Epilog
In welchem wir daran erinnert werden, dass die Hölle keinen schlimmeren Zorn kennt als den einer verschmähten Frau
Unerschrocken trat Sarafina Regalado in das Gemach, in dem Lilith, die Dunkle, wartete.
Ihre Reise aus Rom zu diesen im tiefsten Rumänien gelegenen Bergen war lang gewesen, und sie fühlte sich erschöpft. Trotzdem würde sie sich von der mächtigen Untoten, der sie nun Auge in Auge gegenüberstand, nicht einschüchtern lassen. Was konnte im schlimmsten Fall schon passieren?
Die Königin der Vampire könnte sie beißen.
Doch das würde Sara eher genießen.
»Kenne ich dich?«, fragte Lilith nach einem kurzen Moment. »Warum hast du von meinen Wachen verlangt, mit mir sprechen zu dürfen?«
»Ich bin die Tochter des Conte Regalado, doch mein Vater ist tot. Der weibliche Venator hat ihn auf dem Gewissen.«
Die blau-roten Augen wurden schmal. »Ah, also du bist das. Was willst du von mir?«
»Ich bringe dir Neuigkeiten.« Sara musterte die luxuriösen Möbelstücke, dann das Kleid der Vampirkönigin. Es war unmodern und aus dem falschen Stoff gefertigt, trotzdem stand es ihr. »Akvan wurde vernichtet, und das Alchimistische Portal geöffnet.«
»Das ist nichts Neues für mich.« Lilith starrte sie begierig an. »Auch Beauregard ist tot, endlich. Wenngleich sein Armband von neuem verschwunden ist.«
Sara zog ein vom Alter verwittertes Schriftstück, das von einer dünnen Wachsschicht geschützt wurde, unter ihrem Mantel hervor. »Vielleicht würde dich das hier interessieren. Ich habe es von einem der Gefolgsleute Beauregards bekommen - von dem, der mich zu dir brachte.«
Lilith griff träge danach, doch Sara entging nicht, wie sich ihr Blick verschärfte, als sie die Zeichnung der Pflanze und die Instruktionen studierte, welche in einer Sprache abgefasst waren, die Sara nicht verstand. Aber das musste sie auch nicht. Denn sie hatte nun jemanden gefunden, der sie entziffern konnte.
»Und was wünschst du im Gegenzug von mir?«
»Wie hat Max Akvan besiegt?«, fragte Sara. »Er hätte dazu nicht imstande sein sollen.«
Die Königin starrte sie an, dann wurde sie vor Saras Augen noch blasser als zuvor - beinahe schon durchscheinend, sodass sich noch mehr blaue Venen unter ihrer bleichen Haut abzeichneten. »Maximilian. Nein.«
Sie ging um Sara herum, die vor dem plötzlichen Zorn der Vampirkönigin zurückschrak. Ihre Augen brannten in ihrem Schädel, brannten, als sie sie ansahen, brannten, als würden sie ihre Haut versengen. »Hat er Akvan mit eigener Hand erschlagen? Mit eigener Hand? Sag es mir!«
Sara nickte. »Ja, das hat er.«
»Nein. Ich kann nicht - Nein.« Lilith presste die Lippen zusammen; ihr Haar wogte in einer kupferfarbenen Wolke um ihren Kopf. »Nein! Er hat mich betrogen!«
»Und du bist nicht die Einzige«, bemerkte Sara. »Obwohl«, setzte sie hastig hinzu, als Lilith sich wieder zu ihr umdrehte, die Fangzähne gebleckt, als wollte sie sie in ihr Fleisch schlagen, »sein Verrat an dir - worin auch immer er besteht - natürlich sehr viel schlimmer sein muss als das, was er mir antat.«
»Max! Wie kann er es wagen!« Liliths Stimme hatte sich zu einem Kreischen gesteigert, und sie keuchte vor Zorn und Rachedurst. »Nach all den Gunstbezeugungen, die ich ihm erwiesen habe, all den Freiheiten! Da besitzt er die Dreistigkeit, mich zu hintergehen.« Sie sprach nun wieder leiser und ruhiger. »Aber ich werde mich rächen.«
Sie musterte Sara. Ihre Augen glühten noch immer, doch sie brannten nicht mehr. Bis auf eine waren all die Venen unter ihrer Haut wieder verblasst. Sie hob die Mundwinkel zu einem einladenden Lächeln. »Das werden wir beide. Nun komm ein wenig näher, Liebes, und lass mich von deinem hübschen kleinen Hals kosten.«