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DREIZEHN

Theocoles beugte sich vor und streckte seine Finger aus …

Und griff nach seinem Schwert.

Dann packte er seinen Schild.

Ich blieb mit offenem Mund stehen und starrte ihn verblüfft und entrüstet an, als Messalina plötzlich auftauchte.

»Das haben wir schon hinter uns, Riley. Theocoles hört nur, was er hören will. Und nur dass du es weißt – wenn er endlich seinen Bann bricht, dann nicht deinetwegen. Er wird es für mich tun.«

Sie kam auf mich zu, eine Vision in Pink mit einem wilden Grinsen, das ihre Wangen verzerrte. Ihre Augen glitzerten grausam.

Ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: Lauf! Leiste Widerstand! Lass dich nicht von ihr berühren! Lass dich nicht noch einmal von ihr verzaubern!

Aber es half nichts.

Bevor ich loslaufen konnte, bevor mein Körper meinen Gedanken folgen konnte, beugte sie sich zu mir vor und strich mit ihren kühlen Fingern oberhalb meiner Augenbrauen über meine Stirn, wobei sie wieder so tat, als wollte sie mir eine lose Haarsträhne feststecken.

Und bevor ich mich’s versah, befand ich mich in der Mitte eines lauten, überfüllten Raums. Meine Wangen waren gerötet, und ich blickte schüchtern zur Seite, als ein absolut süßer Junge meine Hand ergriff.

Ein Junge, der sich als Dacian vorstellte.

Ein Junge, der zu glauben schien, dass mein Name Aurelia war.

Und vielleicht hieß ich tatsächlich so. Ich war mir nicht sicher, und es stand niemand neben mir, der etwas anderes behauptete.

»Warum habe ich dich noch nie gesehen?«, fragte er und musterte mich mit unverhohlenem Interesse.

Ich senkte den Kopf und sah durch meine dichten Wimpern zu ihm auf. »Aber du hast mich schon einmal gesehen«, erwiderte ich verwirrt. Er schüttelte den Kopf und widersprach mir sofort.

»Glaub mir, das hätte ich mit Sicherheit nicht vergessen. Eine solche Schönheit wie du wäre mir nicht entgangen.«

Ich? Eine Schönheit?

Ich sah an mir herunter, strich mit den Händen mein Kleid glatt und bemerkte schockiert, dass ich den Körper besaß, von dem ich bisher nur geträumt hatte. Und wenn ich nach dem Gewicht der blonden Locken, die auf meine Schultern fielen, urteilen konnte, war ich möglicherweise tatsächlich so schön und strahlend wie das lavendelfarbene Kleid, das ich trug.

Ich beugte mich vor, spähte in den kunstvollen Brunnen und versuchte, eine Spur meines Spiegelbilds zu erhaschen. Als die Wellen das Bild meines strahlenden Gesichts zurückwarfen, war ich erleichtert. Das Bild war zwar verzerrt, doch es bestätigte Dacians Worte.

Aber wenn es stimmte, was Dacian sagte, wenn mein Name wirklich Aurelia und ich wirklich ein hübscher Teenager war, warum fühlte ich mich dann so merkwürdig?

Warum kam mir das alles so unwirklich vor? Wie ein Traum?

Der Junge, mein Körper, mein Gesicht, das Kleid, der seltsam klingende Name – das schien alles so schwankend wie mein Spiegelbild im Brunnen.

Es musste an der Party liegen. Und an den vielen Menschen und dem Lärm in diesem Raum. An so etwas war ich nicht gewöhnt. Ich fühlte mich eingeengt und erdrückt. Ich brauchte Luft und wollte den Nachthimmel mit all den Sternen und dem Mond sehen.

»Ich kann dich doch in Dacians Obhut lassen?« Messalina lächelte und sah zwischen uns hin und her.

Ich zwinkerte und fragte mich, woher sie so plötzlich gekommen war. Ich hatte sie nicht auf uns zukommen sehen. Sie schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein.

»Ich kann mich doch darauf verlassen, dass Dacian sich tadellos benimmt, wenn ich ihm meine liebe Freundin anvertraue?«

Messalina und ich waren Freundinnen. Richtig. Jetzt wurde alles wieder klar. Wir waren gute Freundinnen. Beste Freundinnen. Sie hatte mir das Kleid geliehen, ebenso wie den Schmuck, den ich trug. Sie hatte mich sogar frisiert und mein Haar mit Schmuckspangen festgesteckt. Wir waren so eng miteinander befreundet, dass wir uns beinahe so nahestanden wie Schwestern.

»Geh nicht!«, sagte ich. Oder zumindest versuchte ich, es zu sagen, aber die Worte wollten nicht aus meinem Mund kommen und verwandelten sich. »Ich versichere dir, dass du dir um mich keine Sorgen machen musst«, brachte ich stattdessen hervor. »Falls Dacian es wagen sollte, sich ungehörig zu benehmen, werde ich einen der Gladiatoren herbeirufen, damit er ihn in seine Schranken weist.« Ich lächelte verführerisch. »Nein, mir fällt noch etwas Besseres ein.« Ich verzog meine Lippen zu einem hübschen Schmollmund. »Ich werde mir diesen riesigen, muskulösen Gladiator aussuchen.« Ich deutete auf die andere Seite des Raums, wo der größte, grimmigste und attraktivste Gladiator neben den anderen stand. Alle waren an Händen und Füßen gefesselt, damit sie nichts Unbesonnenes tun konnten und damit die Gäste, die höchsten Vertreter der römischen Aristokratie, nicht Gefahr liefen, eine Wiederholung der legendären Revolte zu erleben, die einstmals von Spartacus angeführt worden war. »Ich werde mir Hilfe von dem Gladiator holen, den sie die Säule der Verdammnis nennen. Sicher reicht allein diese Drohung aus, um Dacian im Zaum zu halten, oder?« Ich schenkte ihm ein einladendes Lächeln und war gespannt auf seine Antwort.

»Du würdest Theocoles auf mich hetzen?« Dacian verzog in gespieltem Entsetzen das Gesicht, und Messalina kicherte.

Theocoles.

Warum stieg bei diesem Namen ein merkwürdiges Gefühl in mir auf?

Ich sah zu Messalina hinüber, meiner liebsten Freundin, und schüttelte dann den Kopf, um die nagenden Zweifel zu verscheuchen. »Geh!«, forderte ich sie auf und drückte ihre Hand. »Geh zu deiner Tante, bitte. Ich bin sicher, dass die Drohung, Theocoles rufen zu lassen …« Bei der Erwähnung des Namens hielt ich kurz inne und musste mich zum Weitersprechen zwingen. »Nun, ich bin sicher, dass Dacian sich gut benehmen wird.«

Dacian lachte, und Messalina beugte sich zu uns vor, strich erst Dacian und dann mir mit einem Finger über die Augenbrauen. »Ich verlasse mich darauf, dass ihr euch beide gut benehmen werdet«, erwiderte sie mit ernster Miene. »Und ich bin sicher, dass ihr mich nicht enttäuschen werdet.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und ließ uns allein.