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Gloria hatte nicht gesehen, was passiert war. Sie vermutete, dass sich das Gerücht entlang dem Rückgrat der Schlange ausgebreitet hatte wie bei der stillen Post: Jemand wurde ermordet. »Wahrscheinlich hat sich jemand vorgedrängelt«, sagte sie zu der schnatternden Pam neben sich. Gloria war stoisch, wenn sie Schlange stand. Leute, die sich beschwerten oder mit den Füßen scharrten, als wäre ihre Ungeduld ein Zeichen von Individualität, gingen ihr auf die Nerven. Schlange stehen war wie das Leben selbst, man hielt den Mund und machte weiter. Es war eine Schande, dass sie für den Zweiten Weltkrieg gerade zu spät geboren war, sie besaß genau die Art von Langmut, die zu Kriegszeiten gefordert war. Stoizismus war Glorias Ansicht nach eine überaus unterschätzte Tugend in der modernen Welt.
Sie konnte verstehen, dass man Vordrängler umbringen wollte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie mittlerweile jede Menge Leute kurzerhand exekutieren lassen – Leute, die Abfall auf die Straße warfen zum Beispiel, sie würden es sich bestimmt zweimal überlegen, ob sie Bonbonpapier einfach so fallen ließen, wenn sie dafür am nächsten Laternenpfahl aufgeknüpft werden konnten. Gloria war früher gegen die Todesstrafe gewesen – sie erinnerte sich, dass sie während ihrer zu kurzen Zeit an der Universität gegen die Vollstreckung der Todesstrafe in einem weit entfernten Land, das sie auf der Landkarte nicht einmal gefunden hätte, demonstriert hatte, aber jetzt tendierten ihre Gefühle in die entgegengesetzte Richtung.
Gloria mochte Regeln, Regeln waren eine gute Sache. Gloria mochte Regeln, die bestimmten, dass man nicht schnell fahren oder im Halteverbot parken durfte, Regeln, die festlegten, dass man keinen Abfall wegwerfen oder Gebäude beschmieren durfte. Sie hatte es satt, dass Leute sich über das Geblitztwerden oder über Strafzettel für falsches Parken beschwerten, als wären sie eine Ausnahme. Als sie jünger war, hatte sie von Sex und Liebe phantasiert, davon, Hühner zu halten und Bienen zu züchten, größer zu sein, mit einem schwarzweißen Collie über eine Wiese zu laufen. Jetzt träumte sie davon, Türsteherin zu sein, mit dem ultimativen Abrechnungsbuch dazustehen und die Namen der Toten abzuhaken, die vor sie traten, sie durchzunicken oder den Daumen nach unten zu halten. Allen diesen Leuten, die an Bushaltestellen parkten oder bei Rot über eine Fußgängerampel gingen, würde es sehr leidtun, wenn Gloria sie erst über ihre Lesebrille hinweg anstarrte und sie aufforderte, Rechenschaft abzulegen.
Pam war nicht, was Gloria eine Freundin genannt hätte, sondern jemand, den sie so lange kannte, dass sie den Versuch aufgegeben hatte, sie loszuwerden. Pam war mit Murdo Miller verheiratet, dem besten Freund von Glorias Mann. Graham und Murdo waren in Edinburgh auf dieselbe teure Schule gegangen, die ihrem grundsätzlich flegelhaften Charakter einen höflichen Anstrich verliehen hatte. Sie waren jetzt beide wesentlich wohlhabender als ihre ehemaligen Mitschüler, eine Tatsache, die Murdo kommentierte mit: »Das beweist wieder mal alles.« Gloria dachte, dass es gar nichts bewies, außer dass sie womöglich gieriger und ruchloser waren als ihre einstigen Klassenkameraden. Graham war der Sohn eines kleinen Bauunternehmers (»Hatter-Häuser«) und hatte seine Karriere auf einer Baustelle seines Vaters als Ziegelträger begonnen. Jetzt war er Multimillionär und ein großer Bauunternehmer. Murdo war der Sohn eines Mannes, dem eine kleine Sicherheitsfirma gehörte (»Haven Security«), und hatte als Rausschmeißer an einer Kneipentür angefangen. Jetzt leitete er eine große Sicherheitsfirma – Clubs, Kneipen, Fußballspiele, Konzerte. Graham und Murdo hatten viele gemeinsame Geschäftsinteressen, Interessen, die weit gefächert waren und wenig zu tun hatten mit Bauen oder Sicherheit und die Treffen auf Jersey, den Cayman und Virgin Islands erforderten. Graham hatte die Finger in so vielen Angelegenheiten, dass zehn längst nicht mehr genug waren. »Geschäfte erzeugen Geschäfte«, erklärte er Gloria. »Aus Geld wird mehr Geld.« Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer.
Graham und Murdo lebten mit allem Drum und Dran der Honorigkeit – Häuser, die zu groß waren, und Autos, die sie jedes Jahr gegen ein neueres Modell austauschten, Ehefrauen, die sie behielten. Sie trugen blendend weiße Hemden und handgefertigte Schuhe, sie hatten schlechte Leberwerte und ruhige Gewissen, aber unter ihrer alternden Haut waren sie Barbaren.
»Habe ich dir erzählt, dass wir die Garderobe im Erdgeschoss neu gemacht haben?«, fragte Pam. »Schablonendruck mit keltischem Muster. Am Anfang war ich mir nicht sicher, aber mittlerweile gefällt es mir.«
»Mhm«, antwortete Gloria. »Faszinierend.«
Pam war es gewesen, die zu dieser mittäglichen Radioaufzeichnung hatte gehen wollen (Edinburgh Fringe Kabarettisten), und Gloria war mitgekommen in der Hoffnung, dass zumindest einer der Kabarettisten komisch wäre, aber ihre Erwartungen waren nicht hoch. Im Gegensatz zu manchen Bewohnern von Edinburgh, die die Eröffnung des jährlichen Festivals ähnlich betrachteten wie die Ankunft des Schwarzen Todes, gefiel Gloria die Atmosphäre, und sie besuchte hin und wieder eine Theateraufführung oder ein Konzert in der Queen’s Hall. Was Kabarett anbelangte, hatte sie jedoch ihre Zweifel.
»Wie geht’s Graham?«, fragte Pam.
»Ach, du weißt doch«, sagte Gloria, »Graham ist Graham.« Das stimmte, Graham war Graham. Mehr, oder weniger, hatte Gloria über ihren Mann nicht zu sagen.
»Dort steht ein Polizeiauto«, sagte Pam und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser zu sehen. »Ein Mann liegt auf dem Boden. Er scheint tot zu sein.« Sie klang aufgeregt.
Gloria hatte in letzter Zeit viel über den Tod nachgedacht. Zu Beginn des Jahres war ihre ältere Schwester gestorben, und vor ein paar Wochen hatte sie eine Postkarte von einer alten Schulfreundin erhalten, die sie informierte, dass eine aus ihrer Gruppe kurz zuvor an Krebs gestorben war. Die Nachricht, »Jill ist letzte Woche eingeschlafen. Die Erste, die von uns gegangen ist!«, schien ihr unnötig munter. Gloria war neunundfünfzig und fragte sich, wer als Letzte von ihnen ginge und ob es sich um einen Wettbewerb handelte.
»Polizistinnen«, zwitscherte Pam glücklich.
Ein Krankenwagen fuhr vorsichtig durch die Menge. Die Schlange hatte sich beträchtlich nach vorn geschoben, so dass sie jetzt beide das Polizeiauto sehen konnten. Eine Polizistin forderte die Menge lautstark auf, den Veranstaltungsort nicht zu betreten, sondern zu bleiben, wo sie waren, weil sie Zeugenaussagen zu dem »Zwischenfall« aufnehmen würden. Unbeeindruckt betraten die Leute einer nach dem anderen die Lokalität.
Gloria war in einer Stadt im Norden aufgewachsen. Larry, ihr Vater, ein mürrischer und ernster Mann, verkaufte Versicherungen von Tür zu Tür an Leute, die sie sich kaum leisten konnten. Gloria glaubte nicht, dass Versicherungen heute noch so verkauft wurden. Ihre Vergangenheit schien bereits eine antiquierte Kuriosität – ein virtueller Ort, der vom Museum der Zukunft wiedererschaffen wurde. Wenn ihr Vater seine alte Aktentasche nicht gerade von einer unfreundlichen Türschwelle zur nächsten schleppte, sondern zu Hause war, versank er vor dem Kamin in einem Sessel, verschlang einen Krimi nach dem anderen und trank in Maßen Bier aus einem kleinen Glaskrug. Ihre Mutter Thelma hatte Teilzeit in einer Apotheke am Ort gearbeitet. Dabei trug sie einen knielangen weißen Kittel, dessen medizinische Erscheinung sie mit einem großen Paar vergoldeter Ohrringe mit Perlen kontrastierte. Sie behauptete, dass sie aufgrund ihrer Arbeit in der Apotheke in die intimen Geheimnisse der Leute eingeweiht sei, aber soweit die junge Gloria es beurteilen konnte, verkaufte sie vor allem Einlegesohlen und Watte, und ihre aufregendste Arbeit bestand darin, vor Weihnachten das Schaufenster mit Lametta und Geschenkschachteln von Yardley zu dekorieren.
Glorias Eltern führten ein langweiliges, freudloses Leben, das auch das Tragen von vergoldeten Ohrringen mit Perlen und das Lesen von Kriminalromanen kaum aufheiterten. Damals ging Gloria davon aus, dass ihr Leben einmal völlig anders verlaufen würde – dass ihr gloriose Dinge widerfahren würden (wie ihr Name implizierte), dass sie innerlich wie äußerlich strahlen und ihr Weg leuchten würde wie der Schweif eines Kometen. So kam es nicht!
Beryl und Jock, Grahams Eltern, unterschieden sich nicht sonderlich von Glorias Eltern, sie hatten lediglich mehr Geld und standen weiter oben auf der sozialen Leiter, aber sie hatten die gleichen bescheidenen Erwartungen ans Leben. Sie wohnten in einem »Edinburgh Bungalow« in Corstorphine, und Jock besaß ein relativ kleines Bauunternehmen, mit dem er einen anständigen Lebensunterhalt verdiente. Graham selbst hatte ein Jahr Tiefbau in Napier studiert (»eine blödsinnige Zeitverschwendung«), bevor er bei seinem Vater einstieg. Innerhalb eines Jahrzehnts saß er im Besprechungszimmer seines eigenen Großreichs, Hatter-Häuser – Reelle Häuser für reelle Menschen. Gloria hatte sich diesen Slogan vor vielen Jahren einfallen lassen und wünschte jetzt inbrünstig, sie hätte es nicht getan.
Graham und Gloria hatten in Edinburgh und nicht in ihrer Heimatstadt geheiratet (Gloria war als Studentin nach Edinburgh gegangen), und ihre Eltern kamen mit einer günstigen Rückfahrkarte und waren wieder weg, kaum dass die Torte angeschnitten war. Die Torte war eigentlich der Weihnachtskuchen von Grahams Mutter, wurde jedoch hastig für die Hochzeit umfunktioniert.
Beryl machte ihren Kuchen immer im September und ließ ihn in weiße Tücher gewickelt in der Speisekammer reifen, packte ihn jede Woche vorsichtig aus und begoss ihn mit einem kleinen Gläschen Brandy. An Weihnachten waren die Tücher mahagonifarben gefleckt. Beryl sorgte sich wegen des Kuchens für die Hochzeit, da Weihnachten noch weit entfernt war (die Hochzeit fand Ende Oktober statt), aber sie setzte eine entschlossene Miene auf, verzierte ihn wie gewöhnlich mit Marzipan und Zuckerguss, und statt des Schneemanns steckte sie ein Brautpaar aus Plastik in die Mitte, das in einem nicht überzeugenden Walzertakt erstarrt war. Alle nahmen an, dass Gloria schwanger sei (sie war es nicht), als wäre das der einzige Grund, warum Graham sie heiratete.
Vielleicht hatte ihre Entscheidung, nur standesamtlich zu heiraten, ihre Eltern aus dem Gleichgewicht gebracht. »Wir sind keine Christen, Gloria«, hatte Graham gesagt, was auch stimmte. Graham war ein aggressiver Atheist, und Gloria – geboren ein Viertel Leeds’sches Judentum, ein Viertel irisch-katholisch und aufgewachsen als West-Yorkshire-Baptistin – war eine passive Agnostikerin, obschon sie in Ermangelung von etwas Besserem »Kirche von Schottland« auf das Aufnahmeformular des Krankenhauses geschrieben hatte, als sie sich zwei Jahre zuvor an einem entzündeten Fußballen hatte operieren lassen, privat in Murrayfield. Wenn sie sich überhaupt eine Vorstellung von Gott machte, dann als vages Wesen, das hinter ihrer linken Schulter herumflatterte wie ein nörgelnder Papagei.
Vor langer Zeit hatte Gloria auf einem Barhocker in einer Kneipe auf der George IV Bridge in Edinburgh gesessen, einen (so unglaublich es jetzt auch schien) gewagt kurzen Minirock getragen, unsicher eine Embassy geraucht, einen Gin mit Orangensaft getrunken und gehofft, hübsch auszusehen, während um sie herum ihre Kommilitonen hitzig über Marxismus diskutierten. Tim, ihr damaliger Freund – ein schlaksiger Jugendlicher mit der Afrofrisur eines Weißen, bevor Afrofrisuren gleich welcher Art in Mode waren –, war einer der Lautesten der Gruppe, er fuchtelte jedes Mal mit den Händen, wenn er Warentausch und Mehrwertrate sagte, während Gloria an ihrem Gin mit Orangensaft nippte, weise nickte und hoffte, dass niemand von ihr einen Beitrag erwartete, weil sie nicht den leisesten Schimmer hatte, wovon sie sprachen. Sie studierte im zweiten Jahr Geschichte, allerdings auf eine eher oberflächliche Weise, die das Politische (die erste schottische Unabhängigkeitserklärung und den Tennisplatzschwur) zugunsten des Romantischen (Rob Roy, Marie Antoinette) vernachlässigte und sie bei ihren Dozenten nicht gerade beliebt machte.
Sie erinnerte sich jetzt nicht mehr an Tims Nachnamen, sondern nur noch an die große Wolke aus Haar, die einer Pusteblume ähnelte. Tim erklärte der Gruppe gerade, dass sie jetzt alle zur Arbeiterklasse gehörten. Gloria runzelte die Stirn, weil sie nicht zur Arbeiterklasse gehören wollte, aber alle um sie herum murmelten zustimmend – wiewohl sie durch die Bank aus Arzt-, Anwalts- oder Unternehmerfamilien stammten. Da verkündete eine laute Stimme: »So eine Scheiße. Ohne Kapitalismus wärt ihr nichts, der Kapitalismus hat die Menschheit gerettet.« Und das war Graham.
Er trug eine Lammfelljacke, eine Art Autoverkäuferjacke aus zweiter Hand, und trank allein in einer Ecke der Bar ein Bier. Er war ihr wie ein Mann erschienen, dabei war er noch nicht fünfundzwanzig gewesen, und das war nichts, wie Gloria jetzt wusste. Und dann hatte er sein Bier ausgetrunken, sich zu ihr umgedreht und gesagt: »Kommst du mit?«, und sie war von ihrem Barhocker gerutscht und ihm gefolgt wie ein Hündchen, weil er so überzeugend und attraktiv war, verglichen mit jemandem mit Pusteblumenhaar.
Und nun ging alles den Bach runter. Gestern hatte eine Sondereinheit des Betrugsdezernats überraschend der Zentrale von Hatter-Häuser in der Queensferry Road einen höflichen Besuch abgestattet, und jetzt fürchtete Graham, dass sie jeden dunklen Winkel seiner Geschäfte ausleuchten würden. Er war spät und sichtlich mitgenommen nach Hause gekommen, hatte einen doppelten Macallen geschluckt, ohne etwas zu schmecken, war dann aufs Sofa gefallen und hatte wie ein Blinder auf den Fernseher gestarrt. Gloria briet ihm ein Lammkotelett, wärmte ihm Kartoffeln auf, und als sie fragte: »Haben sie deine geheimen Bücher gefunden?«, lachte er grimmig und sagte: »Meinen Geheimnissen werden sie nie auf die Spur kommen, Gloria«, aber zum ersten Mal in den neununddreißig Jahren, die sie ihn kannte, klang er nicht großspurig. Sie hatten ihn im Visier, und er wusste es.
Die Wiese war es gewesen. Er hatte Land im Grüngürtel gekauft, das nicht als Bauland ausgewiesen war. Er hatte es günstig bekommen – Land, das kein Bauland war, war schließlich nur eine Wiese –, aber dann, Hokuspokus Fidibus, ein halbes Jahr später war die Baugenehmigung erteilt, und jetzt wurde am nordöstlichen Stadtrand eine scheußliche Siedlung aus »Familienhäusern« mit zwei, drei und vier Schlafzimmern gebaut.
Eine hübsche kleine Summe für jemanden im Planungsreferat, mehr war nicht nötig, eine Transaktion, wie Graham sie schon hundertmal zuvor durchgeführt hatte, das Getriebe schmieren, nannte er es. Für Graham war es eine kleine Sache gewesen, seine korrupten Methoden waren so viel weitreichender und tiefgehender angelegt als eine grüne Wiese am Stadtrand. Aber es brauchte oft nur ganz wenig, dass große Männer stolperten.
Kaum war der Krankenwagen mit dem Peugeot-Fahrer verschwunden, begannen die Polizistinnen, Aussagen aufzunehmen. »Hoffentlich ist was drauf«, sagte eine von ihnen und deutete auf die Kamera hoch oben an einer Mauer, die Gloria nicht bemerkt hatte. Gloria gefiel die Vorstellung, dass Kameras alle überall beobachteten. Letztes Jahr erst hatte Graham das neueste Sicherheitssystem im Haus installiert – Kameras und Infrarotsensoren und Panikschalter und weiß Gott was. Gloria mochte die hilfreichen kleinen Roboter, die mit ihren Augen den Garten überwachten. Einst sah das Auge Gottes alles, jetzt war es die Kameralinse.
»Er hatte einen Hund«, sagte Pam und lockerte sich unsicher das apricot gefärbte Haar.
»An den Hund erinnert sich jeder.« Die Polizistin seufzte. »Ich habe mehrere sehr präzise Beschreibungen des Hundes, aber der Honda-Fahrer wird wahlweise als ›dunkelhaarig‹, ›blond‹, ›groß‹, ›klein‹, ›mager‹, ›dick‹, ›Mitte zwanzig‹ und ›um die fünfzig‹ beschrieben. Niemand hat sich das Autokennzeichen notiert, man sollte meinen, dass zumindest einer das hinkriegen würde.«
»Das sollte man meinen«, sagte Gloria. »Das sollte man wirklich meinen.«
Sie waren zu spät für die BBC-Radioaufzeichnung. Pam war hocherfreut, dass sie ein Drama statt des Kabaretts erlebt hatten.
»Und am Donnerstag gehe ich aufs Literaturfestival«, sagte sie. »Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?« Pam war Fan irgendeines Krimiautors, der auf dem Literaturfestival lesen sollte. Gloria hatte nichts für Kriminalromane übrig. Sie hatten das Leben aus ihrem Vater gesaugt und außerdem: Gab es nicht schon genügend Verbrechen auf der Welt, musste man noch mehr hinzufügen, und seien es fiktive?
»Das ist nur eine kleine Flucht aus dem Alltag«, sagte Pam kleinlaut.
Wenn man flüchten wollte, stieg man Glorias Ansicht nach in einen Wagen und fuhr davon. Glorias Lieblingsroman war noch immer ganz entschieden Anne auf Green Gables, der in ihrer Jugend eine Lebensweise repräsentiert hatte, die zwar ideal, aber auch jetzt noch nicht vollkommen unmöglich war.
»Wir könnten irgendwo eine schöne Tasse Tee trinken«, sagte Pam, aber Gloria entschuldigte sich und sagte: »Habe zu Hause was zu erledigen.«
Pam fragte: »Was denn?«
»Irgendwas«, sagte Gloria. Sie nahm an der eBay-Auktion eines Paars Staffordshire-Windhunde teil, die in zwei Stunden zu Ende gehen sollte, und sie wollte beim Finish dabei sein.
»Also wirklich, du bist eine Frau mit Geheimnissen, Gloria.«
»Nein, bin ich nicht«, sagte Gloria.