25. Der Krieg beginnt
 
 
Ich hörte einen lauten Schmerzensschrei, der aus dem Wohnzimmer kam. Istvan! Dann hörte ich sie auch. Die dröhnend schrillen Sirenen, die Feueralarm signalisierten. So schnell ich konnte lief ich von meinem Zimmer die Treppen hinunter und entdeckte ihn auf dem Sofa, wie er sich fest die Ohren zupresste. Jedes Mal, wenn das Heulen losging, folterte es ihn quälend.
„Es brennt“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Ich nickte schnell und setzte mich zu ihm, obwohl ich Istvan gar nicht helfen konnte. Sein ganzer Körper war schmerzhaft verkrampft. Meine Beine fingen unwillentlich zu zucken an, ungeduldig. Er wusste, was ich wusste. Wenn es wirklich einen Brand gab, dann müsste ich eigentlich da draußen sein, um davon zu berichten. Doch gegen meinen Instinkt bekämpfte ich den Drang, nach draußen zu laufen und meinen Job zu tun, weil ich solange bei ihm bleiben wollte, bis zumindest die Geräuschattacke vorbei sein würde. Als das letzte Heulen abschwoll, sagte er sofort danach:
„Los, geh schon!“
Jetzt zögerte ich nicht mehr. Ich schnappte mir meine Kameratasche und einen Reserve-Akku, weil ich mich nicht erinnern konnte, wann ich den anderen zuletzt geladen hatte. Als die Tür meines Elternhauses zufiel, hörte ich noch, dass er mir etwas nachschrie. „Ich komme nach, damit wir nicht zusammen gesehen …“ Der Rest ging unter. Ich hetzte zum Auto und fuhr den anderen Schaulustigen hinterher, die zum westlichen Dorfrand pilgerten, wo ich die Rauschschwaden zuerst sah und dann auch riechen konnte. Das Auto füllte sich mit dem Gestank von brennendem altem Holz und winzigen Staubpar-tikeln. Zwei Feuerwehrwagen standen links und rechts von dem Gebäude, das lichterloh brannte. Die Feuerwehrmänner liefen leicht panisch, aber nicht unorganisiert umher und taten alles, um den Brand einzudämmen. Die Sache sah zwar schlimm aus, aber als ich erkannte, dass es eines der uralten Bauernhäuser erwischt hatte, die schon seit ewigen Zeiten nicht mehr bewohnt waren, war ich erleichtert. Schließlich gab es keine betroffenen Menschen und das alte Gebäude gehörte auch niemandem. Es war nur wichtig, das Feuer zu löschen, damit es nicht auf die angrenzenden Häuser übergreifen konnte. Ich konzentrierte mich darauf einigermaßen gute Fotos hinzubekommen, da ich, solange hier noch Chaos herrschte, mit niemandem darüber sprechen konnte, was passiert war. Als ich ein paar Mal mit der Kamera zu nah an die Sache herankam, brannte mir das Gesicht, als wäre der Sommernachmittag nicht schon heiß genug. Ich versuchte neben der Feuersbrunst einige Schaulustige auf die Bilder zu bekommen, damit es etwas lebendiger wirkte. Zu sehr in meine Arbeit vertieft, hatte ich gar nicht gemerkt, dass Istvan neben mir stand. Kurz zuckte mein Blick vom Sucher zu ihm. Er stand wie angewurzelt da, kerzengerade und starrte ungläubig und mit völlig ausdrucksloser Miene auf das brennende Bauernhaus. Er blinzelte nicht einmal. Wieso war er so weggetreten?
Ich nahm die Kamera von meinem Gesicht und starrte ihn lange an. Er schien mich gar nicht zu bemerken, hatte nur Augen für das Feuer vor ihm, das sich in seinen aufgerissenen Augen spiegelte. So gerne ich ihn auch ansprechen wollte, ich wagte es nicht. Nicht, wenn er so aussah, als wäre er völlig gelähmt. Was war bloß los mit ihm? Zu viele Leute standen um uns herum. Jeder war neugierig und wollte wissen, was los war. Hier konnte ich nicht einfach an seinem Ärmel ziehen und vertraut rufen: „Komm zu dir!“ Aber ich war dennoch kurz davor. Dann endlich! Er blinzelte, schweifte mit seinen Augen wildsuchend über die Menge und fand schließlich mein Gesicht. Er sah aus, als hätte ihn jemand in den Magen geschlagen.
„Das ist mein Elternhaus, das da brennt“, sagte er emotionslos. „Da drinnen wurde ich geboren“, fügte er ebenso teilnahmslos hinzu. Nur seine Augen waren kurz davor zu zerspringen. Was bedeutete das? Wieso war sein Geburtshaus in Flammen aufgegangen? Ich sah auf der Suche nach Antworten zurück in die Flammen, die gierig an der halb verfallenen -Steinmauer entlang züngelten, als würden sie uns ihre Macht demonstrieren wollen. Obwohl um uns herum der Teufel los war, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl, als ob zwischen uns Totenstille herrschen würde, ehe er erneut sprach. Doch dieses Mal waren seine Worte weder beherrscht, noch emotionslos.
„Er“, knurrte Istvan zornig. „Er“, wiederholte er erbost.
„Du denkst, dass er dein altes Zuhause abgefackelt hat. Wozu?“
„Das ist eine verdammte Kriegserklärung. Und eine ziemlich persönliche noch dazu … gut, kann er haben“, zischte er und war dabei, voller Zorn zu verschwinden. Doch jetzt zögerte ich nicht mehr und zerrte an seinem T-Shirt.
„Warte!“, schrie ich und blickte mich besorgt um. Alle hatten aber nur Augen für die Brandkatastrophe. „Was hast du vor?“, fragte ich panisch. Er hörte mich gar nicht an, befreite sein Shirt aus meinen Fingern und gab mir keine Antwort. „Istvan, bitte! Mach nichts Dummes!“, flüsterte ich zu ihm hoch. Er presste die Zähne aufeinander.
„Tu einfach deine Arbeit, Joe. Schreib deine kleine Story über den verfluchten Brand. Du tust, was du tun musst, und ich auch.“
„Nein, verdammt! Was hast du vor?“, schrie ich beinahe vor allen.
„Was denkst du denn?“, fragte er anmaßend.
„Ich denke, dass du vor lauter Wut rot siehst und dabei bist, einen schrecklichen Fehler zu machen, aber das werde ich nicht zulassen … und wenn ich hier vor allen Leuten mit dir einen Streit anfangen muss, damit du Farkas nicht ins offene Messer läufst, dann werd ich es tun. Ich warne dich!“, drohte ich ihm mit zitterndem Zeigefinger.
Er maß mich mit den Augen, ehe er unzufrieden zischte:
„Fein. Dann warte ich bei mir, bist du fertig bist.“
„Und du gehst auch nicht in den Wald?“, fragte ich mit flatterndem Magen. „Ich werde zu Hause bleiben, bist du kommst. Mehr kann ich nicht versprechen, Joe“, murmelte er, bevor er mit hängendem Kopf davonging, die Hände tief in die Jeanstaschen vergraben. Ihn auf diese Weise von mir weggehen zu sehen, war auf eine unheilvolle Weise schrecklich. Ich musste ihm lange nachgestarrt haben. Denn als der Brandschutzmeister mich ansprach, wäre ich fast hochgeschreckt.
„Sie sind die Frau vom Lokalblatt.“ Es war keine Frage, dennoch nickte ich. „Der Bürgermeister wollte, dass wir uns unterhalten.“
Toll, dass er mir die Arbeit abnimmt, dachte ich.
„Ja, was ist hier eigentlich passiert? Was hat den Brand verursacht?“, fragte ich zerstreut. Geht es Istvan gut? Er hat mich doch nicht angelogen und wird in den Wald gehen? Bitte nicht!
„Der Nachbar von schräg gegenüber, Huber, hat Rauch gemeldet. Wir sind sofort ausgerückt, aber der Brand hat sich sehr schnell ausgebreitet. Wir vermuten, dass Benzin im Spiel war. Normalerweise brennen diese feuchten alten Trümmer nicht derart schnell. Wer dahinter steckt, wissen wir noch nicht, aber die Polizei wird ermitteln.“
Ich nickte abwesend und notierte mir alles. Man konnte ihm anhören, dass er all das an mich weitergab, was er zusammen mit dem Bürgermeister und dem Polizeibeamten abgesprochen hatte. Normalerweise hätte ich nachgehakt, wäre herumgegangen und hätte mehrere Zeugen um einen Kommentar gebeten. Aber in diesem Fall ließ ich es dabei bewenden, einen Mann neben mir zu fragen, was er über den Brand zu -sagen hatte. Ich sah ihm noch nicht mal in die Augen, versteckte mich hinter meinen Notizen, als wäre ich ein Verdächtiger, der hier besser nicht allzu viel auffiel. So schnell ich konnte, eilte ich zum Auto, um den Laptop zu holen. Ich fuhr zurück zur Hauptstraße und ging in das einzige kleine Café, das es in St. Hodas gab, dort tippte ich den Artikel mechanisch in den Computer. Ich wollte Istvan nicht zumuten zu sehen, wie ich darüber schrieb, und log, dass ein unbedeutendes altes Bauernhaus durch einen unbekannten Feuerteufel abgebrannt worden war. Ein Foto für das Lokalblatt auszuwählen, kam mir derart schäbig vor, dass ich mich fast schon schmutzig fühlte. Oh Gott! Istvan muss vorhin gesehen haben, wie ich sensationslüstern um den Brandherd getänzelt bin, um möglichst gute Bilder davon zu bekommen, dachte ich bekümmert. Die Vorstellung ließ mich erschauern. Ich musste mich schütteln, um nicht mehr daran zu denken. Den dritten Kaffee trank ich nur noch, um irgendetwas zu tun, was mich beschäftigte.
Als ich den Motor meines Wagens abstellte und langsam zu ihm ging, hatte ich ein ganz schlechtes Gefühl. Ich sagte mir, dass ich alles aushalten könnte, solange er nur nicht mit dieser Wut im Bauch alleine in den Wald gegangen war. Nur das nicht!, flehte ich.
Bevor ich die Türklinke noch erreicht hatte, hörte ich schon das Splittern von Glas. Schnell riss ich die Tür auf und stürmte ins Wohnzimmer, wo ich Istvan neben einer zerschmetterten Glasvase fand. Sein Gesicht war blutrot. Kann man vor Wut zerspringen?
Sein Blick schnellte in meine Richtung, ohne dass der Zorn aus seinem Gesicht verschwand.
„Sag mir, was soll ich noch alles einstecken, hm? Wie viel noch!“, schrie er. Ich zuckte zusammen und wich instinktiv einen Schritt zurück. Das Fass war definitiv am Überlaufen.
„Toll“, tobte er bitter, „jetzt bring ich dich noch dazu, vor mir zurückzuweichen. Er kriegt eben immer, was er will. Dieser …“
Vor lauter Zorn verschlug es ihm die Sprache. Er stammelte und suchte verzweifelt nach dem passenden Wort. Als ihm keines einfiel, schmetterte er seine Faust mit voller Wucht auf den Couchtisch. Ungläubig starrte ich auf den Riss im Holz, den sein Schlag hinterlassen hatte. Stark und wütend war keine gute Kombination. Aber er lag falsch. Vor ihm hatte ich keine Angst. Ich hatte nur Angst davor, dass er sich in diesem Zustand ins Unglück stürzen könnte.
„Hey!“, rief ich, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Niemand versteht besser als ich, wie es ist, wenn man Farkas endlich für alles bezahlen lassen möchte. Ich hab’s nicht vergessen, dass er mich eiskalt ins Wasser geworfen hat. Doch selbst wenn ich es könnte, würde ich nicht einfach in den Wald laufen, seine Fährte aufnehmen und ihn alleine herausfordern, wenn er mit seiner ganzen Meute auf mich warten würde! – Denn das würde er! – Nicht, wenn ich wüsste, dass ich dich dann zurücklassen müsste und vielleicht nie wieder zurückkommen könnte …“, sagte ich sauer und hielt den Nervenzusammenbruch so gut ich konnte zurück. Er starrte mich fassungslos an. Ich ließ mich auf das Sofa sinken und drückte die Handballen auf die Augen. Ich war ziemlich fertig und wusste, dass es ihm noch schlimmer ging, als er sich kraftlos neben mir niederließ.
„Daran hatte ich nicht gedacht“, gab er kleinlaut zu.
„Man denkt nicht geradeaus, wenn man so wütend ist. Schon klar. Nur … mach so was nicht! Er hofft doch genau auf so eine Reaktion. Er würde dich mir wegnehmen“, stammelte ich verheult. „Das kannst du nicht zulassen. Kannst du nicht“, beharrte ich störrisch. Es war noch immer genug Zorn in ihm, das war nicht zu übersehen, dennoch umarmte er mich sanft. Innerlich grollend. Istvan versuchte, seine Rage wegzuatmen.
„Tut mir leid, dass ich nicht daran gedacht habe. Aber das Haus meiner Mutter in Flammen aufgehen zu sehen, hat mir den Rest gegeben. Vielleicht ist es gut, dass es passiert ist. Uns läuft ohnehin die Zeit davon. Wir sollten endlich ernst machen“, sagt er, um Ruhe in der Stimme bemüht. Ich entzog ihm unsanft meine Schulter, um vom Sofa hochzukommen. Jetzt war ich diejenige, die bewusst atmend auf und ab ging. Er starrte mir nach, als verfolge er eine spannende Entscheidung meinerseits. Doch ich war ratlos. Was gab es auch zu sagen oder zu entscheiden? Er hatte ja recht. Aber auch wenn ich wusste, dass wir uns Farkas, dass er sich Farkas, letzten Endes stellen musste, bevor wir weggehen konnten, um in Frieden zusammenzuleben, wollte ein Teil von mir genau das um jeden Preis verhindern. Schließlich gab es keine Garantie dafür, dass wir ihn besiegen würden. Wenn ich nur etwas in der Hand hätte, etwas, das helfen könnte, die Waage zu unseren Gunsten zu neigen. Etwas, das eine direkte Konfrontation vorerst vermeiden würde. Ich brauchte einen Vorteil. Irgendetwas. Ich dachte darüber so verzweifelt nach, als müsste ich über Istvans Leben und Tod entscheiden. Das versetzte meinen Verstand derart in Rage und Panik, dass Antworten und Bilder wie sekundenschnelle Blitze vor meinem geistigen Auge abliefen. Ich dachte vor allem an Farkas letzten Angriff. Wie zur Hölle konnte er aus dem Nichts auftauchen? Wie konnte es sein, dass sich seine Fährte einfach so im Wald verlor, als würde er sich mitten im Nirgendwo in Nichts auflösen? Wie …?
Und dann war sie da. Einfach so. Die Antwort. Es konnte nur so sein.
„Istvan?“, sagte ich unheilvoll.
Er starrte zu mir hoch. „Ja?“ Auch seine Stimme war seltsam rau, ganz anders als dieser wunderbare Ton, der mich sonst einhüllte.
„Ich denke, ich weiß, wie Farkas einfach so auftauchen kann, ohne dass ihr seine Spuren verfolgen könnt“, sagte ich schlicht.
Istvan schreckte sofort hoch und riss an meiner Schulter.
„Was? Woher denn?“, wollt er von mir wissen.
„Keine Ahnung. Die Antwort war einfach so da. Und ich bin mir ziemlich sicher.“
„Dann los, raus damit!“, zischte er gereizt. Wir setzen uns wieder. Rutschten aber beide unruhig auf dem Sofa hin und her und starrten uns an.
„Es kann nur so sein“, schickte ich voraus, „die Lockenburg, Istvan. Du musst doch auch diese alten Geschichten von den Tunneln der Burg kennen, die bis tief in den Wald hinein führen. Gerade du“, versuchte ich ihm zu erklären. Er starrte mich weiterhin an, bis ich ein vages Verstehen in sein Gesicht kommen sah.
„Du glaubst, dass er diese uralten Tunnel benutzt. Aber keiner kennt die Ausgänge oder weiß, wo sie liegen.“
„Ja, aber ich bin deshalb darauf gekommen, weil ich mich an etwas erinnert habe. Als Kind bin ich oft mit meinem Großvater im Wald spazieren gegangen und er hat mir dann von diesen vielen unterirdischen Gängen erzählt, die in alten Zeiten als Fluchtmöglichkeit von den Burgbewohnern benutzt wurden. Anfangs hab ich ihm nicht geglaubt. Ich sagte vorlaut, wie ich war, er wolle mich nur hochnehmen und vor mir mit alten Geschichten prahlen. Doch er hat mich zu einer Stelle geführt, wo einer der verschütteten Ausgänge zu sehen ist. Und Istvan … wenn es einen verschütteten Ausgang gibt, ist es mehr als wahrscheinlich, dass auch noch intakte Tunnel da sind“, versuchte ich ihm klarzumachen.
„So macht er es also“, murmelte er für sich selbst. „Kein Wunder, dass wir ihn nicht aufspüren können. Unter der Erde hören wir weder seinen Herzschlag, noch dringt sein Geruch von da unten durch. Dieser miese, clevere Bastard!“, spie er hart aus.
„Er muss entweder einen Zugang in der Burg gefunden haben, oder er hat einen direkten Waldzugang, einen Riss oder etwas Ähnliches, entdeckt“, dachte ich laut nach.
„Ich glaube nicht, dass er in der Burg war. Er ist bestimmt durch Zufall bei seinen Überwachungstouren darauf gestoßen“, meinte er und ich konnte fühlen, wie ihn das Grübeln etwas entspannte, worüber ich erleichtert war.
„Valentin sollte das wissen“, sagte er zu mir gewandt. „Und das andere erzähle ich ihm besser auch.“ Ich nickte nur.
Bevor er das Handy benutzte, kam er noch mal zurück und blickte zu mir herab.
„Zwischen uns ist doch alles in Ordnung, oder?“, fragte er besorgt.
Sein trauriger Blick bewies, dass er sich deswegen wirklich Sorgen machte. Ich stand auf und stellte mich ganz dicht vor ihn hin.
„Zwischen uns ist alles in Ordnung“, versicherte ich ihm und legte meine Stirn an seine. Er löste sich gar nicht von mir. Mit jeder verstreichenden Sekunde wichen Wut und Traurigkeit mehr und mehr von ihm, als wir so beieinander waren. Immer noch an mich gelehnt, nahm er das Handy und telefonierte mit Valentin. So schnell und knapp er konnte, verschaffte er ihm einen Überblick über die Lage. Bevor er noch auflegen wollte, unterbrach ich ihn, mein Gesicht widerwillig von ihm lösend.
„Bevor du auflegst, sag ihm, dass ich eine Idee habe, wie wir diese Information zu unserem Vorteil nutzen können. Sag ihm, dass wir zu ihm kommen … sofort“, sagte ich schnell.
Istvan musste meine Worte nicht wiederholen. Valentin hatte alles verstanden. Istvan ließ das Handy elegant in seiner Jeans verschwinden.
„Er wartet auf uns.“ Ich wandte mich um, um meine Tasche zu nehmen, aber Istvan hielt mich am Unterarm fest und fragte mich ernst: „Was hast du vor, Joe? Du machst doch jetzt nichts Unvernünftiges, nur weil ich vorhin fast durchgedreht bin?“
„Keine Sorge. Mein Plan ist die personifizierte Vernunft. Na ja, wenn er funktioniert“, beruhigte ich ihn zumindest.
„Und der Plan ist …?“,
„Der Plan ist, Farkas aus seinem Bau zu locken. Ihn mit meinem Herzschlag zu ködern, damit ihr aus dem Hinterhalt angreifen könnt.“ Umgehend wich alle Farbe aus seinem Gesicht, bevor er beherrscht brummte: „Wenn du denkst, dass ich dich und deinen Herzschlag als Köder einsetze, dann hast du sie nicht mehr alle!“ Ich legte ihm die Hand an die Wange. Sein Kiefer zuckte.
„Istvan, ich würde es ja persönlich machen, wenn es sein müsste, aber das wird nicht nötig sein. Denn dieses Mal werde ich ihn so reinlegen, wie er mich reingelegt hat. Wirst schon sehen“, sagte ich und konnte mir ein boshaftes Lächeln nicht verkneifen.
„Nein, nein, nein. So nicht. Erzähl’s mir, bevor wir damit die anderen schockieren, Joe“, forderte er. Es war klar, dass ich keine Wahl hatte.
„Also, wir benutzen das hier“, sagte ich und zog mein Diktiergerät samt Minimikrofon aus meiner Reportertasche, „um eine Aufnahme von meinem Herzrhythmus zu machen. Das platzieren wir dann in der Nähe eines Tunnelausgangs und warten darauf, dass Farkas kommt, um die Gelegenheit zu nutzen. Ich weiß, wenn er denkt, er bekommt mich in die Finger, wird er nicht zögern, um mich anzugreifen. Dann habt ihr die beste Chance, ihn zu erwischen. Vielleicht ist er sogar allein, wenn wir Glück haben.“ Istvan war verblüfft. Na vielen Dank auch! Ich versuchte es nicht persönlich zu nehmen, dass er mich anscheinend bisher nicht für so schlau gehalten hatte.
„Das ist genial“, triumphierte er. Schon besser!
„Dein Glück, dass du mehr auf Geist und weniger auf Aussehen setzt“, neckte ich ihn mit einem halben Lächeln.
„Blödsinn! Ich will alles. Schönheit und Grips … deshalb hab ich ja auf dich gewartet“, säuselte er in mein Ohr und schenkte mir ein wunderbar schiefes Grinsen, durch das ich mich unbeschreiblich lebendig fühlte. Zu lebendig.
„Bevor wir jetzt wieder Dummheiten machen, weil du unbedingt mit dem Süßholzraspeln anfangen musstest, lass uns lieber zu Valentin fahren und die Sache amtlich machen“, schlug ich vor. Hatte ich das wirklich gesagt? Dumm. So dumm!
„Ja, du hast recht. Wir dürfen uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Vor allem, da uns der Vollmond in die Quere kommt, wenn wir den Plan nicht möglichst bald durchführen“, merkte er an.
Daran hatte ich gar nicht gedacht. Also hing jetzt alles davon ab, dass wir schnell handelten. Soll mir nur recht sein, dachte ich, nach dem heutigen Tag ist alles besser, als untätig zu sein. Besonders da Istvan bestimmt keine weiteren Provokationen ertragen wird, ohne endgültig die Nerven zu verlieren …