3
Phet
Am nächsten Morgen wollten wir in aller Frühe aufbrechen. Die Temperatur war über Nacht gefallen, der Dschungel war verhältnismäßig kühl und roch köstlich. Ich nahm einen tiefen Atemzug, räkelte mich und sog den würzig süßen Duft des Weihrauchbaums neben dem Zelt ein. Nach dem Frühstück verzog sich Kishan in den Dschungel, um dort die neue Kleidung anzuziehen, die er mit dem Göttlichen Tuch herbeigezaubert hatte.
Ren stocherte mit einem langen Stock in der kalten schwarzen Asche unseres Feuers. Ich stand ein gutes Stück entfernt, sodass meine Gegenwart ihn nicht störte. Dieses neue Freundschaftsding war komisch. Ich war verunsichert, wie ich mit ihm umgehen sollte. Ich wollte, dass dieser Fremde hier wieder zu meinem Ren wurde. In vielerlei Hinsicht war er es. Ren war immer noch charmant, gütig und süß. Er liebte immer noch dieselben Dinge, auch wenn er nicht mehr ganz so selbstbewusst war. Kishan war stets der Mitläufer gewesen und Ren der Anführer, doch jetzt waren die Rollen vertauscht. Kishan strotzte vor Selbstvertrauen und einem Hauch Arroganz. Ren war zurückgefallen, schien nicht mehr zu wissen, wer er war oder wie er in diese Welt passte. Außerdem machte es den Anschein, dass er überhaupt keine Gedichte mehr verfassen wollte. Er spielte selten Gitarre. Bücher nahm er nur noch zur Hand, wenn er von Mr. Kadam oder mir ermuntert wurde. Er hatte einen Teil seiner selbst verloren.
Entscheidungen zu treffen, hatte für Ren keinerlei Bedeutung mehr, und er war mit allem einverstanden, was Kishan vorschlug. Phet aufzusuchen, war für ihn eher ein vergnüglicher Ausflug als ein Weg, seine Erinnerungen zurückzubekommen oder den Fluch zu bannen. Ren sträubte sich zwar nicht, verfolgte die Sache aber auch nicht mit dem nötigen Elan. Ich machte mir Sorgen um ihn.
Ich ging ihm gegenüber in die Hocke und lächelte. »Willst du dich nicht auch umziehen? Wir werden den ganzen Tag unterwegs sein.«
Ren warf den Stock in die kreisrunde Feuerstelle und blickte zu mir hoch. »Nein.«
»Okay, aber deine nackten Füße werden es dir nicht danken. Der Dschungel ist voller scharfer Steine und stachliger Dornen.«
Er trat zum Rucksack, nahm eine Tube Sonnenmilch heraus und reichte sie mir. »Crem dir damit das Gesicht und die Arme ein. Du wirst schon wieder rot.«
Artig rieb ich mir die Arme ein und war überrascht, als ich ihn sagen hörte: »Ich denke, ich werde heute in Tigergestalt bleiben.«
»Was? Warum denn? Oh. Wahrscheinlich ist es angenehmer für deine Füße. Das kann ich gut verstehen. Hätte ich die Wahl, würde ich wohl auch lieber als Tiger herumlaufen.«
»Es ist nicht wegen des Wanderns.«
»Nein? Warum dann?«
Genau in dem Moment tauchte Kishan mit nassem, nach hinten gekämmtem Haar aus dem Dschungel auf. Ren trat einen Schritt näher, als wollte er noch etwas hinzufügen, doch Kishans Anwesenheit bannte meine Aufmerksamkeit.
»Das ist nicht fair! Du hast gebadet?«, fragte ich mit einem winzigen Hauch Eifersucht in der Stimme.
»Dort drüben ist ein nettes Flüsschen. Keine Sorge. Du kriegst dein Bad, sobald wir bei Phet sind.«
Bei diesem angenehmen Gedanken musste ich lächeln. Ich klatschte mir einen Klecks Sonnencreme auf die Nase. »Okay.« »Ich bin fertig. Euch nach, Lewis und Clark.«
Ich wandte mich zu Ren um, der sich bereits in einen Tiger verwandelt hatte und uns beide beobachtete. Kishan hob eine Augenbraue und sah seinen Bruder seltsam an.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte ich ihn.
Kishan wandte sich lächelnd mir zu und reichte mir seine Hand. »Alles bestens.«
Wir waren erst eine oder zwei Minuten gegangen, als ich Rens pelzigen Körper an meiner anderen Hand spürte. Mir kam der Gedanke, dass sich Ren in Tigergestalt womöglich wohler fühlte, so wie es Kishan all die Jahre ergangen war. Beunruhigt biss ich mir auf die Lippe und kraulte Ren den Hals, dann verdrängte ich den Gedanken und erzählte Kishan alles über Weihrauch.
Wir wanderten den ganzen Vormittag und legten dann eine Rast ein. Am späten Nachmittag marschierten wir noch zwei Stunden und erreichten schließlich Phets Lichtung. Der Schamane war draußen und werkelte im Garten. Er war auf Händen und Knien, jätete Unkraut und redete mit seinen Pflanzen, die er rührend umsorgte.
Noch bevor ich ihn begrüßen konnte, hörte ich ihn rufen: »Hallo, Kahl-see. Dir freudiges Willkommen!«
Kishan stieg über Phets Steinmauer, hob mich darüber und setzte mich sanft auf der anderen Seite ab. Ren machte einen Satz und landete neben uns.
Ich rannte zum Garten. »Hallo, Phet! Es ist so schön, Sie wiederzusehen!«
Über einen Salatkopf gebeugt, spähte Phet zu mir hoch und kicherte vor Vergnügen. »Ah! Mein Pflanzen wachsen gut und stark.«
Er erhob sich, klopfte sich die schmutzigen Hände ab und umarmte mich. Eine kleine Staubwolke schwebte in der Luft. Er richtete seine Kutte und klopfte sie aus. Dunkle, saftige Erdbröckchen fielen zu Boden.
Phet hatte ungefähr meine Größe, doch sein Rücken war, wahrscheinlich aufgrund seines hohen Alters, gekrümmt, weshalb er kleiner wirkte. Eine schimmernde, kahle Stelle glänzte genau in der Mitte eines widerspenstigen grauen Haarkranzes. Er musterte Kishans Wanderstiefel und ließ den Blick langsam zu Kishans breitem Oberkörper gleiten, bis seine gewitzten Augen das Gesicht des jüngeren Bruders erreichten.
»Bemerkenswert große Mann dich begleiten.« Er machte einen Schritt auf Kishan zu, legte ihm die Hände auf die Schultern und blickte konzentriert in seine goldenen Augen.
Kishan ließ Phets eingehende Untersuchung geduldig über sich ergehen.
»Ah, ich verstehen. Tiefe Augen. Viele Farben. Vater von vielen.«
Phet drehte sich weg, um seine Gartenwerkzeuge aufzusammeln, während ich Kishan einen überraschten Blick zuwarf und die Worte mit den Lippen formte: »Vater von vielen?«
Kishan trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. Die Röte schoss ihm ins Gesicht, als ich ihm den Ellbogen in die Seite stupste. »Was könnte er damit wohl meinen?«, flüsterte ich.
»Keine Ahnung, Kells. Ich habe den Kerl noch nie zuvor gesehen. Vielleicht ist er verrückt«, sagte Kishan nervös.
Ich ließ nicht locker. »Augenblick mal. Du hast doch noch kein Kind, oder? Habt ihr, du und Yesubai …«
»Nein!«
»Huch. Ich habe dich noch nie so betroffen gesehen. Du verheimlichst etwas vor mir. Nun, spielt keine Rolle. Früher oder später werde ich es schon aus dir herauskitzeln. Ich bin ein verschlagener Fuchs.«
Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Ich habe Füchse zum Fressen gern.«
Ich schnaubte. »So einfach kommst du mir nicht davon.«
Als Antwort lächelte er.
Phet stimmte einen Singsang an: »Verrückt, verrückt. Entzückt, beglückt«, dann summte er glücklich und duckte sich in seine Hütte. »Komm, komm, Kahl-see«, rief Phet. »Redzeit.«
Ren verwandelte sich in einen Menschen und berührte kurz meinen Arm, dann fiel er jedoch ein paar Schritte zurück. »Phet ist nicht verrückt«, sagte er zu Kishan und drehte sich grinsend zu mir um. »›Besser ein weiser Tor als ein törichter Weiser.‹«
Ich lächelte ihn an und parierte seinen Shakespeare mit einem Sprichwort: »›Wenn der Narr redet, hört der weise Mann zu.‹«
Ren verneigte sich galant. »Sollen wir?«
Kishan brummte und drängte Ren beiseite. »Ladies first. Nach dir, Kelsey.«
Behutsam legte mir Kishan die Hand auf die Hüfte, schob mich hinein und ließ die Hand auf meiner Hüfte liegen. Ich konnte den Eindruck nicht abschütteln, dass er etwas zu beweisen versuchte. Ich wandte den Kopf und sah Ren gut gelaunt grinsen, während er uns in die Hütte folgte und sich aufs Bett setzte.
Im selben Moment begann Phet, in der Küche umherzuwuseln und für uns zu kochen. Ich sagte ihm, das sei nicht nötig, aber er beharrte darauf, und schon bald standen dampfende Platten mit fein würzigem Gemüse und überbackenen Auberginen auf dem Tisch. Kishan reichte mir einen Teller, bevor er sich selbst bediente.
Ich brachte meinen zu Ren, der ihn mit einem großspurigen Grinsen entgegennahm und mir zuzwinkerte.
Kishan hatte mir bereits einen neuen Teller geholt und funkelte Ren wütend an. Ich bedankte mich bei ihm und dann bei Phet, der meine Geste mit einer abfälligen Handbewegung abtat.
»Phet wissen von deine Kommen, Kahl-see.« Mit einem Zwinkern berührte er seine Nase. »Sanfte Stimme von Vogel in Phets Ohr flüstern. Mir sagen, dass Tigers heute kommen.«
Ich lachte. »Woher wussten Sie, dass es die richtigen zwei Tiger sind?«
»Vögel Einblick in Ganzes. Vögel wissen viel. Sagen zwei Tiger vernarrt. Nur ein Mädchen.« Er brach in schallendes Gelächter aus, dann grinste er und tätschelte mir glücklich die Wange. »Wu-under-schön Blume bezaubert viele. Früher kleine Knospe. Jetzt Knospe Spalt offen, blühen. Später runde Blüte zu Blume. Dann perfekte Blüte und Blume Leben vollkommen.«
Ich tätschelte seine pergamentene braune Hand und lachte. »Phet, wäre es in Ordnung, wenn ich nach dem Abendessen ein Bad nähme? Ich fühle mich klebrig, schmutzig und müde.«
»Ja. Ja. Phet solange mit Tigers reden.«
Nachdem wir das Geschirr abgespült hatten, musste ich still in mich hineinlachen, als ich sah, wie Phet mit dem Finger vor Kishans Gesicht herumfuchtelte und streng zur Tür zeigte. Ren warf mir über die Schulter ein Grinsen zu, und die beiden Männer folgten Phet nach draußen, wo sie die Tür leise hinter sich schlossen. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, nachdem ich hörte, wie Phet sie anwies, das Unkrautjäten zu übernehmen.
Kishan hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, den Eimer Dutzende Male an Phets Wasserpumpe zu füllen, damit ich ein richtiges Bad nehmen konnte. Ich schälte mich aus meiner schmutzigen Kleidung und bat das Göttliche Tuch um neue, als ich in die Wanne stieg. Während ich meine Haut mit Phets selbst gemachter Fliederseife abschrubbte und mir das Haar wusch, hörte ich ihm zu, wie er die Brüder mit scharfer Stimme zurechtwies.
Er ging schroff mit ihnen um, und es hatte den Anschein, als hielte er ihnen eine Standpauke. Verärgert raunzte er: »Ihr müssen behutsam sein mit zerbrechlich Blume! Zart und schön Blütenblatt gehen leicht kaputt. Nicht fest anpacken und zerdrücken. Garten sein kein Spielplatz! Schlecht behandeln, dann kein Überleben für Blume. Wenn Stiel abschneiden, Blume tot. Braucht gut Pflege, damit aufblüht und bewundert wird. Liebe sein anschauen, nicht rupfen und zupfen. Wenn ernten, bevor reif, ist verschwendet Kraft, alles verloren. Nie vergessen.«
Ich blendete ihn aus und genoss mein Bad. Parfümiertes Wasser, entschied ich, schlug jedes Milchbad um Längen. Dann erinnerte ich mich an Kishans Bemerkung über das Milchbad, und die Schamesröte stieg mir ins Gesicht.
Phets Stimme drang wieder durch die Wände. Er putzt die beiden wegen seiner Blumen ganz schön runter. Sonderbar, ich habe gar keine Blumen gesehen, dachte ich und sank tiefer in die Wanne.
Nach gründlichem Waschen und Schrubben zauberte ich mithilfe des Göttlichen Tuchs zwei weiche Handtücher herbei und schlang mir eines um die feuchten Haare und das andere um den Körper. Ich trat aus der Wanne auf eine handgeknüpfte Bambusmatte und schlüpfte in einen bequemen, dünnen Baumwollpyjama. Auf dem Oberteil stand:
ICH ♥ TIGER
Auf der Hose waren ein schwarzer und ein weißer Cartoon-Tiger zu erkennen, die friedlich schlummerten. Ich runzelte die Stirn.
Ich konnte mich nicht erinnern, das Göttliche Tuch um einen Tiger-Pyjama gebeten zu haben, aber meine Gedanken mussten abgeschweift sein, als ich die Kleidung bestellt hatte. Ich bat das Tuch, die Tiger verschwinden zu lassen, und der Stoff funkelte, während sich die schwarzen und weißen Fäden himmelblau färbten. Ich ließ mir blaue Kaschmirsocken fertigen und zog sie mit einem zufriedenen Seufzen an.
Als die Männer zurückkamen, saß ich mit einem Kissen auf dem Schoß im Bett und las, das lange, nasse Haar zu einem Zopf geflochten. Es war dunkel, weshalb ich eine Lampe entzündet und die Goldene Frucht um einen leichten Imbiss gebeten hatte. Beide, Ren und Kishan, nahmen Blickkontakt mit mir auf, bedachten mich mit einem schwachen Lächeln und trotteten zum Tisch. Ihr Gesichtsausdruck war so niedergeschlagen, man hätte meinen können, sie wären eine Stunde von ihrem Großvater zusammengestaucht worden. Ich blieb im Bett, damit ich Ren keine unnötigen Beschwerden bereitete. Phet wuselte als Letzter herein und hängte seinen Strohhut auf einen Haken.
»Ah. Kahl-see. Du seien sauber? Fühlen erfrischt und gestärkt?«
»Ja. Mir geht es fabelhaft. Vielen Dank. Ich habe euch einen Imbiss gezaubert.«
Phet ging zum Tisch und setzte sich neben Kishan und Ren. Ich hatte eine Platte mit Köstlichkeiten aus Shangri-La vorbereitet: Kirschblütentee mit einer Prise Honig, warme Pfirsichtörtchen mit aufgeschlagener Buttercremefüllung, fein herber Apfel-Walnuss-Auflauf in Blätterteig, mit Streuseln überbackene Zimtröllchen, hauchdünne Beeren-Crêpes mit Sahne und einen Blaubeerdip samt süßen Feenkeksen.
Entzückt rieb sich Phet die Hände und schubste Kishan beiseite, bevor der sich eines der Pfirsichtörtchen schnappen konnte. Der Schamane häufte sich seinen Teller voll, aß alles bis zum letzten Krümel auf und grinste mich mit seinem lustigen Zahnlückenlächeln an.
»Ah. Phet seien lange nicht mehr in Shangri-La gewesen. Köstlich Essen dort.«
»Willst du etwas, Kells?«, fragte Kishan. »Du solltest dich lieber beeilen.«
»Nein, vielen Dank. Ich bin immer noch vom Abendessen pappsatt. Sie waren in Shangri-La, Phet?«
»Ja, ja. Vor viele Jahre. Vor viele Haare«, kicherte er.
Aus irgendeinem Grund war ich nicht überrascht. Ich klappte mein Buch zu und schob mich näher an den Bettrand. »Nun, Phet, Sie wollten mit uns reden? Können Sie Ren helfen?«
Rens leuchtend blauer Blick fiel auf mich. Er starrte mich nachdenklich an, während Kishan bedächtig einen Crêpe in Stücke zupfte. Phet wischte sich Puderzucker von den Händen.
»Phet haben lange nachgedacht. Vielleicht können, vielleicht nicht. Morgen beste Zeit für schauen in Tigerauge.«
»Sie wollen in sein Auge schauen? Wozu?«
»Auge seien Glas. Nicht Spiegel. Augen summen wie Biene. Haut ist Fleisch? Nicht wichtig.« Er packte ein Büschel seines borstigen Haars. »Haar ist nichts.« Er lächelte mich an. »Zähne und Zunge? Kein Summen. Worte kein Summen. Nur Auge reden.«
Ich blinzelte. »Sie meinen, das Auge ist das Fenster zur Seele?«
Phet lachte erfreut. »Ah! Sehr gut, Kahl-see. Schlaue Mädchen!« Er schlug mit der Hand auf den Tisch und zeigte auf Kishan und Ren. »Ich euch sagen, junge Männer, Verstand von meine Kahl-see sehr schnell.«
Ich unterdrückte ein Kichern, als die beiden wie zurechtgewiesene Schuljungen nickten.
»Okay, Sie wollen ihn also morgen untersuchen«, fuhr ich fort. »Wir haben Ihnen Durgas Waffen gebracht. Sie wollten sie doch sehen, nicht wahr?«
Phet erhob sich, schob seinen Stuhl zurück und fuchtelte mit den Armen. »Nein, nein. Morgen seien Zeit für Waffen. Heute seien Zeit für Gaben. Gaben für wu-under-schön Göttin.«
»Oh! Sie wollen die Gaben. Natürlich.« Ich kramte in meinem Rucksack. »Es fällt mir schwer, sie herzugeben. Sie sind wirklich schrecklich praktisch. Die Frucht bedeutet, dass ich viel weniger mit mir herumtragen muss, wenn wir wochenlang durch den Dschungel wandern, und noch dazu müssen wir nicht die ganze Zeit Energieriegel essen. Aber im Grunde gehören sie uns nicht. Sie sind für Durga.«
Ich zog die Goldene Frucht und das Göttliche Tuch aus meinem Rucksack und legte beides behutsam auf den Tisch.
Phet umschloss mit den Händen die Goldene Frucht, die im flackernden Licht der Hütte zu schimmern begann.
»Herrlich Gabe. Ama sunahara.«
Er streichelte die Schale der Frucht und murmelte ihr sanfte Worte zu, während sie bei seiner Liebkosung zu glühen begann. Dann wandte er sich dem Tuch zu. Er tastete mit den Fingern danach, berührte bedächtig den schillernden Stoff und sagte: »Dupatta pavitra.«
Die Randfäden streckten sich nach Phets Handfläche und woben sich zwischen seine Finger. Das Tuch wurde eins mit seiner Hand, während er ihm liebevoll zugurrte und es streichelte, und auf einmal wirbelten die Farben immer schneller und schneller, funkelten und knisterten, bis es wie eine winzige Supernova explodierte und das Material blütenweiß erstrahlte.
Er redete mit dem Tuch wie eben mit der Frucht, murmelte leise Worte und schnalzte mit der Zunge, da löste sich das Tuch von seiner Hand und nahm wieder seine ursprüngliche Gestalt und Farbe an. Der Stoff schien vor Freude zu vibrieren und zu summen, während Phet ihn träge streichelte.
»Ah. Phet vermissen Gaben seit lange Zeit. Sehr, sehr gut, Kahl-see. Gaben gut seien für euch. Geben zwei Gaben, bekommen zwei Gaben.«
Er hob die Goldene Frucht hoch und legte sie in Rens Hände. Dann nahm er das Göttliche Tuch und reichte es Kishan. Augenblicklich veränderte das Tuch die Farben, wurde grün und schwarz. Phet blickte zum Tuch, dann eindringlich zu Kishan, der errötete und das Tuch ordentlich faltete, bevor er es auf den Tisch vor sich legte.
Der Schamane räusperte sich laut. »Phet euch zuweisen zum zweite Mal. Euch entlasten, leichter machen.«
»Sie meinen, wir dürfen sie auch weiterhin behalten?«, fragte ich.
»Ja. Jetzt Phet euch geben neue Geschenke.«
Er stand auf und suchte Gewürze und Einweckgläser mit Flüssigkeiten zusammen. Vorsichtig gab er mehrere Löffel voll gemahlener Kräuter in eine Schüssel, träufelte ein paar Tropfen aus verschiedenen Gläsern hinein und schöpfte dann kochendes Wasser aus einem Topf. Er rührte langsam um und streute weiße Körnchen hinein. Ich konnte zwar nicht genau sehen, was er tat, war jedoch schrecklich neugierig.
»Phet? Ist das Zucker?«
Mit seinem Zahnlückenlächeln drehte er sich zu mir um. »Zucker so süß. Trinken bitter, Zucker besser.«
Er lachte beim Rühren und begann zu summen und »Medizin bitter, Zucker besser« zu singen, immer und immer wieder. Nachdem er mit dem Ergebnis zufrieden war, schubste er die Schüssel zu Kishan, der sie mit verwirrtem Gesichtsausdruck zu Ren weiterschob.
Phet schnalzte mit der Zunge. »Nein, nein, schwarze Tiger. Das deins.«
»Für mich? Ich brauche keine Medizin. Ren ist der mit dem Problem.«
»Phet kennen alle Probleme. Für dich, trinken.«
Kishan hob die Schüssel an den Mund, roch daran und verzog das Gesicht. »Was wird es mit mir anstellen?«
»Nichts und alles.« Phet lachte. »Dir geben, was du dir wünschen am meisten auf Welt und lassen dich leer zurück, ohne das, was du wünschen am meisten.«
Ren musterte Phet eindringlich. Ich versuchte ebenfalls, mir einen Reim aus Phets Worten zu machen.
Kishan zögerte. »Muss ich das wirklich trinken?«
Phet warf die Hände in die Höhe und zuckte mit den Schultern. »Deine Wahl. Wahl immer, trinken, nicht trinken. Essen, nicht essen. Lieben, nicht lieben.« Er streckte einen Finger in die Luft. »Aber deine Wahl, alles möglich.«
Kishan spähte in die Schüssel, ließ die Flüssigkeit kreisen und blickte dann zu mir. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, bevor er die Schüssel an die Lippen führte und sie in einem Zug leerte.
Phet nickte erfreut. »Geschenk eins, das andere ich dir jetzt geben.«
»Das war ein Geschenk?«, fragte ich.
»Ja. Zwei und zwei.«
»Aber Sie haben uns schon die Frucht und das Tuch zurückgegeben. Wir bekommen noch zwei weitere Geschenke?«
Er nickte.
»Wenn das Getränk ein Geschenk für Kishan war, was genau war es denn?«, erkundigte sich Ren.
Phet lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verkündete mit einem eigentümlichen Ausdruck auf dem Gesicht: »Soma.«
Kishan begann wild zu husten, Ren erstarrte.
»Was ist Soma?«, erkundigte ich mich.
Ren drehte sich zu mir. »Die hinduistische Variante von Ambrosia. Das Getränk der Götter. In der modernen Welt ist Soma auch ein Halluzinogen.«
»Oh.«
Phet grunzte: »Mein Soma kein Traum.«
»Bedeutet das etwa, er wird zu einem Gott?«, fragte ich Phet.
Die Brüder starrten ebenfalls zu dem Schamanen.
Er zuckte lapidar mit den Schultern. »Phet nicht wissen alles, nur manches. Jetzt andere Geschenk.«
Aus seinem Regal wählte er ein Glasgefäß, in dem sich eine klebrige, durchsichtige pinkfarbene Flüssigkeit befand.
»Du, weiße Tiger, du kommen her.«
Er wies Ren an, sich in die Mitte des Zimmers zu setzen und den Kopf zurückzulehnen. Dann schöpfte er eine Handvoll des pinken Glibbers heraus und schmierte es Ren ins Haar. Ren sprang jäh auf.
»Nein! Nein! Phet nicht fertig. Sitzen, Tiger!«
Ren setzte sich wieder, und Phet summte, als er erneut in das Gefäß griff und mit der klebrigen Masse Rens Haar nach hinten klatschte. Schon bald war sein Kopf mit der schleimigen Substanz bedeckt, und Phet begann, sie wie ein grotesker Friseur in Rens Kopfhaut einzumassieren. Kishan schob seinen Stuhl zurück, um das Spektakel mit einem spöttischen Grinsen zu beobachten. Ren schien verärgert. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, was ihn nur noch mürrischer dreinblicken ließ.
»Wofür soll das gut sein?«, fragte er Phet misstrauisch.
Phet überhörte seine Frage geflissentlich und durchkämmte mit den Fingern Rens Haar wie ein Affe, der nach Nissen suchte. Das pinke zähflüssige Gel bedeckte jeden Quadratzentimeter von Rens Schädel. Schließlich verkündete Phet, dass er fertig sei.
»Jetzt Zeit zu schlafen.«
»Sie wollen, dass ich so schlafe?«
»Ja. Ganze Nacht schlafen. Dann Zeuge werden, was am Morgen passieren.«
Kishan brach in schallendes Gelächter aus. Phet ging zum Spülbecken, um sich die Hände zu waschen. Ren starrte mich mit mürrischer Verdrossenheit an, wie ein nasser Hund mit Seife im Fell, der in einer Wanne saß und sein Frauchen beleidigt ansah. Ich unterdrückte ein Kichern und bat das Göttliche Tuch um ein Handtuch, während Ren weiterhin mit verschränkten Armen und missmutigem Gesichtsausdruck dasaß. Ich hatte ihn fast mit dem Handtuch in Händen erreicht, als ein riesiger Glibberklecks auf seine Nase tropfte und seine Wange hinabglitt.
»Hier, lass mich dir helfen. Ich versuche auch, dich nicht zu berühren.«
Er nickte, was einen weiteren dicken Tropfen veranlasste, sich einen Weg seinen Hals hinabzubahnen. Ich schnappte mir meinen Kamm und fuhr damit durch sein schwarzes Haar, klatschte es aus seinem Gesicht und sammelte das überschüssige klebrige Zeug mit dem Handtuch auf. Als das getan war, zauberte ich ein weiteres Handtuch herbei, befeuchtete es und machte ihm den Nacken, die Ohren und schließlich sein Gesicht sauber, wobei ich am Haaransatz begann und mich dann zu seiner Nase und seinen Wangen vorarbeitete. Ein zärtliches Verlangen keimte in mir und durchbrach die Oberfläche meines Bewusstseins. Meine Hand zitterte, und ich erstarrte. Im Zimmer war es still geworden. Alles, was ich hörte, war das Stocken meines Atems, während mein Herz schneller zu schlagen begann.
Ich spürte, wie Ren mein Handgelenk umfasste, und ganz langsam glitt mein Blick zu seinem Gesicht. Er sah mich mit einem zärtlichen Lächeln an. Ich verlor mich in seinen Augen, bis mich ein leises Flüstern aus der Starre riss: »Vielen Dank.«
Abrupt zog ich das Handtuch weg, und er ließ mein Handgelenk los. Es entging mir nicht, dass er sich mit dem Daumen die Finger rieb. Wie lange habe ich ihn wie eine Idiotin angestarrt? Die Berührung muss ihn schrecklich verbrannt haben. Hastig senkte ich den Blick und trat zur Seite. Alle beobachteten mich. Da drehte ich ihnen den Rücken zu und klopfte mein Bett aus. Als ich mich wieder zu ihnen umdrehte, hatte ich mich gesammelt.
»Phet hat recht«, sagte ich mit einem fröhlichen Lächeln. »Es ist Zeit, ins Bett zu gehen.«
Phet klatschte in die Hände. »Kahl-see in Haus. Tigers draußen. Phet«, grinste er, »mit Tuch.« Er kicherte vor Entzücken über die Idee in einem Zelt zu schlafen. Dann öffnete er die Tür und wartete starrköpfig, bis die Tiger verschwunden waren.
Kishan strich mir über die Wange, wünschte mir eine gute Nacht und duckte sich unter dem Vordach hindurch.
Ren folgte seinem Bruder, blieb jedoch an der Tür stehen und warf mir ein Lächeln zu, das jeden Verkehr zum Erlahmen gebracht hätte. Mein Herz brannte voll hoffnungsvoller Pein. Er neigte spitzbübisch den Kopf in meine Richtung und trat ins Freie. Ich hörte, wie Phet ihnen Anweisungen gab, während sich die beiden zum Schlafen hinlegten.
Am nächsten Morgen erwachte ich zu Phets Summen in der Küche.
»Kahl-see! Wach. Essen!«
Sein kleiner Tisch war mit den verschiedensten Speisen überladen. Ich gesellte mich zu ihm und schaufelte mir Fruchtsalat auf den Teller sowie etwas, das wie Hüttenkäse aussah. »Wo sind die anderen?«
»Tigers nehmen Bad in Fluss.«
»Oh.«
Wir aßen schweigend. Phet betrachtete mich und nahm zärtlich meine Hand in seine beiden. Er drehte sie und streichelte sie an verschiedenen Stellen. Als er die Haut berührte, trat die Hennazeichnung hervor, die er mir bei unserem ersten Treffen aufgemalt hatte, und glühte kurz rot auf, bevor sie wieder verschwand.
»Hm. Ah. Hm.« Er nahm sich ein Stück Apfel und biss genüsslich hinein, wobei seine Blicke weiterhin auf meine Hand geheftet waren, während er freudig schmatzte. »Oh, Kahl-see, du haben gesehen viele Dinge, seien weit weg an ferne Orten gewesen.«
»Ja.«
Er starrte in meine Augen.
»Blicken Sie in meine Seele?«
»Huh-uh-huh. Kahl-see schrecklich traurig. Was kaputt?«
»Was bei mir kaputt ist?« Ich lachte trocken. »Es ist eine emotionale Sache. Ich liebe Ren, aber er erinnert sich nicht an mich. Kishan liebt mich, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Es ist eine dieser schrecklichen Dreiecksbeziehungen, bei der niemand glücklich ist. Alle fühlen sich elend. Außer vielleicht Ren. Er kann sich nicht erinnern, ob er sich elend fühlt oder nicht. Haben Sie einen Rat?«
Phet grübelte angestrengt über meine Frage nach. »Liebe seien wie Wasser. Wasser überall von uns, einfach überall. Eis, Fluss, Wolke, Regen, Meer. Manches groß, manches klein. Manches gut zu trinken, manches zu salzig. Alles nützlich für Erde. Für immer in Bewegung, Kreislauf. Brauchen Wasser zu leben. Frau wie Erde, brauchen riesig Wasser. Wasser mit Erde formen gegenseitig, wachsen.
Erde verwandeln sich für Fluss, machen Platz. Seebett wissen, wie man Wasser halten in Becken. Eiswasser seien Gletscher, bewegen Erde. Regen machen Schlammlawine. Meer machen Sand. Immer zwei: Erde und Wasser. Brauchen sich. Werden eins. Du müssen bald wählen. Bald.«
»Was, wenn ich mich nicht entscheiden kann? Oder die falsche Wahl treffe?«
»Nicht falsche Wahl. Deine Wahl.«
Er ging zu seinem Bett und hob zwei Kissen auf. »Du mögen rundes Kissen oder eckig Kissen?«
»Keine Ahnung. Es sind beides Kissen.«
»Du mögen rund? Du wählen rund. Du mögen eckig? Du wählen eckig. Spielen keine Rolle. Du wollen schlafen, du benutzen Kissen. Du wählen Stein? Nein! Kissen seien gut. Dasselbe mit Wasser. Du wählen Eis? Fluss? Meer? Seien alles gut. Du wählen Meer, du verändern Sand. Du wählen Fluss, du werden Schlick. Du wählen Regen, du werden zu Gartenerde.«
»Wollen Sie damit sagen, ich soll den Mann aufgrund dessen wählen, wer ich werden will? Welche Art von Leben ich führen möchte?«
»Ja. Beide Mann machen deine Leben jeweils besonders. Du wählen Meer oder Fluss. Spielen keine Rolle.«
»Aber …«
»Kein Aber. Seien so. Kahl-see Rücken standhaft. Kann viele Last tragen, viele Pflichten. Du wie Erde. Deine Rücken sich verändern gleich, egal welche Mann du wählen.«
»Was Sie mir im Grunde also sagen wollen, ist, dass Ren und Kishan beide Kissen sind in einer Welt voller Steine, und ich mit jedem von ihnen glücklich wäre?«
»Ah! Clever Mädchen!« Phet lachte.
»Das einzige Problem ist … Einer von ihnen wäre auf jeden Fall unglücklich.«
Phet tätschelte mir die Hand. »Du nicht sorgen. Phet werden kümmern um Tigers.«
Eine halbe Stunde später kamen die Brüder lautstark in die Hütte getrampelt. Beide grüßten mich mit ausgesuchter Höflichkeit: Kishan drückte meine Hand, Ren nickte mir galant vom Tisch aus zu.
»Hat es funktioniert?«, fragte ich Kishan leise. »Hat er sein Gedächtnis zurück?«
Er schüttelte den Kopf, ging zum Tisch und half Ren, jede Speise, die Phet vorbereitet hatte, gierig hinunterzuschlingen. Ihr Haar war feucht und nach hinten gekämmt. Ren hatte sich das klebrige rosa Zeug ausgewaschen.
Entweder das, oder es ist über Nacht von seinem Gehirn absorbiert worden, dachte ich mit einem Schmunzeln.
Mir entging nicht, dass Kishan mich von Zeit zu Zeit anstarrte, während er Phet lauschte. Konnte Kishan womöglich recht haben? War es vielleicht mein Schicksal, Ren zu verlieren? War Kishan der Mensch, mit dem ich eigentlich zusammen sein sollte, für den ich bestimmt war? Oder, wie Phet es formuliert hatte, musste ich einfach wählen, mit wem ich mein Leben verbringen wollte? Ich konnte bloß nicht sehen, wie ich glücklich werden sollte, wenn es einer von ihnen nicht war.
Nach dem Frühstück wollte Phet die Waffen sehen. Ich kramte die Gada, die Chakram, Fanindra sowie Pfeil und Bogen aus dem Rucksack und reichte sie Kishan, der alles auf dem Tisch ausbreitete. Jedes Mal, wenn seine Finger meine berührten, lächelte er. Ich lächelte zurück, aber mein unbeschwerter Gesichtsausdruck schwand, als ich Ren sah, der enttäuscht den Blick senkte.
Phet betrachtete eingehend jede der Waffen, bevor er sie der Person gab, für die sie ursprünglich von Durga bestimmt gewesen war.
»Woher wissen Sie das?«, fragte ich ungläubig. »Woher wissen Sie, dass Pfeil und Bogen mir gehören und die Gada Ren?«
»Schlange mir zuflüstern.«
Als wollte Fanindra seine Worte bekräftigen, entrollte sie sich, reckte den Kopf, die Haube gespreizt, in die Luft und starrte Phet in die Augen. Er begann zu singen und den Kopf zu wiegen. Sie bewegte sich vor und zurück, als stünde sie unter dem Bann eines Schlangenbeschwörers. Sobald er mit dem Singen aufhörte, senkte sie den Kopf und erstarrte wieder.
»Ah, Fanindra seien angetan von dir, Kahl-see. Du seien gute Frau und nehmen Rücksicht auf sie.«
Er hob Fanindra auf und gab sie mir behutsam zurück. Ich zog ein rundes Kissen herbei und legte sie in die Mitte. Huch. Ich mag runde Kissen. Ich frage mich nur, welcher Mann für runde Kissen steht.
Da verkündete Phet, es sei an der Zeit, in Rens Augen zu sehen. Er zog zwei Stühle vom Tisch und stellte sie einander gegenüber auf. Ren setzte sich auf den einen, Phet auf den anderen. Kishan gesellte sich zu mir aufs Bett und nahm meine Hand. Rens Blicke schossen zu uns.
Phet gab ihm einen Klaps auf die Hand. »Mir in Augen schauen, Tiger!«
Ren knurrte leise, als er sich wieder dem alten Schamanen zuwandte. Phet starrte in Rens Augen und schnalzte mit der Zunge, während er Rens Kopf in alle möglichen Richtungen drehte, als würde er den Rückspiegel in einem Auto einstellen. Schließlich war er zufrieden, und die zwei Männer saßen sich mehrere Minuten wie erstarrt gegenüber. Phet sah ihn einfach nur an. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe.
Nach einem ungemütlich langen Schweigen, das mir wie eine Ewigkeit vorkam, sprang Phet von seinem Stuhl auf.
»Können nicht zusammenflicken.«
Ich erhob mich. »Was meinen Sie damit?«
»Tiger riesig stur. Verweigern sich mir.«
»Er verweigert sich Ihnen?« Ich wandte mich an Ren. »Warum verweigerst du dich ihm?«
»Keine Ahnung.«
»Phet«, fragte ich, »können Sie uns sagen, was Sie wissen?«
Phet seufzte. »Haben repariert Schmerz von Messer und Käfig. Böses Schwarz jetzt fort. Aber Erinnerung kaputt, geben Trigger, nur weiße Tiger wissen.«
»Okay, nur fürs Protokoll, Sie konnten das PTBS heilen, die Schmerzen und die Erinnerung an die Folter? Jedes Trauma, das Lokesh verursacht hat, ist behoben? Kann er sich denn noch daran erinnern?«
»Ja. Ich kann mich immer noch daran erinnern. Ich bin hier, falls dir das nicht aufgefallen ist?«, murrte Ren.
»Okay, aber Phet hat gesagt, dass er die Dunkelheit beseitigt hat. Fühlst du dich jetzt anders?«
Er konzentrierte sich. »Keine Ahnung. Das stellt sich wohl erst noch heraus.«
Ich blickte wieder zu Phet. »Ist sein Gedächtnis weiterhin geblockt? Was meinen Sie damit, es gibt einen Trigger?«
»Bedeuten, Tiger sich selbst behindern. Nicht kriminelle, böse Mann. Bewusstsein von Tiger. Nur er können reparieren.«
»Soll das heißen, er tut sich das selbst an? Er blockiert die Erinnerungen an mich absichtlich?«
Phet nickte.
Ich starrte Ren mit offenem Mund an, während er entgeistert zu Phet blickte. Dann runzelte er die Stirn und sah auf seine Hände. Tränen schossen mir in die Augen.
Mit erstickter Stimme krächzte ich: »Warum? Warum tust du mir das an?«
Die Muskeln in seinem Kiefer spannten sich, und er sah zu mir auf. Seine blauen Augen leuchteten, überwältigt von Gefühlen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen … und schloss ihn wieder. Ich taumelte zur Tür und schob sie auf.
Ren sprang auf. »Kelsey? Warte!«
Ich schüttelte den Kopf.
»Lauf nicht weg«, flehte er mich sanft an.
»Komm mir ja nicht nach.« Kopfschüttelnd, mit Tränen in den Augen, die mir die Wangen herabliefen, taumelte ich in den Dschungel.