14

Der Wolf wollte noch länger an dem Stamm der Eiche schnuppern und über blätterbedeckte Pfade trotten, die nach Hirsch und Waschbär rochen. Seinem Clangefährten durch die Bäume hinterherjagen, mit ihm auf diesem großen, grünen Rasen rennen, tollen, ihn zwicken und schubsen. Er gestattete sich einen tiefen Seufzer und horchte in sich hinein auf das Lied.

Mondlicht überströmte ihn, blendete ihn, zerriss ihm das Herz und schleuderte ihn in den Abgrund, wo sich Blätterknirschen und Feuerknistern mit Tiefschwarz mischten, ein stiller Tsunami aus Lied und Schmerz, der ihn in Stücke riss, ihn wieder

… ganz machte. In neuer Gestalt und auf zwei Beinen hielt sich Rule noch eine Weile ruhig atmend im Schutz der Baumreihe, um seine Jeansshorts anzuziehen, die er im Maul getragen hatte.

Er hatte sich nicht geirrt: Auf Rubens und Deborahs Grundstück fiel ihm der Wandel leicht. Er trat aus dem herrlichen kleinen Stückchen Wald hinaus in den Garten.

Deborah stand bei einem der hinteren Blumenbeete und starrte ihn an, ein schmutziges Handtuch in der Hand.

»Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt«, sagte er im Näherkommen. »Ich fürchte, ich bin etwas leicht bekleidet, aber auf vier Beinen ist es ein wenig schwierig, viel Kleidung mitzunehmen.«

Auf ihrem Gesicht lag ein seltsamer, fassungsloser Ausdruck. »Was haben Sie getan? Ich habe es gespürt. Eine Bewegung, die die Erde durchlief. So etwas habe ich noch nie gespürt.«

»Der Wandel ruft die Erde zum Tanz im Takt des Mondlieds. Ich nehme an, wenn jemand in diesem Moment den Boden berührt, fühlt es sich sonderbar an.«

»Sonderbar. Ja.« Plötzlich lächelte sie. »Und unglaublich schön. Ich war gerade dabei, meinen Rhododendron aufzumuntern, verstehen Sie? Sie sind sicher gekommen, um mit Ruben zu sprechen.«

»Ja, richtig.«

»Ich bringe Sie zu ihm.«

»Ich möchte Sie nicht unterbrechen.«

»Ich bringe Sie zu ihm«, wiederholte sie und begann, zum Haus zu gehen, sodass Rule ihr notgedrungen folgen musste. »Sie wollen nicht, dass man Sie kommen sieht. Deswegen haben Sie den Weg durch den Wald genommen, in Ihrer, äh, anderen Gestalt.«

»Es schien mir das Beste zu sein.«

Schweigen senkte sich über sie. Er versuchte nicht, es zu brechen, denn er spürte, dass es in ihr brodelte. Als sie den Garten halb durchquert hatten, kochte es in Worte über. »Ich hasse das. Ich hasse es.«

Der Klang ihrer Stimme leise, aber voller Emotion sagte ihm, dass er sich vorsichtig vortasten sollte. »Das?«

»Das, die die Leute, die versucht haben, ihn umzubringen. Die Art, wie wir jetzt leben, überall Wachen. Ruben wäre fast gestorben, doch er hat überlebt, und nun versuchen sie, ihm alles andere zu nehmen Ehre, Freiheit, seinen guten Ruf, seine Arbeit. Er war sogar dagegen, dass ich heute draußen arbeite. Eigentlich wünscht er sich, ich wäre überhaupt nicht hier, aber ich bin nun mal hier, und so lässt er mich noch nicht mal mehr in unseren eigenen Garten. Er will, dass ich mich verstecke. Wussten Sie das?« Es war Bitte und Frage zugleich. »Er will, dass ich untertauche.«

Ja, Rule wusste davon. Er selbst hatte es Ruben letzte Woche vorgeschlagen aber Ruben war auch schon selbst daraufgekommen, dass ihre Gegner versuchen könnten, Deborah zu entführen, um sie gegen ihn zu benutzen. Sie jedoch hatte sich geweigert, ihr Heim und ihren Ehemann zu verlassen. »Es ist Ihr gutes Recht, wütend zu sein.«

»Oh, dann ist es ja gut. Wenn ich ein Recht darauf habe, ist ja alles in Ordnung.« Sie blieb stehen, um ihn anzusehen. »Er hat keine Visionen, die ihn selbst betreffen. Normalerweise hat er nicht einmal Vorahnungen, nicht, wenn es sein Wohl betrifft.«

»Ich weiß.« Das war ein blinder Fleck, den viele Präkogs gemein hatten. Ihre Vorahnungen bezogen sich zumeist auf andere Personen oder Ereignisse, die für die Allgemeinheit bedeutungsvoll waren. Dann und wann konnte eine Präkog auch eine Ahnung haben, eine bestimmte Straße lieber nicht zu einer bestimmten Zeit zu überqueren, aber im Allgemeinen lief ein Präkog ebenso wie jeder andere Gefahr, in seliger Unwissenheit vor ein Auto zu laufen.

Deborah schüttelte den Kopf, als wollte sie einen unangenehmen Gedanken abschütteln. »Wie machen Sie das nur? Lily wurde doch auch letzten Monat verletzt, genau wie Ruben. Sie ist immer noch ein potenzielles Ziel. Damit müssen Sie leben. Wie schaffen Sie das?«

Was sollte er darauf antworten? Dass sein Wolf nicht dazu neigte, sich Sorgen zu machen? Dass der Mann, der sich sehr wohl Sorgen machte, Lily abschirmte, soweit sie es zuließ? Doch weder das eine noch das andere kam für Deborah infrage. »Ich habe mich in einen Cop verliebt. Sie ist immer ein potenzielles Ziel. Die Gefahr ist jetzt größer, doch Lily hat sich nicht verändert. Das kann ich nicht von ihr verlangen.« Er machte eine Pause. »Wenn ich in Wolfsgestalt bin, fällt es mir leichter. Hilft es Ihnen, im Garten zu arbeiten?«

»Manchmal. Doch in letzter Zeit war es nicht genug.« Mit gesenktem Kopf ging sie weiter. »Sie und Lily, Sie stehen diesen diesen geheimen Krieg gemeinsam durch. Sie werden nicht beiseitegeschoben und in die Rolle von Zuschauern gedrängt.«

Rule hatte das ungute Gefühl, gerade gefährlich tief in die Ehe eines anderen hineingezogen zu werden. Vermutlich war es besser, den Mund zu halten. Doch das tat er nicht. Ihre Verzweiflung war zu augenscheinlich. »Wurden Sie dazu gezwungen?«

»Nein.« Ungeduldig strich sie sich das Haar zurück. »Soweit es Rubens Arbeit angeht, habe ich diese Rolle vor Jahren freiwillig angenommen. Nicht nur, dass ich dort keinen Platz für mich gesehen habe, ich hatte auch bereits meinen eigenen. Mein Beruf als Lehrerin liegt mir am Herzen. Dieses Arrangement hat für uns beide lange gut funktioniert. Jetzt funktioniert es nicht mehr.«

»Hmm.«

»Dabei weiß ich nicht einmal, was ich tun könnte. Ich bin kein Cop, kein Lupus, keine ausgebildete Hexe oder eine Spionin ich bin nutzlos.«

»Um an diesem Krieg teilzunehmen, müssen Sie keine Kriegerin sein. Sie müssen den Willen und die Absicht haben, ihr entgegenzutreten. Die Schatteneinheit darf nicht eine Art Ehetherapie für Sie sein.«

»Glauben Sie, dass es das ist, was ich will?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich bringe Sie in Verlegenheit.«

»Diese Unterhaltung sollten Sie mit Ruben führen, nicht mit mir.«

Ihr plötzliches Lächeln erweckte das Grübchen in ihrer Wange zum Leben. »Ich bringe Sie wahrhaftig in Verlegenheit.«

Er konnte nicht anders: Er musste zurücklächeln. »Ja, das tun Sie. Und es scheint Ihnen zu gefallen.«

»Irgendwie komme ich mir kühn dabei vor. Normalerweise mache ich mir ständig Sorgen, was andere denken könnten oder was ich denke, was sie denken. Das scheint mir im Moment ganz gleich zu sein. Ich frage mich, warum?«

»Vielleicht, weil es ganz gleich ist, was ich denke.«

»Das könnte sein.« Sie freute sich still. »Das könnte sein. Möchten Sie Kaffee? Oder etwas anderes zu trinken?«

Sie waren an der Hintertür angekommen. »Kaffee wäre schön.« Er wusste von seinen früheren Besuchen, dass Deborah ausgezeichneten Kaffee machte.

»Ich bringen Ihnen welchen. Es dauert nur ein paar Minuten. Ruben müsste in seinem Büro sein.«

Offenbar erachtete sie es nicht mehr länger für notwendig, ihn zu ihrem Mann zu begleiten. Rule lächelte ein wenig, als er alleine weiter zu Rubens Zimmer ging, das beinahe einer Bibliothek glich. Da es nur wenige Menschen gab, die jemanden anhand seiner Schritte identifizieren konnten, sagte er, noch bevor er die geöffnete Tür erreicht hatte: »Deborah hat mich hereingelassen. Sie bringt uns Kaffee.«

»Ah, gut.« Ruben saß am Schreibtisch, vor ihm der Laptop. Er schob ihn zur Seite, stand aber nicht auf, was bedeutete, dass er sich nicht gut fühlte. »Danke, dass Sie gekommen sind. Setzen Sie sich. Ich las gerade einen interessanten Artikel über ein neues synthetisches Polymer, das angeblich ein guter Isolator gegen Magie sein soll.«

»Wirklich? Ich dachte, Plastik ließe Magie durch wie die meisten synthetischen Stoffe.«

»Offenbar ist dieses Material Gummi ähnlicher als Plastik, hat aber andere Eigenschaften als Gummi.«

»Das wird Cullen interessieren.« Dann unterhielten sie sich über die unterschiedlichen Wege, die verschiedene Unternehmen bei der Suche nach einem preiswerten magischen Isolator für technische Geräte einschlugen ein interessantes und harmloses Thema, um sich die Wartezeit zu vertreiben.

Deborah erschien mit einem Tablett, auf dem zwei dampfende Becher und eine Zuckerschale standen. Ruben mochte seinen Kaffee gern süß. Sie erinnerte Ruben an einen Arzttermin am Nachmittag. Er schnitt ein Gesicht. »Kardiologe«, sagte er knapp zu Rule. Sobald Deborah gegangen war, erhob er sich, trat zu dem in den Boden eingelegten Kreis und ging in die Hocke, um ihn zu aktivieren. »Ich denke, dieses Mal werden wir uns keine Mühe mit der magischen Bombe machen«, sagte er, richtete sich auf und ging zurück zum Schreibtisch. »Ihre Anwesenheit müsste eigentlich ausreichen. Mika sagte, Sie haben Neuigkeiten. Über die Ermittlungen im Bixton-Fall?«

»Nein. Das hätte ich wohl deutlicher machen sollen tut mir leid. Doch ich kann Sie über das, was Lily weiß, auf den neusten Stand bringen.« Für einen kurzen Moment hatte er ein schlechtes Gewissen, auch wenn das vielleicht gar nicht angebracht war. Lily vermutete sicher, dass er Ruben informieren würde. Schließlich hatte sie alles darangesetzt, Mika zu informieren, wenngleich auf umständliche Art.

Ruben winkte ab. »Erst möchte ich hören, weshalb Sie gekommen sind.«

»Meine Worte werden eine Diskussion nach sich ziehen, deshalb habe darauf verzichtet, Mika mit der Nachricht zu beauftragen.« Mika konnte mit jedem im Stadtgebiet »sprechen«, ohne seine Höhle zu verlassen, und er meldete sich regelmäßig bei Ruben. Was die anderen Geister anging, war es nicht so einfach. Wenn der Absender oder die Absenderin keine Gedankensprache beherrschte, so wie sie alle, musste Mika sich in der Nähe aufhalten, um seine oder ihre Gedanken zu lesen. Selbst dann fiel es ihm durch den starken mentalen Lärm der Stadt schwer, sich auf einen einzelnen Gedanken zu konzentrieren. Deshalb hatten sie ein Fantasiewort ausgemacht, um Mikas Aufmerksamkeit zu erregen eine Abfolge von Silben, auf die sich niemand sonst auf der Welt konzentrieren würde.

Glücklicherweise hielt Mika mit seinen Flügen über die Stadt einen festen Zeitplan ein, was zur Folge hatte, dass Rule nicht so oft »nininfalaha« sagen musste, um Mika auf sich aufmerksam zu machen. »Wir haben Chittenden verloren.«

»Was ist passiert?«

»Er ging ins Einkaufszentrum. Meine Männer folgten ihm, haben ihn dann aber aus den Augen verloren. Seine Spur führte zu einem der Ausgänge, aber er blieb verschwunden. Das war vor vier Tagen, und seitdem ist er nicht in seine Wohnung zurückgekehrt. Sein Wagen steht immer noch auf dem Parkplatz.«

»Ah.« Ruben bildete mit den Fingern ein Dach. »Ich lasse Flüge und Autoverleihes überprüfen. Natürlich kann es sein, dass er nicht unter seinem eigenen Namen reist, aber wir schauen mal, was wir herausfinden. Gibt es etwas Neues zu Jones?«

»Er war viel unterwegs, aber meine Leute haben ihn nicht verloren. James steht in L.A. bereit, falls Sie entscheiden sollten, Jones auszuschalten.«

»Ich werde diese Option lieber nicht nutzen.«

»Ich auch nicht.«

Keiner von ihnen wollte Friars zwei Lieutenants töten. Nicht aus moralischen Bedenken, zumindest nicht, was Rule anging. Mord war eine der moralischsten Taktiken, die man in einem Krieg anwenden konnte, immer vorausgesetzt, er wurde begangen, damit Unschuldige nicht zu Schaden kamen. Er hatte den Verdacht, dass Ruben seinen Standpunkt nicht teilte. Doch er würde tun, was notwendig war. Im Moment allerdings hatten Chittenden und Jones lebend mehr Wert für sie, denn ihre Hoffnung war, Friar über die beiden Männer zu finden, die ihm bei Humans First am nächsten gestanden hatten.

Der Punkt, den Rule diskutieren wollte, war ihr »Bauernopfer« ein Lupus, der versuchen würde, Paul Chittendens Netzwerk zu infiltrieren, nach außen hin als Spion, aber eigentlich, um zu testen, ob Chittenden in der Lage war, einen Lupus zu identifizieren. Wenn das zutraf, würde es den Attentätern die Arbeit erschweren. Normalerweise konnten Menschen nicht ohne einen Bluttest feststellen, ob ein Mann ein Lupus oder ein Mensch war, aber bis letzten Monat hatte Friar mit einem Sidhe-Fürsten zusammengearbeitet, und sie wussten nicht, was er möglicherweise vor Rhetnas Tod von ihm gelernt hatte. Es war möglich, dass Friars Lieutenant einen Talisman besaß, mit dessen Hilfe er Lupi erkennen konnte.

Ihr Bauernopfer war ein junger Nokolai namens James. Rule hatte ihn aufwachsen sehen. James’ Mission war extrem gefährlich, und Rule wollte ihm die Chance geben, lebend aus der Sache rauszukommen. Diesen Teil der Operation hatte Benedict übernommen, doch er musste wissen, welche Ressourcen er nötigenfalls von der Schatteneinheit nutzen konnte. Sie sprachen über Back-up, Kommunikationsmöglichkeiten und eventuelle Befreiungsaktionen und gingen dann zu anderen Aspekten des Krieges über, zum Beispiel dem der Finanzierung ein entscheidender Faktor für beide Seiten. Dann kamen sie auf die Ermittlungen im Fall Bixton zu sprechen.

Rule brauchte nicht lange, um zu berichten, was er darüber in Erfahrung gebracht hatte. Als er fertig war, warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muss zurück.«

»Bevor Sie gehen, muss ich Ihnen sagen, dass Humans First einen Antrag zur Genehmigung einer Demonstration vor dem Kapitol in Albany gestellt hat. Der Antrag wurde bewilligt.«

»Verdammt.« Rule presste die Lippen aufeinander. »Dadurch wird aus ›vielleicht‹ ›fast sicher‹.«

Damit meinte er ihren Verdacht, dass die Hassgruppe wissen könnte, wo sich in den Vereinigten Staaten die wichtigsten Clangüter befanden und vorhatte, es der gesamten Öffentlichkeit mitzuteilen. Die Lage des Clangutes der Nokolai war natürlich allgemein bekannt, doch die der anderen nicht. Zuerst hatten sie noch die Hoffnung gehabt, die geplanten Demonstrationen in San Diego und Albuquerque wären Zufall gewesen. Zwar befanden sich in der Nähe beider Städte Clangüter, aber keine an den anderen Orten, an denen Kundgebungen stattfinden würden. Albany allerdings war nur etwa hundertdreißig Kilometer vom Gut der Wythe entfernt das deutete darauf hin, dass es sich nicht um einen Zufall, sondern um Absicht handelte.

»Ich fürchte, ja.« Ruben erhob sich. »Rule, Sie dürfen nicht mit Lily über unsere Pläne sprechen, doch ich werde Sie nicht bitten, auch diesen Besuch vor ihr geheim zu halten, es sei denn, Sie halten es für notwendig.«

Rule zögerte. »Ich glaube, sie hat mich bereits im Verdacht, mit Ihnen in Verbindung zu stehen, würde aber lieber nicht mit der Nase darauf gestoßen werden.«

»Wie, glauben Sie, hat sie auf meine Enthüllungen von Samstag reagiert? Sie schien die Notwendigkeit einer Schatteneinheit akzeptiert zu haben, doch von da bis zu einem Beitritt ist es noch ein gutes Stückchen.«

»Ich würde gerne sagen, dass ich optimistisch bin, aber zu verstehen, warum wir außerhalb des Gesetzes agieren, ist nicht dasselbe, wie es selbst zu tun. Hier geht es nicht darum, es mit einer Dienstvorschrift nicht zu genau zu nehmen oder bei einem kleineren Verstoß ein Auge zuzudrücken, um ein Verbrechen zu verhindern. Wir verlangen von ihr, dass sie etwas anderem dient als dem Gesetz.«

»Etwas, das das Gesetz ergänzt.«

»Ich weiß nicht, ob sie es so sehen kann.«

»Ich hoffe weiter, dass Sie sich irren.«

Er ebenfalls. Weil er es hasste, Geheimnisse vor seiner nadia zu haben, einerseits, aber auch, weil Ruben gesagt hatte, dass sie Lily brauchten. Dass sie mehr tun musste, als die Existenz der Geister lediglich zu tolerieren. Dass sie eine von ihnen werden musste. Das hatte er in seinen Visionen gesehen, mehr wusste Rule nicht. Als er ihn nach Einzelheiten gefragt hatte, hatte Ruben vage mit der Hand gewedelt und etwas davon gesagt, dass er den Lauf der Dinge ändern würde, wenn er das verriete. Außerdem hatte er gesagt, sie müssten um jeden Preis vermeiden, zu viel Druck auf Lily auszuüben. Diese Entscheidung müsse sie ganz allein fällen.

Ruben Brooks wählte seine Worte stets mit Bedacht. Wenn er sagte »um jeden Preis«, dann meinte er das auch so. Deshalb konnte Rule Lily nicht sagen, dass, falls sie nicht zur Schatteneinheit stoßen würde, die Chancen sehr gut stünden, dass innerhalb von drei Monaten die Hälfte der Lupi dieses Landes tot seien.