Kapitel 41
Auswirkungen. Massenvernichtung. Diese Worte
gingen Danal durch den Kopf, als ihn das Entsetzen packte und er in
die beruhigte Kammer starrte.
Die Anhänger waren zu viele gewesen, zu viele, die einfach nur sich selbst zerstören wollten. Jene, die sich geweigert hatten, das Gift zu trinken, standen verzweifelt und erschrocken da, aber kaum einer hatte versucht, seine Begleiter aufzuhalten. Die Anstrengungen der Erwachten allein hatte wenig gegen die Flut von Menschen ausrichten können.
Der kräftige Rolf hatte viele Anhänger einfach zu Boden geschlagen, so schnell, wie er von einem zum Nächsten hechten konnte, Armschwinger, Schulterrempler. Rikki, auch wenn er zu klein für etwas anderes war, als sie abzulenken und zu ärgern, hatte doch ein paar von den Brunnen fernhalten können. Laina war verletzt worden, als sie versucht hatte, mit zu vielen Anhängern auf einmal zu ringen; sie drehten sie herum, und nur die Angleichung der Mikroprozessorgeschwindigkeit bewahrte sie davor, in Stücke gerissen zu werden.
Betäubt und beunruhigt kniete Gregor neben einem alten Mann, der in den letzten wenigen Momenten seines Lebens von Krämpfen geschüttelt wurde. Er legte den Kopf des alten Mannes auf sein Knie, und der Führer der Erwachten blickte ihm tief ins Gesicht. Die Lippen des Opfers, Zähne und Mund hatten sich scharlachrot verfärbt, waren mit dem roten Farbstoff befleckt worden. Weitere Flecken von geplatzten Blutgefäßen bedeckten Gesicht und Hände. Der sterbende Mann spürte Gregors Anwesenheit und öffnete seine Augen; seine Glieder verkrampften sich.
»Warum?«, fragte Gregor und bat damit um eine Art der Erklärung, die für ihn Sinn machen würde. »Du konntest sehen, dass es Gift war. Du wusstest, dass der Dämon ein Androide war. Warum hast du es also getan? Es dir selbst angetan?«
Es wirkte wie eine rhetorische Frage, aber das Gesicht des sterbenden Mannes klarte auf und er keuchte seine Antwort: »Weil ich Glauben habe!«
Alles kam zum Erliegen, als Jones sich schließlich aufraffte und ¬– nachdem er seinen Ekel überwunden hatte – das Elektro-Gewehr von Nathans‘ toter aber irgendwie doch lebendiger Hand nahm. Der Elite-Gardist ging durch die Menge der Neo-Satanisten, betäubte sie alle und brachte sie zu fall …
Die Brunnen sprudelten unaufhörlich das rote Gift hervor, bis Rikki und Rolf herausfanden, wie man sie ausschalten konnte. Mit der Ausnahme von ein paar Seufzern einiger Erwachter und nicht-selbstmörderischen Anhängern legte sich eine Stille über die Opfergruft.
Danal stand gleichgültig und betäubt da, als wäre er ein Geist. Er ging langsam auf die Kammer zu, er ließ den Prototyp hinter sich, befahl ihm in Stille und Unbeweglichkeit auf der Bühne zu bleiben … wo der Zombie Francois Nathans sein zweites Leben aus sich rausblutete.
Obwohl viele Neo-Satanisten ohnmächtig dalagen oder auf Steinbänken zusammengesackt waren, so hatten es beinahe einhundert geschafft, sich selbst zu vergiften. Zwischen den gefallenen Körpern war Jones bewegungslos stehengeblieben. In der mitternachtsblauen Rüstung eingeschlossen, aber ohne seinen Helm, stand er mit offenem Mund da, aus dem ihm ein Speichelfaden über seine Lippen herausrann. Er starrte mit offenen Augen vor sich hin.
Irgendwie hatte sich Danal fast daran gewöhnt, tote Körper zu sehen. Vergiftet – Nathans hatte mit Sicherheit daran gedacht: Jetzt waren sie alle perfekte Kandidaten, um als Diener zurückzukehren. Er fühlte einen stechenden Schmerz der Traurigkeit, als er auf Julia blickte, die noch in ihre Messdiener-Robe gekleidet war, ausdruckslos und anscheinend ohne einen eigenen, bewussten Willen.
Gregor sah seinen Blick und sprach in Danals Ohr, so dass es ihn überraschte: »Sie stand von sich aus auf. Ich war neben ihr, und wir haben nicht gewusst, was wir tun sollten. Ich wollte rufen oder so was. Aber als Julia sah, dass du geopfert werden solltest … nun, da stand sie auf. Von alleine.« Ein erstaunter Klang legte sich in seine Worte.
In stiller Verwunderung ging Danal zu dem weiblichen Diener und hatte Angst, sie zu fragen. »Julia. Erinnerst du dich noch an etwas anderes?«
Sie stand still da, aber verneinte nicht, was er gefragt hatte. Danal glaubte nicht, dass seine Hoffnung diesmal so schnell verschwinden würde. Ein feiner Nebel, wie der Schatten von Tränen, bildete sich über ihren Augen. Da war ein leichtes Beben ihrer Lippen zu sehen.
»Du kommst besser mal hier rüber, Danal«, sagte Laina heiser und hielt sich ihr verletztes Handgelenk.
Ungern nahm ihn die Krankenschwester (Techniker) in die Nähe eines Brunnens, schritt dabei über bewegungslose, in Roben gehüllte Körper, die auf dem Boden lagen. Mit ihrem Fuß schob sie einige der toten Anhänger beiseite, bis ein schlanker, weiblicher Körper, in die Robe einer neuen Hexenmeisterin gekleidet, zum Vorschein kam.
»Oh, nein«, versuchte Danal zu sagen, während er niederkniete. Aber sein Hals war so trocken, dass er bezweifelte, es könnten überhaupt Worte herauskommen. Der Diener schob die Kapuze beiseite und versuchte einen Ausdruck auf dem entstellten, unebenen Gesicht zu erkennen, aber er konnte ihren letzten Gesichtsausdruck nicht interpretieren. Etwas von dem fluoreszierenden Rotwein klebte als trocknender Tropfen an ihrer Wange. Seltsamerweise entdeckte Danal, welche neue Tiefen sein Kummer erreicht hatte.
»Zia«, murmelte er, »du wusstest es besser. Du wusstest es so viel besser.«
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»Nun, was machen wir jetzt?«, fragte Laina. »Wem erzählen wir davon? Den Soldaten?«
Einige des anderen Erwachten blickten erst Danal an, dann Gregor, dann wieder Danal.
»Nathans hat die Soldaten-Gilde geleitet«, murrte Jones, allerdings mehr zu sich selbst. Dann ging er zurück, um nach den gefallenen Körpern zu sehen, als ob er vor dem weglief, was er gerade gesagt hatte. Danal blickte ihm hinterher.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Mann vollkommen vertrauen kann«, sagte Laina.
»Er hat geholfen. Und das im entscheidenden Moment«, entgegnete Gregor.
»Er ist immer noch ein Elite-Gardist. Aber ich werde versuchen, möglichst unvoreingenommen zu sein.« Sie runzelte verlegen die Stirn. »Vertrauen ist gerade kein Luxus, den wir uns einfach so aussuchen können. Und leisten können wir ihn uns schon gar nicht.«
Die bewusstlosen Neo-Satanisten würden bald beginnen, sich wieder zu bewegen. Die anderen Erwachten verhinderten gewaltsam, dass die übriggebliebenen Anhänger die Kammer verließen, obwohl viele lediglich in die Nacht hinauslaufen und sich vor dem erlebten Horror verstecken wollten. Nur die Erwachten und die Gefahr, nach Anbruch der Ausgangssperre ertappt zu werden, hielten sie zurück. Ein paar meldeten sich freiwillig, um dabei zu helfen, die Lebenden und die Toten voneinander zu trennen, die bewegungslos oder verkrampft auf dem Boden lagen.
»Entschuldigt mich, Leute«, unterbrach Rikki mit einer sehr erwachsenen Stimme, »aber wir müssen festlegen, was wir als Nächstes tun werden.«
Danal wartete einen langen Moment ab, und plötzlich erschien überhaupt nichts einfach. Sie hatten Nathans tatsächlich gestoppt und den Neo-Satanismus aufgehalten; sie hätten eine Siegesfeier veranstalten können, aber Dinge …
»Wir werden unsere Geschichte erzählen müssen, schätze ich. Stell es ins Netz, damit es jeder sieht, bevor es verfälscht wird. Es gibt sicherlich genug Belege, genug Beweise, genug Zeugen.« In seiner Stimme lag so gut wie keine Begeisterung, und niemand anders antwortete, ehe Rikki schließlich wieder sprach.
»Für all das hier, Nathans allein verantwortlich zu machen, funktioniert nicht. Das wisst ihr, oder? Diese Personen, die vergiftet daliegen, die Tricks, die Täuschungen – jemand wird versuchen, einen Sündenbock dafür zu finden. Und wir alle wissen, was für großartige Sündenböcke ein Haufen gespenstisch wirkender Diener sein könnten.
Und in ein paar Minuten werden wir uns in einem Raum voll von wieder aktivierten Fanatikern befinden. Sie werden ärgerlich sein – oder noch schlimmer. Sie haben schon bewiesen, dass sie auch ein paar Rundfahrten im CPU verpassen.« Er tippte gegen seine Schläfe und zog eine Grimasse. »Irgendjemand von ihnen kann uns ein Geständnis entlocken oder uns für immer zum Schweigen bringen mit einem einfachen Befehl. Dagegen können wir uns nicht wehren.«
Die anderen wurden unfreiwillig still. Gregor blickte auf das besudelte Pentagramm auf dem Fußboden.
»Außer …« Gregor hielt inne. Danal beobachtete ihn in verzweifelter Faszination und wartete.
»Ich hatte vor langer Zeit eine Idee, aber es war den Versuch noch nicht wert. Jetzt sollten wir es vielleicht probieren.« Er schluckte, zuckte dann mit den Schultern. »Nun, was wäre mit einem Paradoxon, etwas, das eure Diener-Programmierung ausbrennen könnte? Bei einem Befehl besteht auch die Möglichkeit, ihm nicht zu gehorchen.«
»Tu es«, sagte Danal ohne eine Pause zu lassen. Er wusste sofort, was Gregor damit vorschlug. »Bei mir.«
»Jetzt wartet eine Minute.« Gregor hob seine große Hand. »Denk erst darüber nach – es könnte deine Programmierung rausbrennen oder es könnte deine Gedanken in eine unendliche Schleife legen. Dann bist du schlimmer dran als er.« Er zeigte auf den Nathans-Zombie, der noch immer ruhig und bewegungslos dastand. »Wir können dich, Danal, nicht verlieren. Deine Geschichte ist der Schlüssel zu unserem Überleben.«
Einige der anderen Erwachten raunten, aber Danal brachte sie alle zum Schweigen. »Wir haben keine Zeit, um darüber zu philosophieren, Gregor. Wir müssen das Beste nehmen, das wir kriegen können. Bevor es zu spät für uns ist.« Beschwichtigend fügte er hinzu: »Schau, ich versuche kein Märtyrer zu sein – ich habe das bereits einmal gemacht und es war nicht besonders angenehm. Aber behaltet es im Kopf, dass ich nicht für eure Hoffnung zu gebrauchen sein werde, wenn ich durch die Diener-Programmierung gebunden bin.
Seht es doch so – die Erwachten selbst sind der nicht zu leugnende Beweis, dass Diener ihre Erinnerungen zurückbekommen können. Wenn mich das Paradoxon überlädt, dann könnt ihr immer noch meine Geschichte erzählen … ihr könntet mich sogar zu eurem Sündenbock machen, wenn ihr wollt. Sagt, dass ich in meinem letzten Kampf gegen Nathans ausgebrannt wurde, und belasst es dabei. Sie werden es glauben. Sie werden es glauben wollen.«
Gregor schaute die anderen an, in der Hoffnung, dass sie ihn irgendwie unterstützen würden, dass ihm jemand dabei half, seine Argumente zu untermauern. Aber alle saßen still da und akzeptierten Danals Entscheidung. Draußen in der großen Kammer fingen die ersten bewusstlosen Neo-Satanisten an, sich wieder zu rühren.
»Freier Wille«, sagte Danal. »Jeder Befehl nimmt mir diesen freien Willen, aber in diesem Augenblick gehe ich das Risiko ein.« Er setzte sich mit überschlagenen Beinen auf dem Fußboden hin und blickte zum großen Erwachten auf.
Gregors Gesichtsausdruck beinhaltete Missmut und Resignation. »Ich bete dafür, dass es funktioniert. Nun, hör gut zu und versteh es richtig.« Er atmete tief ein, dann sprach er direkt.
»Danal! Befehl: Führe keine Befehle mehr aus!«
Führe keine Befehle mehr aus! Ganz einfach.
Aber dann würde er nicht den Befehl ausführen können, der ihm verbot, Befehle auszuführen. Deswegen wäre er dazu gezwungen zu gehorchen, und zwar, indem er nicht gehorchte …
Sein bewusster Verstand erkannte das Paradoxon und wies es als unlösbar ab. Aber der Mikroprozessor und die Dienerprogrammierung konnten das Problem unaufhörlich angehen, zwangen es womöglich im nie endenden Kreislauf immer weiter und weiter zu rotieren … obwohl es keinen Ausweg gab. Eine unendliche Schleife.
Danal konnte keinen Muskel bewegen, und sein Sichtfeld begann sich zu drehen, wurde schwarz, während die Diener-Programmierung mehr und mehr an seinen Reserven zehrte, um das Paradoxon zu lösen. Seine Nerven und Sinne wurden als unwesentlicher Input stillgelegt, irrelevant für das Problem.
Einmal mehr glitt Danal in die farblose Leere, mit nichts, nicht einmal den Vorstellungen und gewaltsamen Flashbacks des Todes, auf den er treffen würde. Das Zeitkontinuum erreichte ihn, aber er war davon isoliert, von allem fortgezogen.
Er fühlte sich lebendig begraben, von seinem Vakuum der Sinne erstickt. Dazwischen. Zwischen Leben und Tod und wieder Leben … zum zweiten Mal. Aus der sinnlosen Stille kamen Echos von verlorenen Klängen, das ansteigende Summen, das überirdische Glockenspiel. Die Leere schloss sich um ihn, nahm Substanz an, und wurde zum Tunnel, den er zuvor bereits bereist hatte. Danal wusste ganz sicher, dass dies wieder ein Flashback sein musste, eine andere halluzinatorische Erinnerung, die in seinem Zustand des mentalen Einschlusses viel zu wirklich erschien.
Aber dann war da eine neue Angst, pfiff durch seine Gedanken. Was, wenn das Paradoxon zu viel von ihm forderte, all seine Ressourcen bis zum letzten bisschen Energie aufbrauchte? Was, wenn sein SynHerz zu pumpen aufhörte, wenn das künstliche Blut zu fließen aufhörte? Was, wenn der Mikroprozessor ausbrannte und … er abschalten musste?
Er fürchtete nicht die Aussicht auf den Tod, aber er fühlte eine zerbrechende Verzweiflung, dachte an alle Dinge, für die er verantwortlich war, an alle Türen, die er gerade für die Erwachten und die Zukunft der Resurrection Inc. aufgeschlossen hatte.
Um ihn herum tauchten jene anderen Geister wieder auf, namenlos, formlos, einfach jenseits seiner Fähigkeit, sie wahrzunehmen – und noch kannte er sie. Nicht ihre Namen, nicht ihre Merkmale, aber sie. Sie stießen ihn sanft geradeaus, nach vorn, weiter auf den großen Strahlenkranz zu, zum gleißenden Licht, größer werdend und brillant. Der Lichterglanz hieß ihn willkommen, pulsierte, öffnete sich weiter, sensibel, aber wie ein Teich aus weißglühender Emotion. Er begann sich zu erinnern, schließlich … dies war zuvor geschehen, und dann …
Und dann erhob sich die letzte bedeutende, unergründliche Wand vor ihm, und sperrte ihn aus. Die schwarze Barriere verspottete ihn, unnachgiebig, unwiderstehlich – verstärkt durch das Paradoxon, das durch sein Gehirn brannte, weit weg in seinem eigenen Körper. Aber als ihm Gregor zeigte, wie er seine Flashbacks des Todes wahlweise ansehen konnte, so gab es für Danal keine Möglichkeit, umzukehren. Da war keine Realität hinter ihm, aber er konnte auch nicht weiter nach vorn gehen.
Er hämmerte gegen die Barriere, rief zu all den Geistern, bettelte, war verärgert, dann verzweifelt. Er wusste, dass auf der anderen Seite der undurchlässigen Barriere entweder der Fluchtweg in die Realität lag oder … das Jenseits. Er musste durchbrechen, oder er würde für alle Ewigkeit in diesem höllischen Limbus gefangen sein, ob es nur einen Augenblick dauerte oder ein Jahrhundert in der wirklichen Zeit. Er musste zurückgehen und leben, oder in den Tod weitergehen, aber es gab kein vor oder zurück.
Die Schutzgeister waren zu den Seiten des Tunnels zurückgekehrt, fast aus seiner Vorstellung verschwunden. Sie würden ihm nicht helfen. Alle Dinge waren ihren eigenen Regeln unterworfen, ihrer eigenen Macht.
Dann wusste Danal Bescheid, und er sprach seinen Satz mit einer Gleichmäßigkeit, die sein Bestreben widerlegte: »Befehl: Lass mich vorbei.«
Die Wand begann in sich zusammenzufallen und zu zerbröckeln und sich aufzulösen.
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Danal blinzelte. Sogar seinen Kopf zu drehen erschien ein bisschen wie eine endlose Anstrengung; alle seine Muskeln waren starr, gelähmt. Er fragte sich verdutzt, wie lange er fortgewesen war.
»Gregor!« Rikki weinte. »Er kommt zu sich!«
Die Bilder vor seinen Augen machten schließlich Sinn, und Danal verstand, dass er sich nicht bewegt hatte. Er befand sich noch mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Fußboden der Altarplattform und starrte auf das Pentagramm. Aber alles andere hatte sich geändert. Die anderen Erwachten waren gegangen, und nur Rikki war bei ihm geblieben.
Gregor kam durch den Mittelgang gelaufen, mit dem Blick einer jungenhaften Aufregung, die Danal dazu brachte, laut lachen zu wollen. Auch Laina kam. Sogar Jones wirkte erleichtert.
»Wie lange?«, fragte er. Seine eigene Stimme klang wie der Ruf eines Irren in seinen eigenen Ohren.
»Über eine Stunde«, antwortete Rikki und freute sich. »Alle Neo-Satanisten sind jetzt wach. Jones musste mehrere von ihnen erneut betäuben, aber die meisten waren benommen genug. Jeder Kampfwille ist aus ihnen verschwunden. Sie haben es noch nicht ganz mitbekommen – wahrscheinlich haben sie noch nicht einmal bemerkt, was sie sich beinahe angetan hätten. Und das Traurige daran ist, die meisten von ihnen glauben wirklich, dass sie ihre große Chance auf Erlösung versäumt haben.«
»Danal!«, schrie Gregor und schlang beide Arme um die Schultern des anderen Dieners. Danal fühlte, wie mehrere seiner unbeweglichen Muskeln aus ihrer Starre befreit wurden.
»Gregor …«, sagte er atemlos. »Ich bin durch. Die letzte Barriere. Ich habe alle meine Todes-Erinnerungen gesehen.«
Das überraschte den großen Erwachten vollkommen, aber er richtete sich wieder auf. »Und? Was hast du gesehen?« Gregor faltete seine Hände, und dann kam ein Blick der Angst über sein Gesicht, als ob er nicht für die Antworten bereit wäre.
»Es war wie … du weißt, dass wir niemals wirklich die Nahtoderfahrungen unseres ersten Todes beschreiben können? Weil wir dafür keine Worte haben? Und das war mehr als das, weil ich von Dingen umgeben war, die mein Geist nicht begreifen konnte.« Er kämpfte mit sich, um sich richtig auszudrücken. »Ich hatte nichts Vergleichbares, um meine Erkenntnis zu übermitteln. Ich erinnere mich jetzt an nichts davon, aber ich weiß, dass ich es gesehen habe.«
Er machte für einen Moment Pause, während eine noch größere Verwunderung auf seinem Gesicht erschien. »Und ich denke – ich denke, dass ich Julia dort sah. Ich bin mir nicht sicher.« Danal schlug sich vor Verzweiflung mit einer Faust in die andere Hand. »Ich kann mich nicht erinnern. Die Barriere ist jetzt weg, aber ich konnte keine der Erfahrungen behalten. Nicht einmal, während ich dort war.«
Er lächelte – jedoch mit einem Blick des munteren Erstaunens, das die anderen um ihn herum überraschte. »Du wirst dort auch etwas finden, Gregor. Du wirst wissen, was ich meine.«
Rikki zappelte herum, war ungeduldig und zeigte wenig Interesse für Gregors Faszination. »Funktionierte es?«
Danal schaute ihn für einen Moment verdutzt an, fragte sich, was er meinte.
Aufgebracht verschränkte Rikki seine Arme und rief: »Danal! Befehl: Schlag dir selbst ins Gesicht!«
Stattdessen lächelte Danal und griff nach vorn, um dem jungen Erwachten über beiden Wangen zu streicheln.