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In der guten Zeit von zwölf Minuten und dreißig Sekunden erreichte Reiniger sein Ziel. Er bremste den Silbernen vor dem Grundstück mit gefühlvoller Schärfe ab. Bis vor das Haus konnte er unmöglich fahren. Ebenso gut hätte er mit einer dreizehnköpfigen Blasmusikkapelle anrücken können. Der Erfolg wäre der Gleiche gewesen. Um den Überraschungsmoment auf sein Haben-Konto zu kriegen, huschte Bount wie sein eigener Geist durch die dicke, kalte Brühe des grauen Nebels.
Das Haus war nur den Konturen nach zu erkennen. Je näher Bount aber kam, desto deutlicher schälten sich die Umrisse des Gebäudes aus dem Grauschleier.
Er fand das Fenster, das der Unbekannte aufgebrochen hatte.
Vorhin hatte Bount das dünne Licht einer kleinen Taschenlampe über ein anderes Fenster wischen gesehen.
Hastig stieg er in das Haus ein. Das Licht der Taschenlampe hatte ihm verraten, dass er nicht zu spät dran war. Der Kerl befand sich noch in Jill Lorcas Haus.
Mal fragen, was er hier zu suchen hat! dachte Bount grimmig.
Er strengte seine Augen an, um die Dunkelheit zu durchdringen. Ziemlich unsicher, aber doch vollkommen lautlos, erreichte Bount Reiniger die dem Fenster gegenüberliegende Tür.
Durch Zufall beging er nicht denselben Fehler wie der Einbrecher. Er stieß nicht gegen die dicht neben der Tür stehende Bodenvase.
Mit gezogener, schussbereiter Automatic näherte sich Bount nun der offenstehenden Arbeitszimmertür. Eben bewegte sich drinnen wieder ganz kurz der Lichtschimmer.
Auf Zehenspitzen erreichte Bount die Tür. Er hörte sich nicht einmal selbst gehen. Einen Augenblick blieb er stehen. Er hob den Kopf und blickte die Treppe hoch. Was mochte Jill Lorca inzwischen dort oben für Ängste ausstehen.
Vermutlich lag sie zu Eis erstarrt in ihrem Bett und schlotterte mit sich selbst um die Wette. Diesen schlimmen Zustand wollte Bount so schnell wie möglich ein Ende bereiten.
Im Schein der Taschenlampe war die schwarze Silhouette eines breitschultrigen Burschen zu erkennen.
Der Mann stand vor einem Wandsafe und mühte sich ab, die Kombination heraus zu bekommen. Immer wieder presste er sein Ohr gegen das Metall. Plötzlich hörte ihn Bount knurren.
Scheint so, als hätte er es geschafft, dachte Bount Reiniger.
Und tatsächlich - nach dem Knurren, das höchste Zufriedenheit ausgedrückt hatte, zog der Kerl mit einer beinahe andächtig langsamen Bewegung die zehn Zentimeter dicke Tür des in die Wand eingelassenen Stahlfachs auf.
Während Bounts Rechte den Kolben der Automatic mit sicherem Griff umschloss, suchte seine Linke tastend nach dem Lichtschalter. Als er ihn gefunden hatte, gab er dem Schalter ganz schnell eines auf den Kopf.
Der Mann flitzte herum, als wären die 110 Volt Wechselstrom nicht nur in die aufflammende Deckenleuchte, sondern in verstärktem Maße auch in seinen kräftigen Körper gefahren.
Er glotzte in die schwarze Mündung von Bounts 38er und fasste trotzdem sofort instinktiv nach seiner Colt Commander, obwohl er wissen musste, dass eine solche Reaktion den Gipfel der Unvernunft darstellte.
„Lass um alles in der Welt die Waffe stecken, Junge!“, fauchte Bount gereizt. „Sonst muss ich dir verdammt weh tun!“