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Das Klingeln weckte sämtliche Hausbewohner. Solch eine kleine Telefonglocke hat die lästige Eigenschaft, dass sie nachts stets dreimal so laut anschlägt wie am Tage, wo es niemanden stören würde.
Bount Reiniger schüttelte gähnend den Kopf. Er zog die Decke hoch und warf sich demonstrativ auf die andere Seite.
„Nicht für mich!“, knurrte er missmutig.
Da öffnete sich irgendwo im Bungalow eine Tür. Ächzend und seufzend kam Mac Potter aus seinem Schlafzimmer. Seine Plattfüße patschten regelmäßig auf den Kunststoffbelag.
Kurz darauf hörte das Klingeln auf.
„Herrlich!“, seufzte Bount und genoss die folgende Stille, die durch Macs Gebrumm am Telefon kaum gestört wurde.
Doch es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Potter nicht gefällt.
Schon klopfte Mac an die Schlafzimmertür.
„Bount!“, raunte er.
Reiniger schwieg trotzig. Aber Mac konnte hartnäckiger als eine Hautkrankheit sein.
Er klopfte wieder.
„Bount!“
„Geh weg von der Tür, alter Junge!“, rief Reiniger bissig. „Ich habe meine Kanone mit ins Bett genommen. Und der Lauf zeigt genau in die Richtung, wo du stehst!“
„Telefon für dich, Bount!“
„Morgen.“
„Es scheint verdammt wichtig zu sein, Bount!“, raunte der lästige Mac vor der Tür.
Bount kämpfte sich seufzend hoch.
„Wer ist dran?“
„Jill Lorca.“
Plötzlich quietschte eine Feder in Reinigers Bett. Sie schleuderte ihn bis zur Tür. Mac bekam einen Stoß, der ihn zwei Meter zurücktrieb. Beinahe wäre er auf seiner breiten Sitzfläche gelandet, wenn er nicht so kräftig mit den Armen gerudert hätte, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Wie der hungrige Habicht auf die Maus niederfährt, so stürzte sich Bount auf den Hörer, der neben dem Apparat auf dem Schreibtisch lag. Wenn Jill Lorca ihn mitten in der Nacht anrief, dann tat sie dies gewiss nicht, weil sie Sehnsucht nach ihm hatte. So kurz nach dem Tod eines Ehepartners hat man noch keine Sehnsucht.
„Reiniger!“, rief Bount Reiniger ein wenig zu laut in die Membrane.
„Verzeihen Sie die Stö ...“
„Geschenkt. Was gibt’s?“, fragte Reiniger hastig.
„Ein Einbrecher befindet sich in meinem Haus, Mr. Reiniger.“
„Tatsächlich?“
„Er hält sich im Arbeitszimmer meines Mannes auf. Ich habe Angst, Bount - ich darf Sie doch Bount nen ...“
„Natürlich, Jill. Schließlich waren Sam und ich dicke Freunde.“
„Ich wollte die Polizei anrufen, doch dann dachte ich, dass Sie mir besser raten könnten, was ich tun soll.“
„Von wo rufen Sie an, Jill?“
„Ich bin in meinem Schlafzimmer. Es gibt drei Telefonanschlüsse in unserem Haus. Einen im Wohnzimmer, einen im Arbeitszimmer und einen in meinem Schlafzimmer.“
„Sie stecken nicht mal die Nasenspitze aus diesem Raum, verstanden?“, sagte Bount scharf.
„Ich hätte gar nicht den Mut dazu, Bount!“
„Um so besser. Wie lange ist der Kerl schon bei Ihnen im Haus?“
„Vermutlich seit fünf Minuten.“
„Dann wird er hoffentlich noch eine Weile bleiben.“
„Ich hoffe nicht!“, sagte Jill Lorca am ändern Ende des Drahtes furchtsam.
„Ziehen Sie die Decke über Ihren hübschen Kopf und tun Sie so, als ob Sie nicht da wären. Ich schwinge mich sofort in meinen Flitzer. Vielleicht kriege ich den Burschen noch.“
Bount warf den Hörer in die Gabel.
Mac Potter hatte die Essenz des Gesprächs richtig mitgekriegt. Und er stellte wieder einmal unter Beweis, dass er für Bount unersetzlich war.
Reinigers Kleider lagen bereits auf dem Sofa. Schulterholster und Automatik fehlten ebenfalls nicht. Bount jumpte durch die Hose gleich in die Slipper. Im Wagen riss er den Reißverschluss an der Hose nach oben und zog den Krawattenknopf so fest zu, dass er nach Atem rang, während er den Anlasser bediente.
Sekunden später war er auf der nächtlichen Reise.