18. KAPITEL
Später am selben Nachmittag stehe ich in dem
kleinen Wirtschaftsraum des Gästehäuschens, der höchst edel mit
einer Monsterwaschmaschine plus entsprechendem Trockner
von Maytag ausgestattet ist. Alles blitzblank gescheuert: Ich habe
den Fußboden gewischt - jawohl, bis in die letzte Ecke - und eine
putzmuntere halbe Stunde lang sowohl Spülbecken wie Abtropfgestell
aus rostfreiem Stahl auf Hochglanz gewienert. Das Flusensieb des
Trockners ist hundert Prozent fusselfrei, und aus dem Dosierfach
für den Weichspüler könnte man essen. Ekelhaft, dieser zähe blaue
Schlubberschleim, der sich da schon nach zwei, drei Waschgängen
immer ansammelt.
Ich schmeiße die erste Ladung Wäsche an - Helles
strikt getrennt von Buntem - und rufe dann vom Wohnzimmer aus Brent
an. Auf meiner Büronummer - komisches Gefühl, dass ich da nicht
mehr sitze.
»Brent, ich bin’s, Alice.«
»Wer?«
»Alice Fisher. Grahams Sekretärin.«
»Einen Moment. Ich gieße gerade die Pflanzen.«
Dann herrscht lange Funkstille, weil, wie ich schließlich kapiere,
Brent offenbar das Büro verlassen hat, um seine winzige Gießkanne
aufzufüllen. Endlich ist er wieder am Apparat, scheint sich aber
immer noch nicht recht erinnern zu können, wer ich bin. »Was kann
ich für Sie tun?«, fragt er beiläufig.
»Ich bin hier in Wyatts Haus in Ohio. Er will kein
neues Album machen.«
Brent seufzt. »Aber das ist Ihr Job, Alice. Ihn zu
überreden.«
»Ich hab’s ja versucht.«
»Er wird sich’s schon noch überlegen«, sagt Brent,
offensichtlich nicht bei der Sache. Ich höre, wie er seine
Topfpflanzen mit Wasser besprengt. »Geben Sie dem Ganzen einfach
etwas Zeit.«
»Ich kann doch nicht endlos hier bei ihm
rumhocken«, wende ich ein.
»Hat er gesagt, Sie sollen gehen?«
»Äh, nein.«
»Na also. Machen Sie ihn mürbe. Einen Augenblick.
Gerade ist Miss Carmichael hereingekommen.«
Offenbar hat Brent die Hand über die Sprechmuschel
gelegt, denn es sind nur dumpfe Stimmen zu hören. Ich glaube,
Phoebe etwas wie »Idiot«, »auf den Kopf stellen« und »koste es, was
es wolle« zischen zu hören.
Hmmm. Den Rest reime ich mir selbst zusammen.
»Wyatt ist ein Idiot, und wenn ich mich auf den Kopf stellen muss,
ich will das Album haben, koste es, was es wolle.«
Dann ist Phoebe am Apparat. »Alice. Wie ich höre,
leisten Sie hervorragende Arbeit in Ohio. Bleiben Sie am
Ball.«
»Ich komme wieder zurück«, werfe ich ein. »Hier
gibt es für mich nichts zu tun.«
»Also bitte, Alice«, sagt Phoebe energisch. »Kein
Gejammer! Wo wären wir heute, wenn mein Vater Nashville den Rücken
gekehrt und gesagt hätte: ›Hier gibt es nichts für mich zu
tun‹?«
»Aber das war ja auch Nashville«, setze ich
an.
»Diese kleinen Landstädte sind manchmal wahre
Fundgruben für Talente aller Art. Barbershop-Quartette, Familien
mit zig Kindern, singende Hunde.«
»Hunde?«
»Ja, Sie wissen schon, was ich meine. Diese
Viecher, die im Chor bellen. Tummeln Sie sich ein bisschen und
sehen Sie zu, was sich finden lässt.«
»Ich muss wieder nach London«, sage ich
kategorisch. »Außerdem ist meine E-Mail an das New Yorker Büro
zurückgekommen.«
Phoebe ignoriert meine Worte. Ȇberlegen Sie doch,
Alice - am Ende entdecken Sie noch die nächste Partridge Family.
Das wäre doch was, was Sie sich an die Brust heften könnten. Ich
gebe Ihnen noch mal Brent.«
Vielleicht hört wenigstens der mir zu.
Brent ist in der Leitung. »Wir sprechen uns in
einem Monat.«
Die Leitung ist tot.
Mir bleibt nichts, als meine Wäsche zu trocknen
und zusammenzulegen und meine Jeans zu bügeln.
Mittags fahren Wyatt und ich in den Ort, um meinen
Wagen zu holen. Wir sitzen gerade mal eine Minute in Wyatts
Pick-up, da sagt er knapp: »Gerry hat also angerufen.«
»Ja. Er unternimmt eine Besichtigungstour mit
mir.«
»Echt.«
Wyatt schaltet das Radio ein, das für den Rest der
Fahrt die Unterhaltung bestreitet. Bilde ich es mir nur ein, oder
mustert er meinen falschen Verlobungsring eingehend, als ich aus
dem Wagen steige? O nein! Mich packt die Scham. Er denkt, dass ich
mich mit jemandem treffe, obwohl ich doch mit einem internationalen
Topanwalt verlobt bin. Ich weiß genau, wie in diesen amerikanischen
Kleinstädten mit solch einem Verhalten umgegangen wird. Als ich in
mein Auto steige, lasse ich den Blick über den Hauptplatz
schweifen. Wenn ich am Sonntag noch da bin, werden sie mir hier in
aller Öffentlichkeit den Prozess machen. Ich sehe sie vor mir - die
Ältesten von Barnsley, wie sie an einem langen Tisch sitzen, in
schwarzen Anzügen mit weißen Rüschenkrägen; das Haar zum Knoten
gebunden, werde ich zu ihnen hingeführt.
»Alice Fisher«, verkündet Mr. Horner. »Du wirst
unzüchtiger Gedanken und lästerlicher Taten beschuldigt.«
Die johlende Menge wirft mit Tomaten nach mir.
Wyatts Mutter sitzt strickend zu Füßen der Anklagebank. Heidi
plädiert leidenschaftlich dafür, mich in den Teich von Barnsley zu
tunken. »Wenn sie nicht untergeht, ist sie schuldig.« Nach der
Urteilsverkündung - ein Tag im Stock - tritt Heidi vor und näht
gewandt ein scharlachrotes »A« an mein Kittelkleid. »Flittchen«,
zischt sie. »Nun wende deine fremdländischen Augen von Wyatt ab und
schlage sie nieder.« Dann schneidet sie mir die Haare ab.
Ich fahre die nun schon fast vertraute Strecke
nach Hause, vorbei an den flachen Bungalowhäusern am Ortsrand, die
in offenes Feld übergehen, die lange Straße den Hügel hinauf bis
zur Kreuzung und dahinter noch eine Meile bis zur Zufahrt von
Wyatts Farm. Unterwegs überhole ich Sheriff Billy und winke ihm zu
- da Kriminalität in Barnsley praktisch ein Fremdwort ist, bringt
er einen Großteil seiner Dienstzeit damit zu, in der Gegend
herumzugondeln. Schließlich bin ich zu Hause; Wyatts Pick-up steht
nicht im Hof.
Ich verziehe mich in das Cottage, werfe die
nächste Wäsche an und hole mir von oben das einzige Kleid, das ich
eingepackt habe. Es ist drei Jahre alt, aus schwarzem Samt und von
Monsoon. Stephen hat sich nie dafür begeistern können, wegen des
tiefen Ausschnitts, den er »ein bisschen zu jugendlich« findet. Ich
habe es anlässlich von Dads sechzigstem Geburtstag gekauft, der im
Golfclub von New Malden gefeiert wurde. »Sehr hübsch, Alice«, sagte
Teresa und musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle. »Und sehr klug
von dir, dass du Schwarz genommen hast. Das macht doch immer am
schlanksten.« Halb und halb hatte ich erwartet, Dad würde bei
dieser Gelegenheit bekanntgeben, dass er und Valerie heiraten
wollten, aber er tat nichts dergleichen.
Gegen vier sehe ich beim Blick durchs Fenster
Casey in die Scheune gehen. Immer noch keine Spur von Wyatt. Ich
beschließe, Casey einen Besuch abzustatten. Er sitzt neben Mary
Lou.
Ich merke sofort, dass irgendwas nicht stimmt. Er
lässt die Schultern hängen und starrt zu Boden, und ich habe das
Gefühl, dass ich in seine Unterhaltung mit Mary Lou geplatzt bin,
weil er bei meinem Anblick verdutzt und leicht verlegen wirkt.
Neben ihm steht seine Schultasche; demnach ist er von der Schule
direkt hierhergegangen. Sicher hat er Hunger.
»In der Küche gibt’s noch Apfelkuchen.« Wyatt hat
bestimmt nichts dagegen, wenn ich Casey ein bisschen
aufpäpple.
Wortlos steht er auf, greift nach seiner Tasche,
tätschelt Mary Lou und folgt mir nach draußen.
Er bleibt stumm, während ich ihm ein Stück Kuchen
in der Mikrowelle aufwärme und ihm ein Glas Milch hinstelle. Erst
als er noch ein zweites Stück verdrückt hat, kommt das Gespräch
allmählich in Gang.
»Es geht um ein Referat«, sagt er mit einem
Seufzer. »Wir müssen es nächste Woche abgeben.«
Wie aufregend! Ich fand Referate immer toll.
Manchmal habe ich mir in den Ferien selbst eins vorgenommen und
viele vergnügte Stunden damit zugebracht, Bilder aus Mums
Frauenzeitschrift auszuschneiden und in mein Sammelalbum von WH
Smith zu kleben.
»Wie lautet das Thema?«
Ein weiterer Seufzer. »Die fünfzig Bundesstaaten
und ihre Flaggen. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Flagge«,
erläutert er lustlos. »Man muss sich einen Bundesstaat aussuchen
und dann das Ganze vor der Klasse vortragen.«
Wo soll da das Problem sein? »Das klingt doch
eigentlich ganz lustig«, sage ich munter.
Aus seinem Blick werde ich nicht recht schlau. »Es
muss mit PowerPoint sein. Und ich habe keinen Computer. Wir hatten
einen, aber der ist kaputt.«
So wie er das sagt, scheint keine Aussicht darauf
zu bestehen, den Computer reparieren zu lassen.
»Tja«, sage ich. »Also ich habe einen Computer und
die allerneueste PowerPoint-Version.« Ich könnte noch anfügen, dass
ich ein absoluter Fan bin, was Präsentationen angeht, aber ich will
lieber nicht zu sehr aufschneiden.
Caseys Miene hellt sich auf. »Ich will Kentucky
nehmen. Da ist Mom geboren.«
Ich kann nicht länger an mich halten. »Warte. Ich
hole meinen Laptop.«
Eine Stunde später kommt Wyatt und findet uns bei
der Feinplanung zu jedem einzelnen unserer zehn Bilder. Er macht
die Küchentür zu, hängt seinen Mantel an den Haken und schnürt
seine Stiefel auf. Ich traue mich nicht zu fragen, wo er gewesen
ist, das könnte wohl doch zu neugierig wirken. Falls es ihn
überrascht, dass Casey und ich seine Küche mit Beschlag belegt
haben, lässt er es sich nicht anmerken.
»Hausaufgaben?«, fragt er und fängt an, sich eine
Kanne Kaffee zu kochen. Wenigstens mit einer Sucht lag ich also
richtig.
»Ja.« Casey sieht nicht hoch. Er liest in seinem
Landeskundebuch. »Alice leiht mir ihren Laptop.«
»Braucht ihr einen Drucker?«, erkundigt Wyatt sich
hilfsbereit.
Casey und ich sehen uns an und verdrehen die
Augen. »Er speichert es auf Diskette, die nimmt er dann mit in die
Schule und lädt alles auf den Computer im Klassenzimmer«, erkläre
ich.
»Verzeihung.« Wyatt hebt die Hände, als wolle er
sich ergeben.
Casey platzt schier vor Begeisterung. »Alice kann
echt tolle Grafiken machen.«
»Lässt du sie denn die ganze Arbeit für dich
machen?«, fragt Wyatt zweifelnd. Er ist ein berühmter
Rock-Pop-Country-Star, aber jetzt und hier hört er sich an wie ein
stinknormaler Vater.
»Ich mache gar nichts für ihn«, verwahre ich mich
energisch. »Ich bin nur seine Beraterin.«
Wyatt hebt den Deckel von dem Kuchenbehälter. »Wo
ist denn der ganze Kuchen hin?«
Ich blinzle Casey zu. Ȇber den hat sich Travis
hergemacht. Wir haben versucht, ihn für Sie zu retten, aber wir
sind zu spät gekommen.«
Wyatt nimmt einen Teller aus dem Oberschrank.
»Erstaunlich geschickt für einen Hund. Kann fest verschlossene
Kuchenbehälter öffnen.« Er dreht sich wieder zu Casey.
»Ich glaube, ich muss irgendwelche Sachen finden,
für die Kentucky berühmt ist«, sagt Casey und kaut dabei am
Bleistiftende. Schulkinder, so wie Schuldirektoren, sind doch
überall auf der Welt gleich.
»Da kann ich dir nicht helfen.« Bis vor einer
Stunde wusste ich nicht mal, wo Kentucky liegt. Jetzt weiß ich es:
südlich von Ohio.
Casey liest aus seinem Schulbuch vor. »Es ist
berühmt für Pferderennen, die Ausläufer der Appalachen erstrecken
sich bis Kentucky, und es ist der Heimatstaat von Johnny
Depp.«
Wyatt blickt über die Schulter zu uns. »Solltest
du nicht auch was über die Bluegrassmusik von Kentucky
sagen?«
Ich lasse Casey hinter Wyatts Rücken ein
gespieltes Gähnen sehen. »Gute Idee«, sage ich und fange an zu
schielen, woraufhin Casey sich vor Kichern nicht mehr halten kann
und unser Spielchen durchschaut ist.
»Schon verstanden«, sagt Wyatt und setzt sich.
Ȇbrigens, Casey, kann sein, dass ich mir noch ein Pferd
zulege.«
Casey blickt interessiert auf.
»Es ist ein Clydesdale. Ich hab ihn mir heute
angesehen. Der Besitzer verkauft alles und zieht nach Florida. Er
ist schon ein alter Knabe, aber dann hätten Rascal und Flatts ein
bisschen Gesellschaft.«
Casey nickt. »Ein älteres Pferd wird sie ruhiger
machen«, erklärt er weise.
Er ist einfach so was von süß. Wyatt und ich
tauschen einen Blick. Dann nehme ich mir wieder die anstehenden
Aufgaben vor. Soweit ich weiß, hat Bob von unserer Technikabteilung
noch ein paar alte Werbefotos von Johnny Depp auf Diskette, die vor
ein paar Jahren bei einer Party von Carmichael Music entstanden
sind und die wir nie verwertet haben. »Wie fändest du es, ein
exklusives, noch nie irgendwo abgebildetes Foto von Johnny Depp zu
verwenden?«, frage ich Casey, dem der Unterkiefer
herunterklappt.
»Sie sollten sich bei Gelegenheit mal ein paar
Bluegrassbands aus Kentucky anhören, Alice«, sagt Wyatt und legt
die Füße auf einen Küchenstuhl.
Ich bin etwas abgelenkt, weil ich gerade mit der
Toolbar für Animationen herumspiele und das Emblem des Bundesstaats
Kentucky in Pirouetten und Purzelbäumen über den Bildschirm
jage.
»Hmmm«, mache ich. Dann kommt mir eine Idee. »Hey,
Casey. Machst du auch ein Handout für die Klasse?«
Er zuckt mit den Achseln. »Weiß nicht.«
»Du könntest doch ein Handout mit dem Titel
›Amüsantes & Wissenswertes‹ machen. Schau her, ich zeige dir
ein paar Schrifttypen, die du dafür hernehmen könntest.«
Casey steht auf und sieht mir über die
Schulter.
»George Clooney ist in Kentucky geboren«, sagt
Wyatt, was nur als Witz gemeint sein kann.
Wir starren ihn beide ungläubig an. »Ist er
nicht!«, rufen wir im Chor.
Wyatt hebt die Schultern.
Casey und ich signalisieren einander mit einem
Blick, dass es Zeit wird, wieder an die Arbeit zu gehen. »Wie
wär’s, wenn du ein paar witzige Infos über Kentucky im Internet
heraussuchst?«, schlage ich ihm vor. Ich speichere die
PowerPoint-Präsentation, gehe online und tausche den Platz mit
ihm.
»George Clooney ist wirklich in Kentucky geboren«,
sagt Wyatt. Schweigen. »Wollen wir wetten?«, setzt er in
diabolischem Flüsterton hinzu. Dann blickt er links und rechts über
die Schulter und wispert: »Ihr müsst aber versprechen, Bruce nichts
davon zu sagen.«
Ich bin mir sehr sicher, dass George Clooney der
Sohn von Rosemary Clooney ist, einer berühmten Sängerin, und
deswegen in Hollywood oder einem ähnlich glanzvollen Ort geboren
ist. »Ich möchte Sie nicht um Ihr Geld bringen«, sage ich
gelassen.
Daraufhin schenkt er mir ein Lächeln, das, wenn
unser Verhältnis nicht ein rein professionelles wäre, glatt als
kleiner Flirtversuch durchgehen könnte.
»Es muss ja nicht um Geld sein.« Er sieht mich mit
großen
Augen an. »Sondern zum Beispiel um das letzte Stück Kuchen
hier.«
Wir sehen beide zu dem weißen Porzellanteller hin.
Ich muss an diesem Punkt einräumen, dass Heidis Apfelkuchen
ziemlich lecker ist (wahrscheinlich der Hauptgrund, warum Wyatt
sich mit ihr trifft) und ich im Geiste das letzte Stück schon für
mich reserviert habe. Ich lehne mich lässig zurück. Zum Glück weiß
ich dank der Broschüre Bescheid über den Zug zum Maßlosen in der
Persönlichkeit von Alkoholikern, die häufig verbotene Spielhöllen
und andere Brutstätten des Lasters aufsuchen.
Wyatt, in Stimmung für eine - wenn auch noch so
alberne - Wette, will es offenbar tatsächlich mit mir
aufnehmen.
»Abgemacht«, sage ich und halte seinem Blick
stand.
Er verschränkt die Hände hinterm Kopf und lehnt
sich ebenfalls zurück.
Ein paar Sekunden später sieht Casey vom Computer
auf und betrachtet mich bekümmert. »George Clooney ist in Kentucky
geboren.«
»Was!« Das ist ein schwerer Schlag.
Wyatt zieht eine Augenbraue in die Höhe und
schüttelt den Kopf. »Wenn ich es nicht besser wüsste, Alice, würde
ich Sie für eine geborene Spielerin halten.« Seine Miene ist
todernst. »Ich habe ein paar Bücher über Spielsucht, die könnte ich
Ihnen leihen.«
Es bleibt mir erspart, mir eine geistreiche
Retourkutsche auszudenken, denn nun liest Casey aus George Clooneys
Internet-Biografie vor. »Er wurde in Lexington, Kentucky, geboren.«
Wyatt steht auf und schlendert in Richtung Kuchen. »Er besuchte die
Highschool in Augusta, Kentucky.« Wyatt kramt mit viel Getöse eine
Gabel aus der Schublade.
Dann kommt Casey zu Clooneys Anfängen im Showbusiness. »George
hatte einflussreiche Verwandte. Die berühmte Sängerin Rosemary
Clooney ist seine Tante.«
Seine Tante!
Ich kaue noch an diesem Brocken, da passiert etwas
völlig Unerwartetes. Wyatt fängt leise an zu singen. Es ist
»American Pie« von Don MacLean.
»Bye, bye, Miss American Pie
…«
Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Man stelle
sich vor - jemand, dessen Stimme man schon hundert Mal gehört hat,
steht plötzlich vor einem und singt. Nein, mehr als das, er singt
für mich, Wort für Wort perfekt, tief und
kehlig wie Johnny Cash, aber nicht so rau. Er hat eine absolut
umwerfende, fantastische Stimme. Dann fange ich an zu lachen.
Obwohl ich ihn kaum kenne und in ein paar Tagen wieder nach Hause
fliege, obwohl ich meinen Job so gut wie los bin und wahrscheinlich
doch Stephen heiraten werde, weil mich sonst niemand will, trotz
alledem lache ich, als hätte ich nicht die kleinste Sorge auf
dieser Welt, lache, wie ich seit Jahren nicht mehr gelacht
habe.