GESANG DES DEUTSCHEN
O heilig Herz der Völker, o Vaterlandl
Allduldend gleich der schweigenden Mutter Erd’
Und allverkannt, wenn schon aus deiner
Tiefe die Fremden ihr Bestes haben.
Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,
Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie
Dich, ungestalte Rebe! dass du
Schwankend den Boden und wild umirrest.
Du Land des hohen ernsteren Genius!
Du Land der Liebe! Bin ich der deine schon,
Oft zürnt’ ich weinend, dass du immer
Blöde die eigene Seele leugnest.
Doch magst du manche Schöne nicht bergen mir,
Oft stand ich, überschauend das holde Grün
Den weiten Garten, hoch in deinen
Lüften auf hellem Gebirg und sah dich.
An deinen Strömen ging ich und dachte dich,
Indes die Töne schüchtern die Nachtigall
Auf schwanker Weide sang und still auf
Dämmerndem Grunde die Sonne weilte.
Und an den Ufern sah ich die Städte blühn,
Die Edeln, wo der Fleiss in der Werkstatt schweigt,
Die Wissenschaft, wo deine Sonne
Milde dem Künstler zum Ernste leuchtet.
Kennst du Minervas Kinder? sie wählten sich
Den Ölbaum früh zum Lieblinge, kennst du sie?
Noch lebt, noch waltet der Athener
Seele, die göttliche, still bei Menschen,
Wenn Platons frommer Garten auch schon nicht mehr
Am stillen Strome grünt, und ein dürftger Mann
Die Heldenasche pflügt, und scheu der
Vogel der Nacht auf der Säule trauert.
O heilger Wald! o Attika! traf Er doch
Mit seinem furchtbarn Strahle dich auch, so bald?
Und eilten sie, die dich belebt, die
Flammen entbunden zum Äther über?
Doch wie der Frühling wandelt der Genius
Von Land zu Land. Und wir? ist denn Einer auch
Von unsern Jünglingen, der nicht ein
Ahnden, ein Rätsel der Brust, verschwiege?
Den deutschen Frauen danket! sie haben uns
Der Götterbilder freundlichen Geist bewahrt,
Und täglich sühnt der holde klare
Friede das böse Gewirre wieder.
Wo sind sonst Dichter, denen der Gott es gab,
Wie unsern Alten, freudig und fromm zu sein,
Wo Weise, wie die unsren sind, die
Kalten und kühnen, die Unbestechbarn?
Nun! sei in deinem Adel, mein Vaterland
Mit neuem Namen, reifeste Frucht der Zeit!
Du letzte und du erste aller
Musen, Urania! sei gegrüsst mir!
Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,
Und sinnst, das von dir zeuge, ein neu Gebild,
Das einzig wie du selber, das aus
Liebe geboren,und gut, wie du, sei.
Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Dass wir uns alle finden am höchsten Fest?
Doch wie errät der Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?