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Senator Hopkins

Chandler Hopkins war ein beachtlicher Mann. Dieser Gedanke ging ihm durch den Kopf, als er in seinem Ankleideraum vor dem Spiegel stand, der in einem Rahmen aus massiver Eiche steckte. Williams trat wortlos hinter ihn und putzte mit einer weichen Bürste die Schultern der neuen dunkelblauen Samtjacke ab, was dem Senator ein zufriedenes Seufzen entlockte. Für die Dauer eines langen Moments war er wunschlos glücklich. Mit Williams, dachte er, hatte alles bestens geklappt. Er war die personifizierte Diskretion, immer da, wenn man ihn brauchte, und nicht da, wenn man nicht gestört werden wollte. Senator Hopkins hatte gern schwarze Hausangestellte, beziehungsweise »Farbige«, wie sie jetzt genannt werden wollten, aus irgendeinem ihm unverständlichen Grund. Ihre Präsenz unterstrich den eigenen liberalen Anspruch und gab dem Haus das angenehme Flair eines Herrensitzes. Er hielt das für angemessen, denn immerhin war er der Präsident einer wichtigen Universität. Senator Hopkins legte großen Wert auf Dinge, die der Würde seines Amts angemessen waren.

Während seiner Zeit in Washington – des »Jahres auf dem Hügel«, wie er es nannte – war er mehrmals im Weißen Haus zu Gast gewesen, und diese Erfahrungen hatten einen dauerhaften Eindruck bei ihm hinterlassen. An Würde herrschte dort gewiss kein Mangel. Wenn man eine Tasse Kaffee wollte, erschien sie einfach und wurde elegant von einem älteren Butler serviert. Es gab silberne Kaffeekannen, gestärkte weiße Servietten und teures Porzellan, indigoblau mit einem dünnen goldenen Streifen. Überall standen Vasen mit Schnittblumen. Die Bibliothek des Präsidenten, wo die meisten Besprechungen stattfanden, enthielt zahlreiche in Saffianleder gebundene Bücher, Wandvertäfelungen aus Nussholz und dick gepolsterte Chesterfield-Sessel und -Sofas. Wenn der Senator danach trachtete, irgendwann einmal Regierungschef zu werden, so nicht aufgrund eines großen politischen Ehrgeizes, sondern wegen der Vorzüge, die das Amt mit sich brachte.

Doch eine weiterführende Karriere in der Politik war Senator Hopkins nicht bestimmt gewesen. Sein »Jahr auf dem Hügel« hatte sich auf die zwölfeinhalb Monate als Nachfolger des verstorbenen Vorgängers im Senat beschränkt, denn bei der nächsten Wahl war sein Sitz verlorengegangen. Na ja, er würde nicht der Präsident der ganzen Nation werden, aber immerhin war er der Präsident von etwas. Seit dem Amtsantritt in Cornell hatte er den größten Teil eines Jahres damit verbracht, alles so zu organisieren wie im Weißen Haus, wie es sich der Würde seiner neuen Position geziemte.

»Heute Abend sind wir dreizehn beim Essen, Williams.«

»Ja, Senator.«

»Doktor Homer Layton ist der Ehrengast. Und natürlich General Buxtehude.«

Williams nickte.

»Albert Tomkis vom State Department wird da sein, außerdem die Professoren Porter und St. Vincent, drei Assistenten von Dr. Layton, junge Physiker, nehme ich an, plus zwei Ehefrauen und die Dekanin der Studentinnen, Maria Sawyer.«

»Ja, Sir.«

Der Senator sah zum leeren Martiniglas auf der Kommode, und Williams füllte es sofort. Ja, Williams war eine kluge Wahl gewesen. Fast wie der wundervolle Butler, den Jack Benny gehabt hatte, Rochester oder so. Williams machte einen ordentlichen Martini und ausgezeichneten Kaffee, und er hielt ihm die anderen Bediensteten vom Hals. Williams war ein Schlüsselelement des Lebens, das an der North University Avenue Nummer 850 endlich akzeptable Formen annahm.

Das Haus an der North University wurde zweifellos der Würde des Präsidenten einer wichtigen Universität gerecht. Es war in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts für die reiche Prominente Jeanie McGraw Fiske gebaut worden. Understatement hatte nie zu Ms. Fiskes Stil gehört, was die Villa mit ihren kostspieligen Vertäfelungen und glitzernden Kronleuchtern deutlich zeigte. Der Kamin im Wohnzimmer war fast drei Meter breit. Am besten war die ganz und gar präsidiale Bibliothek. Beim ersten Anblick des Raums hatte Senator Hopkins das Haus als richtige Residenz für sich erkannt und sofort den Erwerb von zwei roten Chesterfield-Sofas und dazu passenden Polstersesseln geplant.

Zum Zeitpunkt seiner Amtseinsetzung hatte das Fiske-Haus einer Studentenverbindung zur Verfügung gestanden. Mit reichlich Glück war es der Universität gelungen, das Anwesen, Gebäude und Grundstück, in den 1960er-Jahren für nur einen Dollar zu kaufen, und für einen Dollar im Jahr hatte sie das Haus anschließend der studentischen Verbindung vermietet. Der Mietvertrag war im vergangenen Jahr ausgelaufen und Senator Hopkins hatte im Namen der Universität von der Villa Besitz ergriffen, als Ersatz für die heruntergekommene Residenz von Präsident Arthur. Natürlich hatten sich die Studenten und auch einige Ehemalige beklagt – bei jeder vom Universitätspräsidenten getroffenen Entscheidung wurden irgendwelche Klagen laut. Aber schließlich hatte sich der Unmut gelegt und jetzt gehörte das Fiske-Haus ihm.

Unter Küche und Speisezimmer der Villa gab es einen geheimen Raum, zugänglich über eine Treppe, die hinter der Wandvertäfelung des Musikzimmers verborgen war. Die studentische Fraternität hatte den geheimen Raum für geheime Versammlungen benutzt, bei dem geheime Rituale durchgeführt worden waren. Jetzt diente er dem Senator als Büro für »besondere Angelegenheiten«. Bisher war außer ihm niemand dort unten gewesen. Er benutzte den Zugang im Musikzimmer, wenn ihn niemand sah, und schlich die Treppe hinunter, um dann in aller Ruhe über die vom Verteidigungsministerium finanzierten Projekte der Universität zu lesen oder mit General Buxtehude im Pentagon zu telefonieren. Für diese Anrufe benutzte er ein rotes Telefon. Wegen der Sicherheit hatte er das Telefon selbst angeschlossen, als eine Erweiterung des Hauptanschlusses.

Von unten kamen Geräusche, die darauf hindeuteten, dass die ersten Gäste eintrafen. Kein Grund zur Eile. Hopkins war mit seinen Vorbereitungen fertig, doch es kam auf den richtigen Zeitpunkt für seinen Auftritt an. Die Gäste sollten Gelegenheit erhalten, einen ersten Drink zu genießen, bevor er bei ihnen erschien. Williams hatte eine Gesangsgruppe der Universität engagiert, die zu Beginn des Abends singen sollte, und aus dem Wohnzimmer klang bereits Musik empor. Der Senator hatte das Programm selbst festgelegt und wusste daher, dass es mit dem Universitätslied »Cornell Victorious« enden würde. Er beabsichtigte, bei der letzten Strophe die Bogentreppe herunterzukommen.

*

Leider wurde sein großer Auftritt dadurch ruiniert, dass einige Gäste noch nicht eingetroffen waren. Von denen, auf die es ankam, hatte sich wenigstens General Buxtehude eingefunden – mit einem Drink in der Hand stand er am Kamin. Senator Hopkins ging direkt zu ihm und überhörte die Worte, die Dekanin Sawyer an ihn richtete, ein »Guten Abend« oder etwas in der Art. Dem General schenkte er ein geübtes Lächeln, die Art von Lächeln, mit der Ronald Reagan Wärme mit ernster Sorge dahinter zum Ausdruck gebracht hatte.

»Freut mich, Sie zu sehen, Gordon.«

»Ebenfalls, Chandler.«

Hopkins schüttelte dem General die Hand, fügte dabei seine linke Hand hinzu und sah ihm fest in die Augen. »Wie ich sehe, hat Williams Ihnen bereits einen Drink gebracht.«

»Oh, ja.«

General Buxtehude war fast dreißig Zentimeter größer als Hopkins und nahezu kahlköpfig. Wenn er den Mund öffnete, sah man nicht nur die oberen Zähne, sondern auch das Zahnfleisch darüber. Diesmal trug er einen zivilen Anzug, aber auf eine Weise, die ihn wie eine Uniform ohne Rangabzeichen aussehen ließ. Seine Haltung wies in aller Deutlichkeit darauf hin, dass er ein hochrangiger Offizier war. Er war durch und durch ein Mann des Militärs, bis auf das rosarote obere Zahnfleisch, das diesen Eindruck ein wenig störte.

»Uns erwartet ein interessanter Abend, Gordon. Dr. Laytons Forschungsgruppe wird uns Gesellschaft leisten, was Ihnen Gelegenheit gibt, einen Eindruck von seinen jungen Mitarbeitern zu gewinnen. Aus den Berichten kennen Sie sie bereits, aber ich glaube, heute begegnen Sie ihnen zum ersten Mal persönlich. Interessante Leute.«

»Bestimmt, zweifellos.« Der General wirkte verdrießlich. »Chandler, ich will nicht verhehlen, dass ich in Hinsicht auf dieses Simula-7-Projekt Bedenken habe. Erhebliche Bedenken. Ich meine, an Laytons akademischen Referenzen gibt es nichts auszusetzen …«

»Wohl kaum. Den Enrico Fermi Award bekommt man nicht ohne einige herausragende Denkleistungen. Ich wage zu behaupten, dass es in den Physik-Fakultäten aller Universitäten weit und breit keinen klügeren Kopf gibt.«

»Mag sein. Mir geht es nicht um seinen Kopf, sondern um …«

»Guten Abend, Senator Hopkins.« Die Worte stammten von der unerträglichen Dekanin Sawyer.

»Ja. Guten Abend, Maria. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«

»Ich wollte nur guten Abend sagen und mich für die Einladung in einen so illustren Kreis bedanken. Ich bin Maria Sawyer«, sagte sie und streckte ihre Hand dem General entgegen.

Senator Hopkins erfüllte seine Pflicht. »Oh, ja. Das ist General Buxtehude von den Joint Chiefs. Maria Sawyer, die Dekanin unserer Frauen.«

Dem General schien die Störung nichts auszumachen. »Dekanin Sawyer …« Sein Lächeln war ebenso warm wie ihres. Buxtehude wusste Schönheit zu schätzen und Dekanin Sawyer war noch immer eine schöne Frau, trotz ihrer gut sechzig Jahre.

»Ja, nun, ich lasse Sie beide jetzt allein und kümmere mich um meine anderen Gäste. Über die kleine Sache reden wir später, Gordon.«

Chandler Hopkins ging ins Foyer zurück. Welche Laus zum Teufel war Buxtehude diesmal über die Leber gelaufen? Mit dem Projekt Simula hatte er sich nie richtig angefreundet. Wie ärgerlich – es war Chandlers absolutes Lieblingsprojekt. Es hatte eine gewisse Romantik, genoss hohes Ansehen in Washington und wurde gut finanziert. Es war sogar verständlich, eine Sache, die man sich vorstellen konnte, ohne sein Leben lang Scientific American gelesen zu haben. Die anderen Projekte der Fakultät für Physik neigten dazu, völlig abgehoben zu sein; man musste Akademiker sein, um auch nur die staatlichen Bewilligungen lesen zu können. Simula-7 hingegen ähnelte mehr einem großen Computerprogramm, wie die Simulation des Wetters oder von wirtschaftlichen Entwicklungen. Es war ehrgeizig, kein Zweifel, aber es konnte von gewöhnlichen Sterblichen ohne geistige Akrobatik verstanden werden.

Sich mit Dingen zu beschäftigen, die von gewöhnlichen Sterblichen verstanden werden konnten, war neu für Homer Layton. Er hatte sich in der Teilchenphysik einen Namen gemacht, mit etwas namens »Pekuliar­bewegung«, die für Chandler Hopkins ein Buch mit sieben Siegeln war. Nach der Verleihung des Enrico-Fermi-Preises hatte der Präsident der Vereinigten Staaten Homer Layton zu seinem wissenschaftlichen Sonderberater ernannt und plötzlich fielen der Universität Fördergelder in Höhe von 17 Millionen $ in den Schoß. Senator Hopkins fühlte die Dollarzeichen in seinen Augen, wann immer er an diese Summe dachte.

»April ist der übelste Monat von allen, nicht wahr, Senator?«

Hopkins hob den Blick und erkannte Professor Porter von der historischen Fakultät.

»Wie bitte?«

»Ich habe gesagt: April ist der übelste Monat von allen.« Porter deutete aus dem Fenster der Bibliothek. Draußen regnete es.

»Ja, ich denke schon.« Wer hätte gedacht, dass ein vernünftiger Bursche wie Porter Ärger mit der Einkommensteuer haben konnte?

»›April ist der übelste Monat von allen, treibt Flieder aus der toten Erde, mischt Erinnerung mit Lust, schreckt Spröde Wurzeln auf mit Frühlingsregen.‹«

»In der Tat. In der Tat. Bitte entschuldigen Sie mich, Porter, ich muss unseren Gast vom State Department willkommen heißen.«

*

Williams zählte die Martinis von Mrs. Hopkins. Der, den sie gerade von seinem silbernen Tablett nahm, war der vierte. Er hatte sie schon einige Male mit fünf intus erlebt und wusste daher: Je mehr sie trank, desto mehr neigte sie dazu, ihre Sätze mit gesenkten Lidern zu beenden, obwohl es ihr normalerweise gelang, einen klaren Kopf zu behalten. Doch dieser Abend stellte einen neuen Rekord in Aussicht. Es war noch früh, die Dame hatte bereits einen in der Krone und der Ehrengast war noch gar nicht eingetroffen. Es konnte Stunden dauern, bis sie fürs Abend­essen Platz nahmen. Williams befürchtete, dass Mrs. Hopkins mit sechs Martinis etwas Spektakuläres anstellen konnte; vielleicht legte sie dann das Gesicht in den Waldorfsalat.

Dieser Gedanke blieb ohne Bosheit. Es war keineswegs so, dass er die Hausherrin nicht mochte. Sie war distanziert, aber nicht unfreundlich. Bei Mrs. Hopkins, so glaubte er, gab es viel, das die Leute übersahen. Während des Jahres an der North University Avenue hatte er nie gehört, dass jemand ihren Vornamen nannte. Er wusste, dass er Candace lautete, aber ausgesprochen wurde er nie. Der Senator sprach immer von »Mrs. Hopkins« oder nannte sie »meine Liebe«. Vielleicht gab es auf der ganzen Welt niemanden, der ihren Vornamen benutzte. Und wenn es jemand wagte, dachte Williams, bekam er vielleicht einen Blick von ihr.

So kühl und zurückhaltend Mrs. Hopkins auch sein mochte, Williams wollte nicht erleben, wie sie sich in betrunkenem Zustand lächerlich machte. Andererseits: Ihr übermäßiger Alkoholkonsum war an diesem Abend vielleicht die einzige Unterhaltung. Er beugte sich zu ihr vor, um Anweisungen in Hinsicht auf die Sitzordnung am Tisch entgegenzunehmen.

»Ich denke, Mrs. St. Vincent sollte am besten neben einem der Physiker sitzen, Williams. Ich wollte sie erst an die rechte Seite des Generals setzen, aber sie ist wirklich unmöglich. Worüber könnte jemand mit ihr reden wollen? Vielleicht interessiert sie sich für Relativität oder so was.« Mrs. Hopkins’ Lider sanken, während sie auf eine Antwort wartete.

»Ja, M’am.«

»Die junge Frau aus Dr. Laytons Gruppe …«

»Dr. Duryea, M’am.«

»Ja. Sie soll links von meinem Mann sitzen, dem General direkt gegenüber. Sie sieht sehr gut aus, was für die Verdauung des Generals hilfreich sein sollte. Es ist sehr wichtig, dass der Abend dem General gefällt.«

»Ja, M’am.«

»Na gut, setzen Sie Dekanin Sawyer rechts neben den General und Professor Potter …«

»Porter, M’am.«

»Ja. Er kommt neben die Dekanin.« Mrs. Hopkins leerte ihr Glas. »Ah, die Glocke. Das müssen die letzten Gäste sein. Führen Sie sie herein, Williams.« Sie sah auf die Uhr. »Meine Güte. Sie könnten ihnen einen etwas kühlen Empfang bereiten, weil sie zu spät dran sind.«

»Ja, M’am.«

Williams eilte zur Tür und öffnete sie für den Ehrengast und seine drei jungen Assistenten. Zu der Gruppe gehörte eine unerwartete fünfte Person, ein älterer Herr in gelber Regenkleidung und mit einem Südwester auf dem Kopf. Williams vergewisserte sich, dass ihnen das französische Hausmädchen, Elise, mit den nassen Sachen half, und kehrte dann in die Bibliothek zurück, um dem Senator Bescheid zu geben.

»Die Layton-Gruppe ist mit einer weiteren Person eingetroffen, Sir«, flüsterte Williams, als sich ihre Wege kreuzten. »Mit einem Mr. Claymore Layton. Offenbar hat sich Dr. Layton erlaubt, die Einladung auf ihn zu erweitern.«

»Verdammt.« Der Senator runzelte die Stirn.

»Er ist der jüngere Bruder des Professors, Sir. Ich glaube, er hat eine Behinderung.«

»Scheint ihn aber nicht daran gehindert zu haben, zu uns zu kommen.«

»Ich meine eine geistige Behinderung, Sir.«

»Oh.« Mist. Neben wen konnte er gesetzt werden? Na ja, sollten sich Candace und Williams darum kümmern. Am wichtigsten war jetzt, Dr. Layton von den anderen zu trennen und ihm zu erklären, dass auf den General Rücksicht genommen werden musste.

Senator Hopkins setzte sein Ronald-Reagan-Lächeln auf, warm mit ein bisschen ernster Sorge, fing den Ehrengast auf seinem Weg zum Badezimmer ab und ging mit ihm zum Salon.

*

Claymore Laytons »Behinderung« bestand aus zwei Problemen, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun hatten. Das erste: Sein Gedächtnis funktionierte manchmal nicht richtig. Mitten in einem Gespräch vergaß er manchmal, worüber sie überhaupt sprachen. Solche Gedächtnislücken beschränkten sich keineswegs nur auf Claymore. Lyndon B. Johnson hatte ebenfalls daran gelitten. Mitten in einer Besprechung mit Kabinettsmitgliedern hatte er seine Sekretärin gerufen und ihr einen Zettel gereicht, auf dem geschrieben stand: »Wer ist dieser Bursche?« Der große Unterschied zwischen Claymore und Lyndon Johnson bestand darin, dass Claymore nicht auf die Hilfe einer Sekretärin zurückgreifen konnte.

Claymores zweites Problem war die Unfähigkeit, mit sprachlichen Bildern umzugehen. Wenn man sagte, jemand sei »an die Decke gegangen«, so sah er hoch und hielt nach dem Betreffenden Ausschau. Dass er alles wörtlich verstand und manchmal Dinge vergaß, behinderte ihn nicht allzu sehr. Claymore war intelligent, in fast jeder Hinsicht, nur ein wenig seltsam. Er kümmerte sich für Dr. Layton um das alte viktorianische Haus, in dem sie beide an der Wyckoff Avenue wohnten. Er las viel und sollte ein sehr guter Koch sein. Es gab noch eine sonderbare Sache an Claymore, eine schlichte Eigentümlichkeit: Wenn er seine Lesebrille nicht brauchte, drehte er sie einfach und trug sie am Hinterkopf. Dadurch wusste er immer, wo sie zu finden war. Die Bügelendstücke der Brille reichten über die Ohren hinweg nach vorn, bis zu den grauen Koteletten.

Neben Claymore stand Loren Martine, Dr. Laytons jüngster Assistent, ein Rekrut von der University of Salamanca. Er sprach mit einem deutlichen spanischen Akzent. »Gib’s zu, Clay: Sieht dies nicht nach einer netten Party aus?«

»Zu viele Leute.«

»Sie werden dir alle gefallen, Claymore. Ganz bestimmt. Willst du nicht die Mütze abnehmen?«

»Nein.«

»Sie ist ganz nass.«

»Und wenn schon.«

Loren wandte sich hilfesuchend an Sonia Duryea. »Claymore schaltet wieder auf stur. Vielleicht kannst du ihn bezirzen.«

Sonia trat zu Clay und rückte ihm die Jacke zurecht. »Claymore hat es faustdick hinter den Ohren. Er glaubt, uns alle blamieren zu können, indem er während der Party seine gelbe Regenmütze trägt und Wasser auf den hübschen Teppich tropfen lässt.« Sie strich seine Jacke glatt und kitzelte ihn kurz unter den Armen. Clay grinste breit. Bei Sonia wurde er immer schwach. Sie löste die Schnur unter seinem Kinn. »Aber ich durchkreuze seinen verruchten Plan.«

»In Ordnung, Sonia.«

»Dies ist deine große Chance, dem Präsidenten zu begegnen. Was willst du ihm sagen, Clay?«

»Ich sage ihm, wie er die Abrüstungsgespräche nächste Woche in Wien führen soll.«

»Ich meine nicht den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Dummerchen, sondern den der Universität.«

»Ich sage ihm, dass er den Parkplatz hinter Sage Hall abschaffen und uns die Tennisplätze zurückgeben soll, die es dort früher gegeben hat.«

»So ist’s recht.«

*

Die Party hatte sich von ganz allein in einzelne Gesprächsinseln im Erdgeschoss des Fiske-Hauses aufgeteilt. Albert Tomkis und General Buxtehude standen am Kamin des Musikzimmers und Tomkis äußerte gerade seine Meinung über das Simula-Projekt. »Ich habe gesehen, was sie machen, General, und es erscheint mir vielversprechend.« Er sagte es ohne große Begeisterung.

»Das ist es bestimmt, Albert. Vielversprechend. Und auch faszinierend. Diese Beschreibungen treffen sicher auf Simula-7 zu. Ein wunderschönes Stück reiner Forschung. Ich hätte nichts dagegen, Layton und seinen Leuten das ganze Geld zu bewilligen, solange allen klar ist, dass es sich nur um Forschung handelt. Sie sollten einsehen, dass ihr Projekt für die reale Welt überhaupt keine Relevanz hat. Unter solchen Voraussetzungen wäre ich bereit, jeder Summe zuzustimmen. Millionen und Abermillionen. Aber es besteht die Gefahr, dass jemand ihre Arbeit ernst nimmt. Mir wäre es weitaus lieber, wenn man ihr keine Beachtung schenken würde.«

»Tja, das sehe ich etwas anders, General. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Layton und seine Assistenten auf etwas gestoßen sind.«

»Das will ich nicht hoffen. Wenn wir die Ergebnisse aller von uns finanzierten zweitklassigen Studien ernst nähmen, kämen wir zu nichts anderem mehr. Oh, da kommt Chandler.«

Senator Hopkins betrat das Musikzimmer und schloss die Tür. Er näherte sich Tomkis und dem General, rieb sich dabei die Hände. Dies war der Teil des Abends, der besonders interessant zu werden versprach: Dinge mit Leuten auszukungeln, die wirklich eine Rolle spielten. »Meine Herren … Wird Zeit, die Probleme der Welt zu lösen. Erinnert mich an meine Jahre auf dem Hügel.«

»Albert und ich haben gerade über das Projekt Simula-7 gesprochen.«

»Oh, das ist ein Gespräch, das ich auf keinen Fall versäumen möchte. Und ich weiß, wo wir es führen können, ohne befürchten zu müssen, dass jemand mithört.« Hopkins führte sie zur Wandvertäfelung neben dem Kamin und drehte dort eine Basrelief-Rosette, woraufhin ein Teil der Wand langsam nach innen schwang. Dann geleitete er seine beiden Gäste die Treppe hinunter.

*

Während sich das Triumvirat der Macht ins geheime Zimmer begab, um dort staatspolitische Pläne zu schmieden, tranken Elise und die Köchin Henri nur ein kleines Stück weiter oben in der Speisekammer vom Portwein des Senators. Sie hatten vor Stunden begonnen und jetzt war eine Flasche leer.

Auf der anderen Seite der Speisekammerwand setzte Mrs. Hopkins ihr leeres Glas in die Mitte eines Tellers mit Weißbrotschnittchen. Professor St. Vincent schickte sich an, die Toilette aufzusuchen, um dort etwas von einer gewissen verbotenen Substanz zu nehmen. In einer Ecke der Bibliothek lachten die drei jungen Physiker Duryea, Barodin und Martine. Der Rhodes-Absolvent Barodin war Opfer eines Scherzes geworden, den er seit seiner Schulzeit völlig vergessen hatte: Man hatte ihn beim Trinken zum Lachen gebracht, wodurch ihm Weißwein in die Nase geraten war. Die Verantwortung dafür trug Sonia, die mit ihrem Imitatorentalent die Lider gesenkt und mit der Stimme von Mrs. Hopkins »Meine Güte« gesagt hatte.

Direkt hinter der Wand in Sonias Rücken unterhielt sich Dr. Homer Layton mit Mrs. Buxtehude. Sie saßen in zwei am Erkerfenster stehenden Polstersesseln. Inzwischen hatte sich das Gespräch zu einem Mono­log entwickelt, denn Dr. Layton war eingenickt, während Mrs. Buxtehude weiterhin munter plapperte. Homer war gerade taub genug, ihre leise Stimme in dem Lärm zu überhören, der aus dem Zimmer hinter ihnen kam. Und Mrs. Buxtehude war gerade kurzsichtig genug, nicht zu erkennen, dass ihr Gesprächspartner schlief. Williams (immer da, wenn man ihn brauchte) nahm geschickt Dr. Laytons Glas, als es ihm auf den Schoß zu fallen drohte. Weder der Enrico-Fermi-Preisträger noch die Frau des Generals merkten etwas davon. Beide würden diese halbe Stunde später für die angenehmste des ganzen Abends halten.

Mrs. St. Vincent hörte sich mit großer Aufmerksamkeit Claymores Meinung über die neuen Studentenwohnheime an, die am Bebe Lake gebaut werden sollten. Das Thema interessierte sie nicht sonderlich, aber sie glaubte, es mit Claymores berühmterem Bruder zu tun zu haben, und deshalb nahm sie jedes Wort mit großer Faszination auf. »Ja, Sie haben es gut auf den Punkt gebracht«, sagte sie.

»Ich habe einen Punkt gebracht?«, erwiderte Claymore verwirrt.

»Ich verstehe Ihren Standpunkt.«

»Der Punkt ist ein Standpunkt?«, fragte Claymore.

Mrs. Buxtehude spürte seine Verwunderung. »Ich meine, Sie haben sich klar ausgedrückt und kein Blatt vor den Mund genommen.«

»Warum sollte ich ein Blatt vor den Mund nehmen?« Claymore blickte sich um. »Es gibt hier gar keins.«

Claymores alter Freund Walter Porter schaltete sich ein. »Ich glaube, Mr. Layton wollte darauf hinweisen, dass die neuen Wohnheime die lokalen Biosphären beeinträchtigen. Er wirft uns bei solchen Dingen etwas vor, das er ›Spezies-Voreingenommenheit‹ nennt: Wir denken nur an unsere eigenen Bedürfnisse und nicht an die der Tiere. Das wolltest du doch sagen, Claymore, nicht wahr?«

»Wollte ich das?«

»Eindeutig.«

»Oh, ich fürchte, das ist alles zu hoch für mich«, sagte Mrs. Buxtehude.

Woraufhin Claymore nach oben sah.

*

Der Senator gab sich alle Mühe, nicht betroffen zu klingen. »Ich wage zu behaupten, dass es an dem Konzept nichts auszusetzen gibt, Gordon. Diese Leute machen sich nicht selbst etwas vor; dazu haben sie zu viel auf dem Kasten. Es waren Ihre eigenen Mitarbeiter, die auf die Idee kamen und Dr. Layton um die Entwicklung einer Planspiel-Simulation baten, als Orientierungshilfe bei der strategischen Abrüstung. Diesen Zweck erfüllt die Simulation. Sie zeigt uns, wie sich das Gleichgewicht der Kräfte entwickelt, wenn eine bestimmte Seite auf bestimmte Waffen verzichtet.«

»Dagegen gibt es nichts einzuwenden«, sagte der General. »Wenn es nur darum ginge, wenn mir die Simulation nur einen hübschen Ausdruck in die Hand gäbe, aus dem hervorgeht, wie wir gegen die restlichen chinesischen und russischen Waffen dastünden, Kopf an Kopf … Dann wäre alles in bester Ordnung. Stattdessen bringt das Programm verrückten Kram hervor und beschreibt Aktionen, die unsere Feinde nie unternehmen werden, weil ihnen dafür zum Glück der Mumm fehlt.«

»Simula-7 muss natürlich die Konfrontation mit den übrig bleibenden Waffen simulieren, um das neue Gleichgewicht zu testen. Dafür untersucht das Programm alles, was sich mit dem reduzierten Arsenal anstellen lässt, wozu auch ›verrückte‹ Möglichkeiten gehören, wie Sie es nennen, die Verwendung von Strohmännern und so weiter. Es ist zweifellos eine sehr beunruhigende Vorstellung, dass jemand den Rebellen von Gloria Verde und anderen kubanischen Stellvertretergruppen strategische Waffen zugespielt haben könnte, damit sie auf eine Weise gegen uns verwendet werden, wie es die etablierten Mächte nicht wagen würden. Das Programm simuliert alle unterschiedlichen Möglichkeiten und druckt jene aus, über die wir uns am meisten Sorgen machen müssen.«

»Oh, ich kenne die Theorie, Chandler. Ich kenne sie gut. Eines Tages könnten Layton und seine jungen Leute durchaus imstande sein, uns eine probabilistische Einschätzung der möglichen Entwicklung einer bestimmten Situation zu geben. Und wir wären dumm, das nicht zu berücksichtigen, wenn der Tag kommt. Aber noch ist es nicht so weit, nicht wahr, Albert?«

»Wie?« Tomkis hatte den menschlichen Schädel angestarrt, der direkt hinter dem Kopf des Generals auf einem Sockel aus Mahagoni ruhte. Es handelt sich um eins von zwölf Artefakten, die die Studentenverbindung vor einigen Jahren in kleinen beleuchteten Wandnischen aufgestellt hatte.

»Layton und sein Programm haben den Kontakt mit der heutigen Realität verloren«, fuhr der General fort. »Die heutige Realität sieht so aus: Zwar gibt es überall strategische Waffen, aber niemand hat den Mut, Gebrauch von ihnen zu machen. Unsere Feinde sind wie gelähmt und ganz und gar unfähig, die Initiativen zu ergreifen, die Simula-7 ihnen zutraut.«

»Nun …« Tomkis zögerte und richtete einen verdrießlichen Blick auf den Schädel.

»Äh, ich glaube, wir sollten uns besser anhören, was Albert dazu zu sagen hat«, hakte Senator Hopkins nach. »Sie wollten doch etwas dazu sagen, nicht wahr, Albert?«

Tomkis seufzte. »Es ist gerade der von Ihnen erwähnte Zustand der Lähmung, General, die den Einsatz von Stellvertretern so attraktiv macht. Die Kubaner, zum Beispiel. Auf eine direkte Konfrontation mit uns können sie sich nicht einlassen. Aber wenn sie eine Gelegenheit sehen, uns auf die eine oder andere Weise zu manipulieren – warum nicht? Wir dürfen nicht vergessen, dass besorgniserregend viele strategische Waffen der früheren Sowjetunion in dunklen Kanälen verschwunden sind. Vielleicht haben Gloria Verde und andere Gruppen, die insgeheim von unseren Feinden kontrolliert werden, Zugriff darauf erhalten. Eigentlich ist es eine clevere Taktik. Man überlasse kubanischen Strohmännern einige Raketen und wasche seine Hände in Unschuld. Nach Simula-7 könnte genau das geschehen sein. Wir wissen, dass die Stellvertretergruppen seit einiger Zeit eine ziemlich dicke Lippe riskieren. Jedes Mal, wenn wir unsere Interessen schützen, müssen wir einen Preis dafür zahlen. Simula-7 glaubt, dass die Kubaner strategische Waffen haben und sie gegen uns einsetzen könnten.«

»Die bisherige Erfolgsbilanz des Programms ist beeindruckend. Es gibt nicht nur Auskunft darüber, wie Stellvertreter handeln könnten. Manchmal hat es auch Details genannt, Zeit und Ort, ohne sich jemals zu irren.«

Der General war zu einem kleinen Zugeständnis bereit. »Na schön. Es gibt einige Dinge, bei denen das Programm Ordentliches leistet. Deshalb ist das Projekt seine Zuschüsse wert. Und wenn ich hier von Zuschüssen rede, Chandler, so meine ich nicht die bisherigen Kleckerbeträge, sondern echtes Geld. Richtig viel.«

»Nun, Gordon, damit zeigen Sie den Weitblick, den wir alle von Ihnen gewohnt sind, und ich versichere Ihnen, dass Sie …«

»Mehr Geld. Und mit mehr Geld können Laytons Leute nach Herzenslust forschen. Reine Gedankenarbeit und so. Was in der Art.«

Der Senator sah ihn ausdruckslos an.

»Ich glaube, der General meint mehr Input und weniger Output«, sagte Albert Tomkis.

»Genau«, pflichtete ihm Buxtehude bei. »Unser Verbindungsmann bei dem Projekt, Burlingame, weiß sehr Beunruhigendes zu berichten, Chandler. Er teilt uns mit, dass einige der am Projekt beteiligten Personen mit ihren politischen Meinungen Einfluss auf die Simulation nehmen. Das Programm neigt also dazu, Dinge vorauszusagen, zu denen nach Ansicht dieser Leute die Kubaner und ihre Terroristenfreunde fähig wären. Wir aber wissen, dass sie dazu nicht den Nerv haben. Verderblichen Einfluss nenne ich so etwas.«

»Dergleichen können wir natürlich nicht zulassen.«

»Ich möchte nicht, dass weitere Simula-Szenarien den Präsidenten in einen Nervenzusammenbruch treiben. Der Mann hat auch so schon den großen Flatterich. Zwei meiner Leute im Weißen Haus sind rund um die Uhr damit beschäftigt, ihn bei Laune zu halten. Er erbleicht jedes Mal, wenn er an Simula denkt. Stellt euch das vor: Die einzige Supermacht der Welt befindet sich in einer Position, die es ihr erlaubt, ganz auf Verhandlungen zu verzichten und einfach ihren Willen zu diktieren. Und wir können unseren Vorteil nicht nutzen, weil irgendein verdammtes Computerprogramm unserem Präsidenten Angst einjagt.«

Senator Hopkins wusste nicht, ob er entmutigt sein sollte. Es erleichterte ihn zu hören, dass die weitere Finanzierung nicht nur sicher war, sondern dass es mehr Geld geben würde. Aber wenn Simula-7 in den Hintergrund rückte, verlor auch er selbst an Bedeutung. Das war ein Gedanke, der ihm ganz und gar nicht gefiel. Er fühlte seine Vorstellung von Ithaca als Sitz nationaler strategischer Überlegungen in Gefahr.

Der Senator sah zur verzierten Wanduhr. Oh je. »Lieber Himmel, schon nach acht. Mrs. Hopkins ist bestimmt außer sich.« Seine Rolle als Berater für das Pentagon hatte ihn die Gastgeberpflichten vergessen lassen. Er stand auf und führte Tomkis und den General über die geheime Treppe ins Musikzimmer zurück.

Als sie die Bibliothek betraten, stießen sie fast mit Claymore Layton zusammen. Hopkins musterte den kleinen, dicklichen Mann mit dem grauen Bürstenschnitt geistesabwesend und wich nach links aus.

Clay versperrte ihm erneut den Weg. »Wo sind unsere Tennisplätze?«

»Tennisplätze? Welche Tennisplätze?«

»Diejenigen, die nicht mehr da sind.«

»Ich fürchte, ich komme da nicht ganz mit, guter Mann.«

»Sie wollen nicht mitkommen?«

»Ich meine, ich bin Senator Hopkins. Und Sie sind …?«

»Ich bin?«

»Sie sind Mr. …?«

»Ja?« Claymore wartete ebenso fasziniert wie Senator Hopkins auf die Antwort.

»Sie sind Mr. … Layton, nehme ich an. Dr. Laytons Bruder.«

»Ja. Wo sind unsere Tennisplätze?«

Gütiger Himmel. Der Senator sah sich nach jemandem um, der Rettung bringen konnte. Niemand in Sicht. »Äh, welche Tennisplätze?«

»Die hinter Sage Hall.«

»Hinter Sage Hall gibt es keine Tennisplätze, sondern einen Parkplatz.«

»Ja. Der Parkplatz befindet sich dort, wo unsere Tennisplätze sein sollten.«

»Oh, ich verstehe. Darauf wollen Sie hinaus.«

»Nein, ich will nicht hinaus.«

Hopkins erblickte Williams, der mit einem Tablett unterwegs war. Er winkte ihn heran. »Oh, Rochester. Würden Sie der Köchin bitte ausrichten, dass wir jetzt zum Dinner Platz nehmen?«

Mit tiefer, rauer Rochester-Stimme antwortete Williams: »Ja, Boss. Wird sofort erledigt.« Er ging zur Küche und Hopkins sah ihm verdutzt nach. Was hatte das denn zu bedeuten?

Nur einige Schritte entfernt wich eine verwirrte Mrs. Hopkins von Elise zurück, die sehr aufgebracht zu sein schien. Elise war angewiesen, mit den Hopkins nur Französisch zu sprechen, aber dies sollte Französisch sein? Dieses überaus emotional klingende gelallte Kauderwelsch? Mrs. Hopkins wandte sich ab und hoffte irgendwo Rettung zu finden. Ihr Blick fiel auf etwas, das für ihre weitsichtigen Augen zu nahe war: Claymores Hinterkopf. Sie sah eine Hornbrille und ein Gesicht, das offenbar nur aus Haaren bestand. Mit einem erschöpften Seufzen sank sie zu Boden.

*

Fast auf den Tag genau elf Jahre nach Senator Hopkins Dinnerparty im April begann seine Tochter Stacey damit, die Geschichte der folgenden Ereignisse aufzuschreiben. Zwar verband sie keine direkten Erinnerungen mit der Party (sie hatte Abend und Nacht bei einer Freundin verbracht), aber sie legte eine Karteikarte an, darauf die Namen einiger der Personen, die an jenem Abend im Haus ihrer Eltern zugegen gewesen waren: Senator Hopkins nebst Gattin, die Laytons, die drei jungen Physiker, General Buxtehude, Albert Tomkis und der Butler, Jared Williams.

Etwas verband diese Leute – das Schicksal hatte Pläne für sie. Sie waren dazu bestimmt, Teil von Geschehnissen zu werden, die das Leben aller Menschen grundlegend verändern würden. Eine dieser Personen, Loren Martine, sollte sich in einen großen Helden verwandeln. Und eine von den anderen würde ihre Sache verraten, Schande auf sich laden und zu einem Symbol für verletztes Vertrauen werden.

Ich erzähle Ihnen, wie sich alles zutrug.