27
Der stellvertretende CIA-Direktor Charles Sumner Alden saß im Fond eines Lincoln Town Car, der gerade durch das Tor von Paul Laskas Anwesen in Newport, Rhode Island, fuhr. Alden trug einen Abendanzug, weil er zum Dinner eingeladen war. Er hoffte jedoch, an diesem Abend auch etwas Geschäftliches besprechen zu können.
Er war bereits bei mehreren Gelegenheiten in Laskas Rhode-Island-Residenz gewesen, und zwar anlässlich der reizenden Gartenhochzeit eines demokratischen Kongressabgeordneten, einer Spendenwerbeveranstaltung für Ed Kealty, als dieser gegen Robby Jackson kandidierte, einiger Grill-und Poolpartys sowie einer Weihnachtssoiree vor ein paar Jahren. Als ihn Laska telefonisch zum Dinner einlud, hatte er ihm jedoch klargemacht, dass nur sie beide anwesend sein würden.
Dies war selbst für einen politischen Insider wie Charles Sumner Alden eine große Sache.
Alden nahm an – nein, er wusste –, dass Laska ihm einen Posten in einer seiner Denkfabriken anbieten würde, für den äußerst wahrscheinlichen Fall, dass die Kealty-Regierung am 20. Januar nächsten Jahres zu bestehen aufhören würde.
Der Lincoln parkte auf einem Stellplatz neben dem Haus, von wo aus man weit auf das Meer hinausblicken konnte. Um die Grundstücksgrenzen herum patrouillierten ständig bewaffnete Wachleute, und jeder Zentimeter des Anwesens war durch Kameras, Bewegungsmelder und eine ausgeklügelte Beleuchtung gesichert. Auch Aldens Fahrer und Leibwächter waren natürlich bewaffnet, aber niemand erwartete, dass dem stellvertretenden CIA-Direktor hier etwas Schlimmeres zustoßen könnte, als sich an einer zu heißen Hummercremesuppe den Gaumen zu verbrennen.
Zuerst nahmen Alden und Laska in der Bibliothek einige Drinks zu sich, danach dinierten sie auf einer verglasten Terrasse, die sie vor der kalten Abendluft schützte, jedoch immer noch einen großartigen Blick über die vom Mond beschienene Sheep-Point-Bucht bot. Das Gespräch drehte sich dabei nur um Finanzen, Politik und soziale Fragen. Alden wusste genug über Laska, um in seinem Haus kein lockeres Geplauder zu erwarten.
Nach dem Essen begaben sie sich einen Moment an die frische Luft, nippten an einem Cognac und redeten über Ereignisse in Ungarn, Russland, der Türkei und Lettland. Alden hatte das Gefühl, sein Gegenüber wolle sein Wissen testen. Das machte ihm jedoch nichts aus. Es handelte sich ja um eine Art Einstellungsgespräch, wie er sich selbst immer wieder deutlich machte.
Zurück in der Bibliothek, bewunderte Alden die einmalige Sammlung in Leder gebundener Bücher. Während sie sich einander gegenüber auf zwei antiken Ledersofas niederließen, lobte der CIA-Mann, der seinen Leitungsposten seinen politischen Verbindungen zu verdanken hatte, das großartige Haus seines Gastgebers über den grünen Klee. Laska zuckte nur mit den Achseln und erklärte seinem Gast, dass dies hier nur sein »Sommerhäuschen« sei. So nannte er es wenigstens in Gegenwart von Leuten, bei denen er seine Fassade als »Volksfreund« nicht aufrechterhalten musste. Er erzählte Alden, dass er noch ein 22-Zimmer-Penthouse-Apartment an der New Yorker Upper West Side, ein Strandhaus in Santa Barbara auf einem der größten Strandgrundstücke Kaliforniens und eine Lodge in Aspen besitze. In Letzterer hielt er jedes Jahr eine private Politiktagung ab, an der regelmäßig vierhundert hochrangige Persönlichkeiten teilnahmen.
Auch Alden war schon zweimal in Aspen dabei gewesen, aber er wollte seinen Gastgeber nicht in Verlegenheit bringen, indem er es hier erwähnte.
Laska füllte in beide Cognac-Schwenker noch etwas von dem unvergleichlichen Denis-Mounié-Cognac aus den Dreißigerjahren nach. »Haben Sie eine Ahnung, warum ich Sie heute hergebeten habe, Charles?«
Alden lächelte und legte den Kopf ganz leicht schief. »Ich hoffe, es geht um einen Job für mich, sollte Präsident Kealty nicht wiedergewählt werden.«
Laska schaute über die Gläser seiner Brille, die er auf die Nase geschoben hatte. Er lächelte. »Ich wäre stolz, Sie an Bord zu haben. Mir fallen sofort ein paar Spitzenpositionen bei uns ein, auf denen ich Sie mir vorstellen könnte.«
»Großartig.«
»Allerdings ist es schlechter Stil, die Wohnzimmermöbel zu verscherbeln, während der Großvater noch einen Stock höher auf dem Totenbett liegt. Meinen Sie nicht auch?«
Alden schwieg einen Moment. »Also … ich bin demnach nicht hier, um über meine Berufsmöglichkeiten im nächsten Januar zu sprechen?«
Laska zuckte mit den Achseln. Sein Kaschmirpullover bewegte sich fast nicht, als seine schmalen Schultern sich hoben und senkten. »Sie werden in dem Amerika nach Kealty bestimmt Ihr Auskommen finden. Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Aber nein, deshalb sind Sie heute Abend nicht hier.«
Alden war gleichzeitig begeistert und verwirrt. »Also dann. Warum haben Sie mich denn heute Abend hergebeten?«
Laska griff nach einem ledergebundenen Ordner, der auf dem Beistelltisch neben dem Sofa lag. Er holte ein kleines Bündel Papier heraus und legte es sich auf den Schoß. »Judy Cochrane hat sich mit dem Emir getroffen.«
Alden stellte seine übereinandergeschlagenen Beine wieder auf den Boden und setzte sich kerzengerade auf. »Oh, okay. Ich muss in dieser Angelegenheit sehr vorsichtig sein, wie Sie bestimmt verstehen werden. Ich kann Ihnen keine Informationen …«
»Ich bitte Sie um nichts«, sagte Laska und lächelte dünn. »Noch nicht. Hören Sie mir einfach nur zu.«
Alden nickte steif.
»Mr. Yasin hat zugestimmt, dass die PCI seine Vertretung beim Bundesgericht für den westlichen Gerichtsbezirk von Virginia übernimmt, das ihm für den Anschlag in Charlottesville vor drei Jahren den Prozess machen wird.«
Alden sagte kein Wort.
»Als Teil unserer Vereinbarung mit dem Justizministerium dürfen sich Judy und ihr Team nicht mit der Gefangennahme des Emirs und seiner Inhaftierung bis zu seiner Überstellung an die Bundesgefängnisbehörde befassen.«
»Es tut mir leid, Paul, das alles übersteigt meinen Verantwortungsbereich.«
Laska redete trotz Aldens Protest unbeirrt weiter. »Aber die Geschichte, die er erzählt, ist wirklich unglaublich.«
Jetzt kam Alden dem alten Mann etwas entgegen, der möglicherweise den Schlüssel zu seiner Zukunft in Händen hielt, und erklärte: »Der Justizminister hat mich lange über eine CIA-Beteiligung am Emir-Fall ausgefragt. Wir waren daran in keiner Weise beteiligt, und das habe ich ihm auch mitgeteilt. Das ist bereits mehr, als ich jemand ohne die erforderliche Sicherheitsfreigabe eigentlich sagen dürfte.«
Laska schüttelte den Kopf und begann bereits zu sprechen, bevor Alden seinen Satz beendet hatte. »Er sagt, er sei in Riad auf der Straße von fünf Männern angegriffen worden, die auf ihn schossen, als er sich widersetzte, und ihn schließlich entführten. Danach sei er an irgendeinen Ort in den Vereinigten Staaten gebracht und mehrere Tage gefoltert worden, bevor man ihn dem FBI übergab.«
»Paul, ich möchte das nicht hören …«
»Das FBI hat ihn dann mehrere Monate in einem Geheimgefängnis verwahrt, bevor sie ihn nach Florence brachten.«
Alden runzelte die Stirn. »Offen gesagt, hört sich das wie ein schlechter Film an, Paul. Es klingt nach reiner Fantasie.«
Für Laska waren die Behauptungen des Emirs jedoch offenkundig Tatsachen. »Er hat sich die Gesichter von vier Männern, die ihn entführten und folterten, einprägen können. Obgleich der Emir, wenn die Vorwürfe gegen ihn zutreffen, ein Terrorist ist, ist er doch auch ein recht guter Künstler.« Laska holte vier Blätter aus dem Papierstapel in seinem Schoß heraus und hielt sie Alden hin.
Der stellvertretende CIA-Direktor nahm sie jedoch nicht entgegen.
»Es tut mir leid«, war alles, was er sagen konnte.
»Sie meinten gerade, sie gehörten nicht zur CIA. Also werden Sie diese Männer gar nicht kennen. Was ist also schon dabei?«
»Offen gestanden, bin ich sehr enttäuscht, dass Sie mich heute Abend nur eingeladen haben, um …«
»Wenn Sie sie nicht kennen, Charles, geben Sie mir die Blätter einfach zurück, und Sie werden nicht die nächsten paar Jahre als ehemaliger Leiter der Clandestine Services der CIA vor allen möglichen Gremien aussagen müssen. Immerhin standen Sie an der Spitze dieser Abteilung, als in einem verbündeten Land gegen den direkten Befehl des Präsidenten der Vereinigten Staaten eine illegale Gefangennahme und Entführung stattfand.«
Alden ließ einen langen Seufzer hören. In Wahrheit wusste er gar nicht, wie ein Großteil der normalen CIA-Agenten aussah, da er den sechsten Stock in Langley nur ganz selten verließ. Glaubte Laska etwa, dass die Paramilitärs der Agency den ganzen Tag in voller Ausrüstung und mit Tarnfarbe im Gesicht an einem Wasserspender im obersten Stock herumhingen und auf ihren nächsten Einsatz warteten? Alden war sich sicher, dass er nicht eine einzige Abbildung eines Mitglieds der Special Activities Division, der paramilitärischen Spezialeinheit der CIA, oder eines Agenten, der die Ausbildung hatte, um eine solche Sache durchzuziehen, identifizieren könnte. Bei einem Gespräch mit Justizminister Brannigan über die Gefangennahme des Emirs hatte er schon vor einem Jahr den Eindruck gewonnen, dass das Justizministerium annahm, der Emir sei von irgendeinem nahöstlichen Geheimdienst, der mit ihm eine Rechnung zu begleichen hatte, aus dem Verkehr gezogen worden. Dieser habe ihn dann in die Vereinigten Staaten geschmuggelt und dem FBI vor die Tür gelegt, um vielleicht seinerseits künftig einen Gefallen erbitten zu können. Das Ganze war zwar ein Rätsel, aber es war nichts, worüber sich Alden Gedanken machen musste.
Er entschied sich, einen Blick auf die Zeichnungen zu werfen, den Kopf zu schütteln und sie dann zurückzugeben. Wenn das alles war, was er für eine Stelle in Laskas Stiftung nach dem Ende seiner CIA-Zeit tun musste, sollte es ihm recht sein.
Er zuckte die Achseln. »Ich werde Ihnen den Gefallen tun und mir die Bilder anschauen. Aber ich werde darüber hinaus über diese Angelegenheit nicht mehr mit Ihnen sprechen.«
Laska lächelte. Sein eckiges Gesicht weitete sich. »Einverstanden.«
Alden nahm die Blätter, schlug die Beine übereinander und schaute Laska an. Dabei wirkte er ganz leicht genervt.
»Das sind die Fotokopien einiger Pausbilder, die Judy von den ursprünglichen Zeichnungen des Emirs gemacht hat«, erklärte Laska. »Die Qualität ist nicht perfekt, aber ich glaube, man kann auf ihnen durchaus erkennen, wie diese Männer aussehen.«
Wie Alden es erwartet hatte, war das erste Bild eine detaillierte, aber nicht besonders lebensechte Zeichnung eines männlichen Gesichts, das er nicht identifizieren konnte. Der Mann war jung, weiß, und seine Haare waren mit dem Bleistift schraffiert worden, wahrscheinlich um sie als schwarz oder dunkelbraun zu kennzeichnen. An seinem Kinn trug er eine Art Verband. Unter dem Bild befanden sich einige handgeschriebene Notizen. »Kidnapper 1. Amerikaner, 25 bis 30 Jahre alt. 183 cm. Dieser Mann schoss mich auf der Straße an. Er war leicht im Gesicht verletzt, deshalb der Verband.«
Es war die ordentliche Abbildung eines gut aussehenden Jungen in den Zwanzigern. Darüber hinaus fand Alden die Darstellung nicht weiter bemerkenswert.
Charles schüttelte den Kopf und machte weiter.
Die Zeichnung Nummer zwei zeigte ebenfalls einen jungen Mann. Er hatte jedoch kürzere Haare. Sie waren ebenfalls dunkel. In jeder anderen Hinsicht wies er keine besonderen Merkmale auf. Der Text unter der Zeichnung lautete: »Kidnapper 2. 28 bis 35 Jahre alt. Kleiner als Nr. 1.«
Auch diesen Mann kannte Alden nicht.
Ein weiteres Kopfschütteln und dann weiter zur nächsten Zeichnung.
Aldens Augen weiteten sich und zogen sich dann wieder zusammen. Er hatte sofort die Befürchtung, dass sein Gastgeber den Wandel seines Gesichtsausdrucks bemerkt haben könnte. Diese Zeichnung zeigte einen älteren Mann, der sogar viel älter war als die anderen. Er schaute zu Yasins Angaben über Kidnapper 3: »Vielleicht sechzig Jahre alt. Gesund. Sehr stark und zornig. Kalte Augen. Spricht ziemlich gutes Golf-Arabisch.«
O mein Gott, dachte Alden, achtete jedoch sorgfältig darauf, Paul Laska keine weiteren Emotionen zu verraten. Seine Augen kehrten zu der Abbildung zurück. Die kurzen Haare waren leicht schraffiert, als wollte er damit anzeigen, dass sie grau waren. Tief eingegrabene Gesichtszüge. Die Jahre hatten sich in seine Haut geätzt. Ein eckiges Kinn.
Könnte er das sein? Ein Sechzigjähriger, der immer noch an vorderster Front stand? Da gab es bestimmt ein paar, aber trotzdem verringerte es die Möglichkeiten beträchtlich. Es gab da einen Mann, der eine mehr als oberflächliche Ähnlichkeit mit dieser Zeichnung hatte.
Alden glaubte, diesen Mann zu erkennen, aber er war sich nicht sicher.
Bis er sich dem nächsten Blatt zuwandte.
Es war die Darstellung eines Latinos von Mitte vierzig, mit kurzen Haaren. Im Eintrag unter der Zeichnung stand: »Kidnapper 4: klein gewachsen, aber sehr stark.«
Gottverdammter Mist!, schrie Alden innerlich. John Clark und sein Partner. Der Mexikaner von der Rainbow-Truppe. Wie hieß er noch gleich? Carlos Dominguez? Nein … das war’s nicht.
Alden hörte auf, seine Verwunderung zu verbergen. Er ließ die anderen Blätter zu Boden fallen und hielt nur noch die beiden Fotokopien in den Händen: Clark in der linken und den Latino in der rechten.
Diese beiden Männer hatten vor einem Jahr in Aldens Büro gesessen. Er hatte sie zum Teufel gejagt und aus der CIA entlassen.
Und jetzt gab es glaubhafte Hinweise, die sie mit einer Entführungsoperation in Saudi-Arabien in Verbindung brachten, bei der der meistgesuchte Mann der Welt aus dem Verkehr gezogen worden war. Für wen könnten sie jetzt arbeiten? Für das JSOC, das die Spezialtruppen der US-Armee koordinierte? Nein, die Militärs hatten ihre eigenen Einheiten für solche Einsätze. DIA, NSA? Auf keinen Fall, solche Operationen führten die überhaupt nicht durch.
»Sie kennen diese Männer? Sind sie von der CIA?«, fragte Laska. Seine Stimme klang hoffnungsvoll.
Alden schaute zu dem alten Mann auf dem anderen Ledersofa hinüber. Laska hielt immer noch den Cognacschwenker in der Hand und lehnte sich aufgeregt nach vorne.
Alden brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. Dann fragte er mit leiser Stimme: »Was können Sie mit dieser Information anfangen?«
»Meine Optionen sind begrenzt, so wie Ihre. Aber Sie könnten wenigstens eine interne Untersuchung gegen diese Männer in die Wege leiten, die vielleicht weiteres Beweismaterial zur Aufklärung dieses Falles erbringen würde.«
»Sie sind nicht bei der CIA.«
Laska legte seinen eckigen Kopf schief und zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. »Aber … Sie haben sie doch gerade ganz klar erkannt!«
»Das stimmt. Aber sie haben die Agency vor einem Jahr verlassen. Ich … ich weiß nicht, was sie jetzt machen, für die CIA arbeiten sie jedenfalls nicht mehr. Aber für wen auch immer sie jetzt arbeiten, dies war auf alle Fälle eine inoffizielle Geheimoperation.«
»Wer sind sie?«
»Der Weiße heißt John Clark. Der andere … ich kann mich an seinen Namen nicht mehr erinnern. Irgendwas wie Dominguez. Er ist Puerto Ricaner oder Mexikaner oder so etwas.«
Laska schlürfte seinen Cognac. »Nun, wenn sie nicht für die CIA tätig sind, müssen sie für jemand anderen arbeiten. Und sie hatten keinerlei Befugnis, Saif Yasin festzunehmen.«
Alden wurde bewusst, dass Laska die wahren Ausmaße dieses Falls überhaupt nicht begriff. Der Mann versuchte doch tatsächlich, den Emir, diesen Scheißkerl, aus dem Gefängnis herauszuholen. »Da steckt noch etwas ganz anderes dahinter. John Clark arbeitete nicht nur bei der CIA für Jack Ryan. Er war Ryans Fahrer und enger Freund. Ich nehme an, er ist es immer noch. Sie führten zusammen Geheimoperationen durch, bevor Ryan die Karriereleiter emporstieg. Ihre Geschichte geht dreißig Jahre zurück. Das war ein Grund, warum ich dem alten Bastard den Laufpass gab, anstatt ihn noch einige Jahre als Ausbilder weiterzubeschäftigen.«
Laska setzte sich kerzengerade auf. Er grinste sogar ein wenig, was nur ganz selten vorkam. »Interessant.«
»An Clarks Händen klebt eine Menge Blut. Er verkörpert alles, was an den früheren CIA-Operationen falsch war. Ich kenne viele Einzelheiten nicht, aber eines weiß ich sicher.«
»Und das wäre, Charles?«
»Ich weiß, dass Präsident Ryan höchstpersönlich Clark für irgendwelche Aktivitäten in Vietnam die Medal of Honor verlieh und ihn dann für seine gezielten Tötungen in der CIA begnadigte.«
»Ein geheimer Gnadenerlass des Präsidenten?«
»Ja.«
Alden schüttelte immer noch erstaunt über die Enthüllungen des heutigen Abends den Kopf, begann sich aber langsam wieder zu fangen. Plötzlich spielte sein Job bei einer Laska-Stiftung keine Rolle mehr. Seine Stimme nahm einen tadelnden Unterton an. »Ich weiß nicht, welche Grundregeln das Justizministerium Ihrer Organisation vorgegeben hat, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es den Verteidigern erlaubt sein könnte, diese Informationen an Sie weiterzuleiten. Sie sind selbst weder Jurist noch Mitglied des Anwaltsteams.«
»Das ist alles richtig. Ich bin eher eine Galionsfigur. Trotzdem besitze ich diese Informationen.«
»Sie wissen, dass ich in dieser Angelegenheit überhaupt nichts tun kann, Paul. Ich kann nicht morgen früh in mein Büro gehen und mich dann erkundigen, was aus Clark und Dominguez geworden ist, ohne dass meine Mitarbeiter den Grund dafür wissen wollen. Sie und ich könnten bei dieser Art von Quelle eine Menge Schwierigkeiten bekommen, wenn wir diese Informationen in Umlauf bringen. Juristisch gesehen ist das ein Verbrechen, in das Sie mich da verwickelt haben.«
Nach diesen Worten griff er nach seinem Cognacschwenker und trank ihn in einem Schluck aus. Laska holte die alte Flasche und schenkte ihm reichlich nach.
Dann lächelte er. »Sie müssen ja niemand davon erzählen. Irgendwie muss diese Information jedoch ans Licht kommen. Diese Männer müssen gefasst und zur Rechenschaft gezogen werden.« Laska dachte ein paar Sekunden nach. »Das Problem dieser Information ist ihre Quelle, die Art, wie sie beschafft wurde. Was wäre, wenn ich die Quelle verändern könnte?«
»Wie meinen Sie das?«
»Könnten Sie mir nicht noch ein paar Informationen über Clarks CIA-Karriere beschaffen? Ich rede nicht von dieser Emir-Sache. Ich rede von allem, was er getan hat, das in irgendwelchen Akten steht.«
Alden nickte. »Ich erinnere mich, dass Admiral James Greer ein Dossier über ihn angelegt hatte. Das reicht allerdings lange zurück. Vielleicht könnte ich schauen, ob ich ein paar Sachen ausgraben kann, die danach passiert sind. Ich weiß, dass er mehrere Jahre die Rainbow-Truppe in Großbritannien kommandiert hat.«
»Die Men in Black«, sagte Laska voller Abscheu und benutzte dabei den Spitznamen dieser geheimen NATO-Antiterror-Einheit.
»Ja. Aber warum möchten Sie diese Informationen haben?«
»Ich glaube, sie könnten Ed helfen.«
Alden schaute Laska lange an. Er wusste, dass es überhaupt nichts mehr gab, das Ed Kealty helfen konnte, und er wusste auch, dass Paul Laska klug genug war, um dies ebenfalls zu wissen. Nein, in Laskas Kopf musste etwas ganz anderes vorgehen.
Alden forderte den alten Tschechen jedoch nicht heraus. »Ich werde sehen, was ich machen kann.«
»Geben Sie mir einfach, was Sie finden, und ich nehme Ihnen die ganze Angelegenheit ab, Charles. Sie waren sehr hilfsbereit, und ich werde das im kommenden Januar bestimmt nicht vergessen.«