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Darauf brauchte Bount Reiniger erst mal einen Drink. Er zündete sich an der abgerauchten Zigarette eine neue an. Sie begaben sich ins Wohnzimmer. Bount mixte zwei große Drinks. Danach bevölkerte er mit Jill Lorca einen Teil der Wohnlandschaft. Er bat die Witwe, ihm alles über ihren Schwager zu erzählen, was sie über diesen wusste. Sie trank erst mal. Dann fing sie an.

„Er ist ein missratener Kerl. Wir hatten keinen Kontakt mit ihm. Wenigstens ich nicht. Ab und zu kam er zu meinem Mann. Zumeist dann, wenn er tief in der Klemme saß und dringend Geld brauchte. Er braucht immer Geld. Sam wetterte zu Hause immer, wenn er ihm welches gegeben hatte. Sam sagte stets, das wäre das letzte Mal gewesen. Keinen Cent würde er mehr herausrücken. Aber wenn Art dann eines Tages wieder bei ihm auftauchte, bekam er doch, was er brauchte. Möglich, dass er meinen Mann irgendwie gezwungen hat, ihm Geld zu geben. Art Lorca ist ein durch und durch schlechter, total verdorbener Mensch. Sam hatte es nie ganz aufgegeben, ihn zu bessern, aber Arts Kern ist einfach zu schlecht. Niemand kann ihn wirklich ändern.“

„Hat Sam davon gesprochen, dass Art wieder mal in finanziellen Schwierigkeiten steckte?“, fragte Bount.

„Art steckte immerzu in solchen Schwierigkeiten. Und Sam behauptete immer wieder hartnäckig, Art würde von ihm kein Geld mehr kriegen.“

„Vielleicht hat er endlich mal Ernst gemacht“, sagte Reiniger überlegend. „Art kam zu ihm, weil er wieder mal Geld brauchte, aber Sam blieb hart. Daraufhin hat Art den Bruder umgebracht, um sich selbst zu bedienen. Aber er konnte das Geld nicht finden. Deshalb taucht er eine Nacht nach dem Mord hier auf, um die Scheine in diesem Safe zu suchen.“

Jill trank ihr Glas hastig leer.

„Ich wollte, ich müsste nicht so schlecht über Art Lorca reden, Bount.“

„Das kann ich verstehen.“

„Es tut mir weh ...“

„Sie haben ein gutes Herz, Jill.“

Kain hatte also seinen Bruder Abel erschlagen. Wegen gottverfluchter 350 000 Dollar. Der Bruder hatte den Bruder getötet. Welch verfaulter Charakter musste in Art Lorca wohnen, dass er zu solch einer schäbigen Tat fähig war.

Bount drückte die Chesterfield aus und leerte nun ebenfalls sein Glas.

„Wo wohnt Art Lorca, Jill?“, wollte er wissen.

Die Witwe hob die Schultern. Dabei öffnete sich ihr Schlafrock, und ein Großteil ihres sahneweißen Busens war für einen Augenblick zu sehen. Jill raffte den roten Stoff jedoch mit einem hastigen Griff schnell wieder vorne zusammen.

„Art Lorca wohnt nirgendwo lange, Bount. Sie können sich vorstellen, warum nicht.“

„Kennen Sie gar keine Adresse?“

„Leider nein. Ich weiß nur, dass er schon in allen fünf New Yorker Bezirken mehrmals zu Hause war. Ab und zu nahm ihn für kurze Zeit ein Mädchen auf. Die armen Dinger hatten es schwer, ihn wieder loszuwerden, wenn sie von seinen Brutalitäten genug hatten.“

„Denken Sie nach, Jill. Vielleicht fällt Ihnen der Name eines solchen Mädchens ein.“

„Samantha York fällt mir ein“, sagte Jill Lorca schnell.

„Ist etwas Besonderes an diesem Mädchen?“

„Sam erzählte mir, sie sei Schlagersängerin. Wir konnten uns alle beide nicht vorstellen, wie Art an sie geraten war. Vor allem aber konnten wir dieses Mädchen nicht verstehen. Art hielt sich zumeist an Flittchen und Prostituierte. dass er plötzlich Chancen bei einer Schlagersängerin hatte, passte gar nicht zu ihm.“

„Vielleicht ist nicht viel dran an ihr“, sagte Bount.

„Sie soll sehr hübsch sein.“

„Ich meine moralisch. Kann aber auch sein, dass die Liebe sie blind gemacht hat.“

Jill seufzte.

„Ist schon eine verrückte Sache, die Liebe.“