24. Kapitel
Jon saß auf einem seiner Sitzsäcke, hatte seinen Helm im Schoß und – wie er wohl wusste – einen verklärten Ausdruck im Gesicht. Er bekam das Grinsen einfach nicht weg, obwohl am Nachmittag – erstmals an einem Samstag – eine große Konferenz zum Parsifal-Projekt angesetzt war und er auch nicht annähernd vorbereitet war, diese zu leiten. Statt sich auf die nächsten Schritte zu konzentrieren, die für ihn und sein Team in Parsifal anstanden, ließ er innerlich immer wieder Szenen aus der vergangenen Nacht an sich vorüberziehen.
Beth hatte sich als ausgesprochen enthusiastische Partnerin erwiesen, auch wenn sie ihm vielleicht eine Spur zu sportlich und zu hektisch gewesen war. Jon hatte sie bremsen müssen wie einen nervösen Hund. Jedes Mal, wenn sie in eine neue Position springen wollte, hatte er sie mit seinen Händen und seiner Zunge – und manchmal auch, indem er seine Brust gegen sie drückte – auffordern müssen, doch etwas langsamer zu machen. Er wollte, dass sie jedes Streicheln, jede Liebkosung, jeden Zungenschlag voll auskostete.
Und als sie es dann ein wenig entspannter anging, schien sie großen Spaß daran zu haben. Er merkte, dass sie über jede Menge Erfahrung verfügte, hegte aber den Verdacht, dass sie mehr Übung darin hatte, die Erwartungen der Männer zu erfüllen, als darin, es selbst zu genießen. Als sie sich das erste Mal geliebt hatten, war er viel zu schnell gekommen. Das hatte ihm aber beim zweiten Mal einen Vorteil verschafft, und unter Zuhilfenahme seiner Hand und mit langsamem Streicheln erreichte er, dass auch sie kam.
Zumindest glaubte er das. Jon seufzte. Die Nacht mit Beth hatte seine Einstellung völlig verändert. Er war selbst überrascht, als er merkte, wie wenig ihn auf einmal störte, dass er sie nicht besonders gut kannte und sie eigentlich gar nicht sein Typ war. Es hatte ihnen einfach nur Spaß gemacht. Nur eines gefiel ihm am Sex mit einer fast Fremden nicht: dass man nie sicher sein konnte, ob die Partnerin auch gekommen war. Mit seiner letzten Freundin hatte er ausgemacht, dass sie keinen Orgasmus vortäuschen würde. Er hoffte, dass auch Beth das nicht getan hatte, aber ganz sicher war er natürlich nicht. Jon betrachtete den Tisch in seinem Büro und stellte sich die Gesichter der Leute aus seiner Abteilung vor, die in der nächsten halben Stunde alle hier sitzen und ihn anschauen würden. Keiner von denen würde sich wohl annähernd so gut und entspannt fühlen wie er in diesem Augenblick. Oder so unmotiviert. Oder so unvorbereitet. Er hoffte nur, dass sie nicht so faul gewesen waren wie er.
Als die Zeit für die Konferenz gekommen war, konnte er sich einfach nicht auf die anstehenden Themen konzentrieren. Immer wieder wurde er von Visionen der vergangenen Nacht heimgesucht: Seine Hand, die sich auf Beth’ Rücken bis in die Mulde knapp oberhalb ihrer Hüfte bewegte; die Art, wie ihre Lider zuckten, wenn er ihr langsam mit der Hand vom Nacken zur Brust strich. Er fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe und dachte an ihre Brustwarzen und daran, wie sie sich zwischen seinen Lippen angefühlt hatten. Er spürte, wie sich in seiner Hose etwas regte, und dachte, er sollte sich doch besser auf Parsifal konzentrieren, da er während der Konferenz die meiste Zeit stehen musste.
Beth war ja ganz nett, aber auch ein bisschen albern. Wenn er nicht nach Tracies Regeln gespielt hätte, hätte er gar nicht gewusst, worüber er sich mit ihr hätte unterhalten sollen. Trotzdem zog es ihn zum Telefon. Er wollte sie anrufen. Nein, er wollte nicht mit ihr reden, er wollte sich nur irgendwo mit ihr treffen, um es sofort noch einmal zu machen.
Mehr und mehr begriff er, dass in der Liebe und im Krieg alles erlaubt war. Es war ja nicht so, dass sein Vater oder Phil die Frauen nicht mochten, mit denen sie anbändelten. Sie mochten sie nur nicht genug. Sex mit einer Fremden – und das war Beth praktisch für ihn – konnte eine Menge Spaß machen, doch danach hatte man sich nicht viel zu sagen.
Wieder klingelte das Telefon, doch getreu Tracies Anweisungen hob er nicht ab. Für seine Arbeit war das nicht unbedingt optimal, aber wenn er an vergangene Nacht dachte, wusste er, dass es die Sache wert war. Jon grinste. Der Gedanke, dass er es jederzeit wieder tun könnte, turnte ihn an. Er dachte an die Frauen, die heute zur Konferenz kommen würden: Elizabeth, Cindy und Susan. Er würde zwar nie etwas mit einer Frau anfangen, die für ihn arbeitete, aber Samantha war eine andere Geschichte. Jon fragte sich, ob sein neuer Look auf Samantha wirken könnte. Wieder läutete sein Telefon, und wieder ignorierte er es. Seine Assistentin rief bei allen Leuten an, um sie an die Konferenz zu erinnern. Erneut klingelte es, und verärgert schaltete er die Anruferkennung – es war Tracie.
Er griff schon nach dem Hörer, hielt dann aber plötzlich inne. Die Sache war ihm irgendwie peinlich. Er kannte Tracie; sie war nicht umsonst Reporterin. Sie würde ihn nach allen Einzelheiten ausquetschen, und irgendwie fühlte er sich nicht wohl bei dem Gedanken, Tracie zu erzählen, welchen Spaß er mit ihrer Freundin Beth gehabt hatte. Andererseits konnte er unmöglich so tun, als hätte es ihm keinen Spaß gemacht. Er lehnte sich im Sitzsack zurück, und als dieser seufzend Luft abgab, seufzte auch er. In gewisser Weise verdankte er die letzte Nacht Tracie, ebenso wie die vielen Nächte, die er noch vor sich hatte. Aber aus irgendeinem Grund wollte er mit ihr nicht darüber reden.
Er hatte Beth’ Wohnung so verlassen, wie Tracie es ihm eingetrichtert hatte, aber sollte er sie nicht doch besser anrufen? In diesem Punkt ging Tracie einfach zu weit. Aber trotzdem – ihr Rezept hatte gewirkt. Und wenn er ehrlich mit sich war, wusste er auch, dass er an einer Beziehung mit Beth nicht interessiert war. Was sollte er also tun? Beth sagen, dass er sie wieder sehen wollte, aber nur zum Sex? Tracie anlügen und so tun, als wäre es zum Sex gar nicht gekommen? Beth verraten, indem er Tracie von der Nacht erzählte?
Seine Assistentin Lauren steckte den Kopf ins Büro. »George sagt, er hat den Zeitplan noch nicht fertig«, erklärte sie ihm. Jon sprang augenblicklich auf. »Verdammt! Wie sollen wir ohne Zeitplan die einzelnen Schritte aufeinander abstimmen?«, fragte er. »Wir haben fest mit ihm gerechnet.«
Lauren zuckte mit den Achseln. »Er behauptet, er hätte mehrmals vergeblich versucht, Sie zu erreichen.«
»Er hat keine Nachricht hinterlassen«, meinte Jon. Er verschwieg allerdings, dass er seine Mailbox dahingehend manipuliert hatte, dass das Gerät immer einen vollen Nachrichtenspeicher meldete. Lauren zuckte noch einmal mit den Achseln und ging. Scheiße, dachte Jon; während er bei den Frauen zum Zug kam, wäre für Parsifal der Zug beinahe abgefahren.
 
Er musste seine E-Mails durchsehen, sich eine Kopie des Database-Reports besorgen und seinen Anrufbeantworter abhören. Obwohl Tracie angeordnet hatte, dass er sich von seinem Anrufbeantworter trennte, konnte er das in der Arbeit unmöglich tun. Da er normalerweise zu Hause jeden Tag fünf oder sechs Anrufe von Kollegen bekam, war schon die Abschaffung seines privaten Geräts traumatisch gewesen. Und der Trick mit dem vollen Speicher war natürlich auch gefährlich, wie die Sache mit George und dem Zeitplan gezeigt hatte. Er schaltete also den Anrufbeantworter ein und begann, ihn mit dem Stift in der Hand abzuhören. »Sie haben siebenundzwanzig neue Nachrichten.« Jon stöhnte. Allein um die abzuhören, brauchte er bis zum Beginn der Konferenz.
Die erste Botschaft kam von Tracie. »Ich hab dich zu Hause angerufen, aber du hast nicht abgehoben. Bist du deprimiert? Wie ist es denn so gelaufen? Ruf mich an.«
Die zweite war ebenfalls von Tracie. »Ich hab’s inzwischen noch mindestens viermal bei dir zu Hause probiert. Ich muss unbedingt wissen, wie es gelaufen ist. Hör mal, sie ist es gar nicht wert, dass du wegen ihr Trübsal bläst. Du wirst andere haben.«
Jon musste lächeln, obwohl er auch ein schlechtes Gewissen hatte, weil er sich immer noch nicht bei Tracie gemeldet hatte. Der dritte Anruf war von seiner Mutter. »Hallo Jonathan. Ich weiß ja, dass du bestimmt sehr viel um die Ohren hast, aber ich würde gern mal mit dir reden. Sehr dringend ist es nicht, aber wenn du mal ein paar Minuten erübrigen kannst, ruf mich doch bitte an.«
O Gott. Er hatte sich seit Muttertag nicht mehr bei ihr gemeldet. Natürlich glaubte sie jetzt, dass er wie immer voll mit Arbeit eingedeckt war. Er nahm sich vor, sie noch am selben Abend anzurufen.
Der vierte Anruf war wieder von Tracie, aber vom Morgen des heutigen Tages. »Wo steckst du bloß?«, fragte sie. »Komm schon, ruf mich an. Ich bin in der Redaktion. Von Beth hab ich noch nichts gehört. Hoffentlich hast du sie nicht umgebracht.« Der nächste Anruf klang reichlich atemlos, und einen Augenblick lang dachte er, es sei wieder Tracie, die sich einen Spaß erlaubte – bis er merkte, dass es Beth war.
»Hallo«, flüsterte sie. »Die letzte Nacht war... na ja, du weißt ja selber, wie die letzte Nacht war. Wo bist du denn hin? Danke, dass du mir deine Nummer aufgeschrieben hast. Ruf mich doch mal an.« Jon krümmte schuldbewusst die Schultern. Tracie hatte ihm doch gesagt, dass er einer Frau auf keinen Fall verraten durfte, wo er wohnte, oder ihr seine Telefonnummer geben durfte. Aber als er sich aus Beth’ Schlafzimmer davongestohlen hatte, waren seine Gewissensbisse einfach zu groß gewesen, und so hatte er seine Nummer von Micro/Con hinterlassen und anschließend sein Telefon so eingestellt, dass Anrufer nicht erfuhren, wo sie gelandet waren. Er seufzte. Das war alles so viel komplizierter, als er gedacht hatte.
Jon unterdrückte ein Grinsen und hörte sich die übrigen Nachrichten an. Es waren vier weitere von Tracie, von denen jede seine Schuldgefühle noch verstärkte, und noch zwei von Beth. Er war nicht der Einzige, der bei anderen immer wieder anrief. Offenbar taten das auch Frauen – nur hatten sie es bislang nicht bei ihm getan.
Die anderen Mitteilungen waren von George und einigen Mitgliedern seines Teams, und es waren ausschließlich schlechte Nachrichten. Jon hatte seine Truppe gründlich satt, als sich eine neue Frauenstimme meldete. »Hallo, hier ist Ruth. Wir haben uns im REI kennen gelernt. Erinnern Sie sich noch?«
Mit großen Augen starrte Jon die Maschine an. Wie könnte ich das je vergessen?, dachte er. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut«, sagte sie. »Wissen Sie, ich bin beim Klettern auch schon mal in Panik geraten. Aber falls Sie mich mal auf einen Kaffee oder so treffen möchten, würde ich mich freuen. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich keine Nummer hinterlasse. Ich rufe Sie einfach später noch mal an.«
Ach du Scheiße! Jon war zu schockiert, um sich die restlichen Nachrichten noch anzuhören. Er konnte es einfach nicht glauben. Tracie war nicht nur verdammt clever; sie war die Göttin der Liebe höchstpersönlich. Er musste sie anrufen, trotz seiner Verlegenheit, und sie fragen, was er nun mit Beth und Ruth anfangen sollte. Vielleicht musste er Beth ja gar nicht wieder sehen und konnte einfach was mit Ruth anfangen. Schließlich hatte sie ihn angerufen, das machte die Sache womöglich einfacher. Natürlich wollte er Beth nicht wehtun, aber er hatte wohl nicht viel gemeinsam mit einem Szenegirl. Nicht dass er mit einer, die im REI kletterte, mehr gemeinsam hätte. Aber wer wusste das schon im Voraus?
Jon wählte Tracies Nummer, aber bei ihr war besetzt, und er wollte keine Nachricht hinterlassen. Was sollte er auch sagen? Mission erfüllt? Am besten wäre es, sie persönlich zu treffen, aber als dann der Piepton kam, geriet er in Panik und plapperte drauflos. »Tracie, ich muss unseren Sonntagsbrunch leider absagen. Ich stecke bis zum Hals in Arbeit, aber ich muss dir unbedingt von meinen Fortschritten berichten. Könnten wir uns vielleicht am Montagabend nach der Arbeit treffen?«
Er legte auf und ging zu seinem Computer hinüber, um sich einen Überblick über den neuesten Stand des Parsifal-Projekts zu verschaffen. Er haute gerade wie wild eine E-Mail nach der anderen hinaus, als in der Tür hinter ihm plötzlich Samantha erschien. Er sah ihr Spiegelbild im Monitor.
»Jon, hätten Sie eine Minute Zeit?«
Jon erlaubte sich, zu ihr aufzusehen, aber nur ganz kurz. »Im Augenblick leider nicht«, sagte er. »Ich bin ziemlich beschäftigt.« Er senkte den Kopf, um ein Lächeln zu verbergen. Konnte sich das Schicksal eines Mannes mit einer einzigen Glückszahl, einer einzigen Nummer im Heu wenden? Das konnte doch nicht sein, oder?
»Ich... ich wollte mich noch mal wegen dieser blöden Sache von neulich entschuldigen.«
»Was denn für eine blöde Sache?«, fragte er. Das Telefon klingelte. Ja! »Eine Sekunde, bitte, Sam.« Er nahm den Hörer ab. Als er die Stimme hörte, fand er es fast schon zu schön, um wahr zu sein. »Oh, hallo Ruth. Klar erinnere ich mich an Sie.« Unglaublich! Wieso hatte er auf einmal so ein unverschämtes Glück? Er konnte mit Ruth reden, während Sam zusah. Es gab doch einen Gott. »Um ehrlich zu sein, bin ich seither nicht mehr geklettert«, erklärte er Ruth, während er im Monitor Sams Spiegelbild beobachtete. »Nein, das würde ich gern machen. Mit Ihnen. Das wäre wunderbar. Also bis bald, Ruth.« Er legte auf.
»Tut mir Leid«, sagte er zu Sam, bis ihm wieder einfiel, dass er sich nie für etwas entschuldigen sollte.
»Schon gut«, sagte sie und trat vorsichtig in sein Büro. »Sie erinnern sich doch noch an den Samstag, an dem wir uns treffen wollten?«
»Wann war das noch mal?«, fragte er, obwohl er sich noch sehr lebhaft an den Abend erinnerte, an dem er im Regen gestanden hatte.
»Ach, nicht so wichtig.« Er hatte den Eindruck, dass sie errötete. War das möglich? Hatte er es geschafft, die schöne Samantha, die unbestrittene Königin der Marketingabteilung, zum Erröten zu bringen? »Ich wollte nur sagen«, fuhr sie fort, »dass wir ja heute Abend ausgehen könnten, wenn Sie Lust haben.«
Jon blickte fröhlich zu ihr auf, bevor er sich ein dezentes Stirnrunzeln abrang. »Das wäre wirklich nett. Vielleicht ein andermal. Ich hab gerade ein Kletter-Date vereinbart.« Er legte eine Kunstpause ein. Herrlich war das. »Sie klettern nicht zufällig?«
»Nein, leider nicht.« Nun legte Sam eine kurze Pause ein. »Ich würde es aber gern mal versuchen.«
»Vielleicht klappt es ja mal«, meinte er vage.
»Wunderbar, Jon. Gehen Sie zum Mittagessen in die Cafeteria?«
»Wahrscheinlich«, sagte er. Und dann sagte er nichts mehr. Absolut nichts. Er sah zu, wie sie versuchte, sein Büro zu verlassen. Erst als sie sich bewegte, sprach er wieder. »Ach ja, Samantha... meine Freunde nennen mich Jonny.«
»Wunderbar, Jonny«, sagte sie. »Haben Sie eigentlich noch meine Nummer?«
Er nickte, aber kaum merklich. Dann sah er zu, wie Samantha aus seinem Büro und durch den Flur ging. Er stand auf, schloss ruhig die Tür und tobte in einem wilden Siegestanz um seinen Schreibtisch.
 
Erst am späten Nachmittag – nach der Parsifal-Sitzung und längst überfälligen Telefongesprächen – hatte Jon Gelegenheit, schnell ein Sandwich zu verschlingen, seiner Mutter eine Nachricht auf Band zu sprechen und zur Toilette zu gehen. Er saß in einer der Kabinen und war schon fast fertig, als er Ron und Donald hörte.
»Ich weiß auch nicht«, sagte Ron. »Er hat auf mich den Eindruck gemacht, als tappte er völlig im Dunkeln.«
»Im Dunkeln? Er hat so wenig durchgeblickt wie ein Blinder in stockfinsterer Nacht!«, erwiderte Donald.
Ron und Donald waren vermutlich zwei seiner besten Köpfe, aber Ron war mit rotem Haar geschlagen, das fast rosa wirkte und schon früh licht wurde, während Donald selbst auf Zehenspitzen nicht viel größer als einen Meter sechzig sein konnte. Beide waren brillant auf ihrem Gebiet, aber ein strahlender gesellschaftlicher Erfolg – wie es in den entsprechenden Kolumnen immer so schön hieß – war ihnen nicht beschieden. Sie hingen ständig zusammen und wurden deshalb von allen bei Micro/Con schon »RonDon« genannt. Jetzt hatte Jon das unangenehme Gefühl, dass sie sich über ihn unterhielten.
»Hallo, George«, sagte Donald. Es war also noch jemand dazugekommen. »Hast du eine Ahnung, was heute in der Sitzung mit Jon los war?«
»Keine Ahnung, aber irgendwie war er nicht ganz da. Er hatte vom Database-Projekt keinen Schimmer«, bestätigte George. »Und das mit dem Zeitplan war auch nicht meine Schuld.«
Jon schluckte. George hatte völlig Recht. Er hatte alle seine Anrufe verpasst.
Die Spülung wurde betätigt, und Jon dachte schon fast, sie wären weg, als er merkte, dass das Gespräch weiterging. »Irgendwas an Jon hat sich definitiv verändert«, sagte Ron – oder Don.
»Du meinst, er ist nicht mehr so interessiert an der Database wie früher?«, fragte George nach.
»Nein, ich meine nicht die Arbeit«, sagte Don oder Ron. »Mir ist es auch aufgefallen. Er sieht irgendwie anders aus.«
»Ja, und die Miezen nehmen von ihm Notiz«, sagte Ron – oder Don. »Jennifer hat sogar gelächelt, als sie ihm heute Morgen das FedEx gegeben hat.«
»Jenny-Kätzchen hat einen einfachen Sterblichen angelächelt?«, fragte George. »Unvorstellbar!«
Jennifer war zweifellos sehr attraktiv, aber wohl allenfalls achtzehn. Sie arbeitete im Postraum, und wenn sie die Runde machte, stellten die Männer alle anderen Aktivitäten ein.
»Ich glaube, du hast Recht. Als er aus der Sitzung gegangen ist, um die Marketingdaten zu holen, haben ihn die Frauen mit ihren Blicken regelrecht verfolgt«, sagte Don – oder Ron.
»Du meinst wie in diesen Jesus-Hologrammen?«, fragte Ron mit umkippender Stimme.
»So ähnlich, aber mit mehr Sex«, sagte Don. Eine Pause entstand, und einen Augenblick lang dachte Jon wieder, sie wären gegangen. Dann redete Don weiter. Er hatte offenbar nachgedacht, denn als er sprach, tat er dies langsam und bedächtig. »Ich glaube, Jon ist... ein ganz scharfer Typ.«
»Homo! Homo!«, riefen die beiden anderen im Chor.
In seiner Kabine schüttelte Jon den Kopf. Die waren ja noch schlimmer als Potsie und Ralph aus Happy Days. Kaum zu glauben, dass sie ein sechsstelliges Jahreseinkommen einstrichen.
»Haltet endlich die Fresse«, brüllte Don sie an. »Erkennt ihr denn nicht die ganz Tragweite?«
»Was denn für eine Tragweite?«, fragte George.
»Jon hat was getan, um sich zu ändern. Etwas, was auf die Frauen wirkt.«
»Na und?«, sagte George.
»Und? Ganz einfach! Was Jon kann, können wir schon lange«, erklärte Don triumphierend. Dann betrat jemand die Zelle neben Jon, in einem der Waschbecken lief das Wasser, und Jon stahl sich hinaus.