16

Frederick Murrer lebte seit sieben Jahren in New York. Bevor er hierhergekommen war, hatte er schlicht und ergreifend Fritz Maurer geheißen. Er war gebürtiger Österreicher.

Frederick Murrer, wie er seit nunmehr sieben Jahren hieß, konnte als wandelndes, zwanzigbändiges Lexikon angesehen werden. Er war auch ebenso dick.

Bount hatte.den sympathischen Burschen vor Jahren auf einer Cocktailparty kennengelernt, die eine alternde Diva gegeben hatte. Bount war von der Diva engagiert worden, um ein Auge auf ihren sündteuren Schmuck zu haben. Es war nichts passiert. Als die Fete vorüber war, hatte Murrer Reiniger und zwei Mädchen noch zu sich nach Hause eingeladen. Da war es dann erst richtig rund gegangen. Bount konnte sich erinnern, dass Murrer eines der Mädchen nackt auszog, um sie in Klosettpapier einzuwickeln.

„Happening, Bount!“, hatte er gegrölt. „Jetzt machen wir ein tolles Happening!“

Dann hatte er Bount eine Siphonflasche in die Hand gedrückt. Von zwei Seiten hatten sie so lange auf das quiekende Mädchen gespritzt, bis das perlende Wasser das Toilettenpapier völlig aufgelöst hatte.

Das war Fritz Maurers Art, zu leben.

Ab und zu war er ganz amüsant. Aber auf die Dauer war der gute Junge doch etwas zu strapaziös.

Murrer war Musikkritiker. Nicht einer von vielen, sondern der Beste, den die New York Tribune hatte. Ob klassische Musik oder heitere Muse, Frederick Murrer war überall sattelfest. Und er kannte die Schlagerbranche bis ins letzte Glied hinunter.

Deshalb rief Bount Reiniger ihn an.

Wenn ihm jemand weiterhelfen konnte, dann war es der Wiener, der so stolz darauf war, dass seine Heimatstadt Johann Strauß und Kurt Waldheim hervorgebracht hatte.

„Bount!“, schrie er am anderen Ende, als wollte er Reinigers Autotelefon mit seinem Gebrüll demolieren. „Du lebst noch? Das gibt’s nicht!“

Reiniger lachte.

„Reg dich ab, Fritz, sonst trifft dich vor Freude der Schlag.“

„Ich wollte schon einen Privatdetektiv engagieren und nach dir suchen lassen!“,. raunzte Murrer.

„Leg das Geld in Sodawasser an!“, riet ihm Bount.

Murrer verstand.

„War doch das verrückteste Happening, das du je mitgemacht hast, was?“

„O ja, Fritz. Das war es.“

„Findest du nicht, dass wir bald wieder etwas in der Richtung steigen lassen sollten, Bount?“

„Erst wenn ich mein Rheuma los bin“, sagte Bount lachend.

„Was will der alte Mann Reiniger vom jungen Spritzer Murrer?“

„Eine Auskunft.“

„Frag mich nicht, wann der erste Mondflug war, Bount! Du weißt, ich bin Spezialist!“

„Ich brauche den Spezialisten.“

„Dann schiss los!“

„Welche Schallplattenfirma hat Samantha York unter Vertrag, Fritz?“

„Hat Fritz, der Kater, dreißig Sekunden Zeit?“

„Ich bin so fair.“

„Danke, Quizmaster. Also Samantha York ist ein nettes Sümmchen. Noch nichts Außergewöhnliches. Ich meine, Barbra Streisand braucht ihr keinen vergifteten Apfel zu schicken. Und auch Liza Minelli kann nachts ruhig schlafen. Aber ich denke doch, dass aus Samantha etwas zu machen ist, wenn man sie gut aufbaut und ihr die richtigen Lieder gibt. Sie hat Herz in der Stimme, Bount. Obwohl sie noch am Anfang ihrer Karriere steht, ist sie schon um eine ganze Klasse besser als so manche etablierte Sängerin. Wenn sie ein cleverer Manager in die Finger bekommt, kannst du sie bald in einer Show von Sammy Davies sehen.“

„Und was ist mit der Plattenfirma?“, fragte Bount. „Möchtest du ein Autogramm von der Kleinen? Kann ich dir verschaffen.“

„Deine dreißig Sekunden sind gleich um, Fritz.“

„Plattenfirma. Warte mal.“

„Ich dachte, du wärst Spezialist.“

„Man wird doch mal nachdenken dürfen!“

„Noch fünf Sekunden, Fritz.“

„Joy-Phone“, sagte Frederick Murrer.

„Da ist sie unter Vertrag?“

„Da war sie unter Vertrag.“

„Fritz!“, rief Bount rügend.

„Momentchen noch, Bount. Sie hat in letzter Zeit einige Stationen durchlaufen. Ich will dir natürlich nichts Falsches sagen, sonst ist mein Image als wandelndes Lexikon im Eimer.“

„Die dreißig Sekunden sind um.“

„Gib mir noch zehn, Bount.“

„Okay, Fritz. Noch zehn.“

„Ringplay!“, rief der dicke Wiener am anderen Ende nach drei weiteren Sekunden triumphierend aus. „Samantha York singt auf Ringplay, Bount.“

„Man muss nicht gescheit sein. Man muss nur wissen, wen man zu fragen hat“, meinte Reiniger lachend.

Der hilfsbereite Österreicher nannte insgesamt siebzehn Songs, die Samantha York bereits auf den Markt gebracht hatte. Von diesen war ihre Version des Beatles-Schlagers „Yesterday“ am hervorragendsten gelungen, und wenn Frederick Murrer das sagte, dann hatte das Gewicht.

Natürlich konnte Murrer auch mit der Ringplay-Adresse dienen.

Bount brauchte nur noch hinzufahren.

Allerdings hatte er zuvor beim Bauche des Dicken zu schwören, dass er sich in den nächsten Tagen bei ihm sehen ließ.