Mr. Biz-Nass und der Pfeil
HALLO OFFICER POOKIE … HALLO OFFICER WICHSER PIMMELSCHWANZ.
Pookie lächelte breit. Biz-Nass war tatsächlich froh, sie beide zu sehen. »Biz-Nass, alter Junge, wie hängen sie?«
LANG UND ROT UND BEREIT FÜRS BETT … KOMMEN SIE REIN.
Pookie und Bryan setzten sich auf die blauen Plastikstühle. Pookie behielt seinen Partner genau im Auge. Letzte Nacht im privaten Autopsieraum hatte Pookie befürchtet, Bryan würde die Nerven verlieren. Er schien zwar keine Schmerzen mehr zu haben, doch er war noch immer weit entfernt von dem reservierten, unemotionalen Freund, den Pookie kannte und den er so gernhatte. Jetzt verriet Bryans Blick eine schier unablässig vor sich hin brodelnde Wut, und alles an seiner Ausstrahlung deutete auf einen unmittelbar bevorstehenden Gewaltausbruch hin, den auszulösen nur noch eine Kleinigkeit fehlte.
ICH HOFFE WIRKLICH, DASS DAS WICHTIG IST, DENN ES IST ZEHN UHR VORMITTAGS UND ICH WÜRDE NICHT EINMAL EINE MEINER ZAHLLOSEN FREUNDINNEN VOR ZWÖLF AUS DEM BETT WERFEN.
»Wir haben noch etwas entdeckt«, sagte Pookie. »Vielleicht können Sie uns sagen, was das bedeutet. Zeig’s ihm, Bryan.«
Bryan drückte mit dem Daumen auf eine Taste seines Handys, um das Bild der blutigen Pfeilspitze aufzurufen. Dann legte er das Gerät mit dem Display nach oben auf den roten Samt, der den Tisch bedeckte, und schob es nach vorn. Biz-Nass rührte sich nicht. Er starrte einfach nur auf den kleinen Bildschirm. Schließlich sah er auf. Zuerst wandte er sich Pookie zu, dann Bryan.
Plötzlich begann Biz-Nass zu keuchen. Er versuchte etwas zu sagen, ohne sich das Kehlkopfmikrofon an den Hals zu halten. Pookie konnte nur ein zischendes Flüstern hören, doch er war sicher, dass Wichser und Pimmel darin vorkamen.
Bryan deutete auf Biz’ Hals. »Ihr Gerät, Mann. Vergessen Sie Ihr Gerät nicht.«
Biz-Nass starrte Bryan angsterfüllt an. Schließlich fiel ihm sein Kehlkopfmikrofon wieder ein, und er hob es an seinen Hals.
TUT MIR LEID, ICH SCHEISS-KACK … ICH MEINE SCHEISS-KACK … ICH HABE MICH VERGESSEN.
»Sie haben das schon einmal gesehen«, sagte Pookie. »Warum haben Sie so schreckliche Angst?«
ICH HABE KEINE ANGST … ICH WEISS NICHT, WAS DAS IST.
»Biz«, sagte Pookie in ruhigem Ton, »diesen Artikel, den Sie über den Golden Gate Slasher besitzen, hat man überall sonst verschwinden lassen. Sie wissen über die Symbole Bescheid. Sie wissen über Maries Kinder Bescheid. Sie haben ein verdammtes Buch über das Thema geschrieben, Bruder. Es ist völlig unmöglich, dass Sie nichts über den Pfeil recherchiert haben, der den Slasher umgebracht hat.«
Mr. Biz-Nass sah die beiden Polizisten nacheinander an. Dann sprach er in so flehentlichem Ton, dass selbst der mechanische Klang des Mikrofons seine Gefühle nicht verbergen konnte. ICH HABE NICHT GEREDET, ICH SCHWÖRE ES. MMMMM BITTE, SCHLAGEN SIE MICH NICHT.
Vielleicht war das Tourette-Syndrom nur ein Bluff, aber Pookie war sofort klar: Das hier war kein Bluff. Weit aufgerissene Augen, flacher Atem, offener Mund, Hände, die einander umklammerten – Biz glaubte wirklich, dass sie beide gleich auf ihn einprügeln würden.
»Wir werden Sie nicht schlagen«, sagte Pookie. »Menschen sterben. Wir müssen wissen, wie wir diese Sache stoppen können.«
Biz-Nass schüttelte nur den Kopf.
Schon als Pookie und Bryan das erste Mal bei ihm gewesen waren, hatte Biz-Nass geglaubt, dass sie ihn verprügeln wollten. Er hatte es vermutet, nachdem sie die Symbole erwähnt hatten. Vor neunundzwanzig Jahren hatte Biz offiziell um Informationen über die Symbole nachgesucht – und zwar beim SFPD.
Plötzlich dachte Pookie an Chief Zou. Sie hatte sich vorgebeugt, mit den Knöcheln auf dem Autopsietisch abgestützt und Bryan Clauser mit dem Ende seiner Karriere und gar Gefängnis gedroht.
»Amy Zou«, sagte Pookie. »Gab es zwischen Ihnen und ihr jemals einen Zusammenstoß, Biz? Oder vielleicht mit Rich Verde?«
Biz-Nass legte sein Kehlkopfmikrofon beiseite und senkte seine Hände flach auf den samtbedeckten Tisch. Er holte tief Luft und versuchte, sich zu fassen. Dann hob er mit der linken Hand das Mikrofon an seinen Hals, während er mit der rechten auf seine schiefe, dreimal gebrochene Nase deutete.
MMMMM WAS GLAUBEN SIE WOHL, WER MIR DAS ANGETAN HAT?
Bryan beugte sich vor. »Zou und Verde haben das getan? Warum?«
SIE HAT MICH AUFGEFORDERT, MICH NICHT MEHR MIT MEINEM BUCH ZU BESCHÄFTIGEN. MMMMMM SIE SCHLAMPEN-SCHLAMPEN-SCHLAMPEN-MÖSE-MÖSE HAT ZU MIR GESAGT, SIE WÜRDE MICH UMBRINGEN, SOLLTE ICH DIE ANGELEGENHEIT NICHT RUHEN LASSEN.
Amy Zou, die einen Bürger dieser Stadt verprügelt. Noch vor einer Woche hätte Pookie das keinen Moment lang geglaubt. Doch jetzt? Es schien zu ihr zu passen.
»Biz«, sagte Bryan. »Wir ermitteln gegen Zou. Sie beschützt einen Killer aus einer Art verrückter Bürgerwehr. Wenn Sie uns helfen, ihn zu finden, helfen wir Ihnen, sie zu Fall zu bringen.«
Biz-Nass starrte ihn ungläubig an. Seine Augen wurden schmal. Er sah zu Pookie.
MMMMM IST DAS WAHR?
Pookie legte die rechte Hand auf sein Herz. »Großes Pfadfinderehrenwort.«
Biz leckte sich über die Lippen. Dann nickte er. Mit zitternder Hand griff er nach Bryans Handy und betrachtete das Bild.
WAS WAR DAS FÜR EINE LEICHE, IN DER DIESES DING STECKTE?
»Männlicher Kaukasier«, sagte Pookie. »Polizistenmörder. Über einsachtzig groß. Gut zweihundert Pfund schwer. Vollbart.«
TRUG ER EIN KOSTÜM?
»Nein«, sagte Pookie. Er warf Bryan einen kurzen Blick zu. »Aber wir glauben, dass andere, die mit ihm zusammenarbeiten, Kostüme tragen.«
Biz-Nass nickte, als hätte er erwartet, das zu hören.
DAS KREUZ MIT DEM V AM ENDE DER BALKEN IST DAS SYMBOL DER ERLÖSER. AUF DEM PFEILSCHAFT MÜSSTE ES GLEICH HINTER DER SPITZE EIN WEITERES SYMBOL GEBEN … EINEN DOLCH, IN DESSEN MITTE SICH EIN AUGE BEFINDET.
Bryan nahm das Handy und schaltete auf das nächste Foto, den Pfeilschaft. Dann stellte er das Gerät wieder vor Biz-Nass auf den Tisch.
Der Wahrsager starrte das Bild an. Dann nickte er.
DIE ERLÖSER TÖTEN MARIES KINDER. EUER POLIZISTENMÖRDER GEHÖRT ZU DIESEM KULT. DIE SYMBOLE BEFINDEN SICH AUF ALLEN PFEILSPITZEN, DIE ER FÜR DIE KULTMITGLIEDER ANFERTIGT.
»Er?«, sagte Pookie. »Sie wissen, wer die Pfeilspitzen herstellt?«
Biz-Nass nickte. WENN ICH IHNEN DAS VERRATE, VERSPRECHEN SIE MIR DANN, DASS SIE NICHT IN EIN PAAR MONATEN WIEDERKOMMEN UND MIR DEN VERSTAND AUS DEM HIRN PRÜGELN?
»Warum sollten wir das tun?«
Der Wahrsager zuckte mit den Schultern. AMY ZOU HAT ES SCHLIESSLICH AUCH GETAN. ICH SAGTE IHNEN DOCH, DASS SIE MICH ZUSAMMENGESCHLAGEN HAT. ZOU KAM ZU MIR GENAU WIE PIMMELSCHWANZ SIE BEIDE. SIE WOLLTE INFORMATIONEN ÜBER DIE PFEILE, WOLLTE WISSEN, WER SIE HERSTELLT. ICH HAB’S IHR GESAGT. ZWEI JAHRE SPÄTER SCHLAGEN VERDE UND SIE MICH ZUSAMMEN UND SAGEN MIR SCHISSEIER!, DASS ICH DIE ARBEIT AN MEINEM KACKSCHNÜFFLER! BUCH EINSTELLEN SOLL, ODER SIE WÜRDEN MICH UMBRINGEN.
Amy Zou hatte Nachforschungen über eine Pfeilspitze angestellt. Hatte sie auch den Mörder des Golden Gate Slasher gefunden? Wenn ja – warum war sie dann zurückgekommen und hatte Biz-Nass zum Schweigen gezwungen?
»Sie haben unser Wort«, sagte Pookie. »Wir werden Ihnen kein Haar krümmen.«
Biz-Nass hielt Pookie seine Faust hin. DAS WORT GILT?
Pookie schlug mit seiner Faust dagegen. »Das Wort gilt.«
Dann hielt der Wahrsager Bryan seine Faust hin. DAS WORT GILT?
Bryan verdrehte die Augen. »Wie alt sind Sie? Sechzehn? Dieses Faust-Ding mache ich nicht mit, Scheiße noch mal.«
Biz-Nass zog seine Hand nicht zurück. Bryan sah Pookie an.
»Tu’s einfach«, sagte Pookie.
Bryan seufzte. Dann schlug er mit seiner Faust gegen die von Biz-Nass. »Das Wort gilt.«
Biz-Nass nickte und lächelte. DER NAME DIESES TYPEN IST ALDER JESSUP.
Pookies Haut kribbelte. Jetzt hatten sie endlich etwas in der Hand. »Biz, wenn Alder Jessup die Pfeile herstellt, wer schießt dann damit?«
DAS HABE ICH NIE HERAUSGEFUNDEN, DAS SCHWÖRE ICH.
Ruhig griff Bryan nach seinem Handy. »Schon okay. Wissen Sie, wo dieser Alder Jessup wohnt?«
Biz beugte sich vor. Seine rechte Hand schwebte über der blauen Kristallkugel. ICH SEHE ETWAS IN IHRER ZUKUNFT, OFFICER PIMMELSCHWANZ WICHSLUTSCHER, ETWAS, DAS WIR HELLSEHER EINE GOOGLE-SUCHE NENNEN.
Er sah auf. DAS IST ALLES, WAS ICH WEISS. VIEL GLÜCK.
Bryan hielt ihm die Hand hin. »Danke.« Biz-Nass schüttelte sie. Dann drehte er seine Handfläche Pookie zu.
GIB MIR FÜNF, MEIN KLEINES GELBES SCHWEINCHEN.
Pookie klatschte Biz-Nass’ Hand ab, und dann folgte er Bryan aus dem Büro.
Pookie hatte bereits sein Handy in der Hand. »Heute keine Kohle für die Lokomotive, Bri-Bri. Ich rufe Black Mister Burns an und sage ihm, dass er alles besorgen soll, was er über diesen Alder Jessup finden kann.«
Bryan nickte. Er schien sich sehr darauf zu konzentrieren, ruhig zu bleiben. Und anscheinend brauchte er diese Konzentration unbedingt, weil er ohne sie den ersten Menschen zusammentreten würde, der ihnen über den Weg lief.