Fünfundzwanzig


DAMALS

Ich kann mich nicht erinnern, dass die Hochzeitsvorbereitungen bei Ethan und mir so stressig gewesen sind.

Das könnte auch daran liegen, dass ich damals sehr wenig mit den Vorbereitungen zu tun hatte, weil ich zugelassen habe, dass meine Mutter die Sache in die Hand nahm. Aber das hier ist etwas anderes. Ich möchte unsere Hochzeitstorte zusammen mit Graham aussuchen. Ich will mit Graham besprechen, wo unsere Trauung stattfinden soll, wen wir dazu einladen und um welche Uhrzeit wir uns versprechen, für den Rest unseres Lebens, in guten wie in schlechten Zeiten, füreinander da zu sein. Aber es ist zwecklos. Ganz egal, wie oft ich meiner Mutter schon gesagt habe, dass sie nicht einfach irgendwelche Dinge über meinen Kopf hinweg entscheiden kann, mischt sie sich ständig in alles ein.

»Ich will doch nur, dass das der schönste Tag deines Lebens wird, Quinn«, verteidigt sie sich.

»Graham kann sich das doch gar nicht leisten, deswegen würde ich es gern übernehmen«, sagt sie.

»Denk auf jeden Fall daran, einen Ehevertrag aufzusetzen«, mahnt sie. »Wer weiß, ob dein Stiefvater dir nicht etwas hinterlässt. Das ist dann dein Vermögen und du musst es schützen.«

Bei ihr hört es sich an, als wäre eine Ehe eine Geschäftsvereinbarung und kein Liebesbündnis. Dabei habe ich kein Vermögen, das ich in irgendeiner Weise schützen müsste, und rechne auch nicht mit einer Erbschaft. Abgesehen davon bin ich mir absolut sicher, dass Graham mich nicht wegen irgendwelchem Geld heiratet, das mir mein Stiefvater vielleicht irgendwann hinterlassen könnte. Er würde mich auch heiraten, wenn ich bis zum Hals verschuldet wäre.

Mittlerweile habe ich gar keine Lust mehr, groß zu heiraten. Am liebsten würde ich mich bei Graham ausheulen, aber dann müsste ich ihm erzählen, warum genau meine Mutter mich in den Wahnsinn treibt, und ich will nicht, dass er erfährt, was für grauenhafte Dinge sie über ihn sagt.

Gerade habe ich eine Nachricht von ihr bekommen.

Das mit dem Buffet solltest du noch mal überdenken, Quinn. Evelyn Bradbury hat einen Koch für ihre Hochzeit engagiert. Das hat so viel mehr Stil.

Ich verdrehe die Augen und lege mein Handy mit dem Display nach unten auf den Tisch. Als ich den Schlüssel in der Tür höre, springe ich schnell auf, stelle mich vor den Spiegel und bürste mir die Haare, weil ich nicht möchte, dass Graham sieht, wie sehr mir das alles an die Nieren geht. Allein sein Anblick reicht schon, um mich zum Lächeln zu bringen. Meine schlechte Laune ist wie weggeblasen. Graham schlingt von hinten die Arme um mich und küsst mich auf den Nacken. »Hey, meine Schöne.« Er strahlt mich im Spiegel an.

»Hey, mein Schöner.«

Er dreht mich um und küsst mich auf den Mund.

»Wie war dein Tag?«

»Gut. Wie war deiner?«

»Auch gut.« Ich schiebe ihn ein Stück von mir, weil er mich so intensiv ansieht und ich Angst habe, dass er mir vielleicht anmerkt, dass es mir nicht so gut geht. Dann würde er mich fragen, was los ist, und ich müsste ihm sagen, wie sehr diese Hochzeit mich stresst.

Ich drehe mich wieder zum Spiegel und hoffe, dass er ins Wohnzimmer oder in die Küche oder irgendwo anders hingeht, wo er mich nicht weiter so forschend mustern kann, wie er es jetzt tut.

»Was macht dir Sorgen?« Manchmal finde ich es wirklich schrecklich, dass er mich jetzt schon in- und auswendig kennt. Außer wenn wir Sex haben. »Warum kannst du eigentlich nicht wie andere Männer sein und keine Ahnung haben, was in mir vorgeht?«

Er zieht mich lächelnd wieder an sich. »Wenn ich nicht wüsste, was in dir vorgeht, wäre ich einfach nur ein Mann, der dich liebt. Aber ich bin mehr. Ich bin dein Seelenverwandter, und deswegen fühle ich alles, was du fühlst.« Er küsst mich auf die Stirn. »Sag schon. Warum bist du traurig, Quinn?«

Ich seufze erschöpft. »Ach … meine Mutter.«

Graham führt mich ins Schlafzimmer, wo wir uns beide aufs Bett setzen. Ich lasse mich nach hinten fallen und starre an die Decke. »Sie versucht unsere Hochzeit in die Hochzeit zu verwandeln, die sie für mich und Ethan geplant hat. Sie fragt nicht mal, was ich möchte, sondern trifft einfach irgendwelche Entscheidungen und sagt mir erst hinterher Bescheid.«

Graham legt sich neben mich, stützt den Kopf in eine Hand und legt mir die andere auf den Bauch.

»Gestern hat sie verkündet, dass sie eine Anzahlung für einen Saal im Douglas Whimberly Plaza geleistet hat. Sie kommt überhaupt nicht auf den Gedanken, uns vielleicht vorher zu fragen, wo wir überhaupt feiern wollen. Sie denkt, wenn sie alles zahlt, hat sie auch das Recht, alles zu entscheiden. Heute hat sie mir geschrieben, dass die Einladungen schon gedruckt sind.«

Graham verzieht das Gesicht. »Bedeutet das, dass das Wort Vermählung drinsteht?«

Ich lache. »Wenn es nicht drinstehen würde, wäre ich ehrlich geschockt.« Ich drehe ihm den Kopf zu und schiebe die Unterlippe vor. »Ich will keine große Hochzeitsfeierlichkeit mit den Freundinnen meiner Mutter im Superedel-Bonzen-Plaza.«

»Was willst du dann?«

»Ehrlich gesagt weiß ich im Moment nicht mal, ob ich überhaupt eine Hochzeitsfeier will.« Graham runzelt besorgt die Stirn, weshalb ich schnell klarstelle: »Ich meine nicht, dass ich dich nicht heiraten will. Ich will dich nur nicht auf der Traumhochzeit meiner Mutter heiraten.«

»Keine Panik«, beruhigt er mich. »Wir heiraten erst in fünf Monaten. Du hast noch massenhaft Zeit, dich durchzusetzen und sicherzustellen, dass du genau das bekommst, was du willst. Falls es für dich einfacher ist, kannst du ihr auch gerne sagen, dass ich keine Lust auf das Plaza habe. Dann kann sie mich dafür hassen, dass ich ihr ihre Traumhochzeit verdorben habe, und du bist nicht die Böse.«

Warum ist Graham nur so perfekt? »Das würde dir echt nichts ausmachen, wenn ich es auf dich schiebe?«

Er lacht. »Quinn, deine Mutter hasst mich doch sowieso schon. So gebe ich ihr wenigstens einen Grund dafür und wir haben alle was davon.« Er zieht seine Schuhe aus. »Haben wir heute Abend eigentlich irgendwas vor?«

Ich setze mich auf. »Wenn du Lust hast, können wir zu Ava und Reid. Die schauen sich per Pay-TV irgendeinen Boxkampf an und haben uns eingeladen.«

Graham steht auf und legt seine Krawatte ab. »Das klingt doch gut. Ich muss nur noch ein paar Mails schreiben, aber in einer Stunde wäre ich fertig.«

Ich sehe ihm hinterher, als er aus dem Zimmer geht. Dann lasse ich mich wieder aufs Bett fallen und lächle, weil es tatsächlich so aussieht, als hätte er innerhalb von zwei Minuten mein größtes Problem gelöst. Wobei klar ist, dass diese Taktik, so gut sie klingt, nicht funktionieren wird, weil Mom sagen wird, wer nicht für die Hochzeit zahlt, hat auch kein Mitspracherecht.

Aber immerhin hat er versucht, mein Problem zu lösen. Das ist das Einzige, was zählt. Graham ist bereit, die Schuld für etwas auf sich zu nehmen, für das er nicht verantwortlich ist, nur um das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter nicht zu belasten.

Ich kann nicht fassen, dass ich diesen Mann in fünf Monaten heiraten werde. Ich kann nicht fassen, dass ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen werde. Selbst wenn dieses Leben im Douglas Whimberly Plaza beginnen sollte, umgeben von Leuten, die ich kaum kenne und die mich nicht interessieren, inmitten von Tabletts voll rohen Rindfleischscheibchen, Ceviche und anderen sündhaft teuren »Delikatessen«, die niemandem schmecken, aber von allen gegessen werden, weil sie gerade hip sind.

Es ist nicht schlimm, dass unsere Hochzeit wahrscheinlich nicht perfekt wird. Das sind nur ein paar qualvolle Stunden, gefolgt von einer Ewigkeit purer Seligkeit.

Ich nehme mir fest vor, tapfer zu sein, um die nächsten fünf Monate halbwegs unbeschadet zu überleben, dann gehe ich ins Bad, um mich fertig zu machen. Zum Glück verstehe ich mich mit Grahams Freundeskreis und er sich mit meinem, sodass wir öfter etwas zusammen unternehmen, aber am häufigsten sehen wir eigentlich Ava und Reid. Ich seufze, als ich daran denke, dass die beiden es richtig gemacht haben. Sie sind einfach nach Las Vegas geflogen, um zu heiraten, sodass unsere Mutter gar keine Chance hatte, irgendwelche Einladungen drucken zu lassen oder einen Saal zu buchen oder eine Torte nach ihrem Geschmack zu bestellen. Ich war die Einzige, die davon wusste, und habe die beiden insgeheim um ihre Entscheidung beneidet.

Als Graham ins Bad kommt, knöpfe ich mir gerade die Jeans zu. »Bist du so weit?«, fragt er.

»Gleich. Ich muss nur noch Schuhe anziehen.«

Graham folgt mir zum Kleiderschrank. Er lehnt an der Tür, während ich nach meinen Turnschuhen suche. Zur Arbeit gehe ich immer im Businesslook und trage meistens Schuhe mit Absätzen, weshalb ich über jede Gelegenheit froh bin, mich ganz normal anziehen zu können. Graham steht mit verschränkten Armen da und sieht mir zu. Um seine Mundwinkel spielt ein Grinsen, das in mir den Verdacht aufkeimen lässt, dass er irgendwas vorhat.

»Was ist?«

Er steckt die Hände in die Taschen seiner Jeans. »Wie fändest du es, wenn ich die letzte halbe Stunde damit verbracht hätte, unsere Hochzeitspläne zu ändern?«

Ich richte mich auf. »Wie … wie meinst du das?«

Er holt tief Luft. Dass er so offensichtlich nervös ist, macht wiederum mich nervös.

»Mir ist es ziemlich egal, wie wir heiraten, Quinn. Das Wichtigste für mich ist, dass du danach meine Frau bist. Und wenn …«, er macht einen Schritt auf mich zu, »… wenn du das genauso siehst, frage ich mich, warum wir noch lange warten sollen. Lass uns einfach gleich heiraten. Dieses Wochenende.« Bevor ich etwas sagen kann, greift er nach meinen Händen und drückt sie fest. »Ich habe gerade über eine Agentur das Strandhaus gebucht und auch schon einen Pfarrer gefunden, der Zeit hätte, uns dort zu trauen. Er bringt sogar einen Trauzeugen mit. Nur du und ich, Quinn. Wir könnten morgen Nachmittag am Strand heiraten und morgen Abend am Feuer sitzen, wo ich um deine Hand angehalten habe. Wir grillen Marshmallows und stellen uns Fragen, um uns noch besser kennenzulernen, und danach haben wir wilden Sex und dann schlafen wir und wachen am Sonntag als Ehepaar wieder auf.«

Ich bin fast so sprachlos wie in dem Moment, in dem er mich gefragt hat, ob ich seine Frau werden will. Und genau wie vor drei Monaten bin ich viel zu aufgeregt und geschockt, um »Ja« zu sagen. Ich kann wieder nur nicken. Heftig nicken. Und dann lache ich laut und umarme ihn und küsse ihn.

»Das ist perfekt! Absolut perfekt. Ich liebe dich. Das ist perfekt.«

Ich ziehe meinen Koffer aus dem Schrank und fange sofort an zu packen. Wir beschließen, niemanden einzuweihen. Noch nicht mal seine Mutter.

»Die können wir morgen anrufen. Wenn wir verheiratet sind«, sagt Graham.

Ich kann gar nicht aufhören zu strahlen, auch wenn ich weiß, dass meine Mutter einen Anfall bekommt, wenn ich ihr morgen sage, dass wir schon verheiratet sind. »Meine Mutter bringt uns um.«

»Ja, kann gut sein. Aber es ist leichter, um Entschuldigung zu bitten als um Erlaubnis.«