interesse haben«, sagte sie kühl. »Also, was möchten Sie
wissen?«
»Gestern sagten Sie, dass Hulsey …«
»Knox.«
»Um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen,
sollten wir Knox von nun an Hulsey nennen«, sagte er. »Zumindest so
lange, bis ich einen Beweis in der Hand habe, dass die zwei Namen
nicht dasselbe Individuum bezeichnen.«
Sie sah ihn mit einem Ausdruck ernsthafter
Neugierde an.
»Sie sind wohl ganz sicher, dass Knox dieser Dr. Hulsey ist, den
Sie suchten?«
»Ja.«
»Ist es Ihre besondere Gabe, die Sie zu diesem
Schluss gelangen lässt?«
»Mein Talent gepaart mit den Tatsachen«, sagte
er, ungeduldig wie immer, wenn er erklären sollte, wie seine
psychischen Fähigkeiten funktionierten. Verdammt, wenn ich das
wüsste, dachte er. »Das verdanke ich meiner Gabe, Miss Bromley. Sie
gestattet mir, Zusammenhänge zwischen scheinbar zufälligen Fakten
zu erkennen.«
»Ich verstehe. Können Ihre Schlüsse auch falsch
sein?«
»Wohl kaum, Miss Bromley. Mein Talent ist
verlässlich.«
Sie neigte den Kopf. »Sehr gut, Sir. Fahren Sie
fort.«
»Sie sagten, Hulsey wäre Ihnen von einem alten
Bekannten Ihres Vaters empfohlen worden.«
»Von Lord Roebuck, einem älteren Herrn, der sich
seit jeher für Botanik interessierte. Leider ist er schon seit
einigen Jahren recht senil.«
»Wusste Roebuck von den Eigenschaften des Farns
und wusste er, dass sich ein Exemplar in Ihrem Gewächshaus
befand?«
»Ich wüsste nicht, woher er das hätte wissen
können. Wie gesagt, mein Vater, Mr Woodhall und ich brachten den
Farn und viele andere interessante Pflanzen von unserer letzten
Expedition mit. Das war vor etwa anderthalb Jahren. Der arme Lord
Roebuck war schon damals senil und verließ sein Haus nicht mehr.
Ganz sicher war er niemals in meinem Gewächshaus. Nein, ich glaube
nicht, dass er Kenntnis von meinem Farn hatte.«
»Hulsey aber erfuhr vor einem Monat nicht nur
von der Existenz des Farns, sondern auch von dessen paranormalen
Eigenschaften. Es hätte wohl eines Experten bedurft, um die
einzigartigen Aspekte dieser Pflanze zu erkennen?«
»Nicht nur eines Experten, sondern eines
Experten mit paranormaler Begabung.«
»Dann muss jemand mit dieser Gabe den Farn zu
Gesicht bekommen haben. Und diese Person berichtete Hulsey
davon.«
»Nun ja, ich führte in den letzten Monaten eine
Hand voll Interessierte durch das Gewächshaus.«
Er runzelte die Stirn. »Nur eine Hand
voll?«
»Wie ich schon gestern sagte, hatte ich seit
Vaters Tod nur wenig Besuche. Ich kann Ihnen die Namen derjenigen
geben, die mich jüngst aufsuchten.«
»Konzentrieren wir uns auf die, die kurz vor
Hulseys Auftauchen Ihre Pflanzen besichtigten.«
»Das wird eine ganz kurze Liste.«
»Ausgezeichnet.« Er holte Notizbuch und
Bleistift hervor. »Eines verstehe ich nicht an dieser Situation,
Miss Bromley.«
Sie lächelte unmerklich. »Mich wundert, dass Sie
zugeben, nicht alles zu verstehen, Mr Jones.«
Er ging darauf nicht ein und furchte die Stirn.
»Ihr Gewächshaus enthält eine erstaunliche Sammlung exotischer und
ungewöhnlicher Pflanzen. Warum empfangen Sie nicht mehr
Besucher?«
»Sie würden sich wundern, wie ein paar
Giftmordgerüchte sich auf das gesellschaftliche Leben eines
Menschen auswirken können.«
»Ein Rückgang der Geselligkeiten ist
verständlich, doch würde man meinen, dass ein begeisterter
Botaniker der Aussicht auf eine Führung durch Ihr Gewächshaus nicht
widerstehen kann.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Sind Sie sich
nicht darüber im Klaren, dass nicht jeder Ihre Fähigkeit besitzt,
Logik und Gefühl zu trennen?«
»Doch, Miss Bromley. Ich gestehe, dass dieser
Umstand meine Arbeit als Ermittler kompliziert. Ich kann
Verbindungen finden und intuitive Schlüsse ziehen, doch musste ich
feststellen, dass ich die Beweggründe der Menschen nicht immer
erklären kann. Ich kann nicht einmal voraussagen, wie die Klienten
reagieren, wenn ich ihnen die Antworten liefere, für die sie mich
bezahlen. Sie wären verblüfft, wie viele beispielsweise wütend
werden. Ich bin es jedenfalls.«
Einer ihrer Mundwinkel zuckte. »Ja, ich
verstehe, dass Sie Emotionen als Komplikation ansehen.«
»Nun, auf das Problem Ihres Rufes können wir ein
anderes Mal zurückkommen. Im Moment müssen wir uns auf Hulsey
konzentrieren.«
»Was sagten Sie, Mr Jones?«
»Ich sagte, dass wir uns im Moment das Problem
Hulsey vornehmen müssen.«
»Ja, das hörte ich, aber warum wollen Sie sich
mit dem Problem meines Rufes belasten?«
»Weil es ein interessantes Problem ist«, sagte
er geduldig.