21. Kapitel

Um mich herum der Horizont atmete Wohlgeruch und kündete von ihrer Ankunft, so wie der Duft einer Blume vorauseilt. 

Ibn Safr al-Marini

Dominic verbrachte den Großteil des folgenden Tages mit den unterschiedlichsten Aufgaben - juristischen Angelegenheiten, den Besitz betreffenden Dingen, Hochzeitsvorbereitungen, der Unterbringung der Gäste und der Planung ihrer Hochzeitsreise.

Grace wiederum verbrachte den Großteil des Tages mit ihren Schwestern, Tante Gussie und einer Schneiderin, die man für das Hochzeitskleid eigens aus London hatte kommen lassen. Es mochte nur eine kurze Verlobungszeit und eine Trauung in einer unbedeutenden Dorfkirche sein, aber Tante Gussie bestand darauf, dass für den letzten „Merridew-Diamanten“ nur das Beste gerade gut genug war.

Grace wiederum nahm sich eine kleine Auszeit, um ganz eigene Vorbereitungen mit Abdul und den Tickel-Mädchen zu besprechen.

Es war schon sehr spät, als Dominic endlich nach Hause zurückkehrte.

In der Eingangshalle blieb er stehen. Was war denn das da auf dem Fußboden? Als er das allererste Mal diese Halle betreten hatte, war sie voll von vertrocknetem Laub gewesen. Er bückte sich, um nachzusehen, was da überall auf den Marmorfliesen verstreut lag. Rosenblätter. Wie merkwürdig.

Er hob ein paar von ihnen auf und sog ihren Duft ein. Rose mit einem Hauch von Zitronenduft. Er lächelte.

Er sah hinauf zu dem Wasserspeier. „Weißt du, was es damit auf sich hat?“ Verdammt, mittlerweile redete er sogar mit Statuen.

Er ging die Treppe hinauf und sah auf jeder Stufe ein, zwei weitere Rosenblätter liegen. Sie führten in einer ununterbrochenen Spur geradewegs nach oben. Dominic folgte dieser und trat dabei in die Mulden, die seine Vorfahren auf den Stufen hinterlassen hatten.

Die Spur endete vor seiner Schlafzimmertür. Er öffnete sie und stellte fest, dass sein Zimmer in ein Zelt verwandelt worden war. Viele Bahnen bunten Tuchs, ausgehend von einem Punkt in der Mitte der Decke, waren anmutig bis zu den Wänden gespannt. Die Rosenblätter führten zu einer Art Eingang. Dominic teilte vorsichtig die Tuchbahnen.

Auf den weißen Laken seines Betts lag Miss Grace Merridew, mit nichts weiter bekleidet als mit Rosenblättern. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. „Ist das eine Haremsdame, die ich da vor mir sehe?“, brachte er mühsam hervor.

„Nein, ich bin es“, erwiderte Grace. „Und beeil dich. Diese Blätter fühlen sich ziemlich klamm an.“

Mit einem glücklichen Lachen ließ er sich auf das Bett fallen.

„Sie wollen was?“ Dominic setzte sich schockiert im Bett auf.

„Sie wollen Wolfestone kaufen und es uns zur Hochzeit schenken.“

„Aber das können sie nicht machen!“

Grace lächelte. „Natürlich können sie das. Schließlich sind sie nicht mit dir verwandt.“

„Das meinte ich nicht, sondern - das würde doch ein Vermögen kosten!“

„Sie sind alle reich.“

Er fuhr sich verwirrt mit den Fingern durchs Haar. „Aber warum sollten sie das tun?“

Sie sah ihn erstaunt an. „Damit wir heiraten können, natürlich!“

„Wir heiraten doch ohnehin!“

„Ja, aber sie wollen nicht, dass du Wolfestone verlierst.“

Dominic versuchte, das alles zu verstehen. „Warum sollte ihnen das wichtig sein?“

Sie starrte ihn verständnislos an, doch dann begriff sie plötzlich. Er hatte ziemlich viel Stolz und wusste im Grunde gar nicht, wie es war, eine Familie zu haben. Sie umschlang ihn mit den Armen. „Sie sind meine Familie, Dominic. Sie wollen, dass wir genauso glücklich sind wie sie. Großonkel Oswald ist ziemlich enttäuscht, dass er uns nicht ganz allein einen Besitz kaufen kann. Er liebt große Auftritte.“

Dominic lachte leise. „Das ist mir gestern schon in der Kirche aufgefallen.“

Auch Grace musste kichern.

„Frey wird in den kommenden Monaten in seiner Kirche nur noch Stehplätze übrig haben“, erzählte er ihr. „Großvater Tasker hat ihm gratuliert und gesagt, dass die Gottesdienste in St. Stephen’s genauso unterhaltsam wären wie eine Zirkusvorführung.“

Gegen Mitternacht streckte Grace sich wie eine zufriedene Katze. „Ich habe Hunger. Vorher war ich nicht hungrig -höchstens auf dich -, aber jetzt bin ich halb verhungert.“ Dominic setzte sich auf. „Ich hole uns etwas zu essen aus der Küche.“

„Ich komme mit.“ Sie kletterte aus dem Bett und zog sich rasch etwas über. Dann liefen sie Hand in Hand und auf Zehenspitzen wie zwei übermütige Kinder den Flur entlang. Als sie an der Treppe ankamen, hörten sie von oben plötzlich seltsame Geräusche.

„Was ist das?“, fragte Grace.

„Ach so, ja, Abdul ist ins Turmzimmer gezogen“, teilte er ihr mit. Das tiefe Stöhnen eines Mannes, begleitet von Frauengelächter war zu vernehmen. Das Gelächter von mindestens zwei Frauen, möglicherweise auch drei.

Dominic runzelte die Stirn. „Was, zum Teufel, macht er denn da?“

„Ich weiß es“, sagte Grace. „Abdul frohlockt.“

„Er frohlockt?“ Verwirrt sah er sie an.

„Er frohlockt über Dominic Wolfes Mitgefühl“, zitierte sie ihn lachend. „Komm, beeil dich. Ich möchte jetzt erst etwas essen, und danach möchte ich vielleicht selbst mit Dominic Wolfe frohlocken.“

Obwohl alles so überstürzt vonstatten gegangen war, wurde die Hochzeit zum glanzvollsten Ereignis, das das Dorf Lower Wolfestone seit Generationen miterlebt hatte. Das Schloss war bis zum Dach voller Gäste - mehr feine Pinkel mit ihren schicken Londoner Hüten, als Großvater Tasker mit seinem Stock abzählen konnte.

Abdul, der Türke, war sogar eigens aus seinem Turmzimmer ausgezogen, um Platz für die Gäste zu machen. Zumindest behauptete Abdul das. Das Dorf glaubte eher, dass er das getan hatte, um die feinen Pinkel nicht zu schockieren. Und die feinen Pinkel waren leicht in Verlegenheit zu bringen, da waren sich alle einig.

Abdul und alle drei Tickel-Mädchen hatten das Pförtnerhaus bezogen. Das war zwar ein ausgewachsener Skandal, wie das Dorf fand, aber was konnte man schon erwarten von einem heidnischen Türken und den armen, verlorenen Tickel-Mädchen, denen man schon als kleine Babys die Tugend geraubt hatte, als man sie in Gwydions Teich gebadet hatte.

Außerdem, wenn es schon einen Skandal im Dorf geben sollte, dann wenigstens einen richtig großen, saftigen, meinten alle. Und die Tickel-Mädchen waren ja schon recht appetitlich!

Der neue Vikar nahm die Trauung nicht selbst vor - nun ja, verständlich, er war ja selbst erst seit einer Woche verheiratet. Sein Onkel, der Bischof, war geblieben und hatte Wolfe und die Graue Dame dann auch noch getraut. Zwei Hochzeiten in einer Woche!

Die Schwestern der Dame waren erschienen, eine hübscher als die andere. Die beiden Mädchen namens Miss Cassie und Miss Dorie waren Brautjungfern, während die Frau des Vikars und der Vikar die Rolle der Trauzeugen übernahmen.

Der Schwiegervater des Vikars war sogar anwesend - in einem Rollstuhl. Grannys Breiumschläge hatten ein dickes Geschwür an die Oberfläche gebracht, und als es aufgeplatzt war, ging es mit dem alten Herrn wieder bergauf. Außerdem gab es eine ganze Schar Kinder, die Blumen streuten - die Nichten und Neffen der guten Dame.

Während des Gottesdiensts geschah etwas Merkwürdiges. Nachdem der Bischof die beiden zu Mann und Frau erklärt, die Arme ausgebreitet und gesagt hatte: „Nun lasset uns alle frohlocken“, brach die Braut in ein lautes Lachen aus. Sie hatte sich gar nicht mehr beruhigen können.

Als Braut und Bräutigam aus der Kirche traten, warfen alle Rosenblätter über sie. Es hatte sich herumgesprochen, dass die Braut Rosen über alles liebte, und so hatte jeder für diesen Anlass Blütenblätter gesammelt. Die beiden sahen aber auch zu hübsch aus.

Zu einem kleinen Geplänkel unter ein paar Frauen kam es, als die Braut mit zurückgeschlagenem Schleier an ihnen vorbeiging und man somit ihr Gesicht sehen konnte. Mrs Parry machte ihre Buttermilch für den zarten Teint der Braut verantwortlich, während Mrs Tickel darauf schwor, dass ihre Zitronen das bewirkt hatten. Granny fuhr ihnen beiden über den Mund - es war das Wasser aus Gwydions Teich gewesen -, und Granny musste es schließlich wissen!

Nach der Kirche gab es ein großes Fest mit Musik und Tanz -ein Fest für die Dorfbewohner im Schlosshof und eins für die feinen Pinkel drinnen im Schloss. Großartig war das.

Das Beste an dieser Hochzeit ereignete sich jedoch zum Schluss. Braut und Bräutigam traten aus dem Schloss, um ihre Hochzeitsreise anzutreten - und ratet mal, was draußen auf sie wartete! Ein Kamel! Ein richtiges, mit Höcker und allem Drum und Dran.

Das Tier ging in die Knie, und Wolfe und seine Graue Dame stiegen in den Sattel. Die Braut kicherte die ganze Zeit und küsste ihren frischgebackenen Ehemann, als hätte sie ein Bad in Gwydions Teich genommen. Und dann richtete sich das massige Tier wieder auf, und Wolfe und seine Graue Dame ritten lachend und winkend in den Sonnenuntergang hinein ...

Nach Alexandria wollten sie, sagten manche. Oder nach Shrewsbury, meinten andere.