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FÜNFZEHN

Messalina und ich blieben lange auf, naschten von den übrig gebliebenen Süßigkeiten, flochten uns gegenseitig die Haare und tauschten vertrauliche Geschichten aus, nachdem wir uns mit einem feierlichen Schweigegelübde zur Geheimhaltung verpflichtet hatten. Nachdem sie mir von ihrer streng geheimen Romanze mit Theocoles vorgeschwärmt hatte, vertraute ich ihr jedes Detail des Moments an, in dem Dacian mich geküsst hatte.

»Das kann ich nicht glauben!« Messalina steckte sich eine Süßigkeit in den Mund, und ihre grünen Augen weiteten sich vor Überraschung.

»Doch, es stimmt.« Ich lächelte bei der Erinnerung daran. »Kein echter Gentleman, das muss ich zugeben, aber ich habe beschlossen, ihn nicht zurechtzuweisen. Tatsächlich war ich bereit, einen weiteren Kuss zuzulassen!«

»Nein!« Messalina schüttelte lachend den Kopf.

»O ja.« Ich nickte. »Aber ehrlich gesagt, lief es nicht so wie geplant. Wir hatten einen kleinen Unfall, und anstatt uns zu küssen, sind wir mit unseren Nasen aneinander gestoßen!« Ich schlug die Hände vors Gesicht und sah den peinlichen Moment noch einmal glasklar vor mir. »Und bevor wir es noch einmal versuchen konnten, unterbrach uns ein Fremder … und … na ja, der Augenblick war vorbei.« Ich zuckte die Schultern. »Aber später am Brunnen hat er …«

»Ein Fremder? Welcher Fremde?« Messalina schoss in die Höhe, und ihr Gesichtsausdruck war so beunruhigt, dass ich sofort bedauerte, es erwähnt zu haben.

»Da war nichts dabei«, versicherte ich ihr rasch und wollte schon zu meiner Geschichte zurückkehren – zu dem zweiten kurzen Kuss, den Dacian mir gegeben hatte. »Er ist sofort wieder verschwunden. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen.«

»Aber er muss doch irgendetwas gewollt haben. Willst du mir nicht sagen, was das war?« Sie beugte sich vor, hob die Hand zu meinen Augenbrauen und strich mir mit einem Finger das Haar aus der Stirn.

»Er suchte nach jemandem namens Riley.« Ich sah sie an. »Ich glaube, er sagte Riley Bloom.«

»Und was hast du ihm gesagt?« Sie kam noch näher und sah mir tief in die Augen.

Ich seufzte und wollte ihr ausweichen, aber ein Blick auf ihr Gesicht sagte mir, dass ich ihr nicht auskam, bevor ich ihr diese Frage beantwortet hatte. »Ich habe gar nichts gesagt.« Ich wich ihrem Blick nicht aus, damit sie wusste, dass ich die Wahrheit sagte. »Dacian erklärte ihm, dass es hier niemanden mit diesem Namen gebe und dass er sich auf der falschen Party befinde und wieder gehen solle.«

»Und das hat er getan? Er ist gegangen?«, fragte Messalina nervös.

»Ja, er ist verschwunden. Keine Sorge, ich glaube nicht, dass er noch einmal zurückkommen wird.«

Ich schaute zur Seite, biss mir auf die Unterlippe und kämpfte mit dem Drang, das zurückzunehmen. Ich wollte ihr sagen, dass ich geflunkert hatte, ihr erzählen, dass er das Gegenteil gesagt und mir zu verstehen gegeben hatte, dass er irgendwann wiederkommen wollte. Wahrheit und Lüge fochten einen Kampf in meinem Inneren aus, bis ihre Miene sich entspannte. Messalina ließ ihre Schultern sinken, nahm eine reife Dattel von dem Tablett und warf sie mir zu.

Ich schob mir die weiche, runzlige Frucht in den Mund und schloss meine Augen, um den herrlich süßen Geschmack besser genießen zu können. Das Bild des Fremden erschien vor meinem geistigen Auge, und ich konnte mir nicht erklären, warum ich meine Freundin angelogen hatte. Und warum ich mich an den Gedanken klammerte, dass er mir versprochen hatte, zu mir zurückzukommen  – mir war nur bewusst, dass ich genau das tat.

»Also, wie war der Kuss?«, wollte Messalina wissen und brachte mich zu meinem Lieblingsthema zurück. »Du wirst mir doch alles erzählen, oder? Ich möchte jede Einzelheit hören!« Sie drückte sich ein Kissen auf die Brust und schlang ihre Arme darum. »Schieß los – wie war es? War es so romantisch, wie du es dir vorgestellt hast? Ich meine, schließlich war es dein erster Kuss, richtig?«

Ich griff nach meinem Kissen und zupfte eine Weile daran herum, bis es die richtige Form hatte. Das war natürlich nur eine Verzögerungstaktik – ich brauchte Zeit, um das Bild des Fremden mit den grünen Augen aus meinen Gedanken zu verdrängen und mir stattdessen Dacian vorzustellen. Erst dann konnte ich mich ganz auf Messalinas Fragen konzentrieren.

Ich lächelte und nahm mir noch eine Dattel von dem Tablett. »Der Himmel war mit Sternen übersät – romantischer hätte es gar nicht sein können.« Ich schloss meine Augen und beschwor den Augenblick noch einmal herauf. »Ich habe sogar eine Sternschnuppe gesehen – schade, dass du das verpasst hast.«

»Hast du dir etwas gewünscht?« Ihre Stimme klang drängend, und als ich die Augen aufschlug, sah ich gerade noch, wie ein ernster Ausdruck über ihr Gesicht huschte. »Das hättest du tun sollen«, fügte sie hinzu und nickte. »Wirklich, das hättest du unbedingt tun sollen. Die meisten Menschen wünschen sich, dass ein bestimmter Moment niemals enden wird – oder dass sie zumindest das dabei empfundene Gefühl niemals vergessen werden –, und dieser Wunsch wird stets erfüllt. Es klappt jedes Mal, und so können sie dieses Erlebnis immer wieder genießen. Ist das nicht wundervoll?« Sie sah mich seufzend an, und ich nickte zustimmend.