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Sophias schottischer Freund stürzte sich auf sie, kaum dass sie durch die Tür war, und zerrte an dem Reißverschluss ihrer rosa Uniform. Er fand die rosa Uniform eine Spur pornografisch, als hätte Barbie die ideale Schwesterntracht entworfen. Sophia trug ihre sehr kurz, und er fragte sich oft, ob in den Häusern, in denen sie putzte, Männer waren, die versuchten, ihr unter den Rock zu schauen, wenn sie sich bückte oder streckte. Wenn er an sie bei der Arbeit dachte, waren immer Staubwedel aus Federn involviert, und sie beugte sich provokativ über Betten oder kniete auf dem Boden, um ihn zu schrubben, den tschechischen Arsch vorwitzig in die Höhe gereckt.
»Warte«, sagte sie und stieß ihn von sich.
»Kann nicht«, sagte er. »Ich habe den ganzen Tag an nichts anderes gedacht.«
Sie wollte ihre Jacke ausziehen, ein Glas Rotwein trinken, Bohnen auf Toast essen, sich das Gesicht waschen, die Beine hochlegen, hundert Dinge tun, die auf ihrer Prioritätenliste weiter oben standen. Sie hatte heute eine Stunde länger arbeiten müssen. »Neue Sitten«, hatte die Haushälterin gesagt. Die Haushälterin war auch neu. Die fiesgesichtige schottische Haushälterin war über Nacht verschwunden, und jetzt war statt ihrer eine reizbare Moskauer Schlampe da. Hilfe hatte ein »neues Management«. Sophia hielt nicht viel von dem neuen Regime. Sie dachte, dass es an der Zeit war, bei Hilfe aufzuhören, nach Prag zurückzukehren und dort ihr wirkliches Leben wieder aufzunehmen. Sie stellte sich vor, dass sie in Zukunft eine international anerkannte Wissenschaftlerin wäre, in Amerika lebte, einen gut aussehenden Mann und ein paar Kinder hätte, sie stellte sich vor, wie sie die Fotos von ihrer Zeit in Schottland betrachtete – die Burg, den Zapfenstreich, Hügel und Seen. Die Fotos von ihrem schottischen Freund würde sie herausnehmen, damit ihr amerikanischer Mann nicht eifersüchtig wäre. Andererseits, vielleicht sollte sie genau das nicht tun.
»Komm schon«, stöhnte ihr schottischer Freund und zerrte an ihren Kleidern. Manchmal, wenn er in der Stimmung war, ließ er sich einfach nicht davon abbringen.
Als er ihr den rosa Uniformrock über die Hüften schob, drückte sie etwas im Rücken, und sie sagte: »Warte einen Moment«, und er stöhnte und rollte auf die Seite, und sein großer blasser schottischer Penis ragte in die Luft wie ein Fahnenmast. Sie hatte keinen Vergleich, da es ihr erster Kelte war, aber ihr gefiel die Vorstellung, dass alle schottischen Männer so etwas unter ihrem Kilt versteckten – auch wenn die anderen Mädchen vor kenntnisreicherem Lachen kreischten, wenn sie das sagte.
Sie fand die Quelle ihres Unbehagens in einer Jackentasche. Die Puppe. Die Matroschka des Schriftstellers. Sie erinnerte sich daran, sie im Chaos seines Hauses aufgehoben zu haben. Es war eine kleine Puppe, wenn auch nicht das Baby. Sie öffnete sie, zog sie auseinander. Wie in einem Ei befand sich ein Geheimnis darin. Sie runzelte die Stirn.
»Ein Sony-Memorystick«, sagte ihr schottischer Freund. »Für einen Computer.«
»Ich weiß«, sagte sie. Bisweilen vergaß er, dass sie eine Wissenschaftlerin aus einer kosmopolitschen europäischen Hauptstadt war. Bisweilen verhielt er sich, als würde sie wie im Mittelalter Kartoffeln anpflanzen. Der Memorystick war beschriftet. »Tod auf Black Isle«.
»Greg oben hat einen Sony«, sagte er begeistert, sein Fahnenmast bereits schlaff und vergessen. Er liebte alles, was mit Computern zu tun hatte. »Wir schauen nach, was drauf ist. Es muss wichtig sein, wenn er ihn versteckt hat.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Sophia. »Es ist nur ein Roman.« Aber sie war erleichtert, als sie ihn die Treppe zu Gregs Wohnung hinaufstürmen hörte. Jetzt konnte sie wenigstens die Schuhe ausziehen und ein Glas Wein trinken. Sie erinnerte sich an das Haus des Schriftstellers, wie es war, bevor die schreckliche Sache passiert war. Fast konnte sie die Rosen in der Eingangshalle riechen.