12. KAPITEL
G wen konnte es nicht fassen. Sabin, der Mann, den sie geküsst und von dem sie geträumt hatte, nach dem sie sich gesehnt und auf den sie sich verlassen hatte, den sie als Beschützer angesehen hatte und als Schurken, der Mann, den sie begehrte, obwohl sie sich mit aller Kraft dagegen wehrte, hatte sie ausgezogen – obwohl sie lauthals protestiert und wild um sich getreten hatte. Er hatte sie in die Duschkabine geschoben und war dann nach ihr hineingestiegen. Obwohl sie sehr wütend gewesen war – und es immer noch war, verflucht! –, hatte sie sich nicht in die Harpyie verwandelt.
Zuerst war sie schockiert gewesen. Dann nervös. Dann erregt. Die verschiedenen Gefühle hatten nur wenige Minuten angehalten, doch jedes einzelne brachte sie völlig durcheinander. Warum hatte sie ihn nicht verletzt? Weil Sabin nur noch eine bedrohliche Bewegung machen musste, bis es so weit war? Weil die Harpyie Körperkontakt genauso liebte wie Gwen und ihn sich immer und überall holen würde?
Im Augenblick wurden sie und Sabin von warmem Dampf eingehüllt, der so dicht war wie eine Wolke. Warmes Wasser rann über ihren Körper. Nichts hatte sich je so gut angefühlt – abgesehen von dem nackten Mann hinter ihr, der sie festhielt und dafür sorgte, dass sie in der Duschkabine blieb. Sie würde sich nicht mit einem Dämon einlassen, ganz gleich wie sexy er war. Oder doch? Ihr Leben musste doch wirklich nicht noch komplizierter werden. Oder?
Warum konnte sie keine Entscheidung treffen? Sein Dämon belästigte sie nicht, es gab also keine Ausrede.
Gwen schlang die Arme um ihren Körper, ohne sich zu bemühen, ihre Brüste oder ihre Scham zu bedecken. Warum es überhaupt versuchen? Sabin war stärker als sie und in der Lage, ihre Hände im Nu wegzuschieben, wenn er wollte – und außerdem wollte sie, dass er sie sah und sie begehrte. Auch wenn …
„Ist dir eigentlich klar, dass du die ganze Sache später bitter bereuen könntest, wenn die zerfetzten Organe aus deinem Körper heraushängen?“, fragte sie.
Sie spürte seine Hände auf ihren Schultern, warm und nass, während er sie massierte. „Du fühlst dich an wie Seide. Ich bezweifle, dass ich irgendetwas bereuen werde.“ Seine Stimme war kräftig, voll … berauschend.
Mmmh, mehr davon. Ihre Muskeln entspannten sich, sie ließ den Kopf nach hinten sinken und lehnte ihn an seinen Hals. Stopp. Anspannung, bitte. Wehr dich gegen seine Anziehungskraft. Sie versuchte es, wirklich, doch ihr Körper weigerte sich, ihrem Verstand zu gehorchen. Seine Berührungen fühlten sich einfach zu gut an. Verdammt gut.
Ob er dich wohl attraktiv findet? Oder hässlich?
Okay. Endlich spannten sich ihre Muskeln wieder an. Da war diese verführerische, zerstörerische Stimme. Der Dämon, Zweifel. So vollkommen anders als der Tenor ihrer inneren Stimme. Schmerzhaft presste sie die Lippen aufeinander, und die Harpyie kreischte angesichts des unwillkommenen Eindringlings. „Kannst du deinen Freund irgendwie wegsperren? Er nervt.“
„Was für ein Temperament. Das gefällt mir. Und der Dämon ist wohl kaum mein Freund.“ Mit den Daumen strich er ihr Schlüsselbein entlang. Er beugte sich hinab, bis sein Mund neben ihrem Ohr war und sie seinen Atem spürte. Es war wie eine zärtliche Liebkosung. „Ich will ja nicht ablenken, aber habe ich dir schon gesagt, dass ich dich absolut hinreißend finde?“
Gwen schluckte, unsicher, was sie erwidern sollte. Einerseits wollte sie ihn immer noch ermutigen, andererseits wollte sie ihn wegstoßen, bevor sie vergaß, warum sie ihm widerstehen musste. Er verkörperte alles, was sie an ihrem Leben hasste: Dunkelheit, Gewalt, Chaos. Mehr noch: Er wollte sie benutzen, um seinen Feind zu vernichten. Nichts war stärker als sein Hass auf die Jäger, nicht mal die Liebe zu einer Frau.
„Dann wollen wir mal anfangen.“ Sabin ließ sie los, und sie musste die Lippen wieder fest aufeinanderpressen, diesmal, um nicht enttäuscht zu wimmern. Im nächsten Moment fühlte sie seine Finger, während er ihr zärtlich Shampoo ins Haar massierte. Der Duft von Zitrone stieg ihr in die Nase. Verzückt schloss Gwen die Augen. Kein Wunder, dass er immer zum Anbeißen roch.
„Du wirst zur Harpyie, wenn du Angst hast. Und was ist, wenn du erregt bist? Oder einen Orgasmus hast?“
Was für eine unverblümte und intime Frage! Doch er hatte sich den perfekten Zeitpunkt dafür ausgesucht. Da sie beide nackt waren, machte es ihr nichts aus zu antworten. „M-manchmal versucht sie, auf sich aufmerksam zu machen. Aber ich versuche, vorsichtig zu sein und sie aufzuhalten.“
„Bei mir brauchst du nicht versuchen, sie aufzuhalten.“ Noch ehe sie etwas erwidern konnte, wechselte er von Neuem das Thema. „William hat dir also von meinem Dämon erzählt.“ Er bewegte die Hüfte, wodurch sie seine Erektion flüchtig an ihrer Wirbelsäule spürte. Ob es ein Versehen gewesen war? „Hat Anya dir von meiner Vergangenheit erzählt?“
Ein Schauer durchfuhr Gwen. „Meinst du, ob sie mir erzählt hat, dass du deinen Freund in den Rücken gestochen hast? Nein. Den Teil hat sie ausgelassen.“
Sie fühlte seine Fingernägel schmerzhaft an ihrer Kopfhaut, sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein und zuckte fast zurück. Augenblicklich ließ er sie los und murmelte: „’tschuldigung.“
Verdammt. Sarkastische Bemerkungen fielen ihr immer in den ungünstigsten Situationen ein. Es würde nicht mehr lange dauern, bis jemand (hüstel, Sabin, hüstel) daran Anstoß nehmen musste und ihr womöglich die Zunge herausschnitt. Ach, diesen Wesenszug zu unterdrücken sollte ihr nicht derart schwerfallen. Schließlich machte sie das schon ihr Leben lang. Doch zum ersten Mal verspürte sie eine schmerzhafte Verbitterung. Wäre sie nicht so eine feige Heulsuse, hätte sie weder vor den Reaktionen der Leute noch vor ihrer eigenen Angst und könnte einfach nur sie selbst sein.
Sie selbst. Wusste sie überhaupt noch, wer das war?
„Halt deinen Kopf unter Wasser“, sagte Sabin plötzlich schroff.
Er gab ihr keine Zeit, seinen Befehl zu befolgen, sondern legte ihr eine Hand in den Nacken und schob sie unter den warmen Duschstrahl. Schaumige Tropfen spritzen in ihren Mund, und sie spuckte sie aus.
„Mach die Augen zu, sonst …“
„Au, au, au!“ Sie kniff die Augen fest zusammen.
„… brennt es“, beendete er den Satz lachend.
Gwen rieb sich die Augen. Seine nüchterne Einstellung zu dem Geschehen verunsicherte sie zutiefst. Er war so eifersüchtig auf William gewesen – wenigstens war das die einzige Gefühlsregung, die sein Verhalten erklären konnte. Und als er sie ausgezogen hatte, hatte er ihr einen so feurigen Blick zugeworfen, der unvergleichliches Vergnügen versprochen hatte.
Warum also versuchte er nicht mal, sie anders zu berühren?
Mit sachlichen Bewegungen seifte er sie von Kopf bis Fuß ein. Mit den Händen glitt er über ihre Brüste und die harten Brustwarzen, ohne dort länger als nötig zu verweilen, und dann zwischen ihre Beine. Obwohl seine Berührungen irgendwie unpersönlich wirkten, gelang es ihm, sie zum Zittern zu bringen und sie atemlos und bedürftig stehen zu lassen.
„Ich kann mich selbst waschen“, murmelte sie.
„Dazu hattest du gestern und vorgestern die Chance. Zum Teufel, sogar heute Morgen hättest du duschen können. Aber du hast es nicht getan.“ Er stellte sich anders hin, und seine Erektion streifte sie abermals. „Warum nicht?“
Hitzig presste sie die Lippen zusammen. Es gab keinen Grund, ihm die Information zu liefern, auf die er aus war. Er würde es nämlich jeden Moment selbst herausfinden. Und, um ehrlich zu sein, war sie irgendwie gespannt auf seine Reaktion. Er hatte bereits zugegeben, dass er sie hinreißend fand. Was würde er ohne den Schmutzschleier von ihr halten? Würde er endlich den ersehnten – gefürchteten – Schritt auf sie zu machen?
Als er sie zu Ende gewaschen und abgeduscht hatte, hielt er inne. Ihm schien der Atem zu stocken, und sie spürte, wie ein Hitzestrudel in ihren Körper fuhr, sich ausbreitete, intensiver wurde. Hier war sie: seine Reaktion. Er hatte es bemerkt. „Deine Haut …“
„Ich habe versucht, dich zu warnen.“
„Du hättest dich mehr anstrengen sollen.“ Er drehte sie um die eigene Achse, ließ seinen prüfenden Blick erst schnell über ihren Körper gleiten, dann langsamer.
Als sie ihn ansah, wurde ihr klar, wie sehr sie sich geirrt hatte. Er war nicht im Geringsten kühl. Seine Augen leuchteten wie ein heißes Feuer, er lächelte fast, und feine Linien der Anspannung rahmten seinen Mund ein.
„Deine Haut …“, wiederholte er.
Auch ohne in den Spiegel zu sehen, wusste sie, dass sie ohne den Schmutz leuchtete. Auf ihr lag ein durchsichtiger Glanz, der sie wie ein frisch polierter Opal aussehen ließ.
Zögernd, wie in Trance, streckte Sabin die Hand aus. Mit der Fingerspitze strich er ihren Kiefer entlang, ihren Hals und bis zwischen ihre Brüste. Sie wich nicht zurück. Nein, sie ging auf ihn zu. Immer näher. Um mehr flehend. Unfähig, stehen zu bleiben. Sie erschauerte, und jegliche Gedanken daran, ihm zu widerstehen, waren verflogen.
„Geschmeidig und warm und leuchtend“, flüsterte er ehrfürchtig. „Warum versteckst du …“ Er biss die Zähne aufeinander, und vor ihren Augen verwandelte sich seine Ehrerbietung in Wut. „Die Männer können nicht die Hände von dir lassen, richtig?“
Plötzlich verspürte sie einen Kloß im Hals, der sie daran hinderte, zu antworten. Sie schüttelte den Kopf. Was würde Sabin als Nächstes tun und sagen? Noch nie war sie jemandem begegnet, dessen Launen so schnell wechselten wie seine. Berühr mich.
Aber er hatte seine Befragung noch nicht beendet. „Haben deine Schwestern auch solche Haut?“
„Ja.“
„Alle Harpyien.“
„Ja.“ Hoffentlich war er nun fertig.
„Hast du sie angerufen?“
Nö. Nicht erledigt. „Noch nicht.“
„Das wirst du sofort nachholen, wenn wir aus dieser Dusche kommen. Ich will sie hierhaben, in dieser Burg, und zwar binnen einer Woche.“
Bis ins Mark erschüttert, starrte sie ihn an. Sie war nackt, ihre Haut so verlockend wie noch nie, und er wollte über ihre Schwestern reden? Wollte er sie kennenlernen? Warum hatte er … Dann verstand sie den Grund für sein kurzes Verhör, und der Schreck fiel von ihr ab. Natürlich wollte er sie hierhaben. Wahrscheinlich dachte er, sie würden ihn in seinem Krieg unterstützen. Oder wollte er vielleicht einen Harpyien-Harem?
Etwas Dunkles und Mächtiges erblühte in Gwen. Etwas Giftiges. Es ließ ihre Fingernägel länger werden, ihre Zähne schärfer, und es brachte die Harpyie zum Kreischen. Rote Punkte trübten ihren Blick.
„Du bist wütend?“ Er blinzelte irritiert. „Wieso?“
„Ich bin nicht wütend.“ Ich werde dich umbringen, wenn du versuchst, sie zu verführen.
„Du hältst mich so fest, dass meine Handfläche schonblutet.
Sie registrierte, dass er weder aufgebracht noch verängstigt klang. Aber sie war noch zu wütend, um seinen Mut bewundern zu können.
„Du willst mit meinen Schwestern schlafen“, knurrte sie. Knurrte? Sie, Gwendolyn die Schüchterne?
Er verdrehte die Augen. „Nein, ich will, dass meine Freunde mit ihnen schlafen.“
Nun war sie diejenige, die blinzelte. Wie meinte … er das? Oh. Ach so. Ihre Wut verflog genauso schnell wie zuvor der Schrecken. Allein das süße Gefühl des Wohlgefallens verweilte. Wenn seine Freunde mit ihren Schwestern beschäftigt wären, würden sie Gwen in Ruhe lassen. War Sabin dermaßen besitzergreifend, was sie betraf?
„Warst du eifersüchtig?“, fragte er beinah neugierig.
„Nein. Natürlich nicht.“ Das war keine Information, die er brauchte. Sie könnte gegen sie verwendet werden, und in diesem Fall war eine Lüge definitiv besser. „Ich habe … an Tyson gedacht und mir gewünscht, bei ihm zu sein.“
Sabin kniff die Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammen, und trotz des dichten Wimpernschildes sah Gwen, dass die braune Iris von einem gefährlichen Rot eingefasst wurde. „Du wirst nicht noch mal an ihn denken. Verstehst du mich? Ich verbiete es dir.“
„Ich … okay.“ Eine andere Antwort fiel ihr nicht ein. Nie hatte sie Sabin barbarischer gesehen. Aber warum hatte sie keine Angst?
So schwach ihre Erwiderung auch war, es schien ihn zu besänftigen. „Ich habe bereits beschlossen, dich zu kennzeichnen.“ In seinem Ton schwang Entschlossenheit mit. Entschlossenheit, die so kalt und hart war, dass wohl selbst ein Messer sie nicht hätte zerteilen können. „Aber das …“ Er ließ den Blick über ihren Körper schweifen. „Bei den Göttern, ich werde dich jeden Tag kennzeichnen, wenn es sein muss. Du wirst nur noch an mich denken, für immer.“
„W-was soll das heißen, ‚mich kennzeichnen‘?“ Kennzeichnen, indem er etwas in ihre Haut einritzte? Oder als jemanden kennzeichnen, der bestraft werden musste? Jetzt hatte sie keinerlei Schwierigkeiten zurückzuweichen. Und was meinte er mit „jeden Tag“? Wie lange würde sie es seiner Meinung nach hier aushalten?
Seine Hand schnellte vor, er schlang die Finger um ihr Handgelenk und zog sie zu sich. „Ich werde meine Zähne in dieser hübschen Haut versenken, vorsichtig, aber tief genug, um einen Abdruck zu hinterlassen.“
Wieder verebbte ihre Angst, und es blieb nichts zurück als ein weißglühendes Surren rasender Glückseligkeit. Es war so lange her. So lange, dass ein Mann sie gehalten, dass ihr jemand das Gefühl gegeben hatte, sie zu schätzen und etwas Besonderes in ihr zu sehen, dass ein Mann sie derart erregt hatte, dass sie sich an ihn pressen musste.
„Willst du das?“, fragte er sanft.
Wollte sie? Oh ja. Sie mochte vielleicht nicht mehr wissen, wer sie war. Aber sie wusste genau, dass sie sich körperlich nach diesem Mann verzehrte. Doch konnte sie es zulassen?
Es wurde Zeit, nach vernünftigen Argumenten zu suchen. Sabin war stark und unsterblich. Er behauptete, mit allem umgehen zu können, mit dem sie ihn konfrontierte. Sie war stark genug, um ihren Spaß mit ihm zu haben und dabei den nötigen Abstand zu halten. Das hoffte sie. Die „Kennzeichnung“ würde ihr die anderen Krieger vom Leib halten. Und es war gut, der Harpyie hin und wieder zu geben, was sie wollte, damit sie sich benahm.
Begründung gefunden.
Doch bevor sie antworten konnte, begannen Sabins Nasenflügel zu zittern, als würde er ihr Verlangen bereits riechen. „Wenn dich ein anderer berührt, wird er sterben.“
Er war gewillt, ihretwegen seine Freunde zu verletzen? Gütiger Himmel, allein bei dem Gedanken schmolz sie dahin.
Langsam zog er sie an sich und hörte nicht auf, bis ihre Brustwarzen seine kräftige Brust berührten. Er stöhnte.
„Dein Dämon …“
„… wird an der kurzen Leine gehalten, keine Sorge. Jetzt. Entscheide dich.“
Sie brauchte nicht länger darüber nachzudenken. „Ja“, sagte sie atemlos. Sie schluckte, als sie ihm die Arme um den Hals legte und ihren nassen Körper an seinen presste. „Du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen. Ich werde vorsichtig mit dir sein.“
„Bitte nicht.“ Im Nu hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt, und sein Mund ergriff Besitz von ihrem. Das war nicht der sanfte, einseitige Kuss aus dem Flugzeug. Dieser hier verzehrte sie, war tief und hart und verlangte eine Reaktion. Sie gab sie ihm, unfähig etwas anderes zu tun. Mit der einen Hand griff sie in sein dunkles seidiges Haar, mit der anderen massierte sie seinen Rücken, wobei sie vermutlich selbst keine Kennzeichnungen hinterließ.
Verlier dich nicht ganz. Die Warnung schoss ihr wie ein Blitz durch den Kopf. Genieße es, aber konzentrier dich. Die Harpyie schnurrte. Sie war glücklich über das, was geschah, und wollte mehr, mehr, mehr. Doch als Gwen sich befahl, ruhiger zu atmen, und sich zwang, stillzuhalten und Sabins Berührungen anzunehmen und zu genießen, aber nicht mehr, verwandelte sich das Schnurren in ein Knurren. Mehr, mehr, mehr.
Sabin fasste sie am Kinn und hielt ihren Kopf, sodass er tiefer in ihren Mund eindringen konnte, ohne ihr zu erlauben, sich ihm auch nur einen Millimeter zu entziehen. Durch die Wucht seiner nächsten Zungenbewegung stießen ihre Zähne aufeinander. Obwohl sie aufstöhnte, wich er nicht zurück. Wurde nicht sanfter. Der Kuss dauerte fort und fort, bis sie vollkommen außer Atem war, zitterte, sich noch stärker an ihn presste, wieder aufstöhnte und bereit war, um mehr zu betteln. Wie die Harpyie.
Zum zweiten oder dritten Mal versuchte sie sich ihm zu entziehen, damit sich ihr Körper beruhigen könnte und sie seinem Zauber nicht allzu sehr erläge.
„Oh nein, das tust du nicht. Du bleibst bei mir.“
„Nein, ich …“
„Nur fühlen. Nicht denken. Das kannst du später noch.“ Langsam schob er sie zu der gefliesten Wand. Als sie die kalten Fliesen am Rücken spürte, verschlug es ihr für einen Moment den Atem. Er verschluckte ihr Keuchen. Sein Mund lag schon wieder auf ihrem, nahm sich alles, was sie zu geben hatte, und verlangte noch mehr. Hinter ihnen plätscherte die Dusche immer noch, Wassertropfen fielen auf Porzellan.
Mit einer Hand packte er ihre Handgelenke und hielt sie über ihrem Kopf fest. Mit der anderen umschloss er ihre Brust und kniff sie mit den Fingerknöcheln in die Brustwarze. Ihr Magen zog sich zusammen, und ihr wurden die Knie weich. Fast wäre sie hingefallen, doch er schob ihr hart den Oberschenkel zwischen die Beine und hielt sie. Ihre empfindsamste Stelle an seiner rauen Haut, das schwächte sie noch mehr.
„Gefällt dir das?“
„Ja.“ Es gab keinen Grund zu lügen, denn sie konnte die Reaktion ihres Körpers nicht verbergen.
Mit den Fingern glitt er tiefer, immer weiter, umkreiste ihren Bauchnabel. Sie rutschte auf seinem Bein vor und zurück. Leise, atemlos stöhnte sie auf. Mehr. Mehr. Mehr! Die Schreie der Harpyie vermischten sich mit ihren, bis sie in ihrem Kopf eine einzige Stimme bildeten.
„Ich werde dich jetzt beißen.“
Er gab ihr keine Zeit, zuzustimmen oder zu widersprechen, sondern versenkte seine Zähne in die weichen Muskeln an ihrem Hals. Gleichzeitig zog er seinen Oberschenkel zurück und schob seine Hand zwischen ihre Beine. Mit zwei Fingern drang er tief in sie ein, wundervoll tief.
„Sabin!“
„Götter, mein Schatz. Du bist heiß. Und eng.“
„Ich werde … ich kann nicht … ich darf nicht …“ Schon so nah dran. Und das von zwei Fingern, die immer wieder kräftig in sie stießen.
„Lass dich gehen. Ich lasse nicht zu, dass etwas Schlechtes passiert. Ich schwöre es.“
Was, wenn sie … was, wenn die Harpyie … Verdammt noch mal! Ihre Gedanken zerfielen, weil sie sich nur noch auf die beiden starken Finger konzentrierte, mit denen er sie verwöhnte und ihre Lust schürte.
„Komm für mich.“ Mit dem Daumen berührte er ihre Klitoris, und Gwen konnte sich nicht länger dagegen wehren. Sie kam zum Höhepunkt, schrie, drückte sich gegen ihn und biss ihn so fest, dass sie Blut schmeckte.
Als sie kam, ließ er ihre Hände los, packte ihre Hüfte, hob sie auf seine Erektion. Keine Penetration, nur Reibung, aber wow, das war verflucht gut. Sie versenkte ihre Nägel in seinen Rücken, grub sie tief, schnitt ihm ins Fleisch.
Er stieß einen zischenden Laut durch die Zähne aus, zog sie noch mal ruckartig an sich und zischte wieder. Was für ein Geräusch! Sie musste es noch mal hören. Und noch mal. Schon bald bewegte sie sich, kam ihm entgegen, warf sich mit all ihrer Kraft gegen ihn, die scharfen Zähne wieder in seinem Fleisch versenkt, Blutstropfen auf der Zunge.
„So ist es richtig“, sagte er. „Genau so. Du fühlst dich so gut an, so verdammt gut.“ Er redete einfach drauflos. Um sie daran zu erinnern, wo und mit wem sie zusammen war? „Ich wollte es nicht so weit kommen lassen. Nicht für mich. Aber ich explodiere gleich. Es dürfte sich nicht so gut anfühlen. Es dürfte nicht …“
Dann küsste er sie wieder, drang mit der Zunge tief in ihren Mund, und warmer Samen spritzte auf ihren Bauch. Sein Körper bebte, und sie kam ein zweites Mal, allein durch Gedanken an seine Lust. Sie klammerten sich aneinander, keuchten, stöhnten.
Schließlich entspannten sich ihre Muskeln, und sie hing erschöpft in seinen Armen, verblüfft darüber, dass sie die Kontrolle verloren hatte. Verblüfft, weil sie zwar keinen Geschlechtsverkehr gehabt hatten, aber dieses kleine Erlebnis unter der Dusche dennoch ihre Welt aus den Angeln gehoben hatte. Verblüfft, weil die Harpyie nicht grausam geworden war. Verblüfft, weil die Harpyie einfach nur mehr gewollt hatte. Aber am meisten verblüffte sie, dass sie – obwohl sie soeben zwei intensive Höhepunkte erlebt hatte – immer noch mehr wollte.