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Die Leiche wurde ein zweites Mal in Cramond angeschwemmt, als wäre das Mädchen entschlossen, wieder und wieder an den gleichen Ort zurückzukommen, bis jemand Notiz von ihr nahm. Der Pathologe am Fundort meinte, dass sie möglicherweise stranguliert worden war (postmortale Fahlheit am Hals), aber sie müssten bis nach der Autopsie warten, um Genaueres zu erfahren. Drei Tage entlang der Küste den Forth hinauf- und hinuntergespült zu werden hatte ihr nicht gutgetan. Nicht wie Ophelia, die den Fluss nur hinuntergetrieben war, geschmückt mit Blumen.

Cramond lag in der Einflugschneise des Flughafens von Edinburgh, und Louise fragte sich, wie sie aus der Luft aussahen: wie kleine Spinnen, die ziellos hin und her wuselten, oder wie eine gut gedrillte Armee Ameisen, die zusammenarbeiteten. Nachdem ein einzelner Polizist am Fundort eingetroffen war, war die Zahl der Anwesenden innerhalb einer Stunde exponentiell angewachsen.

Ihr Team, ihr Fall. Ihr erster Mord. Sie hatten Hatters Wagen im Parkhaus des Flughafens gefunden. Jackson hatte recht gehabt, der Kofferraum war voller DNA-Spuren – hoffentlich passten sie zu ihrer Leiche. Früher oder später würden sie auch Graham Hatter finden.

Sie brachten die Leiche in einem Polizeiboot weg, der Staatsanwalt und der Pathologe entschieden sich, mit dem Helikopter zu fliegen. Louise fuhr mit der Leiche auf dem Boot, wie eine Ehrenwache. Sie berührte den dicken Leichensack aus Plastik.

»Hallo, Lena«, flüsterte sie. Bislang war sie Jacksons Mädchen gewesen, jetzt gehörte sie ihr. Louise wählte seine Nummer. Sie hätte gern alles Mögliche zu ihm gesagt, aber als er sich meldete, sagte sie nur: »Wir haben sie gefunden. Wir haben Ihr Mädchen gefunden.«