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ZWANZIG

Ich hoffte, wir würden die beiden bei den Spielen finden, denn von dieser Partygesellschaft hatte ich die Nase voll. Und außerdem wollte ich Dacian nicht begegnen.

Teils aus Eitelkeit – ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er mein Ich sehen würde, mein wahres Ich anstelle meines zukünftigen Ichs. Und zum Teil, weil ich mir ziemlich sicher war, dass er ohnehin nicht echt war. Wahrscheinlich war er nur eine Manifestation, die Messalina dazu benützt hatte, um mich abzulenken. Die Tatsache, dass sie sich weigerte, das entweder zuzugeben oder abzustreiten, und meiner Frage danach auswich, war eine Bestätigung dafür.

Aber wie der Zufall es wollte, war die Party bei unserer Ankunft in vollem Gang. Messalina war bereits im Ludus, und von Dacian war keine Spur zu sehen. Das bestätigte meinen Verdacht, dass er eine Fälschung war. Sonst wäre er hier gewesen, gefangen in der gleichen öden Routine. Aber da ich nicht länger daran teilnahm, hatte Messalina ihn von der Gästeliste gestrichen. Und ich will gar nicht leugnen, dass mir das sehr wehtat, auch wenn ich es bereits geahnt hatte.

Es überraschte mich, wie sehr es wehtat.

Meine märchenhafte Romanze war nicht nur absolut oberflächlich und auf einer Lüge aufgebaut gewesen – nein, in Wahrheit existierte sie gar nicht.

Mein erster Kuss war nicht echt. Ich hatte ihn von einer seelenlosen Erscheinung in der Verkleidung eines Märchenprinzen bekommen. Und ich hatte so sehr daran glauben wollen, dass ich bereitwillig die Illusion angenommen hatte, die Messalina für mich erschaffen hatte.

Ist das nicht armselig?

Wir liefen die Treppe hinunter und bahnten uns den Weg durch die Menge der tobenden Gladiatorengeister. An der vorletzten Kammer bedeutete ich Bodhi mit einer Handbewegung, durch die kleine, viereckige Öffnung in der Tür zu spähen und sich die Szene anzuschauen, die mir bereits allzu bekannt war.

»Wow, er steckt tatsächlich fest«, flüsterte Bodhi, wandte sich von der Tür ab und sah mich an.

Ich erwiderte seinen Blick, und plötzlich fiel mir etwas auf, was ich bisher nicht bemerkt hatte.

»Was ist los?« Bodhi zog seine Augenbrauen zusammen, und Buttercup schaute mich fragend an.

»Sag das noch einmal«, drängte ich ihn. »Wiederhol genau das, was du gerade gesagt hast – im gleichen Tonfall.«

Er starrte mich an, als wäre ich verrückt geworden, aber er zögerte nicht lange und tat mir den Gefallen. »Wow, er steckt tatsächlich fest«, flüsterte er und wartete auf meine Reaktion.

»Das ist es!« Ich zog ihn von der Tür weg und lief mit Buttercup an meiner Seite voraus. »Hör zu, wenn wir am oberen Treppenabsatz angelangt sind, werden wir uns im Kolosseum wiederfinden«, erklärte ich Bodhi mit einem Blick über meine Schulter. »Ich weiß nicht, wie das vor sich geht – ich weiß nur, dass es bisher immer so war, und ich bin sicher, dass es wieder passieren wird. Also folg mir einfach, okay?«

Bodhi nickte. Offensichtlich vertraute er mir vollkommen. Aber als ich die Stufen hinauflief und oben ankam, musste ich erkennen, dass ich mich in Messalinas Welt befand – und dass sie die Spielregeln hier von einer Minute auf die andere ändern konnte.