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Brigadegeneral Riaz Rehan von der Joint Intelligence Miscellaneous Division des pakistanischen Inter-Services Intelligence Directorate gab auf dem Rücksitz seines silbernen Mercedes eine beeindruckende Figur ab. Der schlanke und kerngesunde Sechsundvierzigjährige war eins achtundachtzig groß. Sein rundes Gesicht zierte neben einem kurz geschnittenen Kinnbart ein imposanter Schnurrbart. In Pakistan trug er meist Uniform, in der er ziemlich einschüchternd wirkte. Hier in Dubai strahlte er jedoch auch in seinem westlichen Straßenanzug und seiner Regimentskrawatte Macht und Einfluss aus.
Rehans hiesiges Anwesen war eine ummauerte zweistöckige Luxusgartenvilla mit vier Schlafzimmern und einem großen überdachten Schwimmbad. Sie lag am Ende einer langen sichelförmigen Straße auf Palm Jumeirah, einer der fünf künstlichen Halbinseln vor der Küste von Dubai.
Früher gab es in Dubai weit weniger solcher Meergrundstücke, da die Natur das Emirat nur mit Stränden in einer Gesamtlänge von sechzig Kilometern bedacht hatte. Der Scheich von Dubai wollte sich jedoch nicht mit den geografischen Beschränkungen seines Landes abfinden und begann die Küstenlinie durch Landgewinnungsmaßnahmen in gewaltigem Umfang zu verändern. Wenn die fünf geplanten Halbinseln erst einmal fertiggestellt waren, würde sich die Küste des Landes um mehr als 885 Kilometer verlängern.
Rehans Luxuslimousine bog in die Al Khisab ein, eine von stattlichen Villen gesäumte Straße, die aus großer Höhe gesehen wie der oberste linke Wedel einer stilisierten Palme wirkte, der Grundform der künstlichen Halbinsel. Plötzlich klingelte Rehans Handy. Der Anrufer war sein Stellvertreter, Oberst Saddiq Khan.
»Guten Morgen, Oberst.«
»Guten Morgen, General. Der Alte aus Dagestan ist jetzt da.«
»Richten Sie ihm für die Verspätung meine Entschuldigung aus. Ich werde in ein paar Minuten eintreffen. Wie ist er denn so?«
»Er ist wie mein verrückter alter Großvater.«
»Wieso wissen Sie, dass er kein Urdu spricht?«
Khan lachte. »Er sitzt bereits im Hauptspeisezimmer. Ich bin im ersten Stock. Aber ich bezweifle tatsächlich, dass er Urdu spricht.«
»Also gut, Saddiq. Ich werde mit ihm sprechen und ihn dann wegschicken. Ich bin zu beschäftigt, um mich von einem alten Mann aus den russischen Bergen anschreien zu lassen.«
Rehan legte auf und schaute auf die Uhr. Sein Mercedes fuhr langsamer, um auf der engen Straße ein Fahrzeug seiner Leibwache vorbeifahren zu lassen, das ihnen bisher gefolgt war und jetzt zum Haus vorauspreschte.
Rehan ließ sich auf jeder Auslandsreise von einer zwölfköpfigen Leibwache begleiten. Deren Mitglieder waren alles ehemalige Special-Services-Group-Soldaten, die von einem südafrikanischen Unternehmen zu Personenschützern ausgebildet worden waren. Trotz seiner großen Begleitmannschaft fiel Rehan nicht allzu sehr auf, wenn er in Dubai unterwegs war. Er stopfte seinen eigenen Wagen niemals mit zu vielen Männern voll. Nur sein Fahrer und sein Chefleibwächter saßen neben ihm in seiner Limousine oder seinem Geländewagen. Die anderen zehn benutzten mehrere unauffällige, ungepanzerte Autos, die die Fahrzeuge ihres Chefs zwar immer begleiteten, dabei aber ständig ihre Position und Reihenfolge wechselten, eine Zeit lang voraus-und dann wieder hinterherfuhren.
Ein General der pakistanischen Streitkräfte würde selbst als hoher Kommandeur des ISI normalerweise nicht von einem ausländischen Stützpunkt aus operieren, vor allem wenn dieser eine solch beeindruckende Adresse wie Palm Jumeirah, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate, hatte. Aber nichts im Leben und der Karriere des Riaz Rehan war bisher »normal« verlaufen. Er lebte und arbeitete in diesem Anwesen auf Palm Island, weil er reiche Förderer am Persischen Golf hatte, die ihn seit den Achtzigerjahren unterstützten. Rehan hatte diese Gönner, weil er seit dreißig Jahren als eine Art Wunderkind in der Welt der Terrororganisationen galt.
Rehan wurde in der pakistanischen Provinz Punjab geboren. Seine Mutter stammte aus Kaschmir, sein Vater aus Afghanistan. Dieser besaß ein mittelgroßes pakistanisches Fuhrunternehmen, war jedoch auch ein treu ergebener Anhänger des Islamismus. Kurz nachdem im Jahr 1980 russische Speznaz-Fallschirmjäger über Kabul abgesprungen und russische Bodentruppen in Afghanistan eingefallen waren, reiste der vierzehnjährige Riaz zusammen mit seinem Vater nach Peschawar, um Lkw-Konvois zu organisieren, die den jenseits der Grenze kämpfenden Mudschaheddin Nachschub lieferten. Rehans Vater stellte aus eigenen Mitteln einen Konvoi zusammen, der die afghanischen Aufständischen mit leichten Waffen, Reis und Medikamenten versorgen sollte. Er ließ seinen Sohn in Peschawar zurück und machte sich mit seiner Ladung in sein Geburtsland auf.
Einige Tage später war sein Vater tot. Während eines russischen Luftangriffs auf seinen Konvoi auf dem Khyberpass wurde er in Stücke gerissen.
Als der junge Riaz vom Tod seines Vaters hörte, machte er sich an die Arbeit. Er stellte mithilfe seines großen Organisationstalents die nächste Waffenlieferung zusammen und führte sie selbst über die Grenze. Dabei bediente er sich einer Eselskarawane, um die Todesstraße zu umgehen, die der Khyberpass inzwischen geworden war. Stattdessen zog er über Saumpfade genau Richtung Norden über den Hindukusch nach Afghanistan. Dabei war es wohl jugendliche Selbstüberschätzung und sein unverbrüchlicher Glaube an Allah, die ihn diese Berge im eiskalten, schneereichen Februar überqueren ließen. Tatsächlich kam die Karawane völlig unbehelligt im Nachbarland an. Obwohl er nur alte britische Lee-Enfield-Armeegewehre und Winterdecken für die Mudschaheddin dabeihatte, erfuhr die ISI-Führung bald von den kühnen Unternehmungen des Jungen.
Bereits bei seiner dritten Gebirgsüberquerung half ihm der ISI mit Informationen über die russischen Truppen in diesem Gebiet. Einige Monate später beglichen mächtige und wohlhabende wahhabitische Araber aus den ölreichen Golfstaaten die Rechnungen für seine Lieferungen.
Mit sechzehn brachte Riaz dann riesige Konvois mit Kalaschnikows und 7,62-mm-Munition über die Berge zu den Rebellen. Als die CIA im Jahr 1986 dem ISI in Peschawar die ersten schultergestützten Stinger-Raketen zur Verfügung stellte, wurde der einundzwanzigjährige Punjabi damit betraut, die Hightech-Waffen über die Grenze zu den Raketen-Crews zu bringen, die bereits entsprechend ausgebildet worden waren und jetzt nur noch auf ihre Waffen warteten.
Nach Kriegsende entschloss sich der ISI, Rehan zu einem internationalen Spitzenagenten auszubilden. Er schickte ihn nach Saudi-Arabien auf die Schule, damit er dort sein Arabisch verbesserte, und danach nach London, wo er sich westliche Sitten und Gebräuche aneignen und Ingenieurwissenschaft studieren sollte. Nach seiner Rückkehr aus Europa trat er dem Offizierskorps der pakistanischen Streitkräfte bei und stieg zum Rang eines Hauptmanns auf. Danach verließ er das Militär, um als Agent, jedoch nicht als Mitglied des ISI, tätig zu werden.
Im Auftrag des pakistanischen Geheimdiensts organisierte und leitete er die Operationen kleinerer Terrorgruppen, die auf pakistanischem Boden aktiv waren, und versorgte sie mit neuen Mitgliedern. Er war eine Art Verbindungsmann zwischen der ISI-Führung und den kriminellen, religiösen und politischen Gruppen, die gegen Indien, den Westen und selbst gegen die pakistanische weltliche Regierung kämpften.
Riaz Rehan war dabei niemals Mitglied der dschihadistischen Organisationen, mit denen er zusammenarbeitete, wie etwa dem Umayyad-Revolutionsrat, der al-Qaida, der Lashkar-e-Taiba oder der Jaish-e-Mohammed. Nein, er war ein Freelancer, ein freier Mitarbeiter, und er war der Mann, der die übergreifenden Interessen und Ziele der pakistanischen islamistischen Führung in Aktionen vor Ort und an der Front umsetzte.
Insgesamt arbeitete er mit vierundzwanzig verschiedenen militanten islamistischen Gruppierungen zusammen, die alle in Pakistan ihren Sitz hatten. Um dies tun zu können, nahm er vierundzwanzig unterschiedliche Tarnidentitäten an. Für die Lashkar-e-Taiba war er Abu Kashmiri, für die Jaish-e-Mohammed war er Khalid Mir. Tatsächlich war er fünfundzwanzig Personen, wenn man seinen Geburtsnamen hinzurechnete. Dies machte es den indischen und westlichen Geheimdiensten fast unmöglich, ihn aufzuspüren. Seiner persönlichen Sicherheit half auch, dass er weder Mitglied einer Terrororganisation noch Mitglied des pakistanischen Geheimdienstes war.
Von ihm betreute Terrorzellen führten Anschläge in Bali, Jakarta, Mumbai, Neu-Delhi, Bagdad, Kabul, Tel Aviv, Tansania, Mogadischu, Chittagong und ganz Pakistan durch.
Im Dezember 2007 führte er in Rawalpindi seine größte Operation durch, von der jedoch nur eine Handvoll hoher ISI-und Armeegeneräle wusste. Rehan hatte im Auftrag des Verteidigungsministeriums und des ISI den Mörder der pakistanischen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto rekrutiert, ausgebildet und angeleitet. Und in seiner typischen kalten, berechnenden Art hatte Rehan auch den Mann ausgewählt, der hinter dem Attentäter stand und sich dann zusammen mit diesem und einem beträchtlichen Teil der zuschauenden Menge direkt nach der Erschießung der Ministerpräsidentin mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft jagte. Rehan befolgte auch hier den alten Grundsatz, dass Tote nicht mehr reden können.
Die führenden pakistanischen Geheimdienstler, die diese dschihadistischen Gruppierungen und Verbrecherbanden als Figuren in einem Stellvertreterkrieg benutzten, mussten dabei unbedingt saubere Hände behalten. Rehan war ihr Vertrauensmann, der genau dafür sorgte. Damit auch Rehan »sauber« blieb, gaben sie für seine persönliche und operationelle Sicherheit große Summen aus. Rehans Kontaktleute in der arabischen Welt, reiche Ölscheichs in Katar und den VAE, die er seit dem Krieg gegen die Russen in Afghanistan kannte, unterstützten ihn jetzt ebenfalls mit großen Geldmitteln, um seine Sicherheit und Handlungsfähigkeit auf Dauer zu gewährleisten. Tatsächlich wurden diese reichen Wahhabiten zu seinen größten Förderern. Schließlich kehrte er im Jahr 2010 als Brigadegeneral zur pakistanischen Armee zurück, weil seine mächtigen arabischen Freunde vom ISI verlangt hatten, Rehan eine führende Rolle in der Geheimdienststruktur des Landes einzuräumen. Die islamistischen Generäle übertrugen ihm die Leitung der Joint Intelligence Miscellaneous Division, eine Stellung, die normalerweise von einem höherrangigen Generalmajor eingenommen wurde. Rehan trug jetzt die Verantwortung für alle internationalen Spionageoperationen seines Landes.
Seine Gönner in den VAE, die ihn kannten (oder genauer, von ihm wussten), seit er Muli-Karawanen über den Hindukusch geführt hatte, stellten ihm schließlich sogar dieses ummauerte Anwesen auf Dubais Palmeninsel zur Verfügung. Es wurde faktisch zu seinem Büro. Natürlich hatte er auch ein Büro im ISI-Hauptquartier am Aabpara-Markt in Islamabad. Die meiste Zeit hielt er sich jedoch in Dubai auf, weit entfernt von denjenigen in der pakistanischen Regierung, die nichts von seiner Existenz wussten, aber auch von denen in der pakistanischen Armee, die sein Ziel eines Kalifats ablehnten.
Und weit entfernt von den wenigen Mitgliedern des ISI, die ihn tatsächlich zu Fall bringen wollten.
General Rehan erreichte kurz nach dem Telefongespräch mit Oberst Khan seine Villa. Einige Minuten später saß er mit Suleiman Murschidow, dem ehrwürdigen geistlichen Führer der dagestanischen Jamaat Shariat, am gleichen Tisch. Der alte Mann war mindestens achtzig Jahre alt, dachte Rehan. Seine Augen waren durch den grauen Star ganz milchig geworden, und seine Haut wirkte wie Ufersand, den der Wind in Falten geblasen hatte. Er stammte aus den Bergen des Kaukasus. Riaz nahm an, dass er noch nie in Dubai gewesen war und noch niemals Wolkenkratzer oder überhaupt Gebäude gesehen hatte, die höher waren als die Plattenbauten in Machatschkala aus der Sowjetzeit. Ganz bestimmt hatte er noch keinen führenden ausländischen Geheimdienstmann getroffen.
Neben dem Tisch standen einige von Rehans Offizieren und Leibwächtern. Der Alte hatte vier Männer dabei, die alle bedeutend jünger waren als er. Sie sahen nicht wie Leibwächter, sondern eher wie Söhne und Enkel aus. Sie fühlten sich offensichtlich in dieser Umgebung äußerst unwohl. Auf ihrer Stirn glänzte der Schweiß, und sie ließen ihre Blicke ständig über die bewaffneten Leibwächter und durch den ganzen Raum wandern, als ob sie erwarteten, jeden Moment von diesen dunkelhäutigen Männern gefangen genommen zu werden.
Der geistliche Führer aus Dagestan hatte vor einigen Tagen um dieses Treffen gebeten. Rehan kannte den Grund und hielt das Ganze für ziemlich kindisch. Er war in den letzten Monaten durch die ganze Welt gereist und hatte sich mit Rebellengruppierungen und internationalen Terrororganisationen in Ägypten, Indonesien, Saudi-Arabien, dem Iran, Tschetschenien und dem Jemen getroffen. Nach Dagestan war er dabei jedoch nicht gekommen. Die Jamaat Shariat, die wichtigste dagestanische islamistische Organisation, war in Rehans und seiner Leute Augen nur ein unbedeutendes Anhängsel der Gruppierungen in Tschetschenien. Dies galt umso mehr, seitdem die Gruppe ihren militärischen Führer Israpil Nabijew verloren hatte. Aber bereits vor Nabijews Gefangennahme durch die Russen hatte Riaz Rehan die Dagestaner nie zu seinen Treffen eingeladen. Da die Tschetschenen mit ihnen zusammenarbeiteten, hatte er sich nur mit diesen getroffen.
Rehan vermutete, dass die Dagestaner deshalb auf ihn sauer waren und das Gefühl hatten, er habe sie beleidigt. Deshalb hatten sie ihren geistlichen Führer geschickt, der ihm jetzt erklären sollte, dass sie immer noch einsatzfähig seien und nur die Jamaat Shariat für Dagestan sprechen könne, blablabla …
Rehan schaute den alten Mann auf der anderen Seite des Tisches an. Der pakistanische General war sich sicher, dass ihm jetzt eine lange Predigt dieses Heiligen aus den Bergen blühte.
Jeder im Raum sprach arabisch. Rehan begrüßte die Gesandtschaft aus Dagestan, erkundigte sich nach ihrem Befinden und fragte sie, wie die Reise verlaufen sei.
Nach diesem Austausch von Höflichkeiten wollte Rehan das Morgentreffen möglichst schnell hinter sich bringen. »Wie kann ich Ihnen heute zu Diensten sein?«
»Meine Freunde in Tschetschenien haben mir erzählt, Sie seien ein Mann Gottes.«
Rehan lächelte. »Ich bin nur dessen demütiger Gefolgsmann.«
»Meinem Volk wurde durch die Gefangennahme Israpil Nabijews ein schwerer Schlag versetzt.«
»Ich habe davon gehört. Ich weiß, dass er ein kühner Befehlshaber seiner Truppen war.« In Wirklichkeit hielt Rehan nicht viel von den Dagestanern. Er hielt die Tschetschenen für die weit besseren Kämpfer. Trotzdem hatte dieser Nabijew auch seine tschetschenischen Freunde beeindruckt. Sie meinten, er stehe eine Stufe über den anderen dagestanischen Kämpfern, die nach Rehans Meinung kaum mehr als Kanonenfutter für die Russen waren.
Murschidow nickte. Offensichtlich hatten ihm die netten Worte gefallen. »Er war meine große Hoffnung für die Zukunft meines Volkes. Ohne ihn müssen wir uns wohl jetzt außerhalb unseres Landes nach Unterstützung umsehen.«
Aha, da will mich jemand um etwas bitten. Rehans Laune besserte sich. Wenn der Alte etwas benötigte, würde er ihm bestimmt nicht erst lange die Leviten lesen. »Ich bin Ihnen zu Diensten. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Die Tschetschenen sagen, dass Sie bald Pakistan anführen werden.«
Rehan verzog keine Miene, aber innerlich begann sein Blut zu kochen. Er hatte alle Teilnehmer an seinen Treffen zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet. »Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Im Augenblick ist die Situation ungünstig für …«
Aber der Alte redete einfach weiter, als ob er ein Selbstgespräch führen würde und gar nicht mehr wüsste, dass Rehan überhaupt noch im Raum war. »Sie haben den Tschetschenen erzählt, Sie würden Zugang zu Nuklearwaffen erlangen, und Sie haben diese Waffen den Tschetschenen angeboten. Die haben das abgelehnt, weil sie befürchten, zu einem Ziel von Atomwaffen zu werden, wenn sie selbst welche besitzen.«
Rehan sagte kein Wort. Die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich unter seinem getrimmten Bart an. Er blickte zu Khan und den anderen Offizieren im Raum hinüber. Er wollte ihnen dadurch bedeuten, dass sie nie mehr mit diesen tschetschenischen Idioten zusammenarbeiten sollten, wenn diese ein solches Gespräch nicht bei sich behalten konnten.
Rehan wäre beinahe aufgestanden und hätte den Raum verlassen, aber Murschidow redete einfach weiter. Der alte Mann erschien fast in Trance zu sein und die Ungeheuerlichkeit seiner Worte überhaupt nicht mehr zu bemerken.
»Ich weiß, dass Sie die Bomben einer Organisation außerhalb Pakistans geben wollen. Wenn dann die Welt erfährt, dass Nuklearwaffen gestohlen wurden, wird Ihre schwache Zivilregierung stürzen, und Sie werden durch einen Staatsstreich an die Macht kommen. General, Sie können Ihre Bomben meinen Männern geben.«
Jetzt zwang sich Rehan ein Lachen ab. »Ich habe keine Bomben. Und wenn ich welche hätte, würde ich Ihre Männer nicht benötigen. Ich respektiere Sie, alter Mann. Ich respektiere Ihr Opfer, Ihre Unterwerfung unter den Willen Allahs und die Weisheit, die Sie durch Ihr hohes Alter gewonnen haben. Trotzdem kommen Sie hierher und sagen solche Sachen?«
»Wir haben Verwendung für diese Bomben. Und wir haben keine Angst.«
Rehan stand jetzt auf. Er war wütend und hatte von diesem alten Mann aus Russland endgültig genug. »Was für Bomben? Über welche Bomben sprechen Sie überhaupt? Klar, mein Land besitzt Atombomben. Das weiß jeder. Sie wurden entwickelt und hergestellt unter der Leitung A. Q. Khans, der ein pakistanischer Patriot und guter Muslim war. Aber ich bin Armeegeneral und Mitglied des Auslandsgeheimdiensts. Ich kann nicht einfach mit einem Lastwagen zu einem Lagerhaus fahren und die Männer dort bitten, mir Nuklearraketen auf die Ladefläche zu laden. Das ist eine hirnrissige Vorstellung!«
Murschidow schaute Rehan durch seine vom Star getrübten Augen an. »Man hat mir Ihren Plan in aller Ausführlichkeit erklärt. Er ist hervorragend und er kann funktionieren. Aber in einer Hinsicht haben Sie einen Fehler begangen. Sie haben Ihr Angebot den falschen Leuten gemacht. Die anderen, die Sie in Ihre Absichten eingeweiht haben, haben Sie abgewiesen, und jetzt können Sie gar nichts tun. Ich bin hier, um Ihnen zu zeigen, dass die Jamaat Shariat der rechte Weg für Sie ist. Wir werden Ihnen helfen, und Sie werden uns helfen.«
Rehan schaute Khan an. Der zuckte die Achseln. Anhören kostet nichts.
General Rehan setzte sich auf sein Sofa. »Sie behaupten hier Sachen, die einfach nicht stimmen, alter Mann. Aber Sie haben mich neugierig gemacht. Was würden Sie und Ihre armen Bergbewohner mit solchen Atombomben denn anfangen?«
Murschidows glasige Augen schienen sich plötzlich aufzuhellen. Er lächelte und entblößte dabei dünne, brüchige Zähne. »Ich werde Ihnen jetzt ganz genau erklären, was wir mit diesen Atombomben anfangen werden.«
Neunzig Minuten später eilte Rehan zu dem Hubschrauberlandeplatz hinter seinem Haus und sprang in seinen Eurocopter EC135. Die Rotoren drehten sich bereits, und ihre Lautstärke und Tonhöhe erhöhten sich, sobald die Türen verriegelt waren. Einige Sekunden später stieg der Helikopter auf, kippte ein wenig nach vorne, als er ein Stück auf den Golf hinausflog, um danach in Richtung der unglaublichen Skyline von Dubai einzudrehen.
Oberst Khan saß neben ihm im hinteren Teil des sechssitzigen Hubschraubers. Der Oberst erklärte seinem General, er habe eine sichere Satellitenverbindung mit Islamabad hergestellt und Rehan brauche dafür nur in sein Headset-Mikro hineinzusprechen. »Hör mir zu, Bruder«, rief der General mit heller Begeisterung seinem Gesprächspartner in Pakistan zu. »Ich bin auf dem Weg nach Wolgograd.« Er hörte eine Weile zu. »Wolgograd in Russland. Ja, Russland!«
Der Eurocopter flog direkt auf die Wolkenkratzer der Dubaier Innenstadt zu. Dahinter lag der Internationale Flughafen von Dubai. Dort bereitete bereits die Crew eines Rockwell-Sabreliner-Jets ihre Maschine auf den Start vor.
»Ganz sicher weiß ich es erst morgen, aber ich glaube, wir können die Operation Saker schon bald beginnen. Ja. Bereite alle darauf vor, dass es jederzeit losgehen kann. Ich werde nach Rawalpindi kommen und das Komitee persönlich über alles informieren, wenn ich meine Vorbereitungen abgeschlossen habe.« Er hörte dem anderen Mann wieder eine Zeit lang zu und sagte dann: »Noch etwas. Letzten Monat habe ich mich in Grosny mit vier Tschetschenen getroffen. Ich möchte, dass du einen Plan entwirfst, diese vier Männer schnell und geräuschlos zu eliminieren. Einer von ihnen redet zu viel. In diesem Fall bin ich sogar froh, dass er es gemacht hat, aber er sollte auf keinen Fall auch noch mit anderen darüber sprechen können. Ich möchte, dass man sie alle aus dem Weg räumt, damit wir dieses Leck schließen, bevor das gesamte Wasser durch den Damm strömt.«
Rehan nickte seinem Stellvertreter zu, und der beendete die Verbindung.
»Ist das zu schön, um wahr zu sein?«, wollte Rehan von Khan wissen.
»Allah ist voller Güte, General.«
Brigadegeneral Riaz Rehan lächelte und wies seinen Hubschrauberpiloten an, schneller zu fliegen, da er keine Zeit zu vergeuden hatte.
Wenn die Umfragen in Amerika stimmten, würde Jack Ryan schon bald Präsident der Vereinigten Staaten sein. Wenn Ryan wieder im Weißen Haus saß, würde die Operation Saker jedoch keine Erfolgschance mehr haben.