Gescheitert
»Unmöglich! Du hast dich vertan! Das kann es nicht sein!« Ich starrte ungläubig in die Ferne. Mir war ganz schlecht vor Entsetzen.
Gestern Morgen hatte ich die letzte zerquetschte Cremeschnitte gefrühstückt. Gestern Nachmittag hatte ich die zwei Bergspitzen entdeckt und war erneut nach Osten abgebogen. Melanie hatte mir eine Formation gezeigt, von der sie mir versprochen hatte, dass es die letzte war, die wir finden mussten. Die Nachricht hatte mich fast verrückt werden lassen vor Freude. Gestern Abend hatte ich den letzten Rest Wasser getrunken. Das war Tag vier gewesen.
Der heutige Morgen war eine vage Erinnerung an blendende Sonne und verzweifelte Hoffnung. Die Zeit lief uns davon und mit wachsender Panik hatte ich den Horizont nach der letzten Wegmarkierung abgesucht. Ich konnte keine Stelle erkennen, wo sie hinpassen würde: die lange, flache Linie einer Hochebene, flankiert von stumpfen Hügeln an beiden Seiten, als wären es Wachposten. So etwas brauchte Platz und die Berge im Osten und Norden waren von spitzen Gipfeln übersät. Mir war nicht klar, wo die flache Hochebene dazwischen passen sollte.
Am Vormittag - die Sonne stand immer noch im Osten und schien mir in die Augen - hatte ich angehalten, um mich auszuruhen. Ich fühlte mich so schwach, dass es mir Angst machte. Inzwischen tat mir jeder Muskel in meinem Körper weh, aber das kam nicht vom Laufen. Auch den Schmerz der Erschöpfung und den Schmerz vom Schlafen auf dem Boden kannte ich schon, aber die fühlten sich anders an als der neue Schmerz. Mein Körper war dabei auszutrocknen und jede Faser in mir protestierte dagegen. Ich wusste, ich würde nicht mehr lange weitergehen können.
Ich drehte mich mit dem Rücken nach Osten, um die Sonne einen Moment lang aus dem Gesicht zu bekommen.
Und da sah ich sie. Die lange, flache Linie der Hochebene, unverwechselbar, mit den beiden abschließenden Gipfeln. Da war sie, so weit westlich, dass sie zu flimmern schien wie eine Fata Morgana, über der Wüste schwebte wie eine dunkle Wolke. Jeder Schritt, den wir gegangen waren, hatte in die falsche Richtung geführt. Der letzte Anhaltspunkt lag weiter im Westen, als wir auf unserem gesamten Weg je gewesen waren.
»Unmöglich«, flüsterte ich erneut.
Melanie war in meinem Kopf erstarrt - ohne zu denken, ausdruckslos - und versuchte verzweifelt, sich gegen diese neue Erkenntnis zu wehren. Ich wartete, während meine Augen die eindeutig vertrauten Umrisse entlangfuhren, bis die Wucht ihres Kummers mich plötzlich in die Knie zwang. Ihre schweigende Klage über unsere Niederlage hallte in meinem Kopf wider und fügte meinem Schmerz eine weitere Dimension hinzu. Mein Atem kam stoßweise - ein ersticktes, tränenloses Schluchzen. Die Sonne kletterte meinen Rücken hoch und brachte mein dunkles Haar zum Glühen.
Mein Schatten war nur noch ein kleiner Kreis unter mir, als ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Mühsam kam ich wieder hoch. Kleine, scharfe Steinchen klebten mir an den Beinen. Ich machte mir nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Eine lange, heiße Weile lang starrte ich auf die schwebende Hochebene, die mich von Westen her verhöhnte.
Und schließlich, ohne genau zu wissen, warum, ging ich los. Ich wusste nur eins: dass ich es war, die ging, und sonst niemand. Melanie war klitzeklein in meinem Gehirn - eine winzige Kugel aus Schmerz, zu der sie sich zusammengerollt hatte. Von ihr kam keine Hilfe.
Meine Schritte knirschten auf dem rissigen Boden.
»Er war eben doch nur ein verwirrter, alter Narr«, murmelte ich vor mich hin. Ein eigenartiges Zittern schüttelte meine Brust und ein raues Husten bahnte sich einen Weg durch meine Kehle. Der heisere Hustenanfall hörte nicht wieder auf, und erst als meine Augen prickelten, ohne dass es Tränen gab, mit denen sie sich füllen konnten, merkte ich, dass ich lachte.
»Hier draußen war … gar … nie … irgendwas!«, keuchte ich zwischen Hysterieattacken. Ich taumelte vorwärts, als wäre ich betrunken, und meine Schritte hinterließen eine unregelmäßige Spur hinter mir.
Doch. Melanie erhob sich aus ihrem Elend, um den Glauben zu verteidigen, dem sie immer noch anhing. Ich habe irgendetwas falsch verstanden oder so. Mein Fehler.
Jetzt lachte ich sie aus. Das Geräusch wurde vom glühenden Wind verschluckt.
Warte mal, dachte sie und versuchte, meine Aufmerksamkeit von der komischen Seite der Sache abzulenken. Glaubst du nicht … Ich meine, glaubst du, dass sie das hier vielleicht auch probiert haben?
Ihre unerwartete Angst erwischte mich mitten in einem Lachanfall. Ich verschluckte mich an der heißen Luft, meine Brust schmerzte von meinem plötzlichen Ausbruch morbider Hysterie. Als ich wieder Luft bekam, war von meinem Galgenhumor nichts mehr übrig. Unwillkürlich schweifte mein Blick über die verlassene Ebene und suchte nach irgendeinem Anhaltspunkt dafür, dass ich nicht die Erste war, die ihr Leben auf diese Art wegwarf. Die Wüste war riesig, aber ich konnte mit der krampfhaften Suche nach … Überresten nicht aufhören.
Nein, natürlich nicht. Melanie beruhigte sich inzwischen schon selbst. Jared ist viel zu klug. Er würde niemals so unvorbereitet hierherkommen wie wir. Er würde Jamie nicht in Gefahr bringen.
Du hast bestimmt Recht, erklärte ich und wollte genauso sehr daran glauben wie sie. Ich bin sicher, dass niemand anders im gesamten Universum so blöd ist wie wir. Außerdem ist er bestimmt gar nicht bis hierhergekommen. Er hat es wahrscheinlich nie herausgefunden. Und ich wünschte, du auch nicht.
Meine Füße gingen immer weiter. Ich merkte es kaum. Es bedeutete so wenig angesichts der Entfernung, die vor uns lag. Und selbst wenn wir auf magische Weise zum Fuß der Hochebene gelangen würden, was dann? Ich war absolut sicher, dass dort nichts war. Niemand wartete an der Hochebene, um uns zu retten.
»Wir werden sterben«, sagte ich. Es überraschte mich, dass in meiner kratzigen Stimme keine Angst mitschwang. Es war nur eine Tatsache neben anderen. Die Sonne ist heiß. Die Wüste ist trocken. Wir werden sterben.
Ja. Sie war ebenfalls ruhig. Das - der Tod - war leichter zu akzeptieren als die Tatsache, dass unsere Anstrengungen absoluter Irrsinn gewesen waren.
»Macht dir das nichts aus?«
Sie dachte einen Moment lang nach, bevor sie antwortete.
Ich habe es zumindest versucht. Und ich habe gewonnen. Ich habe sie nicht verraten. Ich habe sie nicht verletzt. Ich habe mein Bestes gegeben, um sie zu finden. Ich habe versucht, mein Versprechen zu halten … Ich sterbe für sie.
Ich zählte neunzehn Schritte, bevor ich antworten konnte. Neunzehnmal träges, unnützes Knirschen im Sand.
»Und wofür sterbe ich?«, fragte ich. Es prickelte erneut in meinen ausgetrockneten Tränengängen. »Ich nehme an, weil ich verloren habe, stimmt’s? Ist doch so, oder?«
Ich zählte vierunddreißigmal Knirschen, bevor sie eine Antwort auf meine Frage hatte.
Nein, dachte sie langsam. Das Gefühl habe ich nicht. Ich glaube … na ja, ich glaube, dass du vielleicht … dass du vielleicht dafür stirbst, ein Mensch zu sein. Sie lächelte beinahe in Gedanken. Nach all den Planeten und all den Wirten, die du schon bewohnt hast, hast du endlich den Ort und den Körper gefunden, für den du dein Leben hingeben würdest. Ich glaube, du hast dein Zuhause gefunden, Wanderer.
Zehnmal Knirschen.
Ich hatte nicht mehr die Kraft, meinen Mund zu öffnen. Nur schade, dass ich nicht noch ein bisschen länger bleiben konnte.
Ich wusste, was sie antworten würde. Vielleicht würde sie versuchen, mich zu trösten. Als Belohnung dafür, dass ich sie zum Sterben hier rausgeschleppt hatte. Sie hatte gewonnen, sie starb als Mensch.
Ich begann zu straucheln. Meine Muskeln flehten mich um Gnade an, als läge es in meiner Macht, ihren Schmerz zu lindern. Ich glaube, ich wäre genau dort stehen geblieben, aber Melanie war wie immer stärker als ich.
Jetzt konnte ich sie spüren, nicht nur in meinem Kopf, sondern auch in meinen Gliedern. Meine Schritte wurden größer, die Spur, die ich hinterließ, geradliniger. Mit reiner Willenskraft trieb sie meine halbtote Hülle auf das unerreichbare Ziel zu.
Dieser sinnlose Kampf wurde von unerwarteter Freude begleitet. Genau wie ich sie spüren konnte, konnte sie meinen Körper spüren. Es war jetzt unser Körper, mit zunehmender Schwäche überließ ich ihr die Kontrolle. Sie frohlockte über die Freiheit, unsere Arme und Beine vorwärtsbewegen zu können, egal, wie nutzlos diese Bewegung war. Sie war selig, einfach weil sie wieder in der Lage dazu war. Sogar der Schmerz unseres beginnenden Todeskampfes verblasste verglichen damit.
Was glaubst du, was da draußen ist?, fragte sie, während wir auf das Ende zugingen. Was wirst du sehen, wenn wir tot sind?
Nichts. Das Wort kam klar und hart und überzeugt heraus. Es gibt einen Grund, warum wir vom endgültigen Tod sprechen.
Ihr Seelen glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod?
Wir haben so viele Leben. Alles, was darüber hinausgeht, wäre … zu viel verlangt. Jedes Mal, wenn wir unseren Wirt verlassen, sterben wir einen kleinen Tod. Dann leben wir in einem anderen Wirt weiter. Wenn ich hier sterbe, ist das das Ende.
Wir schwiegen lange, während unsere Füße sich immer langsamer vorwärtsbewegten.
Was ist mit dir?, fragte ich schließlich. Glaubst du immer noch an mehr, sogar nach alldem hier? Meine Gedanken durchkämmten Erinnerungen an das Ende ihrer menschlichen Welt.
Ich glaube, es gibt ein paar Dinge, die einfach nicht sterben können.
In unseren Gedanken waren ihre Gesichter ganz nah und deutlich. Die Liebe, die wir für Jared und Jamie empfanden, fühlte sich unzerstörbar an. In diesem Augenblick fragte ich mich, ob der Tod stark genug war, um etwas so Lebendiges und Starkes zu vernichten. Vielleicht würde diese Liebe mit ihr zusammen weiterleben, an irgendeinem märchenhaften Ort mit perlenverziertem Tor. Nicht mit mir.
Würde es eine Erleichterung sein, sich davon zu befreien? Ich war mir nicht sicher. Es fühlte sich an wie ein Teil von mir.
Wir hielten nur noch wenige Stunden durch. Sogar Melanies unglaubliche Willenskraft konnte unserem immer schwächer werdenden Körper nicht noch mehr abverlangen. Wir sahen kaum noch etwas. Wir schienen in der trockenen Luft, die wir einsaugten und wieder ausströmen ließen, keinen Sauerstoff mehr zu finden. Die Schmerzen sandten ein klägliches Wimmern über unsere Lippen.
So schlecht ist es dir noch nie gegangen, was?, neckte ich sie schwach, als wir auf ein vertrocknetes Bäumchen zu stolperten, das etwas über das niedrige Gestrüpp hinausragte. Wir wollten zu dem schmalen Schattenstreifen gelangen, bevor wir hinfielen.
Nein, gab sie zu. So schlecht noch nie.
Wir erreichten unser Ziel. Der tote Baum warf das Netz seines Schattens über uns und die Beine knickten unter uns weg. Wir sanken auf den Bauch und wollten nie wieder Sonne im Gesicht haben. Unser Kopf drehte sich von alleine zur Seite, auf der Suche nach der glühend heißen Luft. Wir starrten auf den Staub wenige Zentimeter von unserer Nase entfernt und lauschten auf unseren keuchenden Atem.
Nach einer Weile - wie lang genau, wussten wir nicht - schlossen wir die Augen. Unsere Augenlider leuchteten von innen rot. Wir spürten das schwache Schattennetz nicht mehr, vielleicht war es schon weitergezogen.
Wie lange?, fragte ich sie.
Ich weiß es nicht, ich bin noch nie gestorben.
Eine Stunde? Oder länger?
Ich habe keine Ahnung.
Wenn man mal einen Kojoten braucht, ist keiner in der Nähe.
Vielleicht haben wir Glück … eine entlaufene Klauenbestie oder so was … Ihre Gedanken schweiften ab.
Das war unsere letzte Unterhaltung. Es war zu anstrengend, sich so sehr zu konzentrieren, dass man Wörter bilden konnte. Wir hatten stärkere Schmerzen als erwartet. Alle Muskeln unseres Körpers protestierten, verkrampften und verspannten sich, während sie gegen den Tod ankämpften.
Wir kämpften nicht. Wir ließen uns treiben und warteten, während unsere Gedanken ohne erkennbares Muster in Erinnerungen ein- und wieder aus ihnen auftauchten. Solange wir noch bei Bewusstsein waren, summten wir uns selbst im Kopf ein Schlaflied vor. Es war eins, mit dem wir Jamie immer getröstet hatten, wenn der Boden zu hart war zum Schlafen oder die Luft zu kalt oder die Angst zu groß. Wir spürten, wie sein Kopf sich in die Kuhle direkt unter unserer Schulter drückte und die Form seines Rückens unter unserem Arm. Und dann schien es, als ob es unser Kopf wäre, der an einer breiteren Schulter lehnte, und als ob ein neues Schlaflied uns tröstete.
Unsere Augenlider wurden schwarz, aber das war noch nicht der Tod. Es war Nacht geworden und das machte uns traurig. Ohne die Hitze des Tages würde es wahrscheinlich länger dauern.
Eine unendliche Zeit lang war es dunkel und still. Dann war da ein Geräusch.
Wir nahmen es kaum wahr. Wir waren uns noch nicht einmal sicher, ob wir es uns nicht nur eingebildet hatten. Vielleicht war es doch ein Kojote. Wollten wir das? Wir wussten es nicht. Wir konnten dem Gedankengang nicht länger folgen und vergaßen das Geräusch.
Etwas schüttelte uns, zog an unseren tauben Armen, zerrte an ihnen. Wir konnten nicht mehr mit Worten ausdrücken, dass wir uns wünschten, es würde jetzt schnell gehen, aber das war es, worauf wir hofften. Wir warteten auf das Zupacken der Zähne. Stattdessen wurde das Ziehen zu einem Schieben und wir spürten, wie unser Gesicht sich dem Himmel zudrehte.
Etwas floss über unser Gesicht - nass, kühl und unglaublich. Es rann über unsere Augen und spülte den Sand heraus. Unsere Augenlider flatterten und blinzelten in die Tropfen. Der Sand in unseren Augen kümmerte uns nicht. Unser Kinn reckte sich in die Höhe, verzweifelt suchend, unser Mund öffnete und schloss sich ziellos und mitleiderregend vor Schwäche wie der eines frisch geschlüpften Vogels.
Wir glaubten ein Seufzen zu hören.
Und dann floss das Wasser in unseren Mund und wir schluckten es und verschluckten uns an ihm. Das Wasser verschwand, als wir uns verschluckten, und unsere schwachen Hände streckten sich danach aus. Gleichmäßige, feste Schläge klopften auf unseren Rücken, bis wir wieder atmen konnten. Unsere Hände griffen auf der Suche nach dem Wasser weiterhin in die Luft.
Diesmal hörten wir ganz sicher ein Seufzen.
Etwas wurde an unsere rissigen Lippen gedrückt und das Wasser floss wieder. Wir nuckelten daran, darauf bedacht, es nicht wieder in die Luftröhre zu bekommen. Nicht, dass es uns etwas ausgemacht hätte, uns zu verschlucken, aber wir wollten nicht, dass uns das Wasser wieder weggenommen wurde.
Wir tranken, bis sich unser Magen ausdehnte und wehtat. Das Wasser versiegte tröpfelnd und wir stießen einen heiseren Protestschrei aus. Eine weitere Öffnung wurde an unsere Lippen gedrückt und wir schluckten gierig, bis auch hier nichts mehr kam.
Mit jedem weiteren Schluck würde unser Magen bersten, trotzdem blinzelten wir und versuchten zu erkennen, ob es noch mehr gab. Es war zu dunkel; wir konnten nicht einen einzigen Stern ausmachen. Und dann blinzelten wir erneut und stellten fest, dass die Dunkelheit viel näher war als der Himmel. Eine Silhouette beugte sich über uns, schwärzer als die Nacht.
Das leise Geräusch von Stoff, das an Stoff rieb, war zu hören und das Knirschen von Sand unter einem Absatz. Die Silhouette verschwand und wir hörten ein durchdringendes Ritsch - das Geräusch eines Reißverschlusses, das in der absoluten nächtlichen Stille ohrenbetäubend war.
Wie eine Klinge stach uns Licht in die Augen. Wir stöhnten auf, weil es so wehtat, und unsere Hand beeilte sich, unsere geschlossenen Augen abzudecken. Sogar hinter unseren Lidern war das Licht zu hell. Es verschwand und wir spürten, wie der Atem des nächsten Seufzers unser Gesicht traf.
Vorsichtig öffneten wir die Augen, blinder als vorher. Wen auch immer wir vor uns hatten, er saß unbeweglich da und sagte kein Wort. Wir begannen uns der angespannten Situation bewusst zu werden, aber es fühlte sich so an, als spielte sich das alles weit weg, außerhalb unseres Körpers, ab. Es war schwierig, sich um etwas anderes zu kümmern als das Wasser in unserem Bauch und die Überlegung, wo wir noch mehr herbekommen könnten. Wir versuchten uns zu konzentrieren, zu erkennen, was uns gerettet hatte.
Das Erste, was wir nach minutenlangem Blinzeln und Zwinkern ausmachen konnten, war die üppige weiße Masse, die aus dem dunklen Gesicht floss, eine Million blasser Splitter in der Nacht. Als wir begriffen, dass es sich dabei um einen Bart handelte - wie der Weihnachtsmann, fiel uns plötzlich ein -, wurden die anderen Teile des Gesichts plötzlich von unserer Erinnerung ergänzt. Alles fand seinen Platz: die große Nase mit der gespaltenen Nasenspitze, die breiten Wangenknochen, die dichten, weißen Brauen, die Augen, die tief in die zerknitterte Haut eingesunken waren. Obwohl wir nur Andeutungen seiner Züge erkennen konnten, wussten wir, was das Licht zum Vorschein bringen würde.
»Onkel Jeb«, krächzten wir überrascht. »Du hast uns gefunden.«
Onkel Jeb, der neben uns hockte, kippte nach hinten auf seine Absätze, als wir seinen Namen aussprachen.
»Na so was«, sagte er und seine raue Stimme brachte eine Million Erinnerungen zurück. »Na so was, das ist ja eine schöne Bescherung.«