„Nicht mein Verwalter!“
„Also gut, der Verwalter der Familie Wolfe weigerte sich, ihm einen Zahlungsaufschub zu gewähren. Jake Tasker, seine Mutter und sein alter Großvater leben jetzt in einer Hütte am Waldrand. Die beiden Männer nehmen jede Arbeit an, die sie finden können.“ Sie tippte an ihren nächsten Finger. „Die drei Tickel-Mädchen unterstützen ... “
„Schon gut, schon gut.“ Er hob die Hände. „Ich bin nicht blind. Und ich könnte mir vorstellen, dass Sie bei jeder Person auf diesem Besitz mit einer traurigen Geschichte aufwarten können.“
Sie lächelte. „Nicht bei jeder. Nur bei denen, die draußen warten. “ Sie war erleichtert, dass er ihre Kritik an seiner Familie so gut aufgenommen hatte. Nicht alle Adeligen bekannten sich zu der Verantwortung, die ein Besitz mit sich brachte. Doch selbst ihr Großvater mit allen seinen Fehlern hatte niemals seine Pächter vernachlässigt. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Können Sie es sich vielleicht nicht leisten?“, fragte sie erschrocken. „Denn wenn dem so ist...“
„Meine finanzielle Situation geht Sie nichts an.“
„Nein, und es ist sehr ungehörig von mir, danach zu fragen. Wenn Sie mir nichts darüber erzählen wollen, dann sagen Sie mir einfach, dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll.“
„Das habe ich doch gerade eben getan“, betonte er.
„Schon, aber ich wollte Ihnen nur Zeit lassen, noch einmal darüber nachzudenken“, gab sie zurück.
Er unterdrückte ein Schmunzeln. „Nicht, dass es Sie etwas anginge, aber ich kann mir Hunderte von verdammten Bediensteten leisten!“
„O, das ist gut“, erwiderte sie erleichtert.
Er fuhr fort, als hätte sie gar nichts gesagt. „Ich begreife nicht, wie Sie in so kurzer Zeit so viel über die Menschen hier herausgefunden haben ... “
„Ehrlich gesagt, das verstehe ich selbst nicht“, gab sie zu. „Alle schienen zu glauben, dass ich bereits alles von ihnen wusste. Es war, als wollten sie einfach nur mit mir reden.“
Er sah sie mit einem rätselhaften Gesichtsausdruck an. „Das kann ich gut nachvollziehen“, meinte er sanft. Danach sagte er lange Zeit nichts mehr, und Grace hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging. „Sie wollen also, dass ich alle diese Leute draußen einstelle?“, fragte er schließlich.
„Ja, bitte.“
„Ihnen zuliebe.“
„J...ja, und weil sie Ihre Pächter sind und dringend Arbeit benötigen. Und weil im Schloss gründlich sauber gemacht werden muss.“
„Aber auch, um Ihnen einen Gefallen zu tun.“
Warum setzte er die Betonung so auf den Gefallen? Sie traute der Sache nicht. Sie traute ihm nicht. „Wenn Sie das so sehen wollen“, bemerkte sie misstrauisch.
„O ja, das will ich. Ich möchte Ihnen daher ein Tauschgeschäft vorschlagen. Ich werde jeden Einzelnen von denen, die da draußen warten, einstellen ... für einen Kuss.“
Sie hatte also recht gehabt, ihm nicht zu trauen! Grace befeuchtete bedächtig ihre Lippen und tat so, als müsste sie über seinen Vorschlag nachdenken. Mit den Augen verfolgte er die Bewegung ihrer Zungenspitze, und Grace verspürte einen leisen Schauer der Erregung. Ein Spiel mit dem Feuer ... „Für einen Kuss, sagen Sie?“ Sie sah auf seinen Mund. Er starrte auf ihren. Sie ermahnte sich, dass es leichtsinnig war, ihn zu provozieren, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen. Er war sich seiner so sicher. Sie neigte den Kopf zur Seite und warf ihm einen koketten Blick zu. „Für jeden, den Sie einstellen?“
Seine Stimme klang ein wenig belegt. „Ja.“
„Einfach nur ein Kuss?“
Er nickte und seine Augen funkelten. Er war fest davon überzeugt, dass sie zustimmen würde.
„Ich habe da eine noch bessere Idee“, schnurrte sie und lächelte ihn an.
Er erwiderte ihr Lächeln. „Ich bin stets aufgeschlossen für neue Ideen.“
„Gut.“ Sie erhob sich abrupt. „In diesem Fall werde ich die Leute selbst bezahlen.“
Er legte ihr die Hand auf den Arm. „Sie wollen meine Bediensteten bezahlen? Seien Sie nicht albern! Das können Sie nicht!“
Sie schüttelte seine Hand ab. „Warum nicht?“
„Warum nicht? Weil Sie selbst eine Bedienstete sind, darum!“
Sie zuckte die Achseln. „Ich habe etwas Erspartes.“
„Das ist mir gleich, ich werde das nicht zulassen. Das sind meine Pächter, wie Sie so treffend bemerkt haben, und sie werden eingestellt, um mein Schloss wieder in Ordnung zu bringen.“
Sie hob das Kinn und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
Er wechselte seine Taktik. „Nun kommen Sie schon, Greystoke, warum so zimperlich? Was ist schon groß dabei - ein Kuss pro Person?“ Er strich mit dem Finger über ihre Wange. „Das bereitet nur Vergnügen und stellt keine Gefahr für Ihr kostbares Erspartes dar.“
Sie wich seiner Liebkosung aus. Es ging nicht um ihr Erspartes, schließlich war sie eine Erbin. Die Gefahr bestand für ihr Herz. Seine Küsse waren einfach zu verheerend. „Nein, Ihr Preis ist mir zu hoch. “
„Und wie ist es mit einem Kuss für alle zusammen? Das müsste dann natürlich ein besonders ausgiebiger Kuss sein.“ Sie schüttelte ruhig den Kopf. „Nein, der Preis ist mir immer noch zu hoch.“
„Als wir uns das erste Mal begegnet sind, haben Sie mich einfach so geküsst.“
Bei ihm klang das, als wäre sie irgendein Flittchen, das sich jedem Fremden sofort an den Hals warf! „Das habe ich nicht getan“, gab sie pikiert zurück. „Sie haben mir diesen Kuss - diese Küsse - unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geraubt.“
„Falsche Tatsachen? Welche falschen Tatsachen?“
„Bei diesem ersten Kuss wusste ich nicht, dass Sie Lord DAcre sind.“
„Das stimmt.“ Er schmunzelte. „Sie nannten mich einen unmöglichen Zigeuner, nicht wahr? Also, wenn Sie mich so lieber haben wollen, dann spiele ich auch den Zigeuner für Sie, Blauauge.“
„Nennen Sie mich nicht so! Und nein, ich will Sie überhaupt nicht haben“, log sie. „Das hat nichts mit Ihrem oder meinem Rang zu tun, sondern einzig und allein damit, dass Sie mit Miss Pettifer verlobt sind.“
Er nickte. „Ich verstehe. Aber das ist keine Erklärung für die anderen Küsse. Beim Holzhacken. In der Küche. Und in den frühen Morgenstunden im Stall bei dem Fohlen.“
„Die haben Sie mir ebenfalls geraubt.“
„Nein, das habe ich nicht. Da wussten Sie längst, wer ich bin. Außerdem können Sie es nicht abstreiten, Greystoke, Sie haben meine Küsse erwidert. Mit schmeichelhafter Begeisterung. Oder wollen Sie leugnen, dass Sie mir mit den Fingern durchs Haar gestrichen oder sich mit Ihrer Zunge in meinen Mund vorgewagt haben?“
Bei seinen Worten wurde ihr siedend heiß. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, entging ihm das nicht. „Unsinn. Sie haben mich nur überrumpelt“, erwiderte sie kläglich. „Ich war mir gar nicht bewusst, was da geschah.“
Er lächelte und zeigte seine strahlend weißen Zähne. „Wenn das so ist, werde ich versuchen, Sie öfter zu überrumpeln, Greystoke. Die Folgen sind immer so reizvoll.“
Und ehe sie sich versah, hatte er sie mitten auf den Mund geküsst. Schmunzelnd leckte er sich die Lippen. „Hm, Wildblütenhonig“, sagte er nur. Mehr brauchte es auch nicht, sein Lächeln sagte alles. Das und der rasende Schlag ihres Herzens.
„Ich w...werde nicht ...“, begann sie, als sie sich wieder etwas gefasst hatte.
Doch er war bereits gegangen. Fröhlich vor sich hin pfeifend.
Dominic schmunzelte immer noch, als er ins Freie trat. Es machte solchen Spaß, sie zu necken. Und solches Vergnügen, sie zu küssen. Der schwache Geschmack von Honig war immer noch in seinem Mund zu spüren. Ihm war leichter ums Herz als seit vielen Jahren.
Beim Anblick der stumm wartenden Leute erstarb sein Lächeln. Ganz gleich was sie dachte, aber ihm waren die heruntergekommenen Hütten, die mageren Kinder in ihrer schäbigen Kleidung und die heruntergewirtschafteten Bauernhöfe nicht entgangen. Seit seiner Ankunft in Wolfestone hatte er an kaum etwas anderes gedacht.
Abgesehen von einer kleinen sommersprossigen Gesellschaftsdame.
Das Vermächtnis seines Vaters entsprach ganz und gar nicht seinen Erwartungen. Er hatte ein schmuckes Schloss im normannischen Stil erwartet, nicht einen wunderlichen Mischmasch aus Herrenhaus, gotischem Schloss und Gutshof mit einem Türmchen wie aus einem Märchen darauf. Er hatte damit gerechnet, dass es feudal und mit schönen Dingen eingerichtet sein würde. Stattdessen war es leer und ausgeräumt, und durch die verlassenen Flure wehte der Wind. Er hatte einen blühenden Besitz erwartet mit wohlgenährten Pächtern, die den Namen Wolfe in Ehren hielten.
Denn genau diesen Schluss hatten die Geschäftsbücher und die Inventarlisten zugelassen. Nur dass sich leider herausgestellt hatte, dass die Bücher gefälscht und die Inventarlisten längst nicht mehr korrekt waren.
Er hatte seine Rache so sorgfältig geplant. Er hatte die schönen Dinge verkaufen, den Besitz auflösen und die einzelnen Teile davon ebenfalls verkaufen wollen. Er hatte vorgehabt, den Familiennamen Wolfe aussterben zu lassen, ein für allemal, und ihn dem Vergessen preiszugeben.
Doch das meiste davon hatte ihm sein Vater bereits abgenommen. Der alte Bastard hatte ihn ein letztes Mal beraubt -dieses Mal seiner Rache.
Als Dominic jetzt in die Gesichter der Leute blickte, die vor dem Schloss auf ihn warteten, konnte er nicht mehr einfach fortgehen. Das verbot ihm seine Selbstachtung.
Er ging auf sie zu und betrachtete sie, ungefähr ein Dutzend Menschen mit vorsichtiger Hoffnung im Blick, aber auch Furcht vor einer Enttäuschung. Er merkte ihnen an, dass sie sich alle Mühe gegeben hatten, möglichst gut auszusehen. Die Männer hatten das Haar mit Wasser glatt nach hinten gekämmt, die Frauen hatten ihres zu ordentlichen Knoten gesteckt. Ihre Kleidung war abgetragen, aber sauber, genau wie die Gesichter und Hände.
„Sie sind also hier, weil Sie Arbeit suchen“, sagte er.
Ein breitschultriger Mann ungefähr in seinem Alter trat vor. „Ja. Die Dame hat uns gesagt, wir sollten kommen.“
Dominic nickte. „Und Sie sind ...?“
„Tasker, Sir. Jake Tasker.“ Er hielt sich sehr aufrecht in einer seltsamen Mischung aus Verteidigungsbereitschaft und Stolz. Ohne mit der Wimper zu zucken hielt er Dominics Blick stand.
„Tasker“, wiederholte Dominic nachdenklich. Greystoke hatte die Taskers erwähnt, und der Name war ihm bekannt vorgekommen. Er war in den Geschäftsbüchern und der Korrespondenz des Verwalters aufgetaucht. „Gehen Sie bitte zur Seite.“ Er zeigte auf eine Bank, auf der bereits ein alter Mann saß. „Mit Ihnen spreche ich später. Die Nächsten?“ Dominic sah zwei junge Männer an, die etwa Anfang zwanzig sein mussten.
Eine brüchige Altmännerstimme ertönte von der Bank her. „Haben den Wolfes fast sechshundert Jahre lang gedient, die Taskers, jawohl.“
Jake Tasker drehte sich mit mühsam unterdrückter Ungeduld um. „Großvater, halt den Mund und komm mit mir nach Hause. Für Taskers gibt es hier keine Arbeit.“
Der alte Mann blieb ungerührt sitzen. „Sechshundert Jahre“, wiederholte er störrisch.
Dominic beachtete ihn nicht weiter. Für ihn spielte es keine Rolle, seit wann die Familie des Alten hier schon gearbeitet hatte. Sechshundert Jahre, sechzig oder nur sechs - das machte für ihn keinen Unterschied. Es war einfach nur eine Beschäftigung, Arbeit für Geld, mehr nicht.
„Außerdem hat uns die Dame gesagt, wir sollten kommen.“ Ein wirklich anstrengender alter Mann. Dominic warf ihm einen eisigen Blick zu.
Der Alter lachte, es klang wie ein fröhliches Meckern. „Seht euch das an! Kalt wie Raureif, diese Augen! Ah ja, Sie sind ein echter Wolfe, junger Herr. Das Blut von Hugh Lupus rinnt kalt und schnell in Ihren Adern!“
Dominic zuckte zusammen. An seinem eisigen Blick hatte er gearbeitet, seit er ein kleiner Junge war. Diese Waffe schien wohl langsam ihre Wirkung zu verlieren. Sie hatte nicht nur bei Miss Greystoke völlig versagt, jetzt brachte sie sogar einen alten Mann dazu, vor Vergnügen zu kichern und ihn dafür zu loben!
Er wollte auch nicht, dass dieser Blick etwas war, was über Generationen hinweg weitervererbt worden war - das war sein eisiger Blick, verdammt!
Jake Tasker sah seinen Großvater mit funkelnden Augen an, danach wandte er sich zum Gehen. Dominic runzelte die Stirn. Er musste unbedingt mit Tasker sprechen. Es gab Unregelmäßigkeiten in den Geschäftsbüchern des Besitzes, und Dominic hatte das Gefühl, dass dieser Mann ihm vielleicht helfen konnte zu verstehen, was genau hier vorgegangen war. Er mochte den unerschrockenen Blick seiner blauen Augen.
„Tasker, wo zum Teufel wollen Sie hin?“
„Ich gehe.“
„Kommen Sie zurück!“, befahl Dominic.
Der Mann zögerte. „Nein. Ich bleibe nicht hier, um mich beleidigen zu lassen. “
„Niemand hat Sie beleidigt! Aber ich will mit Ihnen reden, unter vier Augen“, teilte Dominic ihm mit fester Stimme mit.
Tasker schien über seine Worte nachzudenken, dann machte er widerstrebend kehrt und setzte sich neben den alten Mann auf die Bank.
Dominic wandte sich wieder den anderen Männern zu. Er schickte zwei von ihnen los, um den Küchengarten in Ordnung zu bringen, zwei weitere zum Holzhacken und den Rest, um das hohe Gras vor dem Schloss mit der Sense zu schneiden und die Stallungen auszumisten. Einen richtigen Arbeitsplan wollte er bis zum nächsten Tag aufstellen.
Als Nächstes kamen drei hübsche junge Mädchen an die Reihe, die kokett vor ihm knicksten und kicherten. „Bitte, Sir“, sagte das größte, „wir sind die Tickel-Mädchen - Tansy, Tessa und Tilly - und wir sind zum Putzen erschienen.“
Die Tickel-Mädchen. Dominic musste sich Mühe geben, ernst zu bleiben.
Das kleinste Mädchen fügte hinzu: „Und Mama hat uns auch Zitronen für die junge Miss mitgegeben.“ Sie hob einen Beutel voller Zitronen hoch.
Dominic nickte. „Bring sie zu Mrs Stokes. Sie wird euch auch eure Arbeit zuweisen. Die anderen Frauen ... “ Er überflog die restlichen Anwesenden mit einem Blick. „Sie melden sich ebenfalls bei Mrs Stokes.“
Alle machten sich auf den Weg zur Küche, und Dominic richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die verhutzelte kleine Gestalt auf der Bank, auf Großvater Tasker. Der alte Mann sah ihn aus seinen Knopfaugen erwartungsvoll an. Er ist mindestens achtzig, dachte Dominic. Was sollte er bloß mit einem so alten Mann anfangen? „Mr Tasker“, sagte er.
Jake Tasker stand auf.
„Ich meinte Mr Tasker Senior“, verbesserte Dominic sich. Der Alte rappelte sich mühsam hoch und nahm Haltung an, ein Abglanz seiner einst militärischen Vergangenheit. „Ein Mann Ihres Alters begann Dominic freundlich. Das faltige Gesicht verzog sich kummervoll. Dominic ärgerte sich über sich selbst und beeilte sich fortzufahren: „... und mit Ihrer Erfahrung ist von unschätzbarem Wert. Ich brauche Sie um ... um ... “, er suchte fieberhaft nach einer Beschäftigungsmöglichkeit, „um die jungen Männer zu beaufsichtigen, die hier die Anlagen in Ordnung bringen. Sie wissen ja, wie junge Männer so sind. “
Der Alte platzte fast vor Stolz und stieß seinem Enkel den Ellenbogen in die Rippen. „Siehst du? Sechshundert Jahre waren doch nicht umsonst. Die Dame hat uns gesagt, dass die Taskers wieder gebraucht werden! Ich gehe mal lieber los und sehe nach, was die jungen Taugenichtse so anstellen! “ Er entfernte sich mit gewichtigen Schritten.
Jake Tasker erhob sich langsam und sah Dominic unbeirrt in die Augen. „Mein Großvater lebt noch in den alten Zeiten. Er glaubt an die Dame und all die anderen.“
„Dame? Was für eine Dame? Meinen Sie Miss Greystoke?“ „Mein Großvater sagt, sie wacht schon seit Jahrhunderten über die Menschen in diesem Tal. Er denkt, wenn die Dame erscheint, brechen gute Zeiten an.“ Er schnaubte. „Ich halte das für abergläubischen Firlefanz.“
Dominic stimmte ihm zu. Greystoke, die seit Jahrhunderten über irgendwelche Menschen wachen sollte? Was für ein Unsinn!
„Taskers nehmen keine Almosen an“, erklärte Jake Tasker steif.
Dominic nickte. „Gut. Ich biete nämlich auch keine an.“ In den Büchern des Verwalters waren die Taskers erwähnt worden. Irgendetwas Verdächtiges oder Beschuldigendes, er konnte sich nicht mehr daran erinnern. „Soweit ich weiß, hatten Sie eine Auseinandersetzung mit Mr Eades.“
„Richtig“, antwortete Tasker ruhig und gelassen.
„Ich werde die Geschäftsbücher überprüfen.“
„Tun Sie das.“
Der Mann wirkte nicht im Mindesten beunruhigt, und Dominic beschloss, sich auf sein Gespür zu verlassen. „Können Sie lesen und schreiben?“
„Ja.“
„Gut, dann erstellen Sie eine Liste darüber, was Ihrer Meinung nach nötig ist, um den Besitz wieder in Schwung zu bringen.“
Tasker sah ihn aus schmalen Augen an. „Sie stellen mich ein?“
„Ja, ich gebe Ihnen einen Monat Probezeit in der Stellung, die Eades früher innehatte. Mein eigener Mann kommt in Kürze aus London, und ich werde auch auf seinen Rat hören, aber in der Zwischenzeit können Sie sich um das kümmern, was getan werden muss.“
Taskers Augen weiteten sich. „Sie übertragen mir Verantwortung? Obwohl Sie wissen, was Eades über mich gesagt hat?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht glauben.“
„Ich stehe zu meinem Wort“, teilte Dominic ihm kühl mit. „Wenn es um meine Angestellten geht, verlasse ich mich auf meinen Instinkt. Sie sind hier, und Eades ist weg - das spricht für sich. Also, sind wir uns einig?“ Er streckte die Hand aus, und nach einer Weile schlug Tasker ein.
Dominic fühlte sich seltsam hochgestimmt, konnte sich aber nicht erklären, aus welchem Grund. Welche Rolle spielte es schon, ob Tasker nun für ihn arbeitete oder nicht? Dominic wollte den Besitz nur in einen ordentlichen Zustand bringen, um ihn danach verkaufen zu können. Und doch war da dieses Hochgefühl, eindeutig. So war er meist gelaunt, wenn er mit etwas ganz Neuem anfing.
Tasker zögerte, als wollte er noch etwas sagen.
„Was ist?“
„Wahrscheinlich haben Sie gar nicht die Zeit dazu, aber falls Sie einmal an unserer Hütte vorbeikommen ... “
Dominics Miene verhärtete sich. Hatte ihn sein Gespür in Bezug auf diesen Mann etwa doch getrogen?
„Mama würde so glücklich sein, Miss Beths Sohn kennenzulernen.“
Dominic hob ruckartig den Kopf. „Wie bitte?“ Beth war der Vorname seiner Mutter.
Tasker entging seine Überraschung nicht. „Meine Mutter war die Zofe Ihrer Mutter. Sie hing sehr an Miss Beth. Sie hat sie schrecklich vermisst, als Miss Beth damals fortging. Es würde sie unendlich freuen, Sie zu sehen.“
„Ich bin nicht sicher ..."
„Sie geht nicht viel unter Leute, meine Mutter. Sie ist verkrüppelt, wissen Sie.“
Dominic nickte. „Ich sehe mal, ob es sich einrichten lässt“, sagte er, obwohl er nicht vorhatte, ihr einen Besuch abzustatten. Seine Mutter hatte nie ein Wort über die Leute verloren, die in Wolfestone lebten. Nicht ein einziges Wort. Außer: „Wenn du dort hinkommst, wirst du verstehen.“ Das verriet ihm alles, was er wissen musste. Er würde keine Zeit damit verschwenden, die Neugier irgendeiner Frau zu befriedigen.