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Die Skyline einer solch großen und bedeutenden Stadt wie Wolgograd hätte man eigentlich aus allen Richtungen kilometerweit sehen müssen. Aber als Georgij Safronow auf der M6-Magistrale nach Südosten brauste, war auch fünfzehn Kilometer vor der Stadtgrenze nur leicht gewelltes Weideland zu sehen, über dem dicker grauer Nebel lag. Von der riesigen Industriemetropole direkt vor ihm war noch keine Spur zu erkennen. Es war zehn Uhr morgens, und er war auf der Kaspi-Fernstraße die ganze Nacht durchgefahren. Obwohl er jetzt acht Stunden am Steuer saß, forderte der Sechsundvierzigjährige seinem BMW-Z4-Roadster das Äußerste ab, weil er so schnell wie möglich an seinem Bestimmungsort eintreffen wollte. Der Mann, der ihn gebeten hatte, heute diese neunhundertzwanzig Kilometer zurückzulegen, hätte ihn nicht ohne guten Grund zu diesem Treffen beordert. Georgij kämpfte gegen Müdigkeit und Hunger an, um den alten Mann auf keinen Fall warten zu lassen.

Der reiche Russe war zwar mittleren Alters, sah aber mit Ausnahme einzelner grauer Strähnen in seinem roten Haar viel jünger aus. Die meisten russischen Männer tranken, weswegen ihre Gesichter oft vorzeitig alterten. Georgij hatte jedoch seit Jahren keinen Wodka, keinen Wein und kein Bier mehr angerührt. Sein einziges kleines Laster war der gezuckerte süße Tee, den die Russen so sehr mögen. Er war kein athletischer Typ, er war dünn, und seine Haare waren für einen Mann seines Alters etwas lang. Eine Haartolle fiel ihm immer wieder in die Augen. Er hatte die Lüftungsschlitze seines BMWs so eingestellt, dass sie ihm die Haare beim Fahren aus der Stirn bliesen.

Er hatte keine Anweisungen, nach Wolgograd hineinzufahren. Er fand das schade, weil er die Stadt wirklich mochte. Immerhin war sie das frühere Stalingrad, was sie für ihn umso interessanter machte. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Russen in Stalingrad gegen die Deutschen erfolgreich Widerstand geleistet und die unglaublichste Abwehrschlacht gegen eine mächtige Invasionsarmee in der gesamten Kriegsgeschichte geschlagen.

Georgij Safronow hatte ein persönliches Interesse an allem, was mit Widerstand zu tun hatte, obwohl er dieses Interesse für sich behielt.

Er schaute auf die GPS-Karte auf der Mittelkonsole des gut ausgestatteten Roadsters. Etwas weiter südlich lag der Flughafen. Er würde die M6 in einigen Minuten verlassen und anschließend der zuvor eingegebenen Route zu dem konspirativen Treffpunkt direkt außerhalb des Flughafengeländes folgen.

Er wusste, dass er auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen durfte. Deshalb war er allein gekommen und hatte seine Leibwächter in Moskau zurückgelassen. Er hatte ihnen erzählt, dass er etwas ganz Persönliches zu erledigen hätte. Seine Sicherheitsleute waren keine Russen, sondern Finnen und überdies große Hurenböcke. Georgij nutzte also ihre diesbezüglichen Fantasien aus und deutete an, dass er sich hier heimlich mit einer Frau treffen würde.

Nach dem Treffen wollte Safronow sich in der Innenstadt von Wolgograd ein Hotel suchen. Er würde allein durch die Straßen der Stadt gehen und an die Schlacht von Stalingrad denken. Dies würde ihm neue Stärke geben.

Aber er war vorschnell. Vielleicht wollte der Mann, der ihn heute hierher eingeladen hatte, Suleiman Murschidow, dass er danach den konspirativen Treffpunkt sofort verließ und mit ihm nach Machatschkala flog. Murschidow würde Georgij seinen Willen mitteilen, und Georgij würde auf ihn hören.

Eigentlich war Georgij Safronow nicht sein richtiger Name, da seine echten Eltern ihn nicht Georgij genannt hatten und sie selbst auch nicht Safronow hießen. Trotzdem war das sein Name gewesen, solange er zurückdenken konnte. Solange er zurückdenken konnte, hatte ihm jeder in seiner Umgebung auch erzählt, dass er Russe sei.

Tief im Herzen hatte er jedoch wohl schon immer gewusst, dass sein Name und seine Herkunft Lügen waren.

In Wahrheit wurde er im Jahr 1966 als Magomed Sagikow im dagestanischen Derben geboren, als Dagestan noch eine abgelegene und fügsame bergige Küstenregion der Sowjetunion war. Seine Eltern waren Bergbauern, die jedoch kurz nach seiner Geburt nach Machatschkala am Kaspischen Meer gezogen waren. Dort starben die Mutter und der Vater des kleinen Magomed innerhalb eines Jahres an einer Krankheit, und ihr Kind kam in ein Waisenhaus. Ein junger russischer Marinekapitän aus Moskau namens Michail Safronow und seine Frau Marina wählten dann den Kleinen als Adoptivkind aus, weil Marina Safronowa Magomed wegen seiner gemischten lesgisch-asarischen Herkunft den anderen Waisenkindern seines Alters vorzog, die reinblütige Asaris waren.

Sie nannten ihren Adoptivsohn Georgij.

Kapitän Safronow war als Mitglied der Kaspischen Flottille in Dagestan stationiert, wurde jedoch bald zur Schwarzmeerflotte befördert und nach Sewastopol versetzt. Kurz darauf wurde er auf die Marschall-Gretschko-Seekriegsakademie in Leningrad geschickt. In den nächsten fünfzehn Jahren wuchs Georgij in Sewastopol (wo sein Vater nach seinem Studium wieder in der Schwarzmeerflotte diente) und Moskau auf (wo sein Vater im Büro des Kommandeurs der Sowjetmarine tätig war).

Safronows Adoptiveltern verhehlten ihm nie, dass sie ihn adoptiert hatten, behaupteten jedoch, er stamme aus einem Waisenhaus in Moskau. Seine wahren Wurzeln enthüllten sie ihm nie, schon gar nicht, dass seine Eltern Muslime waren.

Der kleine Safronow war ein blitzgescheiter Kerl, er war jedoch klein, schwach und völlig unsportlich. Trotzdem, oder wahrscheinlich gerade deswegen, war er ein ausgezeichneter Schüler. Bereits als ganz kleiner Junge faszinierten ihn die sowjetischen Kosmonauten. Später entwickelte er eine kindliche Begeisterung für Raketen, Satelliten und den Weltraum. Nach seinem brillanten Schulabschluss wurde er in die Militärakademie der Raketentruppen »Feliks Dzierzynski« aufgenommen.

Nach seinem erfolgreichen Abschluss diente er fünf Jahre als Offizier in den sowjetischen Strategischen Raketentruppen, um dann zum Studium an das Moskauer Institut für Physik und Technologie zurückzukehren.

Im Alter von dreißig Jahren ging er in die Privatwirtschaft. Er wurde von einem Projektleiter der Kosmos-Raumfahrtgesellschaft angeheuert, einer gerade erst gegründeten Raketenmotoren-und Trägerraketenfabrik, die auch kommerzielle Raketenstarts und Raummissionen anbieten wollte. Um dies zu betonen, gab sie sich auch den englischen Namen Kosmos Space Flight Corporation (KSFC). Georgij kam danach auf die geniale Idee, alte Interkontinentalraketen aus der Sowjetzeit aufzukaufen und sie zu kommerziellen Trägerraketen umzurüsten. Von Anfang an leitete er dieses Projekt. Seine soldatisch straffe Führung, seine kühnen Ideen, sein technisches Wissen und politisches Geschick machten aus der KSFC bis zum Ende der Neunzigerjahre das wichtigste private russische Raumfahrtunternehmen.

Im Jahr 1999 besuchte Georgijs Vater Michail Safronow das stattliche Wohnhaus seines Sohns in Moskau. Kurz zuvor hatte der erste russische Einmarsch in Dagestan stattgefunden, und der pensionierte Marineoffizier machte ein paar abfällige Bemerkungen über die dagestanischen Muslime. Als Georgij seinen Vater fragte, ob er überhaupt irgendwelche Dagestaner kenne, erwähnte dieser unabsichtlich, dass er früher einmal in Machatschkala stationiert gewesen sei.

Georgij fragte sich, warum weder sein Vater noch seine Mutter jemals diese Stationierung in Dagestan erwähnt hatten. Einige Wochen später rief er einige einflussreiche Freunde in der Marine an, und diese gruben für ihn die Dienstzeiten seines Vaters in der Kaspischen Flottille aus.

Safronow flog sofort nach Machatschkala und fand dort das Waisenhaus. Tatsächlich offenbarten sie ihm nach eingehender Befragung, dass seine leiblichen Eltern muslimische Dagestaner waren.

Georgij Safronow erfuhr in diesem Moment etwas, das er tief im Innern schon immer gewusst hatte, wie er später sagen würde. Er unterschied sich von den anderen Russen, mit denen er aufgewachsen war.

Er war Muslim.

Anfänglich hatte das keinen großen Einfluss auf sein Leben. Seine Firma war so erfolgreich, dass Safronows Arbeit sein Leben war. Dieser Erfolg wurde noch gesteigert, als die amerikanischen Space-Shuttle-Missionen nach dem Absturz der Columbia im Februar 2003 zeitweise eingestellt wurden. Die KSFC war damals in der Lage, einen Großteil der amerikanischen Raumfähren-Verträge zu übernehmen. Georgij, der gerade erst im Alter von sechsunddreißig Jahren Präsident seines Unternehmens geworden war, verfügte über das Talent, die Entschlossenheit, die beeindruckende Persönlichkeit und die nötigen Kontakte zur russischen Luftwaffe, um dafür zu sorgen, dass sein Unternehmen diese einmalige Gelegenheit voll ausnutzen konnte.

Ursprünglich war die KSFC eine reine Privatfirma ohne jede Staatsbeteiligung. Als Safronow aus ihr jedoch eine, im Wortsinne, raketenbetriebene Geldmachmaschine machte, versuchten der russische Präsident und seine Spießgesellen, die Firma mit zwielichtigen Machenschaften an sich zu bringen. Safronow setzte sich jedoch mit seinen neuen Gegnern an einen Tisch und machte ihnen ein Gegenangebot. Er würde ihnen achtunddreißig Prozent der Firmenanteile zur Verfügung stellen, und die Teilnehmer dieses Treffens könnten damit machen, was sie wollten. Safronow würde den Rest behalten und weiterhin 365 Tage im Jahr für den Erfolg des Unternehmens arbeiten.

Wenn die russische Regierung jedoch die Firma wie in den alten Sowjettagen verstaatlichen wolle, dann könne sie auch nur die Ergebnisse dieser alten Tage erwarten. Safronow würde dann am Schreibtisch sitzen und die Wand anstarren. Sie könnten ihn natürlich auch durch irgendeinen alten Apparatschik ersetzen, der so tun würde, als wäre er ein Kapitalist, der jedoch das Unternehmen innerhalb eines Jahres an die Wand fahren würde, wie die hundertjährige Geschichte des Sowjetkommunismus gezeigt habe.

Der russische Präsident und seine Kumpane waren jetzt in einer misslichen Lage. Ihr Erpressungsversuch war durch eine Art Gegenerpressung pariert worden. Die Regierung knickte ein, Safronow behielt zweiundsechzig Prozent der Firmenanteile und KSFC florierte.

Ein Jahr später bekam Kosmos von einer dankbaren Nation den Leninorden verliehen, und Safronow wurde zum Helden der Russischen Föderation ernannt.

Mit seinem Privatvermögen von über hundert Millionen Dollar investierte er in russische Blue-Chip-Unternehmen. Dabei stärkte er zugleich auf raffinierte Weise die Verbindungen zu den jeweiligen Eigentümern. Er kannte eben das Schmiermittel des Erfolgs in seinem Adoptivland. Geschäftsleute, die ihren Kopf herausstreckten, behielten ihn nur, wenn sie den Kreml zum Freund hatten. Ein Insider erkannte dabei leicht, wer in der Gunst des Ex-KGB-Manns stand, der jetzt in Moskau regierte. Safronow sicherte sich durch sein Beziehungsgeflecht gegen alle Unwägbarkeiten ab. Solange der gegenwärtige Staatsführer und seine Leute an der Macht waren, würde ihm nichts passieren.

Diese Taktik zahlte sich für ihn aus. Sein Privatvermögen wurde inzwischen auf über eine Milliarde Dollar geschätzt. Dies verschaffte ihm zwar noch keinen Platz auf der Forbes-Liste, aber er konnte sich alles leisten, was er wollte.

In Wahrheit bedeutete ihm sein Reichtum jedoch überhaupt nichts. Er konnte einfach nicht vergessen, dass er in Wirklichkeit nicht Georgij hieß und auch kein Russe war.

Alles veränderte sich für Safronow an seinem zweiundvierzigsten Geburtstag. Er war mit seinem neuen 2008er Lamborghini Reventón von Moskau zu einer seiner Datschen auf dem Land unterwegs. Der Tachozeiger war nur noch zwanzig Stundenkilometer von seiner Höchstanzeige entfernt, er musste gegenwärtig auf dieser schnurgeraden Straße also etwa dreihundertzwanzig Stundenkilometer schnell sein.

Ob es nun eine Öllache oder eine Wasserpfütze war oder seine Hinterreifen einfach nur abgedriftet waren, würde er nie erfahren. Auf alle Fälle geriet er ins Schleudern und verlor die Herrschaft über das Auto. Er war sich sicher, dass jetzt alles vorbei sei. In dem Bruchteil einer Sekunde zwischen der ersten Erkenntnis, dass das Fahrzeug nicht mehr beherrschbar war, und dem Moment, als die silberne Motorhaube des Lamborghini vor seiner Windschutzscheibe von der Straße wegzeigte, war es nicht Georgijs wirkliches Leben, das an seinen inneren Augen vorbeiraste. Es war das Leben, das er nicht gelebt hatte und das er hätte führen sollen. Es war die Sache, der er den Rücken zugekehrt hatte. Es war die Revolution, an der er nicht teilgenommen hatte. Es war das Potenzial, das er nicht ausgeschöpft hatte.

Der Lamborghini überschlug sich, und das Genick der einundzwanzigjährigen Ballerina, die neben Safronow saß, brach. Noch Jahre später war sich Georgij sicher, dass er inmitten des Lärms von zersplitterndem Metall und Fiberglas dieses entsetzliche Knacken gehört hatte.

Der Raumfahrtunternehmer verbrachte viele Monate im Krankenhaus. Immer wieder las er in dieser Zeit in seinem Koran, den er zur Tarnung in die Umschläge seiner Technikhandbücher steckte. Sein Glaube vertiefte sich. Er kannte jetzt seinen Platz in dieser und der nächsten Welt. Er nahm sich vor, seinem Leben eine ganz neue Richtung zu geben.

Er würde alles aufgeben, um zum Shahid, zum Märtyrer, zu werden. Er wollte für die Sache, in die er ursprünglich hineingeboren worden war und die jetzt jeden seiner Atemzüge bestimmte, den Märtyrertod erleiden. Er verstand jetzt, dass die Lamborghinis, die Privatjets, die Macht und die Frauen nichts mit dem Paradies zu tun hatten, so sehr sie auch sein zugegebenermaßen allzu menschliches Fleisch berauschen mochten. Er wusste, dass er in seiner menschlichen Gestalt keine Zukunft hatte. Nein, seine Zukunft, seine ewige Zukunft, lag im Jenseits, und er würde dies bald genug herausfinden.

Allerdings würde er sein Leben im Dienst seiner Sache nicht zu billig verkaufen. Nein, Georgij wusste, dass er die Sache einer Islamischen Republik im Kaukasus befördern konnte wie vielleicht noch kein Mensch vor ihm. Er war ein Spion und Kundschafter in der Welt des Feindes.

Nach seiner Genesung zog er sich heimlich in ein schlichtes Bauernhaus in Dagestan zurück. Er lebte in vollkommener Einfachheit, weit entfernt von dem Leben, das er vor seinem Unfall geführt hatte. Er stattete Suleiman Murschidow, dem geistlichen Führer der dagestanischen Widerstandsgruppe Jamaat Shariat, regelmäßig einen Besuch ab. Zuerst war Murschidow misstrauisch, aber der alte Mann war erstaunlich intelligent und ausgefuchst und begann mit der Zeit zu begreifen, welches Werkzeug, welche Waffe ihm mit diesem Georgij Safronow geschenkt worden war.

Georgij bot an, sein ganzes Geld der gemeinsamen Sache zur Verfügung zu stellen. Der geistliche Führer lehnte dieses Angebot jedoch ab. Tatsächlich verbot er Safronow sogar, in Dagestan oder dem Kaukasus für wohltätige Zwecke Geld zu spenden. Der Alte aus den Bergen erkannte, dass Georgij sein Spitzel und Maulwurf in den russischen Führungsetagen war, und wollte dies auf keinen Fall durch irgendetwas gefährdet sehen, selbst wenn es neue Schulen, neue Krankenhäuser oder jede andere Unterstützung für sein Volk oder die gemeinsame Sache waren.

Ganz im Gegenteil wies Murschidow Safronow an, nach Moskau zurückzukehren und dort die harte Linie gegen die Kaukasus-Republiken zu unterstützen. Seit vielen Jahren war es Georgij eine Qual, mit den Freunden seines Adoptivvaters zusammenzusitzen und über die Niederschlagung der Aufstände im Kaukasus zu reden. Aber so lauteten eben seine Befehle. Es war ihm aufgetragen, in der Höhle des Löwen zu leben.

Allerdings nur bis zu dem Tag, an dem Murschidow seine Rückkehr, seine Hilfe und Inschallah – so Gott will – sein Martyrium verlangen würde.

Safronow tat, wie ihm geheißen. Jedes Jahr kehrte er kurz und heimlich ein einziges Mal in seine Heimat zurück, um sich mit Suleiman zu treffen. Bei einem dieser Besuche hatte er gebeten, dem berühmten Krieger Israpil Nabijew vorgestellt zu werden. Der alte geistliche Führer hatte dies jedoch verboten, was Safronow sehr verärgert hatte.

Jetzt wusste Georgij jedoch, dass sein Führer die ganze Zeit recht gehabt hatte. Wenn Nabijew etwas über Safronow gewusst hätte oder nur eine Ahnung gehabt hätte, dass es da eine Führungspersönlichkeit in der privaten russischen Raumfahrtindustrie gab, die mit den Dagestanern in Verbindung stand, wäre Safronow jetzt tot oder säße im Gefängnis. Er begriff, dass er im letzten Jahr in Machatschkala nur aus Eitelkeit darauf bestanden hatte, Nabijew vorgestellt zu werden. Die Hand Allahs selbst hatte Suleiman dazu bewogen, diesen Wunsch abzulehnen.

Also hielt sich Safronow weiterhin von der Jamaat Shariat fern. Immerhin blieb ihm dadurch genug Zeit zur Führung seines Unternehmens, das in den ganzen Jahren weiter gewachsen war. Die KSFC profitierte vom Auslaufen des US-amerikanischen Space-Shuttle-Programms. Die Russen gehörten endgültig zu den ganz Großen im Raumfahrtgeschäft. Zwar verfügten auch andere russische Unternehmen über Trägerraketen, mit denen man Satelliten, Vorräte und Menschen ins All befördern konnte, wie etwa die Sojus, Proton, Rokot, um nur drei zu nennen. Aber Safronow und seine Dnjepr-1 begannen die anderen immer mehr zu überflügeln. Im Jahr 2011 schickte Safronows Unternehmen erfolgreich mehr als zwanzig Raketen von seinen drei Abschussrampen im Kosmodrom Baikonur in der ebenen Grassteppe Kasachstans ins All. Für das Jahr 2012 gab es bereits so viele fest abgeschlossene Verträge, dass diese Zahl auf jeden Fall übertroffen werden würde.

Er war also ein schwer beschäftigter Mann. Trotzdem ließ er alles stehen und liegen und fuhr auf der Kaspi-Magistrale in Richtung Süden, als ihn die Botschaft Murschidows, des Abu Dagestani, des Vaters von Dagestan, erreichte.

Georgij Safronow schaute auf seine Rolex und war froh, dass er genau zur angegebenen Zeit ankommen würde. Immerhin war er ein Raketenwissenschaftler. Er hasste jede Form von Ungenauigkeit und Unpünktlichkeit.