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Von der Centre Street ging es ohne Verschnaufpause zu Brian Barber. Bount hatte sich Barbers und Morgans Adresse von Lieutenant Myers ausheben lassen. Barbers handelsgerichtlich eingetragener Privatzoo befand sich in Brooklyn. Das Viertel hieß Flatbush. Die Straße nannte sich Farragu Road und lag zwei Straßen hinter dem Brooklyn College.

Bount kam von der Straße aus in einen gepflasterten Innenhof. Ringsherum befanden sich schäbige alte Haustüren aus der Zeit von Edgar Allan Poe. Bount hatte den Eindruck, mit seinem Mercedes eine Zeitreise gemacht zu haben und irrtümlich ins neunzehnte Jahrhundert geraten zu sein. Er befand sich tatsächlich mehrere Generationen tief in der Vergangenheit.

Das Ganze bestand nur aus diesem ringsum von niedrigen Häusern umbauten Hof. Bount erinnerte sich dunkel an ein rothaariges Mädchen mit Haftschalen an den Augen und unter den Brüsten. Sie war wild wie eine hungrige Tigerin gewesen und hatte in einer solchen Gegend gewohnt. Bount hatte sie eine Zeit lang oft besucht, doch sie mochte seinen Beruf nicht leiden, und so trennten sie sich eines Tages wieder, ohne sich umzuschauen.

In einem dieser umstehenden Häuser war Brian Barbers Betrieb etabliert.

Reiniger fand Barber beim Boa-Constrictor-Käfig. Die Schlangen wurden gerade mit alten Meerschweinchen gefüttert. Es war ekelhaft anzusehen.

Barber saß in einem Rollstuhl, der, wenn er fuhr, von einem leise surrenden E-Motor angetrieben wurde.

Barber war kurz vor den Fünfzig. Auf dem Kopf gähnte eine sichtbare Scheitelerweiterung. Böse Zungen hätten das bereits als Glatze bezeichnet. Was dem Mann auf dem Kopf fehlte, trug er zu einem Teil über den Augen als dicke, struppige Brauen und zum Großteil als rabenschwarzen Oberlippenbart, der so viel Platz einnahm, dass Barber wohl kaum richtig durch die Nase atmen konnte.

Bount wies sich aus, indem er die Lizenz zeigte. Er nannte seinen Namen und sagte, was er auf dem Herzen hatte. Dann fragte er: „Autounfall, Mr. Barber?“

Der Reptiliengroßhändler - sein Betrieb war nicht ganz so schön und groß wie der von Samuel Lorca - schüttelte den Kopf und erwiderte brummig: „Flugzeugabsturz.“

„Verkehrsmaschine?“

„Sportflugzeug“, sagte Barber einsilbig.

„Wann ist das passiert?“

„Vor zwei Jahren.“

„War wohl sehr schlimm.“

„Es war die Hölle, Mr. Reiniger. Die reine Hölle.“

„Was ging damals kaputt - außer der Maschine?“; fragte Bount.

„Vor allem meine Wirbelsäule. Zum Glück brach sie nicht ganz. Aber ich bin seither gezwungen, ein Stahlkorsett zu tragen. Scheußlich, diese Dinger, sage ich Ihnen. Lassen Sie sich niemals solch ein Korsett verpassen. Das schafft Sie. In so einem Ding kommen Sie sich wie lebendig eingemauert vor. Wollen Sie wirklich hören, was damals noch alles kaputtging?“

„Ich kann mir vorstellen, dass Sie gern mal mit jemandem darüber reden wollen - jetzt, wo es überstanden ist.“

Barber senkte den Blick. Er nickte bedächtig.

„Ist eigentlich komisch, dass die Leute so gern über ihr Unglück reden, wie?“

Bount zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht kommt das einfach daher, weil den Menschen mehr Unglück als Glück widerfährt.“

„Kann sein. Ja, das wäre eine Erklärung dafür. Sie scheinen ein heller Kopf zu sein, Mr. Reiniger. Sie gefallen mir.“

„Vielen Dank, Mr. Barber.“

„Also damals brach ich mir noch beide Arme, beide Beine, das rechte Schlüsselbein, das Nasenbein und den Unterkiefer. Außerdem zog ich mir eine verdammt schmerzhafte Brustkorbprellung zu. Genügt das?“

Bount lächelte.

„Mir schon.“

Brian Barber ließ seinen Blick an Bount auf und ab turnen.

„Ein Freund von Sam Lorca waren Sie also.“

„Ja, Mr. Barber.“

Der Tierhändler ließ die Mundwinkel verächtlich nach unten sinken.

„Ich war auch mal ein Freund von Sam Lorca.“

„Wie ich schon sagte, bin ich hier, um herauszufinden, warum Sie es seit etwa zwei Jahren nicht mehr sind.“

„Ein netter, lauter, lustiger Bursche war dieser Samuel Lorca. Wir mochten ihn - Henry Morgan und ich. Wir fingen alles mögliche Zeug für die Tiergärten dieser Welt, Mr. Reiniger. Und wir waren aufeinander eingespielt wie die drei Musketiere. Alle für einen - einer für alle. Ein gutes Team waren wir.“

Barber lud Bount Reiniger in sein Büro ein. Er fuhr mit seinem Rollstuhl voraus, erwähnte nebenbei, dass er nicht unbedingt diesen fahrbaren Untersatz brauchen würde, denn er könne zur Not auch gehen, aber das verursache ihm heftige Kreuzschmerzen, die ihn schon nach ganz kurzer Zeit die Wand hoch jagen würden. Deshalb zog er es vor, im Rollstuhl durch seinen Betrieb zu fegen.

Bevor das Büro kam, war rechts noch ein flaches gläsernes Terrarium, in dem sich zwei argentinische Schlangenhalsschildkröten, eine Geierschildkröte und vier Fransenschildkröten auf die ihnen eigene Weise tummelten, indem sie still vor sich hin glotzten.

Bount hatte noch kein spartanischer eingerichtetes Büro gesehen. Schreibtisch. Zwei Stühle. Karteischrank. Aus. Das schwarze Telefon war der einzige Luxus in dem fensterlosen Raum, in dem eine an Traurigkeit nicht zu überbietende Glühbirne an einem grauen Kabel von der Decke hing.

Barber wechselte von seinem Rollstuhl auf den Schreibtischstuhl. Die zwei Schritte, die zu tun waren, machte er so steif, als hätte er einen Besenstiel verschluckt.

„Ich kann Ihnen leider nichts anbieten, Mr. Reiniger“, sagte er, als er die Schreibtischplatte unter den Ellenbogen hatte. „Ich rauche nicht und trinke nicht.“

„Sie haben wahrscheinlich die Absicht, zweihundert Jahre alt zu werden, um persönlich prüfen zu können, ob Schildkröten wirklich ein so biblisches Alter erreichen, wie man behauptet.“

Barber lachte abgehackt.

Bount versuchte ihn einzuordnen. Das war in Barbers Fall nicht ganz leicht. Dieser Mann bestand nicht einfach bloß aus Schwarz und Weiß. Es gab unzählige Schattierungen, für die man erst den richtigen Filter finden musste, um sie zu neutralisieren.

Hatte dieser schwer angeschlagene Mann etwas mit dem Tod von Sam Lorca zu tun? War er überhaupt noch fähig, eine Giftschlange abzufangen, sie zu zwingen, Lorca zu beißen?“

Bount fragte von hinten herum und erfuhr, dass Brian Barber einen jungen Mann beschäftigte, der die Schlangen für ihn nun fing. Vielleicht war der Ausdruck ein wenig zu hart, aber Brian Barber war seit jenem Flugzeugabsturz ein Krüppel. Es war mehr als fraglich, ob er in seinem Zustand noch irgend jemandem gefährlich werden konnte.

„Was war damals zwischen Ihnen und Lorca, Mr. Barber?“, fragte Bount.

Barber verlor die kaum vorhandene Farbe. Er dachte nicht gern daran.

„Was damals zwischen uns war, möchten Sie wissen, Mr. Reiniger.“

„Ja.‘

Barber klopfte auf sein Stahlkorsett. Es hörte sich an, als würde er gegen eine Tür schlagen.

„Das war damals, Mr. Reiniger. Samuel Lorca war der Pilot jener Sportmaschine. Er hat den Vogel in den Wüstensand gebohrt. Wir waren in Saudi Arabien unterwegs. Über der Wüste Nefud gerieten wir in einen verteufelten Sandsturm. Sam verlor die Herrschaft über die Maschine. Wir kamen verdammt schnell vom Himmel runter. Ich werde diese schrecklichen Minuten nie vergessen. Der Wind heulte uns um die Ohren. Die Maschine trudelte mit der Schnauze nach unten der Wüste entgegen. Dann kam der Aufprall. Kein Heulen des Windes mehr. Kein Knattern des Motors mehr. Stille. Nur noch Stille und Schmerzen, wie sie schlimmer nicht sein können. Ich dachte zuletzt - das weiß ich noch genau, jetzt holt dich der Teufel. Dann verlor ich das Bewusstsein. Henry Morgan ging es ähnlich. Aber er hatte wesentlich mehr Glück als ich. Er brach sich bloß beide Beine. Ein wahrer Segen, wenn man bedenkt, von wo wir heruntergekommen waren. Durch den Aufprall waren wir aus der Maschine geschleudert worden. Das rettete uns das Leben, denn der Vogel fing gleich darauf zu brennen an. Als wir wieder zu uns kamen, lagen wir in der glühend heißen Sonne wie Spiegeleier in der Bratpfanne. Vom Flugzeug war nur noch ein rußgeschwärztes Gerippe übrig, das halb schräg tief im Wüstensand steckte. Morgan und ich waren beinahe bis obenhin zugedeckt mit diesem verfluchten Sand. Überall hatten wir das Zeug. In den Augen. In den Ohren. Zwischen den Zähnen. Und im Magen. Der Sandsturm musste bald nach unserem Absturz aufgehört haben, sonst wären wir unweigerlich unter einer dicken Sanddecke erstickt.“

Barber ächzte, als würde er die schreckliche Hitze von damals noch einmal verspüren. Er begann zu zittern und zu schwitzen.

„Was war mit Samuel Lorca?“, fragte Bount Reiniger.

„Wir machten uns große Sorgen um ihn“, erzählte Brian Barber. „Ich konnte mich kaum bewegen. Mir tat jeder Atemzug weh. Henry machte aus unseren Kleidern ein Sonnensegel, hinter das wir uns verkrochen, damit uns die glutheiße Sonne nicht umbringen konnte. Obwohl Henrys Beine gebrochen waren, kroch er herum. Er suchte Sam, er rief ihn, aber er konnte ihn nicht finden. Ich kann Ihnen sagen, unsere Lage war mehr als beschissen. Kein Funkgerät. Nichts zu trinken. Nichts zu essen. Wir hatten Hunger und Durst. Vor allem quälte uns der Durst schrecklich. Man kann es tagelang ohne Essen aushalten, aber wenn man nichts zu trinken hat, krepiert man rasend schnell, Mr. Reiniger. Den Flugzeugabsturz hatten wir überlebt. Es war eine gemeine Laune des Schicksals, unseren Tod noch hinauszuschieben. Wir rechneten alle beide damit, dass er uns bald ereilen würde. Ich hatte Schmerzen. Henry war verzweifelt, weil er mir nicht helfen konnte. Sämtliche Medikamente, die wir an Bord gehabt hatten, waren ein Opfer der Flammen geworden. Henry konnte mir nichts gegen die Schmerzen geben. Ich war nahe daran, verrückt zu werden, Mr. Reiniger. Mein ganzer Körper war ein einziger höllischer Schmerz. Meinem schlimmsten Feind gönne ich das nicht. Ich war so fertig, so verzweifelt, dass ich mich selbst aufgab. Ich rechnete damit, dass ich sterben würde. Aber ich hatte nicht mehr die Kraft, auf den Tod zu warten. Ich flehte Henry Morgan an, mich zu erwürgen. Er lehnte natürlich ab. Ich bettelte um den Tod. Ich sagte ihm, er würde ein gutes Werk tun. Er würde mich von diesen grässlichen Leiden erlösen. Aber für Henry Morgan ist menschliches Leben etwas Heiliges. Er brachte es einfach nicht übers Herz, mir die Hände um den von der Hitze aufgedunsenen Hals zu legen und zuzudrücken, Schluss zu machen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als weiter zu leiden. Henry suchte wieder nach Sam. Wie verrückt buddelte er überall Löcher in den Sand, weil er dachte, Lorca würde darunter liegen. Als er ihn nach langem, verzweifeltem Suchen nicht gefunden hatte, kam er total erschöpft zu mir in den schmalen Schatten, in den ich mich verkrochen hatte. Ich war völlig apathisch. Henry versuchte mir Mut zu machen. Er sagte, es wäre ein gutes Zeichen, wenn Samuel nirgendwo zu finden sei. Er sagte, möglicherweise hätte Sam den Absturz am besten von uns Dreien überstanden und wäre nun unterwegs, um Hilfe zu holen. Wir klammerten uns an diese Idee. Sie richtete uns auf. Wir begannen wieder zu hoffen. Ich war bereit, alle Qualen still und demütig zu ertragen, denn ich hoffte, bald gerettet zu werden. Jeder Mensch hängt an seinem Leben, Mr. Reiniger. Ich dachte damals wieder zaghaft an die Zukunft. Elend lagen wir in dieser verdammten Wüste und hatten nur noch eine einzige Hoffnung - Sam Lorca. Am Tag war es heißer, als es in einem Backofen sein kann. In der Nacht froren wir erbärmlich. Je länger wir auf die von Sam veranlasste Hilfe warteten, desto geringer wurde unsere Hoffnung. Schließlich war es für uns zur bitteren Gewissheit geworden, dass Sam Lorca uns vergessen hatte. Wir starben bei lebendigem Leibe viele Tode. Henrys Geist verwirrte sich zeitweise. Wenn er seine Halluzinationen hatte, sah er Männer kommen, die uns suchten. Dann brüllte er um Hilfe und schleppte sich in die glühende Sonne hinaus, Männern entgegen, die es nicht gab. Es war schrecklich anzusehen, Mr. Reiniger. Wenn Henry dann zu sich kam, begann er wie ein kleiner Junge zu weinen. Ich war zu schwach, um ihn zu trösten. Bald lagen wir nur noch reglos hinter dem Flugzeugwrack und erwarteten den Tod. Mehrmals am Tag schwanden mir die Sinne. Ich dachte, verrückt wie Henry geworden zu sein, als ich kehlige Stimmen hörte. Es waren Beduinen, die uns gefunden hatten. Irgendwann begriff ich, dass ich auf einem Kamel lag. Als ich ein andermal zu mir kam, lag ich in einem Zelt. Und schließlich öffnete ich die Augen in einem weißen Zimmer. Ein Arzt verriet mir, dass Henry Morgan und ich uns im Krankenhaus von Djidda befanden.“

Das Erzählen hatte den Reptilienhändler angestrengt. Nun schwieg er und wischte sich den Schweiß mit einem erbsengrünen Taschentuch von der Stirn.

Bount konnte nicht glauben, was er soeben erfahren hatte. Sam Lorca hatte ihm von alldem nichts erzählt. Hatte er etwa deshalb geschwiegen, weil er große Schuld auf sich geladen hatte, indem er die Freunde in der Wüste im Stich ließ?

Hatte Lorca die beiden Männer tatsächlich im Stich gelassen? Das war nicht Sams Art gewesen. Auf Sam hatte man sich immer verlassen können wie auf keinen anderen Kumpel. Sam war nicht feige gewesen, und er hatte sein Leben in Korea für andere hunderte Male aufs Spiel gesetzt.

Irgend etwas konnte an dieser Geschichte nicht stimmen.

„Sie können sich nicht vorstellen“, fuhr Brian Barber nun fort, „wie überrascht wir waren, als eines Tages die Tür aufging und Sam Lorca in unser Krankenzimmer trat. Henry Morgan hatte fürchterlich getobt. Und obwohl ihm das menschliche Leben immer heilig gewesen war - damals hätte er Samuel Lorca mit bloßen Händen umgebracht, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.“

„Was brachte Sam zu seiner Entschuldigung vor?“, wollte Bount Reiniger wissen.

„Nicht eine Schramme hatte er bei dem Absturz davongetragen!“, sagte Barber mit zitternder Stimme. Seine buschigen Brauen zogen sich zusammen. Die Nasenflügel blähten sich. Jetzt ließ der Hass deutliche Spuren in seinen Augen zurück. „Nicht eine einzige Schramme, Mr. Reiniger. Er hatte von irgendwelchen Leuten erfahren, wohin man uns gebracht hatte ...“

„Warum hat er euch nicht geholfen?“, fragte Bount. Barber rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Er knetete sie lange, als wollte er ihr eine andere Form aufzwingen.

„Der Absturz raubte auch ihm die Besinnung“, sagte Brian Barber leise. „Er erzählte uns, dass wir wie tot dagelegen hätten, als er zu sich kam. Nachdem er uns kurz untersucht hatte, war er davon überzeugt gewesen, dass wir beide nicht mehr lebten, deshalb hatte er sich allein auf den Weg gemacht.“

„Ich bin davon überzeugt, dass es so war“, sagte Bount.

„Hören Sie, Reiniger!“, fauchte Barber zornig. „Sie sind nicht dort draußen in dieser verfluchten Wüste viele Male krepiert. Sie können nicht verstehen, wie Henry und ich seit damals empfinden. Wir waren in der Hölle. Sam Lorca hatte uns nicht bloß da hineingebracht. Er hatte uns sogar darin sitzengelassen!“

„Er konnte nicht wissen, dass Sie beide noch am Leben waren, sonst wäre er nicht allein abgehauen.“

„Er hätte uns gründlicher untersuchen müssen!“

„Sie müssen bedenken, in was für einer geistigen Verfassung Sam zu diesem Zeitpunkt war!“, verteidigte Bount den toten Freund. „Wenn er sagte, dass er Sie beide für tot hielt, dann entspricht das ganz sicher den Tatsachen. Er hat Sie nicht im Stich gelassen, Mr. Barber. Er war der Meinung, zwei Tote zurückzulassen.“

Brian Barber schüttelte unwillig den Kopf.

„Wie dem auch sei, Mr. Reiniger. Wir wollten mit Samuel Lorca von da an nichts mehr zu tun haben.“

„Haben Sie Sam gehasst, Mr. Barber?“

„Anfangs ja. Heute nicht mehr.“

„Heute ist Sam tot, Mr. Barber.“

„Er ist nicht durch meine Hand gestorben, Mr. Reiniger“, erwiderte Barber mit Vorsicht. „Ich begreife schnell, mein Lieber. Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen.“

„Sind Sie mit mir der Meinung, dass es kein Arbeitsunfall war, dem Sammy zum Opfer fiel, Mr. Barber?“, fragte Bount lauernd.

Der Schlangenfänger wich dieser Frage so geschickt aus wie der Matador dem angreifenden Bullen.

„Ich weiß zu wenig über die Sache.“

„Wie denkt Henry Morgan darüber, Mr. Barber?“

„Worüber?“

„Ich will mal hart sein und es Mord nennen.“

„Wie Henry Morgan über Mord denkt, Mr. Reiniger?“, fragte Barber beinahe erschrocken.

„So lautete meine Frage“, erwiderte Bount Reiniger und nickte ernst.

„Ich sagte Ihnen doch, für Morgan ist das menschliche Leben etwas Heiliges.“

„Auch Lorcas Leben?“

„War Lorca denn kein Mensch?“

„Doch.“

„Na, sehen Sie.“

„Man sagt, dass Sie und Henry Morgan jede Gelegenheit wahrgenommen haben, um Samuel Knüppel zwischen die Beine zu werfen.“

Barber warf Bount einen verärgerten Blick zu.

„Wer sagt das?“

„Namen spielen doch hierbei keine Rolle, Mr. Barber“, gab Bount Reiniger mit einem versöhnlichen Lächeln zurück. „Entspricht meine Information den Tatsachen - ja oder nein?“

Brian Barber verschränkte die Arme vor dem Stahlkorsett.

„Ich schäme mich nicht, zu gestehen“, sagte er mit trotzig vorgeschobener Unterlippe, „dass Henry und ich beschlossen hatten, Samuel Lorca geschäftlich zu ruinieren. Immerhin waren wir im Besitz einer Rechnung, die auf irgendeine Weise beglichen werden musste.“

Bount nickte.

„Aber Sam Lorca war nicht kaputt zu kriegen. Jedenfalls nicht geschäftlich. Deshalb passierte heute Nacht das mit der Kobra.“

Barber zog die Unterlippe schnell zurück und stieß empört hervor: „Damit habe ich nichts zu tun, Mr. Reiniger.“

„Das, mein lieber Mr. Barber“, sagte Bount abschließend, „habe ich mit keiner Silbe behauptet.“