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Schwarzer Raum. Weißes Licht. Applaus.

In Jacksons Ohren klang der Applaus ziemlich kräftig, aber abgesehen von ein paar Kritikern, bestand das Publikum vor allem aus Freunden, Familie und Anhang. Für Julia repräsentierte er heute Abend das alles, und er hatte es geschafft, die gesamte Aufführung zu verpassen. Er schlüpfte gerade noch durch eine Tür, um zu sehen, wie die Schauspieler sich verneigten. Jackson wusste, dass Mord und Körperverletzung als Gründe, Julias Stück zu versäumen, nicht gut genug waren. Vielleicht hätte er doch mit Blut besudelt kommen sollen.

Die ganze Besetzung war anschließend in der Bar so erleichtert wie eine aufgedrehte Kindergartengruppe. Tobias vergewisserte sich, dass alle Champagner hatten, und hielt dann eine extravagante Lobrede, bei der Jackson nach der Hälfte abschaltete. »Auf uns!«, riefen sie, erhoben die Gläser und stießen an.

Julia hakte sich bei ihm unter und legte den Kopf an seine Schulter.

»Wie war es?«, fragte er und spürte, dass sie leicht zusammensackte.

»Ziemlich schrecklich«, sagte sie. »Ganze Teile der Szene auf dem Eisberg haben gefehlt, und dieser dumme Junge hat mir immer die falschen Stichwörter gegeben.«

»Scott Marshall? Dein Liebhaber?«

Julia zog ihren Arm aus seinem.

»Aber du warst trotzdem großartig«, sagte er und wünschte, er wäre ein besserer Schauspieler. »Du warst wirklich toll.«

Julia leerte ihr Glas Champagner auf einen Zug. »Und als der Platzanweiser durch den Gang ging und fragte, ob ein Arzt da ist – ich meine, der Mann, der den Herzinfarkt hatte, hat mir wirklich leidgetan, aber dann weiterzumachen, als wäre nichts geschehen …«

»So etwas passiert nun mal«, sagte Jackson beruhigend.

»Ja, ich weiß, aber nicht in der Aufführung heute Abend, Jackson«, fuhr sie ihn an. »Du warst nicht da, stimmt’s? Du hast es geschafft, meine Premiere zu versäumen! Was ist passiert, was so wichtig war? Ist jemand gestorben? Oder hat jemand gesagt, Hilf mir, Jackson?«

»Also, wie es nun mal ist …«

»Du bist so verdammt vorhersehbar.«

»Beruhige dich.«

»Mich beruhigen?«

Sag das nie zu einer Frau, das steht auf der ersten Seite des Handbuchs, das nicht mit ihnen mitgeliefert wird.

»Ich werde mich verdammt noch mal nicht beruhigen.«

Sie zündete eine Zigarette an und zog heftig daran, als enthielte sie ein Asthmamittel.

»Du solltest nicht rauchen«, sagte er (auch von diesen Worten riet das Handbuch ab). »Du weißt, dass du wirst aufhören müssen zu rauchen. Und zu trinken.«

»Warum?«

»Warum glaubst du?«

»Ich weiß nicht.«

In ihren Augen sah er eine neue Wut, eine Herausforderung, die er nicht annehmen sollte.

Und es war lächerlich. Es war überhaupt nicht so, wie er sich diesen Augenblick vorgestellt hatte.

Er hatte sich Kerzen vorgestellt, Blumen, eine liebevolle Freundlichkeit, die sie wie ein Schal einhüllte. »Weil du schwanger bist«, sagte Jackson.

»Na und?« Sie reckte trotzig das Kinn und blies Rauch zur Decke, wo er sich unter die schmutzige Wolke über ihren Köpfen mischte.

»Na und?«, wiederholte er gereizt. »Was soll das heißen? Na und?« Dieses Gespräch sollte nicht in dieser schmuddligen Bar voller lärmender Menschen stattfinden, aber er hatte keine Ahnung, wie er sie da hinausmanövrieren sollte. Er fragte sich, auf welche Weise sie es ihm beigebracht hätte. Die Verkündigung. Die Schönheit des Moments war jetzt unweigerlich zerstört.

Dann schoss ihm ein fürchterlicher Gedanke durch den Kopf. »Du wolltest es doch nicht loswerden, oder?«

Sie sah ihn kalt an. »Loswerden?«

»Abtreiben. Herrgott, Julia, das kannst du doch nicht ernsthaft in Betracht ziehen.« Fast sagte er: Das ist vielleicht deine einzige Chance, aber irgendwie konnte er zumindest das verhindern.

»Nur weil ich große Brüste habe, eigne ich mich noch nicht zur Mutter, Jackson.«

»Julia, du wärst eine wunderbare Mutter.« Das stimmte. Er konnte nicht glauben, dass sie es nicht erleben wollte, Mutter zu sein. Sie hatten nie über Kinder gesprochen, sie hatten übers Heiraten gesprochen, aber nie über Kinder. Warum? Wie konnten ein Mann und eine Frau eine Beziehung haben und nicht über Kinder sprechen?

»Wir haben nie über Kinder gesprochen, Jackson. Und es ist mein Körper und mein Leben.«

»Mein Baby«, sagte er.

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Dein Baby?«

»Unser Baby«, verbesserte er sich.

Etwas glitt über ihr Gesicht, unendliche Traurigkeit und Bedauern. Sie schüttelte den Kopf und drückte die Zigarette in einem Aschenbecher auf der Theke aus.

Dann sah sie ihn an und sagte: »Tut mir leid, Jackson. Das ist es nicht. Es ist nicht dein Baby.«