26
Ein Schaudern lief durch Sams Körper, das sie nicht unterdrücken konnte. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für emotionale Reaktionen, herrschte sie sich an. Mit der Faust schlug sie auf den Schließknopf des Kanzeldachs und spürte den Druckausgleich in den Ohren, als das Cockpit luftdicht versiegelt wurde. Ein letzter Blick auf die Datenanzeigen, und sie war bereit. Okay, Sterling, dachte sie. Dann wollen wir mal sehen, wie gut du deine Sache als Lehrer gemacht hast. Ihre Hände liebkosten die Kontrollen, und der Sasquatch marschierte aus dem Hangar.
Und mitten in ein wildes Feuergefecht hinein. Selbst mit allen Sensorsystemen des BattleMechs kostete es sie lange Sekunden, das Chaos um sie herum auch nur annähernd zu durchschauen. Kleine Gruppen Saberstallpersonal duckten sich hier und da hinter was auch immer gerade als Deckung greifbar war, während die angreifenden Einsatzteams im Feuerschutz ihrer jeweiligen Kameraden abwechselnd weiter vorrückten.
Es war einer dieser Pulks von Saberkriegern, der den Sasquatch zuerst bemerkte. Über die Außenmikros des Mechs hörte Sam ihren plötzlichen Jubel. Die Angreifer bemerkten die neue Gefahr einen Augenblick später. Mündungsfeuer zuckte durch die Nacht, als Handwaffenfeuer - Laserschüsse und Projektile - harmlos von der Panzerung ihrer Maschine abprallte.
Sam grinste wild. Das Blatt hat sich gewendet, Boys, dachte sie und zog die MGs und leichten Laser des Sasquatch über das nächstgelegene Einsatzteam. Sie verzog das Gesicht, als ihr Feuer durch die Reihen der Angreifer fetzte und mit der ersten Salve das halbe Team niederstreckte - das Gemetzel war auf ihrer Sichtprojektion nur zu deutlich zu erkennen -, aber sie zwang sich, sich von dem Blutvergießen nicht irritieren zu lassen. Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, vergiß das nicht.
Ihr Erscheinen schien den Saberverteidigern neue Kraft einzuhauchen. Innerhalb von Sekunden schien sich das Kampfgeschick zu wenden, schienen die Angreifer die Initiative zu verlieren. In der ganzen Anlage sah sie ihre Stallkameraden Gegenangriffe starten. Zeigt's ihnen, dachte sie grimmig. Ihre Finger glitten über die Mechkontrollen, konfigurierten ihre Feuerleitkreise oder FLKs neu, trennten die Infanterieabwehrwaffen von den ›schweren Geschützen‹, die sie als ihre Mechkiller ansah. Während sie an den FLKs arbeitete, suchte sie die Umgebung nach den feindlichen BattleMechs ab.
Da war einer, zeichnete sich als Silhouette vor der brennenden Kaserne der Gladiatorenschüler ab - die kantige, insektenähnliche Form eines leichten Heuschreck-Mechs. Der feindliche Pilot schien die neuaufgetauchte Gefahr noch nicht bemerkt zu haben. Statt sich zu ihr umzudrehen, war er damit beschäftigt, mit den Maschinengewehren und dem einzelnen mittelschweren Laser seines Mechs auf eine Gruppe Saberstall-Krieger zu feuern. Mal sehen, ob ich seine Aufmerksamkeit erregen kann, dachte Sam trocken, während sie das Fadenkreuz über den Heuschreck zog. Entfernung: 75 Meter. Praktisch ein Blattschuß. Sie drückte leicht den Feuerknopf und löste alle auf FLK A konfigurierten Waffen aus.
Die Temperaturanzeige des Sasquatch schoß in den orangeroten Bereich, als die vier mittelschweren Impulslaser im linken Mecharm und das gewaltige Gaussgeschütz im rechten feuerten. Sam juchzte freudig, als die kombinierte Feuerkraft den kleineren Heuschreck von den Beinen fegte, seine Panzerung verflüssigte und eine Seite des gegnerischen Mechrumpfs nach innen beulte. Sekundenbruchteile bevor der zerschmetterte Mech in einem Feuerball explodierte, schoß der Schleudersitz des Piloten zweihundert Meter in die Luft. Einer weniger. Mein erster Abschuß! Sie beschleunigte den Sasquatch und suchte auf dem Rundumschirm nach den beiden anderen Angreifermaschinen.
Da waren sie... Aber es waren nicht nur zwei - es waren vier. O Shit, dachte sie, Verstärkung. Diesmal hatten die Angreifer sie zuerst gesehen. Ein Schwarm Langstreckenraketen war bereits im Anflug, kreischte durch die Nacht auf sie zu. Sie hatte kaum Zeit, sich auf den Aufprall vorzubereiten, als sie schon einschlugen und den Sasquatch in ihren schmutzigroten Feuerbällen fast völlig einhüllten. Warnglocken schrillten, bis Sam sie abstellte, und rote Lichter flackerten über die Schadensanzeigen. Der Angriff mußte ganze Panzersektionen vom Rumpf der Maschine gesprengt haben, und die ersten Laser zuckten bereits von den Angreifer-Mechs herüber und bohrten sich in die beschädigten Bereiche, versuchten, die interne Struktur ihres Mechs zu zerschneiden.
Zeit, aktiv zu werden. Sam warf den Sasquatch in einen schwerfälligen Spurt, duckte sich hinter den bis jetzt noch unversehrten Überschußhangar. Gleichzeitig überflog sie die Daten auf ihrer Konsole. Der Computer hatte drei der feindlichen Mechs sicher identifiziert und die Baureihe des vierten zumindest eingegrenzt. Sie stand zwei Greifen, einem Kampfschützen und entweder einem Donnerkeil oder einem Kriegshammer gegenüber -die Sensoren ihrer Maschine hatten den vierten Mech nicht deutlich genug erfaßt, um eine sichere Identifikation zu ermöglichen. Aber in beiden Fällen steckte sie in Schwierigkeiten - ein D-Keil oder ein Hammer allein ist meinem Sasquatch schon ebenbürtig, machte sie sich mit einigem Unbehagen klar. Und die Greifen und der Kampfschütze machen die Sache noch übler.
Das ist eine dieser Situationen, von denen Sterling geredet hat, nicht wahr? In der man die Überlegenheit des Gegners erkennen und davonrennen soll, um seinen Arsch und seinen Schlitten zu retten?
Aber ich kann nicht kneifen, diesmal nicht. Es ist mal wieder Zeit fürs volle Risiko, wie beim Fischadler.
Sie biß die Zähne zusammen und brachte den Sasquatch auf seine volle Laufgeschwindigkeit von fast 64 Stundenkilometern, spurtete an der Rückwand des Überschußhangars entlang. Als sie am gegenüberliegenden Ende ankam, bremste sie und schlich sich vorwärts, bis sie den Kopf des Mechs - und seinen rechten Arm - um die Gebäudeecke schieben konnte.
Sie kicherte böse. Dachte ich mir, daß du das versuchst... Einer der Greif-Piloten hatte den Sasquatch abdrehen und fliehen sehen - jedenfalls hatte er es so ausgelegt - und war aus dem Feuerschutz seiner Flügelmänner vorgeprescht, in der Hoffnung, den SaberMech von hinten abschießen zu können. Laß ihn dafür bezahlen, putschte Sam sich auf, als sie das Gaussgeschütz des Sasquatch hob und zielte.
Aus dem Augenwinkel mußte der gegnerische Mechjockey sie auf dem Sichtschirm bemerkt haben. Bevor Sam den Feuerknopf pressen konnte, drehte der Greif ihr den Kopf zu, und aus der Schulterlafette schoß eine Raketensalve in ihre Richtung. Aber der Pilot hatte keine Zeit gehabt, zu zielen, und die Geschosse verfehlten sie alle, zertrümmerten nur die vordere Wand des Hangars. Er soll bezahlen, dachte Sam wieder. Sie stieß den Feuerknopf hinab. Der Rückstoß war hart genug, ihre Zähne klappern zu lassen, trotz der ausgezeichneten Stoßdämpfer des BattleMechs.
Die solide Nickeleisenkugel des Gaussgeschützes traf den Greif voll ins ›Gesicht‹. Sie explodierte nicht, aber das muß sie auch nicht. Die elektromagnetische Kanone erzielte eine so hohe Mündungsgeschwindigkeit, daß die schiere kinetische Energie des Projektils mehr als genug Schaden anrichtete. Sam sah das Cockpit des Greifen unter dem Einschlag implodieren, unmittelbar bevor eine Sekundärexplosion den gesamten Mechkopf in einen Schrapnellregen verwandelte. Eine ganze Weile stand der enthauptete Greif noch schwankend neben dem Hangargebäude. Dann krachte er zu Boden. Aus seinem ›Hals‹ schlugen Flammen. Und zwei! jubelte Sam innerlich.
Keine sechzig Meter entfernt wuchtete sich ein weiterer BattleMech in Sicht - der Kampfschütze. Sie versuchte, den Sasquatch zurück in die Deckung des Hangars zu ziehen. Eine Sekunde zu spät. Lanzen aus rubinrotem Licht loderten aus beiden Armen des Kampfschützen und schnitten runde hundert Kilogramm Panzerung von der rechten Schulter ihres Stahlgiganten. Neue rote Warnlichter blinkten auf Sams Statusanzeige auf.
Verdammt, was nun? Ihr gesunder Menschenverstand riet ihr, sich zurückzuziehen - und zwar sofort. Wenn sie hierblieb, würden die drei gegnerischen Mechs sie umzingeln und zerfetzen. Wenn sie einen Ausbruch versuchte und losrannte - oder sich, was vernünftiger schien, eine andere Verteidigungsstellung suchte -, erhielt zumindest der Kampfschütze eine Gelegenheit, mit seinen schweren Lasern und Autokanonen auf ihren Rücken zu feuern. Sicher, sie würde das Feuer mit dem leichten Laser an der Rückseite ihres Mechkopfes erwidern können, während sie davonrannte, aber sie wußte nur zu gut, wieviel das nützen würde - einen Furz, um es mal deutlich zu sagen, dachte sie verärgert. Sie würde Schaden nehmen - möglicherweise ernsten Schaden -, das Gefecht aber wenigstens noch etwas länger strecken können. Sie knirschte mit den Zähnen. Was, in drei Teufels Namen, konnte sie sonst tun? Gar nichts. Es sei denn...
Freck, den Versuch ist's wert. Vorsichtig beugte sie die Knie des Mechs und senkte das riesige Kampfgefährt in die Hocke. Für Bewegungen dieser Art war der Sasquatch nicht gebaut, das war ihr klar. Sie mußte sich anstrengen, den Schwerpunkt des Mechs sicher über den spreizzehigen Füßen zu halten. Unter dem Neurohelm strömte der Schweiß an ihrem Kopf herab, während sie langsam von fünf an rückwärts zählte.
Zwei... eins...
null! Sie packte die Kontrollen und schob die beiden Steuerknüppel
vor.
Immer noch in der Hocke, sprang der Sasquatch nach vorne, aus der Deckung der
Hangarwand, und drehte den Torso nach links.
Da war der Kampfschütze, eine breite
Silhouette im Zentrum von Sams Sichtschirm. Instinktiv feuerte der
gegnerische Pilot alle Waffen ab... Und genau, wie Sam es erhofft
hatte, zerteilten die Laserstrahlbahnen und Autokanonengranaten die
Luft zwei Meter über dem Kopf des abgeduckten Sasquatch. Nimm das! rief sie in Gedanken, als sie
alles abfeuerte, was sie hatte: Gaussgeschütz, Laser, selbst die
Maschinengewehre (was immer die auch ausrichten mochten). Sie
wartete nicht einmal darauf, welchen Effekt ihre Breitseite hatte.
Noch bevor die Feuerbälle der Explosionen verblaßt waren und der
Rauch sich verzogen hatte, spurtete sie schon durch die Dunkelheit,
weg vom Hangarbereich. Eine Raketensalve des zweiten Greifen folgte ihr, aber nur zwei der Geschosse
schlugen von hinten in die Mechbeine ein. Der Sasquatch stolperte, aber sie konnte ihn abfangen,
den enormen Kampfkoloß auf den Beinen und in Bewegung
halten.
Die IR-Sensoren zeichneten deutlich die Abwärme des Kampfschützen hinter ihr. Sie hatte den Mech nicht
zerstören können, ihn aber ernsthaft beschädigt. Der Sichtschirm
zeigte Sekundärexplosionen entlang des rechten Arms und Torsos und
eine Bresche am linken Bein, in der keinerlei Panzerung mehr die
interne Struktur des BattleMechs schützte. Langsam und schwerfällig
drehte er sich um und zog sich aus dem Gefecht zurück. Das ist so gut wie ein Abschuß, erkannte sie.
Drei weg...
Rechts von ihr erhob sich das Verwaltungsgebäude. Eine Raketensalve
hatte es getroffen, und ein Teil des Erdgeschosses stand in
Flammen. In einem Zimmer im vierten Stock brannte Licht.
Mandelbaums Büro? Sie konnte es nicht
mit Sicherheit sagen.
Ihr Sasquatch schüttelte sich heftig,
als eine neue Raketensalve einschlug. Diesmal warf sie einen weiten
Flammenvorhang über den breiten Rücken des Mechs. Warnglocken
schrillten in ihren Ohren, und diesmal hatte sie nicht die Zeit,
sie abzuschalten. Reflexartig gab sie zwei Schüsse aus dem
Rückenlaser des Sasquatch ab - mehr, um
ihre Gegner abzulenken, als mit dem Ziel oder auch nur der
realistischen Hoffnung, irgendeinen Schaden anzurichten - und
drehte sich in die Deckung der Stahlbetonmauern des
Verwaltungsbaus.
Was jetzt? Dort draußen lauerten immer
noch ein Greif und ein vierter Mech,
den der Computer inzwischen als Kriegshammer führte, beide mehr oder weniger
unbeschädigt. (Einfach super,
Dooley. Du findest doch immer den Weg in den
dichten Schlamassel.) Der Kampfschütze würde ihr wohl kaum mehr nachsetzen,
aber er war noch immer da, und wenn sie den Fehler machte, in sein
Schußfeld zu stolpern, konnte er ihr auch jetzt noch den ganzen Tag
versauen. Und was noch schlimmer war, sie hatte keinen Schimmer, wo
diese gottverfluchten Dinger steckten!
Warum haben wir so was nicht in den
Simulationen behandelt? tobte sie innerlich. In allen
Szenarios, die sie in der Büchse durchgespielt hatte, waren ihre
Gegner auf ein, zwei Meter genau zu erfassen gewesen. Und jetzt?
Möglicherweise kam der Greif in diesem
Augenblick um die eine Seite des Gebäudes und der Kriegshammer um die andere. Die erste Warnung, die
sie davor erhielt, würden die Treffer sein, mit denen ihre Gegner
aus nächster Nähe die Panzerung des Sasquatch durchschlugen. Gott
im Himmel, ich muß doch irgend etwas tun können.
Natürlich konnte sie etwas tun. Keine ihrer
Simulatorsitzungen hatte taktische Zusammenarbeit eingeübt, aber
als Teil ihrer Ausbildung hatten die Techs ihr gezeigt, wie sie die
verschlüsselte Kurzstrecken-Kommunikatorverbindung des Mechs
benutzen konnte. Mit einem leisen Fluch aktivierte sie die
Funkanlage, wählte die Grundfrequenz und den
Verschlüsselungsalgorithmus des Saberstalls. »Hier spricht Dooley
Eins«, krächzte sie ins Mikro. »Hört irgendwer diese Frequenz ab?
Kann mich jemand empfangen?«
In den Ohrhörern ihres Helms krachte und rauschte es. Nichts... Dann plötzlich: »Dooley!« Sie zuckte
heftig zusammen, als sie Silvers Stimme hörte. »Sam, bist du
okay?«
Sie hatte Mühe, die unvernünftige Erleichterung aus ihrer Stimme zu
halten - du steckst immer noch tief in der
Scheiße, vergiß das nicht -, als sie ihm antwortete. »Im
Augenblick ja. Zwei Banditen sind erledigt, einer schwer
beschädigt. Sterling, du mußt den Ausguck für mich machen. Da
draußen haben es noch ein Greif und ein
Kriegshammer auf mich abgesehen, und
ich weiß nicht, wo, zum Freck, sie stecken.«
»Ist klar, Sam«, reagierte er sofort. »Du hast sie vorsichtig
gemacht. Ich sehe sie langsam vorrücken - den Greif im Westen, der Kriegshammer bewegt sich nach Osten.
Standardzangenmanöver.«
Sam nickte - ziemlich genau das, was sie erwartet hatte.
»Entfernung vom Verwaltungsgebäude?«
»Da steckst du.« Sie konnte das harte
Lächeln in Silvers Stimme hören. »Wie gesagt, sie sind vorsichtig
geworden. Der Greif ist vielleicht 75
Meter entfernt, der Kriegshammer noch
25 mehr.«
»Irgendwelche Infanterie-Unterstützung?« Zum erstenmal wurde Sam
bewußt, daß sie Schüsse - Laser und Feuerwaffen - im Hintergrund
von Silvers Leitung hören konnte.
Der Blondschopf gluckste. »Hast du Angst, daß jemand versucht,
deine Konservenbüchse zu durchlöchern? Nicht schlecht, aber auf dem
Sektor haben wir die Lage unter Kontrolle.«
»Mit was für Verlusten?« In Sams Eingeweiden wüteten Schuldgefühle.
Bis zu diesem Augenblick hatte sie daran nicht einmal
gedacht.
»Mit schweren«, antwortete Silver grimmig. »Wir haben gute Leute
verloren. Aber jetzt geht es darum, nicht noch mehr zu verlieren,
bevor... Moment!« unterbrach er sich. »Wir haben... ja... der
Greif bewegt sich... O, gequirlte
Eierpampe... Dooley, er springt. Augen aufwärts!«
Shit! Shit! Shit! dachte Dooley. Sie
suchte nach Einzelheiten, die sie während des Trainings über die
Sprungfähigkeiten des Greifens gelernt
hatte. Ziemlich gut, glaube ich,
erinnerte sie sich. Jedenfalls besser als
meine. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Flammenzungen aus
den Sprungdüsenauslaßöffnungen das Greifen schlagen und den 55
Tonnen schweren Mech empor schleudern.
Ihr Gehirn schien im Zeitraffer zu arbeiten, die Sekundenanzeige
der Konsolenuhr bewegte sich so langsam wie in einem Traum. Was
ging jetzt in dem Greif-Piloten vor?
Was plante er? Wollte er nur schnell vorrücken, bevor sie sich eine
gute Abwehrstellung aufbauen konnte? Oder plante er einen
vernichtenden ›Todessprung‹, bei dem er seine Maschine auf ihrem
Sasquatch landete? Wie sah ihre
bestmögliche Reaktion auf beide Varianten aus? Flucht...
oder...
Bevor sie es sich wieder ausreden konnte, zündete sie die eigenen
Sprungdüsen. Die plötzliche Beschleunigung drückte sie tief in die
Polster der Pilotenliege. Sie breitete die Arme des Sasquatch nach beiden Seiten aus, um die Balance
des BattleMechs zu verbessern, als er auf einer brodelnden
Feuersäule in den Himmel stieg.
Ja, da war der Greif, immer noch im
Steigflug. Seine Sprungdüsen arbeiteten mit voller Leistung. Sam
schaltete die des Sasquatch
augenblicklich ab. Sie hatten ihre Arbeit getan und den
85-TonnenMech auf das Flachdach des Verwaltungsgebäudes gehoben.
Sie fing den Aufprall der Landung mit den Kniegelenken der Maschine
ab und stellte sich vor, das Ächzen der Aktivatoren zu hören.
Wieder senkte sie den Mech in die Hocke ab, um einerseits ein
kleineres Angriffsziel zu bieten und gleichzeitig ihre
Offensivbewaffnung schneller zur Verfügung zu haben.
Der Greif-]ockey erkannte seinen Fehler
und schaltete die Düsen ebenfalls ab. Viel zu spät - der
mittelschwere BattleMech war jetzt nur noch ein ballistisches
Flugobjekt. Er unterlag nicht mehr der Kontrolle seines Piloten,
sondern war in den stählernen Klauen der Naturgesetze gefangen. Sam
sah blauweißes Licht aus dem rechten Arm des Greifen schlagen, aber der künstliche Blitz der
Partikelprojektorkanone kam nicht einmal in die Nähe ihres
Sasquatch. Statt dessen schlug er einen
klaffenden Krater in das Dach des Verwaltungsbaus, gute zwanzig
Meter von Sam entfernt. Auf der Sichtprojektion stapelten sich
mehrere Fadenkreuze über dem in einer Parabolkurve vorbeifliegenden
Greifen. Mit einem tief aus ihrer Kehle
aufsteigenden Knurren feuerte Sam sämtliche FLKs und trieb die
Temperatur des Sasquatch deutlich in
den roten Bereich. Eine gellende Warnsirene heulte auf. Irgendwo
tief im Innern der Maschine war ein wichtiges Bauteil vom Hitzestau
überladen worden.
Im Augenblick tat das nichts zur Sache. Vier Laserbahnen bohrten
sich in den Rumpf des Greifen, während
die Gaussgeschützkugel sein rechtes Bein in Kniehöhe davonriß. Sam
duckte den Mech noch tiefer, als der feindliche Stahlkoloß über ihr
vorbeischoß und hinter dem Verwaltungsgebäude, wo sie nur Sekunden
zuvor noch gestanden hatte, einschlug. Instinktiv löste sie einen
Schuß aus dem leichten Laser an der Rückseite des Sasquatch-Kopfes aus. Sie hätte es sich schenken
können, sah sie auf der Heckansicht. Der Greif war aus dem Rennen - verwüstet,
bewegungsunfähig. Und drei!
Ein vernichtendes Bombardement krachte links von ihr aus der Nacht
- Laserstrahlbahnen, aktinischblaue PPK-Bolzen, eine Raketensalve.
Ihr Sasquatch erbebte unter den
Einschlägen. Sam schrie auf, als sie hart in die Gurte geschleudert
wurde und der Neurohelm gegen das Kanzeldach knallte. Ganze
Abschnitte der Konsole wurden dunkel, als der Feuerschlag die
entsprechenden Sensorsysteme zertrümmerte. Unter ihr im Brustkorb
des Mechs hörte sie ein schrilles Knirschen, als halte jemand einen
Metallbrocken an ein sich mit hoher Geschwindigkeit drehendes
Schwungrad. Gyroskopschaden. Sie schlug
auf die Sprungdüsenkontrollen, aber nichts geschah. Der Angriff
mußte die Auslaßsysteme zerfetzt haben. Schwerfällig drehte sie den
Torso, um nach dem Kriegshammer zu
suchen, der immer noch da draußen lauerte... irgendwo da draußen.
Die Infrarotoptik hätte den schweren BattleMech leicht lokalisieren
können. Mit dieser Breitseite mußte der Kriegshammer-Pilot seinen Mech bis hart an die
Überhitzung getrieben haben. Auf ihrer IROrtung hätte sich der
überhitzte Mech wie eine riesige, leuchtende Zielscheibe
abgezeichnet. Zu schade, daß das gottverdammte
Ding in Stücke gegangen ist...
»Wo ist er, Sterling?« schrie sie ins Mikro. »Wo?«
Silver reagierte sofort..., aber nicht so, wie sie es erwartet
hatte. »Moment«, schnappte er.
Sie starrte das Funkgerät an. Moment...?!? Was bildete dieser Kerl sich ein, das
hier vorging?
Eine weitere Raketensalve senkte sich aus der Dunkelheit auf sie
herab. Noch bevor sie einschlagen konnte, feuerte Sam das
Gaussgeschütz auf ihren Ursprungsort ab.
Der Kriegshammer-Jockey hatte
überhastet geschossen. Statt die gesamte Salve in den Torso zu
kassieren, wurde Sams Sasquatch nur von
zwei Raketen getroffen. Beinahe hätte das aber schon genügt.
Zerfetzte Panzerplatten flogen über das Dach wie Schrapnell und
prasselten gegen das verstärkte Kanzeldach. Der linke Arm des Mechs
mit den vier mittelschweren Impulslasern hing nutzlos herab. Sein
Oberarmaktivator hatte nur noch Schrottwert. Unter ihr im Torso des
Mechs hörte Sam ein scharfes Knattern, fast wie explodierendes
Popcorn. Die MGMunition geht hoch,
erkannte sie mit kaltem Schaudern. Ich stehe
in Brand. Bindlings, immer noch geblendet von den
Feuerbällen der Raketeneinschläge, schlug sie auf die Schalter der
Feuerlöschanlage. Lieber Gott, mach, daß die
wenigstens noch funktioniert!
Der Sasquatch lag in seinen letzten
Zügen, und mit ihm die Hoffnungen des Saberstalls. »Sterling!«
kreischte sie fast. »Gib mir ein Ziel, verdammt!«
Aber es war zu spät. Die Erkenntnis traf sie plötzlich und mit
schockierender Gewißheit. Alle vorderen Sensoren waren zertrümmert,
aber die rückwärtige Lichtverstärkung arbeitete noch. Ein kleiner
Nebenmonitor zeigte deutlich - zu
deutlich, dachte sie benommen - die drei hinter ihr aus der
Dunkelheit tretenden Battle-Mechs. Sie erkannte sie sofort -
Feuerfalken, für
Battle-Mech-Verhältnisse relativ leicht bewaffnet und gepanzert,
aber mehr als genug, um ihren angeschlagenen Sasquatch in einen Schlakkehaufen zu
verwandeln.
Es ist vorbei. Die Gewißheit, verloren
zu haben, lag wie ein großes, kaltes Loch in ihrer Magengrube. Sie
sackte in die Gurte.
»Sam.« Silvers Stimme drang aus den Ohrhörern. »Sam, anrückende
Mechs.«
Sie fand kaum mehr die Kraft zu reden. »Ich sehe sie«, stellte sie
trübsinnig fest. »Tut mir leid, Sterling. Ich hab's
versucht.«
Die Verbindung blieb stumm. Dann: »Sam, sie sind auf unserer
Seite.«
Und eine neue Stimme - kühl, selbstsicher - drang an ihr Ohr.
Samantha brauchte ein paar Sekunden, um sie einzuordnen, aber dann
breitete sich ein Ausdruck tiefer, ungehemmter Erleichterung auf
ihrem Gesicht aus. »Dooley One«, meldete sich Will Zdebiak, der
Anführer des VGL-Teams Alpha. »Die Kavallerie ist da - etwas spät,
aber besser spät als gar nicht. Warum ruhen Sie sich nicht etwas
aus und überlassen uns die Aufräumarbeiten, hm?«