11. Kapitel

Überall herrscht der Zufall. Lass deine Angel nur hängen; wo du’s am wenigsten glaubst, sitzt im Strudel der Fisch. 

Ovid

Grace wusste nicht genau, wie lange sie schon im Wasser war, doch sie glaubte, ein Platschen gehört zu haben. Sie schlug die Augen auf und sah sich um, aber da war nichts. Sie schloss die Augen wieder und bewegte träge ihre Arme und Beine, gerade nur so viel, dass sie nicht in das grelle Sonnenlicht trieb. Es war einfach herrlich, sich so treiben zu lassen, kühl, still und frei von ...

Nein, da war eindeutig ein Platschen. Wieder sah sie nach, und dieses Mal entdeckte sie die Umrisse eines Hundes. Er schnüffelte im Schilf, am flachen Ufer des Teichs. Sie wollte sich schon entspannen, als der Vierbeiner für einen Moment aus dem Schilf kam. Ein weißes Tier mit braunen Flecken. Lord D’Acres Hündin Sheba. Wo sie war, war meist auch ihr Herr nicht weit.

Sie blinzelte, schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und ließ den Blick genauer über das Ufer schweifen. Da war er. Er lehnte mit verschränkten Armen an einem Baum und beobachtete sie in aller Seelenruhe. Mit seiner hirschledernen Reithose, dem grauen Jackett und den braunen Reitstiefeln war er vor dem Hintergrund des Waldes kaum auszumachen gewesen.

Ein paar Schritte neben ihm lag ihre ordentlich zusammengefaltete Kleidung. Das meiste davon, zum Glück nicht alles.

„Wie lange sind Sie schon hier?“, rief sie und trat Wasser.

Er tat einen Schritt nach vorn. „Guten Tag, Greystoke. Ich gebe Ihnen recht, das ist der vollkommene Tag für ein Bad.“ Er lockerte seine Krawatte.

Grace sah sich um, fand aber keine andere Stelle, wo sie aus dem Wasser steigen konnte. Auf ihrer Seite war das Ufer viel zu steil. „Sind Sie schon lange da?“

„Lange genug.“ Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er sein Jackett aus und legte es auf den Boden. Genauer gesagt, auf ihren Kleiderstapel.

Lange genug wofür? fragte sie sich. Im Moment war sie durch das Wasser sittsam vor Blicken geschützt, nur ihr Kopf war zu sehen. Aber als sie sich eben hatte treiben lassen? Sie trug nur ihr Hemd und die Pantalons und wusste aus Erfahrung, dass sie in nassem Zustand fast durchsichtig waren.

Er setzte sich ins Gras und fing an, seine Stiefel auszuziehen.

„Was machen Sie da?“

„Ich ziehe mir die Stiefel aus.“

„Das sehe ich, aber warum?“

Er sah sie an, als wäre das doch wohl offensichtlich. „Weil ich sie nicht ruinieren will.“

Er konnte doch wohl nicht das Vorhaben, wonach es aussah! Sie verfolgte, wie er erst den einen, dann den anderen Stiefel auszog, ehe er seine Strümpfe abstreifte, sie neben die Stiefel warf und wieder aufstand. Er öffnete die oberen Knöpfe seines Hemds und zog es sich über den Kopf. Wie schon neulich trug er kein Unterhemd.

„Hören Sie sofort auf“, verlangte Grace.

„Womit?“, erkundigte er sich höflich und machte sich am Bund seiner Reithose zu schaffen.

„Wagen Sie es ja nicht!“, rief sie hilflos.

„Was soll ich nicht wagen, Greystoke?“ Sie konnte das durchtriebene Funkeln in seinen Augen nicht sehen, wusste aber genau, dass es da war. „Meinen Sie, ich sollte es nicht wagen zu schwimmen? Seien Sie unbesorgt, ich bin ein guter Schwimmer.“ Er streifte die Reithose herunter, und Grace hielt sich die Hände vor die Augen. „Was ist mit Ihnen, Greystoke? Können Sie auch gut schwimmen oder beherrschen Sie nur das Treiben im Wasser?“

Sie presste die Hände fest vor die Augen. Er konnte unmög-lich sehen, dass sie durch die Finger spähte. Der Teufel. Er hatte noch seine Unterhose an. „Wenn Sie schwimmen wollen, dann drehen Sie sich um, und ich komme heraus.“

„Ach, es ist doch genügend Platz da.“

„Darum geht es nicht!“ Gemischtes Baden war skandalös, es sei denn, man war verheiratet, und selbst dann war es äußerst gewagt.

Er schüttelte die Reithose aus und legte sie ebenfalls über ihre Sachen. „Machen Sie doch keinen solchen Wirbel, Greystoke. Niemand kann etwas sehen.“

Das war schon einmal gelogen, denn sie konnte sehen! Mit den Händen vor den Augen und kaum merklich gespreizten Fingern konnte sie sich gar nicht sattsehen an ihm.

Er streckte sich, als wollte er seine angespannten Muskeln lockern. Ihr Mund wurde ganz trocken. Der Mann war prachtvoll gebaut, feste Muskeln, breite Schultern und schmale Hüften. Seine Beine waren lang und kräftig, und der Kontrast zwischen seiner weißen Unterhose und der gebräunten Haut zog ihre Blicke nur noch mehr an.

Er war überall braun. Wahrscheinlich schwamm er meistens nackt. Kaum hatte sie das gedacht, da hakte er seine Daumen in den Bund der Unterhose.

„Wagen Sie es nicht!“, schrie sie auf.

Er grinste, weiße Zähne blitzten. „Greystoke, Sie unartiges Mädchen, Sie haben ja doch hingesehen. Ts, ts.“

Glut schoss ihr in die Wangen, und sie tauchte unter, um sie zu kühlen. Als sie wieder an die Oberfläche kam, stand er immer noch mit gespreizten Beinen am Ufer und beobachtete sie. Abrupt wandte sie ihm den Rücken zu.

„Meinetwegen brauchen Sie sich nicht umzudrehen. Mich stört es nicht, wenn Sie mich betrachten. Ich fühle mich sogar geschmeichelt, dass Sie mir beim Ausziehen zusehen wollen.“ „Das tue ich doch gar nicht“, gab sie schockiert zurück, auch wenn sie insgeheim wusste, dass das nicht stimmte. „Und ich habe Sie auch nicht betrachtet! Ich habe nur einen ganz kurzen Blick auf Sie geworfen, weil ich Ihnen nicht traue!“

„Sie trauen mir nicht?“

„Nein, ganz und gar nicht! Jetzt drehen Sie sich bitte um und lassen mich heraus.“

Sofort trat er einen Schritt zurück und vollzog eine einladende Handbewegung. „Wenn Sie herauskommen wollen, dann lassen Sie sich nicht von mir daran hindern. Ich werde Ihnen sogar behilflich sein, denn der Boden hier in Ufernähe sieht ziemlich schlüpfrig aus.“ Er kehrte wieder ans Wasser zurück und streckte die Hand aus, so wie ein Lakai die Hand ausstreckte, um einer Dame beim Aussteigen aus der Kutsche zu helfen. Allerdings war ein Lakai dabei niemals so nackt. Oder eine Dame so unzureichend bekleidet.

„Sie wissen ganz genau, dass ich nicht herauskommen werde, solange Sie so halb nackt dastehen. Schwimmen Sie dort hinten hin, und wenn Sie diese Stelle erreicht haben, gehe ich aus dem Wasser.“ Sie zeigte auf das andere Ende des Teichs.

„Warum wollen Sie denn unbedingt herauskommen? Es ist mein Teich, und ich habe nichts dagegen, ihn mit Ihnen zu teilen.“

„Ich werde keine weiteren Worte mehr mit Ihnen wechseln“, betonte sie schnippisch. „Ich will jetzt aus dem Wasser steigen, also gehen Sie!“

„Aber Sie sind ganz reizend, wenn Sie Worte mit mir wechseln.“ Er runzelte die Stirn. „Ist Ihnen kalt?“

Dankbar griff sie diese Ausrede auf. „Ja, mir ist kalt, und ich will aus dem Wasser gehen. Also bewegen Sie sich bitte! “

„Ja, natürlich. Wenn Ihnen kalt ist, müssen Sie auf der Stelle gewännt werden“, meinte er und hechtete kopfüber ins Wasser.

Grace nutzte die Gelegenheit und schwamm so schnell sie konnte ans Ufer - nicht dorthin, wo ihre Kleider lagen, sondern zu einem näher gelegenen Bereich. Sie wollte nicht riskieren, mit ihm zusammenzustoßen, wenn er wieder auftauchte. Sobald sie festen Boden unter den Füßen hatte, wollte sie ihre Blößen mit Zweigen bedecken, während sie zu ihren Sachen lief.

Er tauchte nicht sofort wieder auf, und so kam sie recht zügig voran. Doch je mehr sie sich dem Ufer näherte, desto beunruhigter wurde sie. Er war nun schon recht lange unter Wasser. Hatte er sich beim Hineinspringen am Kopf verletzt? War er unter Wasser an irgendetwas hängen geblieben?

Sie wurde langsamer und stellte sich hin. Das Wasser reichte ihr nur noch bis zur Taille. Sie suchte prüfend die Teicho-berfläche ab, aber sie konnte ihn nirgends sehen. Er war in einiger Entfernung von ihr ins Wasser gesprungen, aber es glitzerte so stark in der Sonne, dass sie unter der Oberfläche nichts erkennen konnte.

Wie viel Zeit war inzwischen vergangen? Eine Minute? Zwei? Schwer zu sagen. Mittlerweile machte sie sich ernsthaft Sorgen. Kein Mensch konnte so lange die Luft anhalten. Ihm war etwas zugestoßen! Sie watete zu der Stelle, wo er untergetaucht war.

„Haben Sie mich vermisst?“ Mit einem Wasserschwall tauchte er genau vor ihr wieder auf.

„Was Sie schaffte es nicht, mehr zu sagen, denn er schlang die Arme um sie und drückte sie fest an sich. Sie war so erleichtert, dass sie seine Umarmung tatsächlich spontan erwiderte. Er hielt sie ganz fest, den einen Arm um ihre Taille gelegt, während er mit der anderen Hand sanft ihren Rücken rieb. Seine Haut war kühl, sein Körper strahlte jedoch Wärme aus, und sie konnte jeden Atemzug und jeden Herzschlag von ihm spüren.

Und dann legte er eine Hand auf ihren Po, drückte kurz zu - und Grace kam wieder zur Besinnung. Sie trug nichts weiter als ihre Unterwäsche, und er war ebenfalls fast nackt. Sie konnte jeden einzelnen seiner harten Muskeln an ihrem Körper spüren. Sie versuchte, ihn wegzustoßen.

„Nein, nein“, beschwichtigte er sie und zog sie noch fester an sich. „Sie meinten, Ihnen wäre kalt, also wärme ich Sie.“ Wieder stieß sie gegen seine Brust. „Mich wärmen, so ein Unsinn! Sie benehmen sich absolut schamlos!“

Er lockerte seinen Griff ein wenig, ohne sie jedoch loszulassen. Seine Augen funkelten, weiße Zähne blitzten auf. „Sie zittern ja.“ Sein Lächeln wirkte durch und durch zufrieden.

Sie versetzte ihm einen Hieb auf den Arm, dann verschränkte sie ihre Arme vor sich, um sich vor seinen neugierigen Blicken zu schützen. „Wenn ich zittere, dann nur, weil ich dachte, Sie wären vielleicht ertrunken! Wo waren Sie bloß? Sie konnten doch unmöglich so lange unter Wasser bleiben.“

„Das konnte ich nicht nur, das war ich auch.“

„Aber das hat Minuten gedauert!“ Sie hatte immer noch Herzklopfen von der Angst, die sie ausgestanden hatte.

„Ich sagte Ihnen bereits, dass ich ein ausgezeichneter Schwimmer bin.“ Er schob die Finger unter ihr Hemd und streichelte die zarte Haut in ihrem Kreuz. Grace überlief ein Schauer.

„Mein Schwager Nicholas ist ebenfalls ein ausgezeichneter Schwimmer, aber nicht einmal er könnte so lange unter Wasser ausharren.“ Sie musste sich an seiner Schulter festhalten, denn sie vermochte an dieser Stelle nicht mehr stehen.

Er zuckte die Achseln. „Nicholas hat seine Kindheit wahrscheinlich nicht damit verbracht, nach den Geldmünzen zu tauchen, die reiche Leute von ihren Booten aus ins Wasser warfen. Dabei lernt man, immer länger die Luft anzuhalten.“ „Wie bitte? Warum haben Sie nach Münzen getaucht?“

„Sie läpperten sich zusammen. Manchmal bekam ich genug, um eine Mahlzeit kaufen zu können.“

„Eine Mahlzeit? Sie meinen, Sie brauchten das Geld, um zu essen?“

„Jeder braucht Geld. “ Er strich ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht.

Aber doch nicht so, dachte sie. Das bedeutete, dass er als Kind Hunger gelitten haben musste. „Wo war das?“

„Die meiste Zeit in Neapel. Und später ein paar Mal in Alexandria, da allerdings eher zum Spaß.“ Er sah ihr in die Augen. „Nun machen Sie kein so entsetztes Gesicht, Greystoke“, sagte er sanft. „Mir hat das damals ziemlich viel Spaß gemacht. Ich war sehr ehrgeizig. Ich tauchte mit der Zeit tiefer und schwamm schneller als die anderen Jungen, daher wurde ich für meine Anstrengungen ganz gut belohnt.“

Sie legte eine Hand an seine Wange, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war, einen Jungen trösten zu wollen, den es längst nicht mehr gab. „Armer kleiner Junge“, flüsterte sie.

„Unsinn“, wehrte er ab. „Ich war ein zäher kleiner Bursche.“ Er drehte das Gesicht zur Seite und küsste ihre Handfläche. Grace spürte diesen Kuss bis in die Zehenspitzen. „Ich war der König der Straßenkinder.“ Mit der Hand streichelte er unablässig ihre Taille und ihre Hüfte, aber sie war so abgelenkt von seiner Geschichte, dass sie ganz vergaß, seine Hand wegzuschieben. Außerdem fühlte es sich so wunderbar an.

„In Neapel? In Alexandria?“ Sie suchte in seinem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen von dem kleinen Jungen, der nach Münzen hatte tauchen müssen, um überleben zu können. „Aber wie kam das? Sie waren - Sie sind - der Erbe von Wolfestone. Kein Lord D’Acre ist jemals arm gewesen. Hat Ihr Vater Sie nicht ... “

„Ich bin in Italien geboren worden und im Ausland aufgewachsen“, fiel er ihr ins Wort.

Ihr war schon vorher aufgefallen, dass er nicht gern über seinen Vater sprach. Ganz am Rande nahm sie wahr, dass seine Hände unter ihrem Hemd auf ihrer nackten Haut lagen, aber auf eine seltsame Weise war ihr das inzwischen gleichgültig. „Deshalb fanden Sie sich an jenem ersten Tag im Schloss nicht zurecht!“

„Das wissen Sie also noch.“ Wieder blitzten seine Zähne. „Und deshalb bin ich auch so geschickt im Wasser“, murmelte er und legte die Hände auf ihre Brüste. Mit den Daumen strich er über die empfindsamen Spitzen. Sie erschauerte und spürte, wie sich in ihrem Innern etwas zusammenzog. Er wiederholte die Bewegung, und dieses Mal zuckte sie so heftig zusammen, dass sie beinahe untergegangen wäre. „Legen Sie die Beine um meine Hüften“, forderte er sie auf. „Dadurch haben Sie mehr Halt.“

Sie gehorchte benommen und ohne ihn zu hinterfragen, doch erst als sie seinen warmen, festen Körper an den Innenseiten ihrer Schenkel spürte, wurde ihr bewusst, wie offen und ungeschützt sie in dieser Stellung war. Sie wollte zurückweichen, aber er hinderte sie daran.

„Bleiben Sie, wo Sie sind“, murmelte er und schob die Hände unter ihre Oberschenkel. „Bei mir sind Sie in Sicherheit.“ Sicherheit war wohl kaum das richtige Wort. Sie fühlte sich über alle Maßen exponiert und verwundbar. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, begann er sie zu küssen, mit einer sanften, forschenden Zärtlichkeit, als wollte er sie ehrfurchtsvoll erkunden. In dem Moment war sie verloren.

Durch die geschlossenen Lider nahm sie das Sonnenlicht rötlich wahr. Dann fiel ein Schatten über ihr Gesicht, und Dominic küsste ihre Augenlider mit einer solchen Zartheit, dass sie am liebsten geweint hätte.

Sie schlug die Augen wieder auf und blickte ihn an. Sie betrachtete ihn, als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen. Seine goldbraunen Augen leuchteten, und er küsste sie erneut, genauso sanft wie zuvor. Unwillkürlich nahm sie seinen Kopf zwischen ihre Hände und erwiderte seinen Kuss vorsichtig, in der vagen Hoffnung, sich selbst - wenn schon nicht ihn - beherrschen zu können.

Es war eine törichte Hoffnung. In dem Moment, als sie seinen Kuss erwiderte, stöhnte Dominic auf - Triumph vielleicht, oder Befriedigung - und vertiefte seinen Kuss. Die ungezügelte Macht seines Begehrens hüllte sie ein, es schien selbst die Luft um sie herum zum Vibrieren zu bringen.

Er küsste sie, als bedeutete sie ihm alles.

Sie konnte ihm keinen Widerstand mehr leisten. Sie war sein Geschöpf, sie gehörte ihm. Und sie schwelgte in jeder seiner Liebkosungen. Sie schmiegte sich an seinen harten, muskulösen Körper, küsste ihn, leckte über seine Lippen, knabberte daran und nahm nichts anderes mehr wahr, nur noch wie er schmeckte und sich anfühlte.

Dabei streichelte er sie unentwegt, und plötzlich merkte sie, dass ihr Hemd aufgegangen war und ihre Brüste nackt waren. Sie schlug die Augen auf, gerade noch rechtzeitig, um das Aufflackern in seinem Blick sehen zu können. „Wie wunderschön du bist, meine Liebste“, murmelte er, als er seine Hände um ihre Brüste legte und wieder mit den Daumen über die aufgerichteten Spitzen rieb.

Erschauernd legte sie den Kopf in den Nacken und schloss wieder die Augen. Ihre ganze Welt bestand jetzt nur noch aus diesem Augenblick, diesen Gefühlen und diesem Mann. Er streichelte und liebkoste sie, bis sie glaubte, es nicht länger ertragen zu können. Und dann senkte er den Kopf - und sein heißer Mund schloss sich um eine kalte, empfindsame Knospe.

Grace stieß einen hellen Laut aus, zuckte zusammen und umschlang seine Hüften so fest mit ihren Beinen, als wollte sie ihn in sich ziehen. Sie bebte und drängte sich fordernd an ihn, blind für alles andere, sie wollte nur noch mit ihm eins werden.

Das Verlangen drohte ihn zu überwältigen, und einen Moment lang vergaß Dominic seinen Vorsatz, sie das erste Mal in einem Bett zu lieben, vergaß, dass sie sich im Freien befanden und in einem Teich standen.

Ihre Beine umfingen ihn, und er konnte ihre warme Nacktheit auf seiner Haut spüren. Behutsam schob er die Hand in den Öffnungsschlitz ihrer Pantalons. Nicht zum ersten Mal war er dankbar dafür, wie praktisch solche Pantalons geschnitten waren.

Er streichelte und liebkoste ihre intimsten Stellen, und sie klammerte sich zitternd an ihn. Kleine hilflose Laute entrangen sich ihrer Kehle. Ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen, beobachtete er, wie sich die Spannung in ihr aufbaute, bis sie schließlich zuckend den Höhepunkt ihrer Lust erreichte.

Seine eigene Erregung war jetzt beinahe übermächtig. Alles in ihm strebte danach, ihn sie einzudringen, als wildes Gebell und ein Platschen ganz in der Nähe ertönten und sie ablenkten. Sein verdammter Hund!

Sie riss die Augen, auf. Benommen sah sie sich um. Sie hielt sich an seinen Schultern fest, und plötzlich weiteten sich ihre Augen, als ihr bewusst wurde, in welcher Position sie sich befand. Ohne wirklich etwas zu sehen, starrte sie in die Richtung, wo Sheba offensichtlich ein Tier aufgeschreckt hatte und jetzt aufgeregt bellend durch das Schilf am anderen Ufer rannte.

Dann richtete sie schwer atmend den Blick wieder auf Dominic. Sein Atem ging ebenso stoßweise wie ihrer. Er sah, wie sich erst Verwirrung und dann Panik auf ihren Zügen ausbreitete, als sie begriff, was genau sich so intim an sie presste.

Nur eine einzige Bewegung - und sie würde ihm gehören. Dominic musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, es nicht zu tun.

Sie musste ihm angesehen haben, was er gedacht hatte. „Nein!“, entfuhr es ihr erstickt. Sie nahm die Hände von seinen Schultern, stieß sich von ihm ab und ging fast unter, weil sie vergessen hatte, dass sie an dieser Stelle nicht mehr stehen konnte. Er hielt sie am Arm fest. „Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung.“

Sie blinzelte und wandte ihm den Rücken zu. Er merkte, wie verlegen sie war, und eine Welle der Zärtlichkeit überkam ihn.

„Wir haben nichts Unrechtes getan“, versicherte er ihr sanft.

Sie stieß einen kleinen, ungläubig klingenden Laut aus.

„Wir sind frei und erwachsen, Sie und ich“, erinnerte er sie.

Sie erstarrte und fuhr zu ihm herum. „Nein, Sie sind mit einer anderen verlobt“, sagte sie und begann, zum Ufer zurückzuschwimmen.

Grace war tödlich verlegen. Zugegeben, die untere Hälfte ihres Körpers war unsichtbar unter Wasser gewesen, aber was sie beinahe getan hätte, schockierte sie zutiefst. Sie schwamm so rasch sie konnte und versuchte, so viel Distanz wie möglich zwischen sich und diesen Mann da zu bringen.

Was war nur über sie gekommen? Seine Hand war in ihren Pantalons gewesen, und er hatte sie so intim berührt, wie ein Mann eine Frau berühren konnte. Fast.

Allein bei dem Gedanken überlief sie ein lustvoller Schauer. Sie schwamm noch schneller.

Granny Wigmore hatte sie ja gewarnt, sie würde ihre Tugend verlieren, wenn sie in Gwydions Teich badete.

Frey ritt langsam die Auffahrt zu Dominics Zuhause hinauf. Nein, nicht Dominics Zuhause, verbesserte er sich - Wolfestone Castle. Gott, dieser Besitz hatte wahrlich schon bessere Zeiten erlebt. Er fragte sich, welche Pläne sein Freund wohl damit haben mochte.

Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass Dom sich damit zufrieden gab, einen Hausstand zu gründen. Er war noch nie irgendwo sesshaft geworden. Ein Herumtreiber wie er im Buche stand, das war Dom.

Er saß vor dem Haupteingang ab, und als niemand erschien, um ihm sein Pferd abzunehmen, pfiff er nach ein paar Burschen, die gerade dabei waren, ein Fenster zu reparieren. Einer von ihnen sah auf. Frey winkte ihn zu sich und drückte ihm die Zügel in die Hand.

„Bringen Sie das Tier in den Stall, ja? Und sorgen Sie dafür, dass es ordentlich zu trinken bekommt und gut abgerieben wird.“ Er gab ihm eine Kupfermünze, und Mann und Pferd entfernten sich zufrieden.

Frey betätigte die Türglocke. Ein kleiner Bengel öffnete ihm, derselbe, der früher am Tag versucht hatte, ihm sein Gepäck abzuluchsen. Jetzt hatte er jedoch einen Schmutzfleck im Gesicht und Spinnweben im Haar. Frey rümpfte die Nase. „Ich will Lord D’Acre einen Besuch abstatten“, sagte er.

„Tut mir leid, er ist nicht da.“ Der Bengel wollte die Tür wieder zuschlagen.

Widerwillig - denn er trug sein zweitbestes Paar Stiefel -stellte Frey einen Fuß in die Tür. „Hör mal, du schmuddeliges Gö...“ Zum Glück fiel ihm gerade noch ein, dass er jetzt Vikar und als solcher darüber erhaben war, mit irgendwelchen Lausebengeln herumzuzanken. „Mein Sohn, ich bin hier, weil ich Lord D’Acre besuchen will. Er erwartet mich.“

Der Bengel runzelte die Stirn. „Ich bin nicht Ihr Sohn, und ich habe Ihnen erst vor einer Minute gesagt, dass Lord D’Acre nicht da ist.“

„Das meinte ich im übertragenen Sinn“, erklärte Frey gereizt. „Ich bin der neue Vikar und werde hereinkommen und auf ihn warten. Ich habe vor noch nicht einmal einer Stunde mit Lord D’Acre gesprochen, und er hat mich hierher eingeladen. Er sagte mir, er wäre bereits auf dem Heimweg.“ Er stieß die Tür auf und trat ein. Verblüfft sah er sich in der abweisenden, grauen Eingangshalle um. Dom hatte ihn bereits gewarnt vor den spartanischen Bedingungen, unter denen er hier lebte, aber dass es so schlimm war!

Frey sah den Jungen streng an. „Und wer, bitte, bist du?“ Das Kind schwellte stolz die Brust. „Billy Finn. Ich bin Lord D’Acres persönliches Generalfaktotum!“

„Gütiger im Himmel!“

Der Kleine starrte ihn finster an. „Wenn ich eine Uniform hätte, würden Sie nicht so mit mir reden!“

„Keine Uniform könnte einem Jungen Glanz verleihen, der Spinnweben im Haar hat“, widersprach Frey würdevoll. „So, und nun führ mich in einen Salon und bring mir eine Erfrischung.“

Der Junge fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, wischte die Hände an seiner Hose ab und zog mürrisch eine Tür auf. „Na dann, hier hinein.“

„Wie anmutig und überaus wohlerzogen.“ Frey wollte soeben den Salon betreten, als hinter ihm eine weiche Frauenstimme ertönte.

„Suchen Sie Lord D’Acre? Ich fürchte, er ist momentan leider nicht hier.“

Er drehte sich um und sah eine junge Frau die Treppe hinunterkommen, die für Frey nur aus weichen Rundungen zu bestehen schien. Sie stieg die Stufen vorsichtig und mit einer Ernsthaftigkeit hinunter, die ihn bezauberte. Sie hatte ein sanftes, rundes Gesicht, umrahmt von einer Flut brauner Locken, die sie zu einem lockeren Knoten gebändigt hatte. Als sie merkte, dass Frey sie beobachtete, errötete sie und hob die Hand unsicher zu ihrem Haar.

„Es tut mir leid, hier ging heute Nachmittag alles drunter und drüber, und meine Frisur ist völlig ramponiert ... “

„Sie sehen zauberhaft aus“, versicherte Frey.

Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Billy, mein Lieber, würdest du wohl Mrs Stokes bitten, uns eine Kanne Tee und vielleicht ein paar ihrer köstlichen Zitronenplätzchen heraufbringen zu lassen?“ Sie wandte sich an Frey. „Oder wäre Ihnen Kaffee lieber? Vielleicht auch etwas Stärkeres?“

„Tee und Zitronenplätzchen wären wunderbar“, hörte er sich zu seiner Überraschung sagen. Er hasste Tee. Er beobachtete, wie sie dem Jungen Anweisungen erteilte. Wahrscheinlich musste er sich daran gewöhnen, Tee zu trinken. Der gehörte offenbar zu den Dingen, die Vikare gezwungenermaßen tranken.

„Wollen Sie nicht bitte Platz nehmen?“, lud sie ihn ein. „Es tut mir leid, ich habe Ihren Namen nicht richtig mitbekommen.“

Er verneigte sich sofort. „Humphrey Netterton, zu Ihren Diensten. Ich bin ein alter Freund von Dominic - von Lord D’Acre, sollte ich wohl lieber sagen.“

„Und ich bin Miss Pettifer.“ Sie sagte das so, als sollte er eigentlich wissen, wer sie war. Sie streckte die Hand aus, und Frey ergriff sie. Wie alles an dieser jungen Frau war auch ihre Hand klein und sehr weich. Ihre Augen waren vom gleichen Braun wie ihr Haar, und ihr Teint wirkte makellos.

Eine Weile blieben sie einfach stehen und sahen sich an, bis Frey etwas einfiel, was er sagen konnte, um das Schweigen zu beenden. „Abgesehen davon bin ich auch der neue Vikar von St. Stephen’s.“

„Ach Ihre Miene verzog sich. „Ich b...bin s...sehr erfreut, Ihre B...Bekanntschaft zu machen“, brachte sie gerade noch hervor, ehe sie in Tränen ausbrach.

Frey wurde klar, dass es unter solchen Umständen nur eins gab, was ein Mann zu tun hatte. Er zog sie an seine Brust, legte die Arme um sie und ließ sie sich an seinem kunstvoll gebundenen Halstuch ausweinen.

Sie schluchzte und zitterte am ganzen Leib. Er tätschelte ihren Rücken und sprach tröstend auf sie ein. Ihre Locken kitzelten seine Nase. Tief atmete er ihren Duft ein. Sie roch nach ... Stirnrunzelnd versuchte er, diesen Duft einzuordnen. Nach irgendetwas Süßem, Unkompliziertem ... wie Seife und ... Stiefmütterchen? Dufteten Stiefmütterchen überhaupt? Er wusste es nicht wirklich, aber genau daran erinnerte sie ihn - an ein Stiefmütterchen.

„Ich bitte um Verzeihung“, stammelte sie nach einer Weile. „Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.“

„Aber, aber“, beschwichtigte er. „Sie sagten doch, hier wäre alles drunter und drüber gegangen.“

Sie sah ihn mit tränenfeuchten Augen an. „Mein Vater ist sehr krank, der Arzt ist bei ihm. “

Er drückte sie an sich. „Ganz ruhig, ich bin mir sicher, alles wird wieder gut.“

„Ich glaube, er wird ... er wird ...“ Sie konnte es nicht aussprechen, und ihre weiche Unterlippe bebte.

Ohne groß darüber nachzudenken, hob er ihr Kinn an und küsste sie sanft. Sie schmeckte süß und nach frischer Minze. „Alles wird gut.“

Sie blinzelte und schenkte ihm ein Lächeln unter Tränen. „Sie sind sehr freundlich, aber ich ... ich befürchte das Schlimmste. Papa bittet schon seit Tagen darum, mit einem Geistlichen sprechen zu dürfen. Ich glaube, er möchte seinen Frieden mit Gott schließen, ehe er ... ehe er ...“ Sie sah ihn verzweifelt an. „Und nun sind Sie hier, und sein Wunsch erfüllt sich. Deshalb habe ich Angst, dass er bald ... sterben wird.“ Erneut weinte sie in sein Halstuch, und Frey streichelte beruhigend ihren Rücken. Das arme, kleine Ding. Wenn ihr Vater im Sterben lag ...

Gütiger Gott! Er war der Geistliche, der Miss Pettifers Vater helfen sollte, seinen Frieden mit Gott zu schließen! Frey schluckte. Er hatte noch nie zuvor einem Sterbenden Trost gespendet. Hoffentlich irrte sie sich.

Sie packte ihn am Ärmel. „Würden Sie etwas für mich tun, bitte?“

Frey ertappte sich dabei, wie er bejahte.

„Ich möchte noch nicht, dass Sie zu Papa gehen. Ich fürchte ... ich fürchte, sobald er mit Ihnen gesprochen hat ... “ Sie war nicht imstande weiterzusprechen.

Wird er den Geist aufgeben, vollendete Frey ihren Satz in Gedanken. „Ja, wenn Sie glauben, dass es so das Beste ist, werde ich ihn nicht aufsuchen. Aber wenn es tatsächlich mit ihm zu Ende geht, muss ich das tun, das wissen Sie.“

Sie nickte tränenreich. „Ja, natürlich. Vielen Dank.“ Sie wirkte ein wenig schuldbewusst. „Er ist bettlägerig, daher ... wird er nicht erfahren, dass Sie hier sind. Es sei denn, jemand verrät es ihm. Ich verspreche jedoch, wenn er ... wenn das Schlimmste ...“

Frey nahm ihre Hand. „Ich weiß.“ Er schloss kurz die Augen, um für die rasche Genesung ihres Vaters zu beten.

Stattdessen musste er unwillkürlich an den Geschmack dieser süßen, weichen Lippen denken ...

Er hatte gar nicht vorgehabt, sie zu küssen. Er wusste gar nicht, was eigentlich in ihn gefahren war. Das war ganz untypisch für ihn gewesen. Zum Glück hatte sie nicht unangenehm reagiert. Es wäre wirklich schrecklich gewesen, wenn sie zu schreien angefangen hätte.

Wenn er es recht bedachte, so hatte sie im Grunde überhaupt nicht reagiert. Er musste wohl ein wenig an seiner Technik feilen.

Nun, natürlich hat sie nicht reagiert, sagte er sich. Schließlich lag ihr Vater im Sterben. Was spielte der Kuss eines Unbekannten für eine Rolle, wenn sie sich mit dem Unvorstellbaren konfrontiert sah. Er wusste noch, wie er sich gefühlt hatte, als sein eigener Vater gestorben war. Armes, kleines Ding. Er schlang die Arme fester um sie.

Sie war so wunderbar weich ...