5. Kapitel

Fragt Euer Herz, klopft an die eigene Brust, ob nichts drin wohnt.

William Shakespeare

Ganze dreißig Sekunden überlegte Grace, ob sie die Probe aufs Exempel machen sollte. Er würde sie nicht im Emst ausziehen. Oder doch? So schändlich konnte er sich unmöglich benehmen. Schließlich war sie eine Merrid... Sie schrak zusammen. Sie war nicht Miss Merridew, eine von den Merridews aus Norfolk. Für ihn war sie nur irgendeine Gesellschaftsdame. Und für viele Gentlemen waren Bedienstete Freiwild.

Es würde ihm wirklich Spaß machen, diesem Schuft! Hastig begann sie, ihr nasses Kleid aufzuknöpfen.

Während sie die geschlossene Küchentür wachsam im Blick hielt, durchsuchte sie ihren Koffer. Sie weigerte sich, eins der Kleidungsstücke anzuziehen, die er angefasst hatte. Allein bei dem Gedanken an seine kräftigen braunen Finger, mit denen er ihre spitzenbesetzte Unterwäsche berührt hatte, wurde ihr heiß - vor Zorn!

Sie streifte ihre nassen Sachen ab, schlüpfte in trockene und verwünschte ihn mit allen erdenklichen Schimpfwörtern, die ihr einfielen. Es schien nicht annähernd genug Worte zu geben, die seiner Niedertracht gerecht werden konnten.

Sie schloss den letzten Knopf mit einem gemischten Gefühl aus Triumph und ... Ernüchterung? Nein, eher Erleichterung. Die Tür war geschlossen geblieben. So schnell hatte sie sich noch nie im Leben umgezogen, eine Minute war sogar noch übrig.

Sie setzte eine gelassene Miene auf und sah sich nach etwas um, womit sie sich beschäftigen konnte. Sie würde ihm nicht die Genugtuung schenken und sich anmerken lassen, dass er sie aus der Fassung gebracht hatte. Die Suppe!

Sie schälte die Möhren und schnitt sie in kleine Stücke. Das Schneiden fiel ihr etwas schwer mit ihrer schmerzenden Hand, auch waren die Möhren ziemlich holzig. Nun, beim Kochen würden sie hoffentlich weicher werden. Sie hackte Kräuter. Zum Glück hatte der Splitter in ihrer linken Hand gesteckt. Sie griff nach der Zwiebel und wollte sie schon schälen, da legte sie sie wieder auf den Tisch. Wenn dieser Teufel sie mit tränenden Augen sah, würde er noch denken, er hätte sie zum Weinen gebracht, und diesen Gefallen wollte sie ihm keinesfalls tun. Er hatte nicht die Macht, sie zum Weinen zu bringen. Kein Mann hatte diese Macht.

Sie fand einen Topf und schöpfte heißes Wasser aus dem Kessel hinein. Sie wartete, bis es zu kochen anfing, dann gab sie die Möhren hinzu und rührte sie um. Die Stücke dümpelten holzig im Wasser. Grace bedeckte sie mit den Kräutern.

Inzwischen mussten mehr als fünfzehn Minuten vergangen sein. Dieser Unmensch! Sie wandte sich wieder dem Gemüse zu.

Nach weiteren zehn Minuten ging die Küchentür auf und der Unmensch kam herein. Er hatte sich ein frisches Hemd und eine saubere Reithose aus Hirschleder angezogen - ein Glück! Diese schmiegte sich bei Weitem nicht so an seinen Körper wie die nasse vorhin. Er hatte sich das Haar nach hinten gekämmt, aber es war zu lang, und eine Strähne fiel ihm ins Gesicht. An ihrem Ende schimmerte ein Wassertropfen. Als ob Grace das interessiert hätte.

„Miss Pettifer wundert sich, wo ihr Tee bleibt, und der Doktor hätte seinen gern ohne Milch, aber mit zwei Löffeln Zucker.“

Grace sah ihn finster an. Sie hatte ganz den Tee vergessen, nach dem Melly sich so sehnte. Sie griff nach einer braunen Tonteekanne und stellte sie geräuschvoll auf den Tisch. Er hatte sie gar nicht auf ihr Kleid angesprochen oder auf ... irgendetwas.

Wie eine träge Raubkatze schlenderte er zu ihr. Ihr Puls-schlag beschleunigte sich, aber sie würdigte ihn keines Blickes. So gelassen wie möglich gab sie die Teeblätter in die Kanne. Sie würde sich nichts anmerken lassen, auf gar keinen Fall.

Seine Mundwinkel zuckten. „Miss Pettifer mag ihren Tee wohl gern sehr stark?“

Verflixt! Sie wusste nicht mehr, wie viele Löffel Tee sie in die Kanne gegeben hatte. Grace sah ihn unschuldsvoll an. „Ja, so ist es“, log sie. Dieser Wassertropfen war wirklich irritierend.

„Zwölf Löffel - das ist in der Tat sehr stark.“

„Ach ja?“

„Der Doktor bevorzugt seinen Tee eher schwach.“ „Tatsächlich?“

„Andererseits haben Sie sicher viel mehr Ahnung vom Teekochen als ich. Kaffee ist eher nach meinem Geschmack.“

Es machte sie rasend, im Notfall nie die passende Bemerkung parat zu haben. Sie hätte irgendetwas Schlaues, Bissiges erwidern sollen über dieses teuflische Gebräu. Aber ihr fiel einfach nichts ein, solange ihm diese Haarsträhne ins Gesicht hing. „Ihr Haar tropft.“

Er strich es gleichgültig nach hinten. „Wie geht es Ihrer Hand?“

Grace schob sie in eine Falte ihres Rocks. „Gut.“

Er nickte in die Richtung des Suppentopfs. „Was kochen Sie da?“

„Eine Suppe vielleicht?“

„Wirklich? Wie interessant.“ Er ging zu dem Topf, sah hinein und verzog leicht den Mund. „Sie haben schon einmal Suppe gekocht, nicht wahr?“

„Oft sogar“, log sie. „Viel Auswahl haben wir hier ja schließlich nicht, oder?“ Ha! Das war ziemlich bissig gewesen.

Er beobachtete sie, während sie die Steckrübe zerschnitt. „Soll ich das für Sie tun?“

„Nein, danke. Ich komme gut allein zurecht.“

Er zeigte auf ihre mit seinem Taschentuch verbundene Hand. „Tut es noch weh?“

„Nein, es ist schon viel besser. Vielen Dank.“

Er bedachte sie mit einem rätselhaften Blick. „Sie sind nicht böse auf mich?“

„Um Himmels willen, nein“, versicherte sie liebenswürdig. „Sie können ja nichts dafür, dass Sie zu einem ungehobelten Klotz ohne jegliche Moralvorstellungen erzogen worden sind. Für das Holz und das Feuer bin ich Ihnen sogar dankbar.“

Seine weißen Zähne blitzten auf. „Ihre Dankbarkeit will ich nicht, Greystoke“, sagte er sanft. Er stellte sich vor sie, und ehe sie sich versah, umfasste er ihre Taille und zog sie an sich. „Ich will Sie“, murmelte er und küsste sie.

Grace erstarrte und versuchte zurückzuweichen, aber er achtete gar nicht darauf. Mit den Lippen streifte er bedächtig ihren Mund, als wäre das vollkommen selbstverständlich. Als sie ihn von sich stoßen wollte, schlang er einfach die Arme um sie.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, drängte er sie zurück an die Küchenwand. Grace spürte ihn überall an ihrem Körper, seinen entschlossenen, fordernden Mund, seine breite, harte Brust, seine muskulösen Oberschenkel. Seine Wärme schien sie zu durchdringen. Sie wollte etwas sagen, protestieren, doch als sie den Mund öffnete, nutzte er das schamlos aus und vertiefte seinen Kuss. Dadurch verlangte er eine Reaktion von ihr ab, von der sie gar nicht gewusst hatte, dass sie dazu fähig war. Sie hatte das Gefühl zu schmelzen, alles drehte sich um sie, und sie klammerte sich haltsuchend an ihn.

Schließlich schob sie die Finger in sein dickes nachtschwarzes Haar und erwiderte seinen Kuss. Sie brauchte mehr, viel mehr. Ihr war, als hätte sie sich unbewusst ein Leben lang danach gesehnt. Ihre Beine drohten nachzugeben, und er schob einen Oberschenkel dazwischen. Aufstöhnend schmiegte sie sich an ihn, suchte seine Berührung, seinen Mund ...

Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie in ihrer Benommenheit erkannte, dass er sie losgelassen hatte. Seine plötzlich fehlende Wärme ließ sie frösteln. Verwirrt und ohne den Blick von ihm abwenden zu können, berührte sie ihre Lippen mit zitternder Hand. Was war das eben gewesen? Ihr Atem ging stoßweise, als wäre sie mindestens eine Meile gerannt. Ihm schien es genauso zu gehen. Sein Blick war so glühend und besitzergreifend, dass es sie schockierte, aber auch erregte.

Unbewusst legte sie sich die Hand auf die Brust - und spürte eine Haarsträhne unter ihren Fingern. Sie sah an sich herab und stellte fest, dass ihre Knotenfrisur sich gelöst hatte und ihr das Haar offen über die Schultern fiel. Rasch strich sie es zurück. Erst jetzt merkte sie, dass der Rock ihres Kleides völlig zerknittert war, und sie ordnete ihn hastig.

Dann traf sie die Erkenntnis mit einem Schlag. Sie war soeben leidenschaftlich geküsst worden vom Verlobten ihrer besten Freundin. Vom Verlobten ihrer besten Freundin! Und schlimmer noch, sie hatte ihn ebenfalls geküsst, so wie sie noch nie zuvor einen Mann geküsst hatte. Mit einer Hingabe, die sie beinahe erschreckend fand.

Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, als könnte sie so alle Spuren dieses Kusses beseitigen. Dieser Kuss! War es wirklich nur ein Kuss gewesen? Er hatte sie vollkommen aufgewühlt.

„Das hilft nicht“, stellte er mit leiser, belustigter Stimme fest. „Sie werden von nun an immer meinen Geschmack in Ihrem Mund haben. Und ich Ihren.“

Bei dieser schockierenden Behauptung straffte sie sich und rieb noch energischer über ihren Mund. „Das stimmt nicht!“ Doch. Sie konnte ihn noch immer schmecken. „Und ... und selbst wenn es so ist, hilft eine gründliche Spülung mit Essigwasser!“

Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Nein, das wird nicht funktionieren“, erwiderte er nach einer Weile sanft. „Sie haben mich jetzt im Blut, Greystoke, und ich Sie. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als unserer inneren Stimme zu folgen. “ „Hervorragend!“, rief sie aus. Als er überrascht die Brauen hochzog, fuhr sie mit liebenswürdiger Stimme fort: „Meine innere Stimme rät mir gerade dringend, Sie zu ohrfeigen!“

Er lachte leise und schüttelte den Kopf. „Dazu hatten Sie bereits die Gelegenheit, wissen Sie nicht mehr?“

Sie errötete bei dem Gedanken, wie sie die Finger in seinem Haar vergraben hatte. Dass er sie an ihre Schwäche erinnerte, traf sie empfindlich. „Sie benehmen sich schändlich. Sie sind ein verlobter Mann - wie können Sie es wagen, mir solche Avancen zu machen!“

„Was das betrifft, so sollten Sie sich nicht den Kopf über etwas zerbrechen, was Sie nicht ändern können“, antwortete er. „Ich habe mit Miss Pettifer eine Zweckehe vereinbart. Es ist ein rein geschäftliches Arrangement, nichts weiter. Ich versichere Ihnen, Miss Pettifer hegt keinerlei Gefühle für mich.“ Das wusste sie selbst, dennoch war sie verblüfft, wie gelassen er damit umging. „Wie können Sie so ... so kaltherzig über die Ehe reden?“

Er zuckte die Achseln. „Weil die Ehe nun einmal eine kaltherzige Einrichtung ist.“

„Was für eine schreckliche Behauptung!“

Ihre Heftigkeit schien ihn zu überraschen. „Es ist eine Tatsache. Die Menschen heiraten wegen des Geldes, wegen eines Besitzes, weil sie Sicherheit wünschen, weil sie ihren Rang verbessern möchten und um Erben in die Welt zu setzen, die das Vermögen innerhalb der Familie wahren sollen. Wenn das nicht kaltherzig ist, weiß ich es auch nicht.“

„Menschen heiraten auch aus Liebe.“

Er gab einen verächtlichen Laut von sich. „Nein, das nennen sie nur so. Ich nenne das anders, nämlich Lust! Eine finanzielle Basis ist da weitaus vernünftiger.“

„Nur für den Mann“, widersprach Grace. „Frauen verlieren ihre finanzielle Unabhängigkeit, wenn sie heiraten.“

„Richtig, deswegen werde ich auch nie verstehen, warum so viele Frauen bereit sind, diese Unabhängigkeit aufzugeben, nur um verheiratet zu sein.“

Grace war erstaunt. Noch nie hatte sie gehört, dass ein Mann diesen Standpunkt vertrat. „Wahrscheinlich halten sie Liebe für wichtiger als finanzielle Unabhängigkeit.“

„Umso dümmer.“

Grace war geneigt ihm zuzustimmen. Insgeheim dachte sie genauso - allerdings nur, was sie selbst anging. Die meisten Frauen waren da ganz anderer Meinung. Sie dachte an Melly. „Die meisten Frauen wünschen sich Kinder.“

Er nickte. „Das ist wohl wahr. Irgendwann macht sich der Mutterinstinkt bemerkbar. Und Männer wollen Erben. Die Wahrung des Besitzes und Erben, nur darum geht es in der Ehe.“

Grace dachte an Tante Gussies zweite Ehe mit ihrem geliebten argentinischen Ehemann. „Nein, nicht immer.“

Sie hatte nie vergessen, was Tante Gussie ihr über ihn erzählt hatte: „Er hätte ein strahlend schönes, junges Mädchen heiraten können - er hatte die freie Auswahl in der argentinischen Gesellschaft.“ Dabei hatte Tante Gussie so zufrieden gelächelt wie eine Katze, die ein Rahmtöpfchen ausgeschleckt hatte. „Aber er wollte mich. Eine kleine, rundliche, kinderlose Witwe aus England, die schon über dreißig war. Es war ein einziges romantisches Abenteuer, das kann ich dir sagen. Dieser Mann hat mich erst gelehrt, was wahre Leidenschaft ist! Zwischen uns hat es geknistert, meine Liebe, aber eindeutig! “ Und dann hatte Tante Gussie verträumt geseufzt.

Damals hatte Grace sich nicht vorstellen, dass es zwischen ihr und einem Mann tatsächlich knistern könnte. Jetzt wusste sie es besser.

Das Gefühl, das Lord DAcre in ihr ausgelöst hatte, war schon ziemlich ... knisternd gewesen.

Allerdings schaffte er das wahrscheinlich bei jeder Frau, dieser Schuft. Sie musste sich darauf besinnen, dass er ein Lord war und sie für eine angestellte Gesellschaftsdame hielt. Gentlemen tändelten ständig mit Bediensteten herum, ohne auf ihre Gefühle zu achten. Als hätten Bedienstete keine Gefühle und kein Herz, das brechen konnte! Wie sehr es auch zwischen ihnen knistern mochte, sie konnte ihn nicht ernst nehmen. Er glaubte ja noch nicht einmal an die Ehe.

Sie dachte an ihre Schwestern, die alle liebevolle, leidenschaftliche und treue Ehemänner gefunden hatten. „Manche Ehen sind wunderbar, voller Liebe, Glück und Wärme.“

Lord DAcre schnaubte. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Mädchen mit einem Messer im Stiefel an solche Märchen glaubt, Greyst... wie, zum Teufel, heißen Sie eigentlich mit Vornamen? Sie wollen nicht, dass ich Sie Blauauge nenne, und Greystoke kann ich nicht mehr zu Ihnen sagen ... “ Er lächelte selbstzufrieden. „Nicht nach allem, was wir miteinander erlebt haben.“ „Ich habe keinen Vornamen, ich bin einfach Greystoke.“ Sie wich entschlossen einen Schritt zurück und fuhr leichthin fort: „Was haben wir denn Ihrer Meinung nach miteinander erlebt, Lord DAcre? Sie wissen gar nichts von mir. Sie sind mit Miss Pettifer verlobt, und auch wenn Sie keine Ahnung von Treue - und Liebe! - haben, ich jedoch schon. Jetzt gehen Sie und tun Sie das, was Sie tun wollten, ehe ich Sie unterbrochen habe.“

„Sie irren sich, kleine Miss Namenlos. Ich weiß eine ganze Menge von - wie nannten Sie das? - ach ja, von der Liebe.“ So wie er das Wort aussprach, klang es beinahe unanständig. „Aber wenn Sie meine Kenntnisse weiter vertiefen möchten ...“

„Hinaus!“ Sie zeigte auf die Tür und stemmte dann die Hände in die Hüften. Sie konnte selbst kaum glauben, dass sie soeben einen Mann aus seiner eigenen Küche verbannt hatte.

Und natürlich hatte er keinerlei Absicht, ihr zu gehorchen. Er schmunzelte, als amüsierte ihn ihr herrischer Tonfall, und einen Moment lang glaubte sie, er würde sie wieder packen und küssen, bis ihr Hören und Sehen verging. Als er sich daher plötzlich bewegte, wich sie erschrocken zurück.

Er jedoch holte nur weiteres Holz und stapelte es neben der Feuerstelle, nur um ihr zu zeigen, wer hier der Herr im Haus war. Und wer die Angestellte.

Sie beobachtete ihn. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt, weil er so dickfellig war. Weil er für sie Feuer gemacht hatte. Weil er sie geküsst hatte. Und das Schlimmste - weil er sie dazu gebracht hatte, ihn ebenfalls küssen zu wollen.

Anfangs war ihr alles so einfach vorgekommen, sich als Gesellschaftsdame auszugeben, da zu sein und Melly Mut zu machen, ihrem Vater zu sagen, dass sie keine kaltherzige Ehe mit einem kaltherzigen Lord eingehen wollte.

Zwischen uns hat es geknistert, meine Liebe, aber eindeutig!

Dieser Lord war weit davon entfernt, kaltherzig zu sein. Sie sah zu, wie er mehr Holz ins Feuer legte. Er war nur stur, dickköpfig und dumm! Die Ehe ist eine kaltherzige Einrichtung -also wirklich!

Er stocherte noch ein wenig im Feuer herum, dann richtete er sich auf. „So, das müsste reichen für die restliche Nacht. Ich gehe jetzt.“

Er ging dicht an ihr vorbei, und sie hielt den Atem an. Sein Mantel streifte sie, und sie nahm ganz schwach seinen Duft wahr. Der Mann roch genauso wie er schmeckte. Exotisch. Verboten. Sündig. Unwiderstehlich.

Wieder wischte sie sich über den Mund, als könnte sie dadurch seinen Geschmack aus ihrem Bewusstsein vertreiben.

Sie werden von nun an immer meinen Geschmack in Ihrem Mund haben. Nein, das würde sie nicht!

Er hatte die Hand schon auf den Türknauf gelegt, als ihr etwas einfiel. „Wohin gehen Sie?“

Mit einem ironischen Schmunzeln drehte er sich zu ihr um. „Im Dorfgasthaus soll es ausgezeichnete Fleischpasteten geben, wie man mir sagte. Nach dem ganzen Holzhacken habe ich jetzt ziemlich großen Hunger. Guten Abend.“ Damit zog er die Tür hinter sich ins Schloss.

Fleischpasteten? Grace’ Magen begann zu knurren. Sie sah auf die Möhren, die immer noch traurig in dem grünfleckigen Spülwasser dümpelten.

Lord D’Acre, diese Ausgeburt der Hölle!

„Hier steckst du also! Ich habe schon überall gesucht, aber keine Menschenseele gefunden.“ Melly betrat die Küche. „Der Doktor ist gegangen. Er sagte, er wolle nun doch nicht auf den Tee warten.“

„Wie geht es deinem Vater?“

„Ach, Grace, ich mache mir solche Sorgen um ihn! Er sieht so furchtbar schlecht aus, und er fragt ständig nach einem ... einem Geistlichen.“ Sie fing an zu weinen.

„O Melly!“ Grace legte das Messer hin und umarmte ihre Freundin.

„Der Arzt hat ihn wieder und wieder zur Ader gelassen.“ Sie verstummte und wischte sich die Tränen fort. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Papa guttun soll. Er schläft jetzt, aber er ist so schwach, viel schwächer als vorher.“

Grace runzelte die Stirn. Großonkel Oswald hatte so seine ganz eigene Meinung über Ärzte und kritisierte vor allem die, die ihre Patienten bei jeder Gelegenheit zur Ader ließen. „Hast du den Arzt gebeten, ihn nicht mehr zur Ader zu lassen?“

Melly nickte. „Ja, aber er hat es ignoriert. Du weißt ja, wie das ist.“

Das wusste Grace in der Tat. „Nun, lass uns sehen, wie es deinem Papa morgen früh geht. Vielleicht gibt es noch einen anderen Arzt in der Umgebung, dann könnten wir eine zweite Meinung einholen.“ Sie nahm wieder das Messer und fuhr fort, Gemüse zu schneiden.

„Der Doktor meinte, er wolle morgen früh wiederkommen. Eventuell könnten wir beide mit ihm reden.“ Melly stutzte, als sie das Chaos auf dem Tisch bemerkte. „Was, um alles in der Welt, machst du da?“

„Ich koche Suppe.“ Grace zerhackte eine Steckrübe. Es war eine sehr alte und sehr holzige Steckrübe. Grace’ verletzte Hand schmerzte und ihr Magen knurrte. Daran war nur der Gedanke an Fleischpasteten schuld. Zur Hölle mit dem Mann!

Melly beäugte das welke Gemüse argwöhnisch. „Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst.“

„Jeder kann kochen“, behauptete Grace und hoffte, dass das auch stimmte. „Außerdem bleibt uns nichts anderes übrig.“ „Warum nicht? Gibt es hier sonst nichts zu essen? Und sind wirklich keine Bediensteten im Haus? Wo ist unser Gastgeber überhaupt?“

Diese an sich harmlosen Fragen brachten Grace’ Blut in Wallung. Doch sie durfte ihren Zorn nicht an der armen Melly auslassen. Wütend bearbeitete sie die Steckrübe. „Unser Gastgeber“ - hack, hack, hack! - „dieser vollkommen schurkische, gefühllose Schuft, hat uns uns selbst überlassen.“ Hack, hack, hack! „Er hat sich sein Pferd geschnappt und ist weggeritten. Zum Dorfgasthaus!“ Sie versenkte die Rübenstücke schwungvoll im Topf. „Wo sie ausgezeichnete Fleischpasteten zubereiten!“

Die Rübenstücke dümpelten holzig mit den Möhren zwischen den grünen Kräutern. Sie glaubte nicht, schon jemals eine solche Suppe gegessen zu haben.

„Wie merkwürdig“, stellte Melly fest.

„Ja, ich glaube, das Gemüse ist zu alt.“

„Nein, ich meinte Lord D’Acre. Es ist sehr merkwürdig von ihm, einfach so zu verschwinden.“ Sie sah Grace etwas verlegen an. „Weißt du, er ist gar nicht so schlimm wie ich erwartet hatte. Er hat Stunden draußen im Unwetter auf der Suche nach einem Arzt für Papa verbracht - auch wenn du es letztlich warst, die einen geholt hat. Und er hat dem Doktor geholfen, Papa umzuziehen. Er hat mir sogar gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, es würde schon alles gut werden.“ Grace starrte sie ungläubig an. Wie konnte Melly nur auf so nichtssagende Zusicherungen hereinfallen? Derselbe Mann hatte eben noch die Ehe eine kaltherzige, geschäftliche Angelegenheit genannt, auch wenn Melly das natürlich nicht wissen konnte. Sie wusste allerdings, dass dieser Schuft gegangen war, um seinen eigenen Magen zu füllen, während sie hier beinahe verhungerten.

Melly deutete Grace’ Gesichtsausdruck falsch und nickte. „Ja, das war doch wirklich nett von ihm, nicht wahr?“

„Nett von ihm?“, brauste Grace auf. „Es ist überhaupt nichts Nettes an einem Mann, der loszieht, um köstliche Fleischpasteten zu speisen, während er es seinen Gästen überlässt, sich selbst ...“, sie sah angewidert in den Topf,.....eine ekelhafte Suppe zu kochen!“

Im selben Moment klopfte es an der Küchentür. Grace öffnete sie verwundert. Draußen stand ein Junge mit einem großen Weidenkorb. „Bitte, Miss, sind Sie zufällig Miss Greystoke?“

„Die bin ich.“

„Dann lässt Mylord Ihnen und den anderen das hier schicken.“ Er drückte Grace den Korb in die Hände und grinste über das ganze Gesicht. „Er hat mir einen ganzen Schilling gegeben, nur dafür, dass ich das hierher bringe!“, erklärte er freudig und rannte davon.

„Was ist das?“, fragte Melly hinter ihr. Sie nahm Grace den Korb ab und trug ihn zum Küchentisch. Ein sauberes blauweiß kariertes Tuch bedeckte den Inhalt. Als sie es wegzog, breitete sich der Duft frisch gebackener Fleischpasteten in der Küche aus.

„Mmm! “ Melly atmete genüsslich ein. „Das müssen die Pasteten sein, von denen er gesprochen hat - du hast ihn offensichtlich völlig missverstanden. Und sieh nur, da sind auch frisches Brot, Käse, Äpfel und eine Flasche Portwein. Den kann Papa zwar im Moment nicht trinken, trotzdem ist das sehr umsichtig gedacht.“ Sie strahlte Grace an. „Siehst du, ich habe dir doch gesagt, er ist ein netter Mann! “

Grace nickte lächelnd, aber innerlich kochte sie. Sie hatte ihn nicht missverstanden - er hatte sie bewusst in die Irre geführt! Der Duft der Pasteten stieg ihr verführerisch in die Nase. Dieser Unhold! Wie konnte sie dauerhaft böse auf einen Mann sein, der ihr heiße Pasteten schickte?

Doch das musste sie, denn Melly fing an, ihn zu mögen. Nun musste sie ihn erst recht auf Distanz halten. Auf große Distanz.

Aber was geschah, wenn Melly sich in ihn verliebte? Und er nur ein kaltherziges, geschäftliches Arrangement im Sinn hatte? Wie es aussah, musste Grace nicht nur ihr eigenes Herz schützen. Seufzend nahm sie sich eine Pastete. Langsam wurde alles ganz schrecklich kompliziert.

Dominic saß auf einer Bank vor dem „Wolfestone Arms“ und trank einen Humpen Ale. Sheba lag mit dem Kopf auf seinem Stiefel zu seinen Füßen. Es war ein wunderschöner Abend, und der Duft nach frischer, feuchter Erde und Laub hüllte ihn ein wie ein Parfüm. Dominic sah zu, wie der Mond über dem Tal aufging. Dem Tal seiner Vorfahren. Seiner verhassten, unbekannten Vorfahren.

Gott, was hatten sie für ein Chaos hinterlassen.

Dominic hatte vorgehabt, niemals den Boden von Wolfestone zu betreten. Aber nun hatte er es getan, und es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er wieder von hier fortgehen konnte.

Er hatte dem Wirt zwei Briefe übergeben, die mit der nächsten Postkutsche weggeschickt werden sollten, einen an Podmore, den Anwalt der Familie und Testamentsvollstrecker seines Vaters, den anderen an Abdul, seinen ... Ja, wie sollte man Abdul nennen? Seinen Majordomus? Seinen agent d’affaires? Keine Bezeichnung konnte Abdul gerecht werden. Es gab einfach nichts, was Abdul nicht tun konnte oder wollte.

Er schmunzelte unwillkürlich vor sich hin. Was die Dorfbewohner wohl zu Abdul sagen würden? Er würde bestimmt für reichlich Gesprächstoff sorgen!

Jedes Mal, wenn Dominic die Schankstube betreten hatte, waren die Gespräche im Raum verstummt. Das machte ihm nichts aus. Er hatte noch nie irgendwo dazugehört, und die Meinung der Dorfbewohner über ihn interessierte ihn nicht. Er hatte sie von Anfang an nicht kennenlernen wollen, und sobald er die Dinge im Schloss geregelt hatte, würde er fortgehen und sie nie Wiedersehen.

Trotzdem war das verstohlene Getuschel um ihn herum irritierend, und deshalb hatte er sich, weil der Abend so schön war, nach draußen gesetzt.

Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht. Er mochte englisches Ale nicht besonders, aber der Wirt hatte ihm keinen anständigen Wein anbieten können, nur einen Portwein, der zu süß für seinen Geschmack war. Das Ale hingegen war stark, bitter und dunkel. Es passte genau zu seiner Stimmung.

Er war wütend auf Sir John Pettifer und seine Tochter gewesen, weil sie ihn gezwungen hatten, herzukommen. Im Nachhinein war er ganz froh darüber. Wie lange hatte Eades seine üblen Machenschaften schon betrieben? Er musste sich aus dem Staub gemacht haben, sobald Podmore ihn nach Bristol bestellt hatte, damit er den neuen Schlossbesitzer kennenlernte. Ob er geahnt hatte, dass Dominic Unregelmäßigkeiten in den Geschäftsbüchern aufgefallen waren? Zum Glück hatte er ein Auge für Zahlen, sonst wären Eades’ Unterschlagungen womöglich niemals aufgeflogen.

Dutzende Bedienstete waren wer weiß wie lange von dem Familienvermögen bezahlt worden, aber in dem Schloss war schon seit Jahren nicht ein einziges Zimmer mehr gereinigt worden. Eades war der Übeltäter, doch Dominic wusste, wer der eigentliche Verantwortliche war - sein Vater. Er hätte dieses Schloss niemals so verfallen lassen dürfen.

Dominic verstand ihn nicht, aber das hatte er noch nie getan. Wolfestone hatte seinem Vater alles bedeutet, und doch hatte er es verfallen lassen. Was war das für ein Mensch, der damit prahlte, dass sich das Anwesen seit sechshundert Jahren im Besitz der Familie befand, und gleichzeitig glaubte, dass es nur eines männlichen Erben bedurfte, um die Tradition fortsetzen zu können?

Jetzt hatte Dominic den schrecklichen Zustand des Besitzes von Nahem gesehen, das Durcheinander, das sein Vater hinterlassen und das Eades noch vergrößert hatte. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als Ordnung zu schaffen. Er musste den Besitz wieder so herrichten, dass er verkauft werden konnte. Dominic hasste Verschwendung. Wenn man im Leben mit nichts angefangen und sich alles, was man besaß, hart erarbeitet hatte, weiß man die Dinge wohl einfach besser zu schätzen, dachte er.

Er blickte leidenschaftslos über das Schachbrettmuster der Felder und die sanften Hügel, die die Abendsonne in ein goldenes Licht tauchte. Es war schwer zu glauben, dass das alles ihm gehörte - sobald er Miss Pettifer heiratete. Es war eine schöne Landschaft, ein guter, ertragreicher Boden. Es würde viel Arbeit machen, den Besitz wieder produktiv werden zu lassen. Aber derjenige, der ihn dann kaufte, würde mehr als entschädigt werden. Und auch für Dominic würde sich der Verkauf von Wolfestone dann finanziell lohnen.

Bis dahin musste er zumindest eine Zeit lang in diesem heruntergewirtschafteten Schloss wohnen. Der letzte Ort der Welt, an dem er sich je hatte aufhalten wollen.

Der Gedanke versetzte ihm einen unerwarteten Stich, genau wie beim ersten Mal, als er das Zuhause seiner Vorfahren erblickt hatte. Ein heruntergewirtschaftetes Schloss. Was für eine Ironie! Was für eine verdammte Ironie.

Wie oft hatte er sich in seinem Leben schon vorgenommen, Wolfestone ein für allemal von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen? Und jetzt war er hier und plante tatsächlich, den Besitz zumindest teilweise wieder aufzubauen ...

Nur, bis er in einem Zustand ist, dass ich ihn verkaufen kann, sagte er sich. Dem Andenken seiner Mutter zuliebe musste er den Namen Wolfestone endgültig auslöschen. Wie oft hatte er sie als Junge beim Weinen ertappt. Sie hatte ihm nie etwas erklärt und auch nie über diesen Ort gesprochen, nur so viel: „Wenn du je nach Wolfestone kommst, wirst du mich verstehen.“

Ja, das tat er jetzt wirklich. Dieser Ort war der Grund für ihr ganzes Leid. Für Wolfestone war eine unschuldige, weltfremde, siebzehn Jahre alte Erbin an einen fast dreißig Jahre älteren Ehemann verkauft worden. Um Erben für Wolfestone zu bekommen, hatte sein Vater eine blutjunge Frau in sein Bett gezwungen und sie geschlagen, als sie nicht empfing. Wegen Wolfestone hatte sie den Großteil ihres jungen Lebens leiden müssen - und genau deswegen würde ihr Sohn diesen Besitz zerstören.

Dominic trank noch ein Ale. Die Fleischpasteten waren so hervorragend gewesen wie angekündigt, nur leider etwas salzig. Absichtlich, vermutete er. Wenn das Essen gut gesalzen war, tranken die Gäste mehr.

Ein leichter Wind strich durch die Blätter der Buchen. Es wurde langsam Herbst, der Boden war schon gesprenkelt mit goldgelbem und rotbraunem Laub, das wie Sommersprossen auf der Erde wirkte, wie blank polierte neue Pennystücke. Dominic lächelte.

Gott sei gedankt für dieses funkelnde neue Pennystück in meinem Leben, dachte er, und augenblicklich hellte sich seine Laune auf. Wer hätte gedacht, dass er sie ausgerechnet in Wolfestone finden würde, voller Sommersprossen und in einem hässlichen grauen Kleid.

Sheba setzte sich plötzlich auf, und Dominic sah zur Brücke hinüber, doch es war niemand da. Der junge Billy Finn war noch nicht zurückgekehrt. Der Junge hatte sich an diesem Abend einen Schilling verdient.

Dominics Mundwinkel zuckten. Nur allzu gern hätte er ihr Gesicht gesehen, als der Junge mit dem Korb aufgetaucht war.

„Wie ist sie bloß Gesellschafterin geworden?“, fragte er Sheba. „Frech wie Oskar und blitzgescheit. Gesellschafterinnen sind sonst immer demütig und anspruchslos. Ich bezweifle, ob diese Ausdrücke in ihrem Wortschatz überhaupt Vorkommen.“ Sheba wedelte zustimmend mit dem Schwanz.

Ihr familiärer Hintergrund machte ihn immer neugieriger. Ihre bis an die Zähne bewaffneten weiblichen Verwandten hörten sich an wie Straßendirnen oder etwas in der Art. Und doch war sie in mancher Hinsicht noch so unschuldig. Schmunzelnd erinnerte er sich daran, wie sie auf seine nackte Brust gestarrt hatte. Wie sehr sie sich angestrengt hatte, nicht hinzusehen. Er sollte ihr keineswegs anmerken, dass er sie genauso interessierte wie sie ihn.

Eine faszinierende Mischung, sein Blauauge ohne Vornamen.

Als Gesellschaftsdame musste sie noch viel lernen, über Männer allerdings auch. Und Dominic war genau der richtige Mann, ihr etwas beizubringen.

Von Adeligen hielt sie nicht viel, das stand jedenfalls fest.

Er lächelte vor sich hin. In seiner Eigenschaft als Lord D’Acre hatte sie ihm genauso viel Respekt entgegengebracht wie dem Zigeuner, für den sie ihn erst gehalten hatte - nämlich gar keinen! Sie hatte ihm unmissverständlich klargemacht, was sie von ihm hielt, und diese leuchtend blauen Augen hatten dabei vor Zorn Funken gesprüht.

Wunderschöne Augen. In Erinnerungen versunken legte er die Hände um den Humpen. Er spürte noch immer ihren Geschmack im Mund, süß und warm. Und wie sich ihr junger, weicher Körper an seinem angefühlt hatte. Ihre samtige Haut.

Sie hatte keinen Mucks von sich gegeben, als er ihr den großen, spitzen Splitter aus der Hand gezogen hatte.

Er presste die Lippen aufeinander. Wer oder was hatte sie gelehrt, auf diese Weise Schmerzen zu ertragen? Schmerzen oder Misshandlungen waren ihr nicht fremd; so viel Selbstbeherrschung eignete man sich nicht grundlos an.

Dominic nahm einen Schluck von dem bitteren Gebräu. Trotzdem hatte ihr Temperament nicht darunter gelitten. Er dachte daran, wie sie seinen Blicken wieder und wieder voller Trotz standgehalten hatte. Gott sei Dank.

„Mutig, klug und schön“, sagte er zu Sheba. Die Hündin setzte sich wieder auf, spitzte die Ohren und verschwand im gegenüberliegenden Gebüsch.

Das Leben als Gesellschaftsdame war nichts für eine Frau wie Greystoke. Sie verdiente mehr. Sie verdiente die ganze Welt. Und Dominic würde sie ihr zu Füßen legen.

Er musste erneut schmunzeln. Wie sie ihn angesehen hatte, als er ihr gesagt hatte, er würde Fleischpasteten im Dorfgasthaus essen - Himmel, wenn Blicke hätten töten können!

Ihr Temperament entzückte ihn. Sie würde nicht ohne Widerstand zu ihm kommen. Aber dass sie irgendwann zu ihm kam, stand für ihn fest.

Greystoke würde sein werden.

Ein paar Minuten später kehrte Sheba zurück. Sie hechelte, und ihr Fell war voller kleiner Zweige und Grassamen. Stolz mit dem Schwanz wedelnd legte sie ihm eine tote Ratte vor die Füße. Dominic dankte ihr freundlich. Schließlich erhielt man nicht alle Tage eine Ratte als Geschenk.

Ob Greystoke wohl genauso dankbar über den Korb mit Essen gewesen war, den er ihr durch den Jungen hatte zukommen lassen? Er glaubte es nicht so recht.

Lächelnd hob er den Humpen und prostete sich selbst zu. „Guten Appetit, meine süße kleine Gesellschaftsdame. Auf eine glorreiche Verführung!“