LXVI

Die Wellen warfen den Schnee ab und donnerten in Wolken aus Gischt den Strand hinauf. Das Meer hatte jetzt den weichen Sand erreicht, den Sand, der noch nie von der Flut bedeckt worden war. Es saugte gierig am Boden und spuckte bei jedem neuen Vorstoß die Rückstände aus. Torf und Erde wurden wirbelnd mitgerissen und lösten sich auf; der Sand verwandelte sich in eine braune Flüssigkeit, verteilte sich und verschwand, um an einer fernen Küste wieder abgelagert zu werden. In der Düne hieß das Grab die erste tiefe Welle willkommen, die in sein Herz einsickerte, eine Kelle und einen Pinsel wegfegte, an den verbleibenden Knochen riß, sie aufwühlte und zermalmte, und jede Spur von dem, was gewesen war, wegspülte. Es folgte noch eine und noch eine, und dann überflutete das Meer alles, bewegte sich weiter, auf die ruhige, zugefrorene Flußmündung zu, von wo die Gänse seit langem verschwunden waren, weil sie sich vor dem Sturm landeinwärts geflüchtet hatten.

Joe stand keuchend am oberen Ende des Weges und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Auf seinen Augenbrauen hatte sich Schnee abgelagert, sein Gesicht war starr vor Kälte, und seine Tränen schienen sich in Eis zu verwandeln, wenn der Wind sie von seinen Augen peitschte. Er sah sich erschöpft um. Am Straßenrand waren zwei Autos geparkt. Unter den Bäumen. Der eine war der von Anne, nahm er an; aber wem gehörte der andere? Er ging hinüber und wischte den Schnee von der schneebedeckten Kühlerhaube. Rons Land Rover vom Pub. Er runzelte die Stirn und warf einen Blick zurück auf den Weg. Was immer der Grund für Rons Kommen war, er hatte keine Spur hinterlassen. Seine Fußabdrücke waren längst zugeschneit.

Müde wandte er sich der Straße zu und machte sich auf den mühsamen Weg nach Hause. Zweimal blieb er stehen und sah hinter sich. Im Wald hatte er ein dutzendmal das Gefühl gehabt, verfolgt zu werden. Jedesmal war er stehengeblieben und hatte das Gewehr gehoben, hatte es drohend vor dem Gebüsch herumgeschwenkt. Aber es war niemand dagewesen. Niemand. Nur das Schweigen und der Wind und gelegentlich das Geräusch von Schnee, der von den Bäumen fiel.

Er brauchte noch einmal eine Stunde, um die paar hundert Meter nach Hause zu trotten, bis er in der Tasche mit abgestorbenen Fingern nach dem Schlüssel zur Hintertür tastete und sie auf schloß. Dann war er endlich in der wohligen Wärme und Stille. Das Haus war sehr still. Er stampfte den Schnee von seinen Stiefeln und schüttelte den Mantel aus. Er ließ ihn auf dem Fußboden in der Küche liegen, wo er hingefallen war, ging hinüber zum Telefon, nahm den Hörer ab und horchte. Das vertraute Freizeichen klang fast ohrenbetäubend laut. Er wählte den Notruf.

Es dauerte einen Moment, bis er verbunden war und die Polizei sowie einen Krankenwagen anfordern konnte. Die Frau am anderen Ende der Leitung wußte nichts Genaues zu sagen. »Sie sind so bald wie möglich bei Ihnen, Mr. Farnborough, aber das Wetter ist so schlecht! Der Wetterbericht hat Wind in Orkanstärke und Schneestürme vorhergesagt. Der Hubschrauber kann nicht starten. Wir verständigen Ihre Polizeistation. Von dort wird man versuchen, mit Arzt und Sanitäter zu Ihnen durchzukommen.«

»Tun Sie, was in Ihrer Macht steht, bitte.« Joe war auf den Holzstuhl gesunken, der ordentlich an der Wand stand. Neben ihm hing Cissys Schürze hinter der Tür. Er schüttelte den Kopf. »Es sieht schlimm aus hier. Sehr schlimm. Ein Mann ist ermordet worden. Ein anderer liegt im Sterben. Bitte, helft uns!«

Er blieb lange still sitzen, nachdem er aufgelegt hatte. Es gab nichts, was er noch tun konnte. Er konnte nicht zurückgehen. Er hatte versprochen zu warten, damit er der Polizei den Weg runter zum Farmhaus zeigen konnte. Er lehnte den Kopf an die Wand und schloß müde die Augen.

Nach zwei Minuten war er fest eingeschlafen.