Neunundzwanzig
Als die Kutsche in den steinernen Palasthof rollte, wurde es gerade dunkel. Prinzessin Glisselda wartete schon auf uns; wortreich klagte sie darüber, was mir zugestoßen war, und nicht minder wortreich klagte sie Kiggs an, weil ich schon wieder verletzt worden war. Als ob er nichts Besseres zu tun hatte, als mich zu beschützen, während die ganze Stadt in Aufruhr war. Kiggs schmunzelte, weil sie sich wie eine kleine Glucke aufführte. Glisselda drängte sich zwischen uns, hakte sich unter und plauderte dabei unverdrossen, wie es ihre Art war. Ich gab vor, hundemüde zu sein, und löste unser Trio bei der ersten Gelegenheit die sich bot auf.
Ich war tatsächlich erschöpft, obwohl es noch nicht einmal fünf Uhr war. Müde schleppte ich mich in mein Zimmer und sank auf einen Stuhl. Meine Tasche ließ ich zwischen meinen Füßen auf den Boden fallen.
Ich konnte nicht länger so nahe bei Kiggs leben, wenn es immer so weh tat wie jetzt. Ich beschloss, die Friedensfestlichkeiten abzuwarten, danach würde ich Viridius meine Kündigung schicken. Vielleicht nicht einmal das. Ich würde einfach verschwinden, weglaufen nach Blystane oder Porphyrien oder nach Segosh, eine der großen Städte, wo ich mich unter die Menschen mischen könnte und mich niemand aufspürte.
Mein linkes Handgelenk juckte unter dem Verband. Die Versuchung war zu groß. Ich würde nur rasch einen Blick auf die Wunde werfen, redete ich mir ein. Nachsehen, ob es heilte. Ich begann, den Verband zu lösen, zog mit den Zähnen daran, wenn es schwer ging.
Dort, wo die Schuppe fehlte, hatte sich ein verkrusteter Schorf gebildet; er sah hässlich aus zwischen den glatten silbernen Schuppen. Ich fuhr mit dem Finger darüber, es fühlte sich rau und wund an. Im Vergleich zu der dicken schwarzen Kruste waren die Schuppen fast schön. Das war typisch für mich: aus einer angeborenen Scheußlichkeit etwas noch Scheußlicheres zu machen. Ich hasste diesen Schorf. Ich fing an, ihn an einer Ecke aufzukratzen, aber dann musste ich wegschauen. Ich biss die Zähne zusammen und krümmte mich vor Abscheu.
Ich hörte nicht auf, bis ich wieder ein Loch gerissen hatte.
Dabei musste ich wohl mit den Füßen an meine Tasche gestoßen sein, denn sie kippte zur Seite und öffnete sich. Der Brief und die lange, schmale Schachtel fielen heraus, die mir meine Schwestern heute Morgen – wie endlos lange war das her – im Auftrag meines Vaters gegeben hatten. Ich ließ von meinem Handgelenk ab und hob die Schachtel auf. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Das Behältnis hatte die richtige Größe und die richtige Form für ein ganz bestimmtes Musikinstrument. Ich fürchtete mich fast ein wenig vor der Enttäuschung, falls ich mich irrte. Deshalb nahm ich zuerst den Brief und faltete ihn auseinander.
Meine Tochter,
ich vermute, Du wirst Dich nicht sehr gut an unsere Unterhaltung in der vergangenen Nacht erinnern, was nicht weiter schlimm ist. Ich fürchte, ich habe wie ein Narr gesprochen. Aber etwas bin ich Dir schuldig: Deine Mutter besaß mehr als nur eine Flöte, sonst hätte ich es nie ertragen, die andere zerbrochen zu haben. Mir tut es immer noch leid, nicht zuletzt deshalb, weil mich Dein anklagender Blick bis heute verfolgt. Das Ungeheuer in unserem Haus war ich, nicht Du.
Komme was wolle, ich habe meinen Frieden mit der Vergangenheit und mit der Zukunft geschlossen. Tu das, was Du meinst tun zu müssen, und habe keine Furcht.
Ich liebe Dich von ganzem Herzen,
in guten und in schlechten Zeiten,
Papa
Mit zittrigen Händen öffnete ich die Holzschachtel und schlug das safrangelbe Innentuch zur Seite. Beim Anblick der herrlichen Flöte aus poliertem Ebenholz mit Intarsien aus Silber und Perlmutt verschlug es mir den Atem. Ich wusste sofort, dass es ihre Flöte gewesen war.
Ich setzte sie an die Lippen und spielte eine Tonleiter. Der Klang war zart und schmelzend. Trotz meiner beiden schmerzenden Handgelenke ließ ich die Finger über die Flöte gleiten. Ich nahm das weiche safranfarbene Tuch und wickelte es um mein verletztes linkes Handgelenk. Es war ein Geschenk meiner beiden Eltern und würde mich von nun an daran erinnern, dass ich nicht allein war. Und vielleicht würde es mich auch vor mir selbst schützen.
Gestärkt und getröstet stand ich auf und ging zur Tür. Es war noch viel Arbeit zu tun, und ich war die Einzige, die sie verrichten konnte.
Comonot war bedeutend genug, dass man ihm eine Suite in dem Flügel zugewiesen hatte, in dem die königliche Familie wohnte. Es war der prächtigste und bestbewachte Teil des ganzen Schlosses. Als ich mich dem Posten näherte, drehte sich mir vor Angst fast der Magen um. Ich hatte keinen festen Plan gefasst, wie ich die Wachen diesmal täuschen wollte, ich hatte mir keine Lüge ausgedacht, die ich ihnen auftischen konnte. Ich würde einfach um die Erlaubnis bitten, den Ardmagar zu besuchen, und abwarten, was geschehen würde.
Als ich sah, dass ausgerechnet Mikey der Fisch den Zugang bewachte, hätte ich am liebsten den Rückzug angetreten, aber dann berührte ich mein safrangelbes Tuch am Handgelenk, hob selbstbewusst den Kopf und ging auf ihn zu. »Ich möchte mit dem Ardmagar sprechen«, sagte ich. »An wen muss ich mich in dieser Angelegenheit wenden?«
Zu meiner Verwunderung lächelte Mikey der Fisch mich an. »Folgt mir einfach, Musikmamsell.« Er öffnete die schwere, zweiflügelige Tür für mich. Dann nickte er seinen Kameraden zu und begleitete mich in die verbotenen Bezirke der Residenz.
Bunte Wandteppiche schmückten die Korridore, dazwischen standen Marmorstatuen, an den Wänden hingen Porträts und in Schaukästen befanden sich edles Porzellan und zarte Gläser. Es war allgemein bekannt, dass die Königin die schönen Künste liebte, und hier bewahrte sie ihre Schätze auf. Ich wagte kaum zu atmen, um ja nicht irgendwo anzustoßen.
»Hier ist seine Suite«, sagte Mikey. Er wandte sich zum Gehen, doch dann fügte er noch hinzu: »Passt auf Euch auf. Prinzessin Dionne behauptet, der alte Saar hätte sich an sie rangemacht.«
Ich glaubte ihm aufs Wort, was allein schon schlimm genug war. Ich beobachtete Mikey, wie er den Korridor entlangging, und mir fiel auf, dass er sich nicht wieder zu seinem Posten zurückbegab, sondern einen anderen Weg einschlug. Man hatte ihm wahrscheinlich befohlen, mich einzulassen, und jetzt ging er, um zu melden, dass ich da war. Sei’s drum, ich freute mich über mein unverhofftes Glück und klopfte an Comonots Tür.
Der Diener des Ardmagar, ein junger Bursche, der unter allen Pagen des Schlosses für ihn ausgewählt worden war, öffnete sofort die Tür. Als er mich sah, machte er ein langes Gesicht. Man hatte augenscheinlich jemand anderen erwartet.
»Ist das mein Abendessen? Bring es her!«, befahl der Ardmagar aus dem Nebenraum.
»Es ist eine Frau, Eure Exzellenz!«, rief der Junge. Als ich an ihm vorbei in den Raum trat, der ganz offensichtlich als Vorzimmer für ein Herrengemach diente, heftete sich der Page an meine Fersen wie ein bissiger Terrier und kläffte: »Du darfst nicht eintreten, ehe der Ardmagar dich nicht dazu aufgefordert hat!«
Comonot hatte gerade an einem wuchtigen Schreibtisch etwas unterzeichnet; jetzt stand er wortlos auf und sah mich an. Ich machte einen tiefen Knicks vor ihm. »Verzeiht mir, Sir, aber wir hatten unser Gespräch noch nicht beendet, als uns der ruchlose Attentäter so rüde unterbrach.«
Argwöhnisch kniff er die Augen zusammen. »Geht es wieder um deine Verschwörungstheorie?«
»Aus Verachtung für den Boten verachtet Ihr die Botschaft.«
»Setz dich, Serafina«, sagte er und deutete auf einen Polstersessel, der mit üppig verschnörkelten Schnitzereien verziert und mit elegantem, kompliziertem Blattwerk bestickt war. Der ganze Raum war mit Samtbrokat und dunkler schwerer Eiche ausstaffiert, sogar die Zimmerdecke war mit Tannenzapfenschnitzereien geschmückt, die aus der Mitte einer jeden Kassette hervortraten wie die stacheligen Fingerspitzen eines Riesen. Dieser Flügel des Schlosses war viel kostbarer eingerichtet als der, in dem ich wohnte.
Seit unserem Gespräch in der Bibliothek des Bischofs hatte der Ardmagar genügend Zeit gehabt, wieder nüchtern zu werden, und jetzt musterte er mich genauso scharfsinnig wie Orma. Er nahm mir gegenüber Platz und fuhr sich nachdenklich mit der Zunge über die Zähne.
»Du hältst mich sicher für einen engstirnigen und abergläubischen Tölpel«, sagte er und verbarg die Hände in den weiten Ärmeln seines bestickten Wappenrocks.
Ich musste erst mehr über ihn in Erfahrung bringen, ehe ich ihm eine Antwort darauf geben konnte. Vielleicht war er ja wirklich abergläubisch.
»Das war ich, zugegeben«, fuhr er fort. »Dich dürfte es eigentlich gar nicht geben. Drachen tun sich schwer mit Kontrafakten, die der Wirklichkeit widersprechen.«
Fast hätte ich gelacht. »Wie kommt Ihr darauf, dass es mich nicht wirklich gibt? Ich bin doch leibhaftig hier.«
»Und wenn du ein Geist wärst, der dasselbe von sich behauptet – sollte ich dir dann auch glauben? Oder sollte ich dich nicht eher für eine Ausgeburt meines eigenen Wahns halten? In der Kathedrale hast du mir bewiesen, dass du kein Geist, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut bist. Ich möchte herausfinden, was genau das bedeutet.«
»Einverstanden«, sagte ich zögernd.
»Du stehst mit deinen Füßen in beiden Welten: Wenn du Erinnerungen von deiner Mutter hast, dann hast du erfahren, was es heißt, einerseits ein Drache und andrerseits ein Saarantras zu sein. Aber zugleich weißt du auch, wie es ist, ein Mensch zu sein – oder fast ein Mensch.«
Darauf war ich gefasst gewesen. »Alle diese Lebensweisen sind mir nicht unbekannt, ja.«
Er beugte sich vor. »Und was hältst du davon, ein Drache zu sein?«
»Offen gesagt finde ich es … unangenehm. Und verwirrend.«
»Tatsächlich? Das ist auch nicht verwunderlich. Drache zu sein ist sehr speziell.«
»Ich finde es sehr anstrengend, ständig die Windrichtungen zu berechnen und den Gestank der ganzen Welt ertragen zu müssen.«
Er faltete seine dicken Hände und sah mich aufmerksam an.
»Aber vielleicht verstehst du auch ein bisschen, wie befremdlich diese Menschengestalt für Drachen ist. Was uns umgibt, erscheint seltsam, wir verlieren leicht die Orientierung, sowohl außerhalb als auch in uns selbst. Wenn ich mich als Saarantras anders verhalte als in meiner Drachengestalt, dann frage ich mich: Wer bin ich denn wirklich?«
»Liebe ich dich gar? Mir scheint, dass Liebe einer der möglichen Gründe dafür ist, dass ich dich verteidigt habe. Und doch weiß ich nicht, wie man jemanden liebt. Ich frage mich, wie ich das in Erfahrung bringen soll.«
»Ihr liebt mich nicht«, erwiderte ich kurz angebunden.
»Aber vielleicht habe ich dich einen kurzen Moment lang geliebt. Wäre das denkbar?«
»Nein.«
Inzwischen hatte er seinen Arm ganz in dem weiten Ärmel verschwinden lassen und seine Hand kam aus der Kragenöffnung seines Wappenrocks hervor und kratzte sein Doppelkinn. Erstaunt sah ich ihm bei seinen seltsamen Verrenkungen zu.
»Liebe muss man radikal austreiben« erklärte er. »Wir sagen unseren Studenten stets, dass sie sich vor diesem Gemütszustand hüten sollen. Er ist eine wirkliche Gefahr für einen Saar, denn jene, die sich verlieben, wollen nicht mehr zu uns zurückkommen. Sie möchten keine Drachen mehr sein.«
»So wie meine Mutter«, sagte ich und schlang die Arme fest um mich.
»Genau!«, rief er; es war ihm egal, ob mich sein Tonfall verletzte. »Unsere Regierung geht rigoros gegen alle übertriebenen Gefühle vor, aber ganz besonders gegen die Liebe, und das ist richtig so. Aber da ich nun schon einmal hier bin und diese merkwürdige Gestalt angenommen habe, möchte ich alles darüber erfahren und zwar schnell. Wenn ich wieder nach Hause komme, wird man mir meine Erinnerungen nehmen – ich werde mich also garantiert nicht in diesen Gefühlen verlieren –, aber ich möchte zumindest einmal verspüren, wie groß diese Gefahr ist, möchte selbst in den entsetzlichen Rachen der Liebe blicken, ihren tödlichen Odem ertragen, um so bessere Möglichkeiten zu finden, andere, die an dieser Krankheit leiden, zu kurieren.«
Fast hätte ich losgelacht. Ich konnte ihm nicht widersprechen, wenn er die Liebe entsetzlich nannte, ja sogar von einer Krankheit sprach, denn dafür hatte mir Kiggs schon viel zu viele Schmerzen bereitet, aber ich durfte ihn auch nicht in dem Glauben lassen, dass ich seinen Plan so ohne Weiteres billigte. »Wenn Ihr jemals Liebe erfahren solltet, dann hoffe ich, werdet Ihr mehr Mitgefühl mit der qualvollen und unmenschlichen Entscheidung haben, vor der meine Mutter stand, der Wahl zwischen ihrem Volk und dem Mann, den sie liebte, zwischen ihrem Kind und ihrem eigenen Leben!«
Comonot sah mich unnachgiebig an. »Sie hat sich beide Male falsch entschieden.«
Er machte mich wütend. Dummerweise war ich mit einem bestimmten Ziel hierhergekommen, das ich immer noch nicht erreicht hatte. »General, was die Verschwörung angeht –«
»Deine fixe Idee?« Er schlüpfte wieder in den Ärmel zurück und trommelte mit den Fingern auf der Stuhllehne. »Ja, anstatt uns den Kopf über Kontrafakte zu zerbrechen, lass uns lieber darüber nachdenken. Wenn du aufgrund der Erinnerungen deiner Mutter von der Verschwörung weißt, dann muss sie beinahe zwanzig Jahre her sein. Woher willst du wissen, dass man die Übeltäter nicht längst gefasst und in alle Winde vertrieben hat?«
Ich presste die Hände zusammen, um mir meine Verärgerung nicht anmerken zu lassen. »Ich bin sicher, Ihr könntet mir darüber Auskunft geben.«
Er zupfte an seinem Ohrring. »Woher willst du wissen, dass die Verschwörerbande sich nach Imlanns Verbannung nicht selbst aufgelöst hat?«
»Imlann scheint immer noch dasselbe Ziel zu verfolgen wie damals. Das legt den Verdacht nahe, dass die Verschwörung noch im Gange ist«, sagte ich. »Zwar sind die Ritter verbannt worden, aber Imlann will herausfinden, ob die Dracomachie genug geschwächt ist. Wenn ja, dann werden die Generäle einen Weg finden, um ihrerseits mächtig genug zu werden. Euch zu ermorden, würde schon ausreichen. Vielleicht führen sie ja gerade im Augenblick einen Anschlag in Tanamoot aus.«
Comonot winkte ab. Die Ringe an seinen dicken Fingern glitzerten. »Von etwas Derartigem hätte ich längst gehört. Imlann handelt vielleicht ganz allein. Aber er ist wahnsinnig genug, um zu glauben, dass er Unterstützer hat. Einmal angenommen, es gäbe eine solche Verschwörung – könnten sie mich nicht viel leichter töten, wenn ich in Tanamoot bin?«
»Dann würden sie lediglich einen Bürgerkrieg heraufbeschwören«, antwortete ich. »Sie wollen aber, dass auch Goredd hineingezogen wird.«
»Nichts als Vermutungen«, wehrte er meinen Einwand ab. »Wenn ein paar unzufriedene Generäle etwas gegen mich im Schilde führten, dann würden die mir ergebenen Generäle – ganz zu schweigen von den Jüngeren, die den größten Nutzen vom Frieden haben – schleunigst jeden Aufstand niederschlagen.«
»Aber soeben wurde ein Anschlag auf Euer Leben durchgeführt!«, schrie ich.
»Der vereitelt wurde. Die Sache ist erledigt.« Geistesabwesend zog er einen Ring vom Finger und ersetzte ihn durch einen anderen. »Prinz Lucian sagte, der Mann habe zu den Söhnen von Sankt Ogdo gehört. Ich kann nicht glauben, dass die Söhne sich an einer Drachenverschwörung beteiligen, du etwa? Welcher Drache würde es wohl ernsthaft in Erwägung ziehen, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen?«
Nur ein höllisch kluger Drache würde so etwas tun, schoss es mir durch den Kopf. Wenn die Söhne sich auf Mordversuche verlegten, dann wäre die Königin gezwungen, mit harter Hand durchzugreifen. Imlann müsste nur warten, bis die drachenfeindlichen Eiferer sein schmutziges Handwerk für ihn erledigt hatten, dann würde die Krone wiederum die Eiferer für ihn erledigen. Und er – raffinierte Schlange, die er war – könnte derweil in aller Ruhe zuschauen.
»Ardmagar«, sagte ich und stand auf. »Ich wünsche Euch einen guten Abend.«
Er kniff die Augen zusammen. »Ich habe dich nicht überzeugen können, denn du bist eingebildet genug, um an deiner Theorie festzuhalten. Was also hast du vor?«
»Ich werde mit jemandem reden, der mir zuhört«, sagte ich, »jemand, der, wenn er mit etwas konfrontiert wird, was er ursprünglich für falsch hielt, seine Meinung an die Wirklichkeit anpasst und nicht umgekehrt.«
Ich ging zur Tür und er machte keine Anstalten, mich zurückzuhalten.
Kiggs wartete im Gang auf mich. Er lehnte an der Wand und hielt ein kleines Buch in der Hand. Als er mich sah, klappte er es zu und steckte es in sein scharlachrotes Wams.
»Errät man so leicht, was ich vorhabe?«, fragte ich.
»Nur, wenn du genau dasselbe tust, was ich auch getan hätte.«
»Danke, dass Ihr dem Wachposten befohlen habt, mich durchzulassen. Das hat beiden Seiten viel Peinlichkeit erspart.«
Er verbeugte sich tief, eine übertriebene Höflichkeitsbezeugung, die mir gar nicht zustand. »Selda war der Ansicht, ich sollte dich befragen, was der Ardmagar und du zu besprechen hattet. Ich willigte ein, obwohl ich glaube –«
»Ich wollte Euch und die Prinzessin gerade aufsuchen. Es gibt einige Dinge, die ich hätte berichten sollen, statt sie zu verschweigen«, sagte ich. »Das tut mir leid. Aber lasst uns zuerst zu Eurer Cousine gehen; sie muss es auch wissen.«
Er schien meiner plötzlichen Offenheit nicht recht zu trauen und ich hatte sein Misstrauen ja auch wirklich verdient. Ich seufzte und setzte ein Lächeln auf. Ohne ein weiteres Wort führte Kiggs mich in den Blauen Salon.