27

VISYNA LIEF, SO schnell sie konnte, und versuchte, mit Tyul und Jir Schritt zu halten, aber Elf und Bengar waren viel zu schnell für sie.

Schließlich bekam sie kaum noch Luft, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie blieb stehen, beugte sich nach vorn und hielt sich die Seiten. Sie lehnte sich an die Tunnelwand und verharrte in dieser Haltung eine Minute.

Als sie schließlich wieder normal atmen konnte, richtete sie sich auf und bemerkte zum ersten Mal die Konstruktion des Tunnels. Die Steine waren so präzise gesetzt worden, dass kein Mörtel benutzt werden musste. Noch seltsamer jedoch waren die Größe und der Zustand des Tunnels. Etwa einhundert Meter hinter dem Eingang zur Oase verbreiterte er sich auf die Größe eines kleinen Karrens, und an der Decke wuchsen faszinierende Flechten, von denen ein sanftes Licht ausging, das genug Helligkeit spendete, dass sie sehen konnte, wohin sie ging.

Das Bild des Schädels mit den flammenden Augen war in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie hatte natürlich schon von Nekromantie, Schwarzer Magie, gehört, hatte jedoch geglaubt, das gehöre einer dunklen Vergangenheit an. Kann es wirklich wahr sein, fragte sie sich, kann es möglich sein, dass Kaman Rhal zurückgekehrt ist? Bei dem Gedanken fröstelte sie. Ihr Emissär hatte sie einmal zum Narren gehalten, als er so tat, als sei er die Verkörperung der Macht des Sterns von Sillra. Vielleicht benutzte ja etwas oder jemand jetzt Kaman Rhals Macht. Wie dem auch sei, sie hatte sich so sehr darauf konzentriert zu verhindern, dass die Schattenherrscherin einen Stern in ihre Hände bekam, dass sie kaum darüber nachgedacht hatte, dass es vielleicht dort draußen andere, uralte Kräfte gab, die nur darauf warteten, dass sich eine solche Gelegenheit erneut bot.

»Mistress Tekoy!«

Visyna wandte sich um, als Soldat Hrem Vulhber aus dem Dunkel auftauchte. Frostfeuer funkelte auf seinem Bajonett, und auch er keuchte. Einen Augenblick später folgte ihm Zwitty. Visyna verachtete den tückisch wirkenden Soldaten zwar, aber sie wusste, dass er unter diesen Umständen töten konnte, und diese Fähigkeit würden sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit benötigen. Einige Sekunden später rumpelte auch Teeter heran.

»Wo sind die anderen?« Visyna spähte in den dunklen Tunnel.

Teeter schüttelte den Kopf. »Es sind nur wir. Korporal Arkhorn hat uns hinter Ihnen hergeschickt, und dann ist der Eingang eingestürzt.«

Visyna vertraute darauf, dass Chayii und Rallie sich ihrer Haut zu wehren wussten, denn ihr war klar, dass die Macht der beiden Frauen und Korporal Arkhorns Tüchtigkeit es mit fast allem aufnehmen konnten, einschließlich dieser feuersprudelnden Monster.

Aus vielerlei Gründen machte sie sich erheblich mehr Sorgen um Soldat Renwar.

»Dann müssen wir uns beeilen. Tyul hat bereits einen großen Vorsprung, und er braucht noch immer unsere Hilfe«, erklärte sie.

»Und wer hilft uns?«, murmelte Zwitty.

Eine gute Frage, dachte Visyna.

 

Als die Sonne allmählich unterging, wurden die Schatten der marschierenden Kolonne länger und glitten über den Sand. Konowa fand den Anblick beklemmend. Die Schatten der Soldaten sahen aus, als wären die Männer sieben Meter groß. Also konzentrierte er sich lieber wieder auf den Weg vor ihm.

Wagenspuren hatten tiefe Furchen im Sand hinterlassen und führten mehr oder weniger gerade nach Süden. Konowa wusste, dass diese Spuren von Rallies Planwagen stammen mussten. Es hatten bereits zahlreiche Berichte das Regiment erreicht, in denen von einem Wagen die Rede war, der von schwarzem Feuer umhüllt und von gepanzerten Bestien gezogen wurde. Das konnte kein anderer Wagen sein.

Der Suljak bestätigte, dass die Spuren geradewegs auf einen Ort zuliefen, den man die Knochenschlucht nannte, südwestlich von Nazalla.

»Woher kommt der Name?«, erkundigte sich Konowa, der seine Haltung veränderte, um den Schmerz gleichmäßig zu verteilen. Er zuckte zusammen, als er eine besonders empfindliche Stelle an seinem Hinterteil berührte, und schwor sich, niemals wieder irgendeine Bestie zu reiten. Sollte ihn der Prinz doch erschießen, wenn er wollte, Hauptsache, er saß nicht in einem Sattel.

»Es ist ein verfluchter Ort. Vor Jahrhunderten gab es dort einmal einen Wald, aber Kaman Rhals Drachenfrau hat ihn angeblich vollkommen niedergebrannt, weil die Bäume sie beleidigt hätten.« Der Suljak sah Konowa entschuldigend an, als er das sagte. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum.«

Konowa rutschte erneut im Sattel hin und her. »Ich schon. Bäume können so etwas gut.«

Einen Moment lang wirkte der Suljak verstimmt, doch dann schien er sich zusammenzureißen und sprach weiter. »Ja, das habe ich gehört. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, alles, was dort heute noch steht, sind verwitterte Baumstämme, die von der Sonne ausgebleicht und vom Sand glattgeschliffen sind. Sie verleihen diesem Ort den Anschein eines offengelegten Massengrabes.«

»Wie einladend«, antwortete Konowa.

»Ich finde es eigentlich eher faszinierend.« Der Prinz war auf seinem Kamel neben ihnen aufgetaucht. Den Sonnenschirm hatte er abgenommen, und er wirkte überraschend frisch.

Konowas Magen krampfte sich zusammen. Er fragte sich, ob dieser ganze angestaute Ärger ihn langsam und unwiderruflich von innen zerfraß. Er unterdrückte ein Seufzen und bemühte sich, interessiert zu wirken. »Tatsächlich, Euer Hoheit? Wie das?«

Der Prinz lächelte, offensichtlich erfreut darüber, sein neu erworbenes Wissen weitergeben zu können. »Die Legenden über die Schlucht passen perfekt zu dem Bildungsniveau der Stämme hier in der Wüste, aber eine neuere archäologische Theorie behauptet, dass unter den richtigen Bedingungen Bäume genug Mineralien absorbieren können, um so hart wie Stein zu werden. Sie verwandeln sich tatsächlich in Stein. Also ist es viel wahrscheinlicher, dass diese Baumstämme nicht von irgendeinem legendären Drachen verbrannt wurden, sondern einfach nur dem natürlichen Wirken der Wüste zum Opfer fielen.«

»Aber wie hat hier draußen überhaupt ein Wald wachsen können?«, wollte Konowa wissen. Er versuchte, möglichst rasch von der Bemerkung des Prinzen über das Bildungsniveau der Stämme abzulenken. »Wie kann irgendetwas hier draußen wachsen?«

Er war allerdings nicht enttäuscht, dass keine Bäume seinen Weg blockierten. Der unverstellte Blick bedeutete, dass ein Anführer seine Truppen in einer Schlacht lenken und dirigieren konnte.

»Sie wären überrascht über die Vielfalt des Lebens, das uns umgibt«, mischte sich der Suljak ein. »Zum Beispiel liegt vor uns eine Oase, in der Ihre Soldaten und unsere Reittiere trinken können. In solchen Gegenden gedeihen alle möglichen Pflanzen und Tiere.« Seine Stimme klang stolz.

»Was ist das denn?« Der Prinz deutete nach Norden, zur Küste.

Konowa drehte sich um und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. »Sturmwolken. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie hier so viel Regen haben, Suljak«, erklärte er.

Der Suljak richtete sich im Sattel auf. Zum ersten Mal bemerkte Konowa so etwas wie Nervosität an ihm.

»Das haben wir auch nicht. Solche Wolken habe ich noch nie gesehen.« Er drehte sich zum Prinzen herum. »Habt Ihr mich belogen? Ist das da draußen ein Teil Eurer Armee?«

»Ganz gewiss nicht«, erwiderte der Prinz. Er wirkte ebenfalls besorgt, als er auf die Wolken starrte.

»Sie ziehen unglaublich schnell, selbst für Sturmwolken«, meinte Konowa. »Viel zu schnell.«

Der Suljak zupfte an seinem Bart. »Vielleicht … vielleicht wäre es besser, wenn wir unser Tempo erhöhen.«

»Gute Idee«, meinte der Prinz. Konowa drehte sich in seinem Sattel herum und gab dem Trommler ein Zeichen, den Taktschlag zu erhöhen. Der Mann gehorchte sofort, und die Kolonne beschleunigte ihre Schritte. Die Soldaten wirbelten jetzt noch mehr Staub auf.

»Ist da vor uns noch ein Sturm?« Der Prinz zog ein Messingfernrohr aus der Tasche und hielt es an sein Auge. Nach einer Minute reichte er es Konowa, der kurz hindurchsah. Doch er wusste bereits, was er sehen würde.

»Das, Hoheit, ist der Kriegerstamm der Hasshugeb, der uns den Weg verstellt«, erwiderte Konowa tonlos. Er verzichtete darauf, mehr zu sagen, aber es verärgerte ihn zutiefst, dass er erneut mitten in einem diplomatischen Tanz gefangen war.

Der Prinz sah den Suljak an und richtete seinen Blick dann wieder auf die Staubwolke. »Eben noch beschuldigen Sie mich der Hinterlist, und jetzt brechen Sie ganz offen unsere Abmachung. Wie können Sie das wagen, Sir? Wollen Sie wirklich Krieg gegen das Imperium führen?«

Der Suljak schien über die Reaktion des Prinzen tatsächlich schockiert zu sein, Konowa dagegen war nicht überrascht. Der Prinz erwartete immer, dass die Dinge genau nach seinen Wünschen liefen.

Der Suljak tat die Frage mit einer Handbewegung ab. »Ich versichere Euch, dass die Völker der Hasshugeb nur in aller Ruhe ihr Leben so führen wollen, wie sie es für angemessen halten. Was Ihr dort am Horizont seht, ist nur unser Ausdruck dieser Absicht. Wir wollen sicherstellen, dass der Stern dort bleibt, wo er hingehört.«

»Und wenn andere … Dinge entdeckt werden?«, erkundigte der Prinz sich beiläufig.

Konowa staunte, wie schnell der Prinz seine Emotionen unter Kontrolle bringen konnte. Eben noch steigerte er sich in einen Wutanfall, und im nächsten Moment kalkulierte er kühl seine Chancen.

Der Suljak reagierte ebenso sachlich. »Die Völker der Hasshugeb erheben keinerlei Anspruch auf entdeckte Artefakte, die nicht durch ihre Kultur an dieses Land gebunden sind. Ich hege keinerlei Zweifel, dass wir zu Vereinbarungen kommen, die alle Parteien befriedigen werden.«

Im ersten Moment fand Konowa, dass der Suljak Kaman Rhals sagenumwobene Bibliothek recht leichtfertig verschenkte, doch als er etwas länger darüber nachdachte, erkannte er, wie genial der Mann war. Würden die Bewohner der Hasshugeb die Bibliothek und ihren Inhalt für sich beanspruchen, riskierten sie nicht nur die Feindseligkeit des Imperiums, sondern auch die jeder anderen Nation und jedes Volkes, das Rhal bestohlen hatte. Außerdem würde das Wiederauftauchen der Bibliothek und ihrer sagenhaften Schätze Diebe anziehen – und zwar sowohl einzelne Individuen wie auch Armeen. Indem der Suljak dem Imperium gestattete, den größten Teil von dem, was sich darin befand, zu vereinnahmen, wälzte er dem Imperium auch den größten Teil dieser Bürde auf. Wirklich gerissen, dachte Konowa.

»Ich glaube, da vorn liegt die Oase.« Der Prinz zog es offenbar vor, das Thema zu wechseln.

Konowas Blick zuckte erneut zu den dunklen Wolken, die von der Küste heranzogen, und wieder überlief es ihn kalt. Das war kein Sturm. Er wandte sich der Oase zu und nahm einen kaum vernehmlichen Widerhall von Magie wahr, Reste von einem Kampf, der dort vor kurzer Zeit stattgefunden hatte. Er richtete seine Sinne auf die Oase aus.

»Was ist da?«, erkundigte sich der Prinz.

Konowa antwortete nicht, weil er sich zu konzentrieren versuchte. Überall in der Luft vibrierte Macht, aber sie war so aufgewühlt, dass er kaum etwas davon verstand. Doch was er entschlüsseln konnte, erfüllte ihn mit Furcht.

»Wir haben nicht genug Zeit, an der Oase zu rasten. Wir müssen weitermarschieren, damit wir so schnell wie möglich die Knochenschlucht erreichen.« Konowa ließ den Blick über die Kolonne gleiten. Sie hatte sich auf mehrere Hundert Meter auseinandergezogen, und die Soldaten trotteten durch den Sand. Sie würden sehr viel schneller marschieren müssen.

Der Suljak hüstelte. »Major, der Prinz und ich haben eine Vereinbarung getroffen. Die Hasshugeb und das Imperium sind zurzeit keine Feinde. Das Regiment kann heute Abend in Ruhe die Gastfreundschaft der Oase genießen und dann am Morgen weiterziehen. Bis dahin wird der Stern angekommen sein, was vieles offenbaren wird.«

Der kalte Stich über seinem Herzen verriet Konowa genau das, was er nicht wissen wollte. Er lächelte, aber es war kein freundliches Lächeln. »Auf diesem Spielbrett agieren mehr als zwei Spieler, und sie hat nicht die Absicht, sich an diese noble Vereinbarung zu halten.« Er deutete auf die dunklen Wolken am Horizont. »Das sind nicht nur Wolken, sondern es ist ihr Forst, und er wird bis zum Einbruch der Nacht hier sein.«

Der Prinz hob sein schimmerndes Fernglas ans Auge. »Was?«

Er drehte sich zu Konowa und dem Suljak herum, das Fernglas immer noch vor dem Auge. Er blinzelte und ließ es sinken. »Das ergibt keinen Sinn. Wir haben die Inseln gesäubert. Ich habe einen anderen Teil der Flotte angewiesen, an der Küste zwischen Nazalla und westlich bis nach Tel Martruk an Land zu gehen. Es ist völlig ausgeschlossen, dass ihr Forst durchgekommen sein kann.«

Jetzt verlor der Suljak etwas von seiner Gelassenheit. »Noch eine Flotte! Ihr habt mir nicht gesagt, dass Eure Flotte so weit nach Westen segelt, Euer Hoheit. Zweifellos ein unbeabsichtigtes Versäumnis? Und doch hat sich das Imperium selbst mit dieser Flotte als unfähig erwiesen, sein Volk zu verteidigen. Es hat die Menschen wehrlos dieser heranziehenden Monstrosität ausgeliefert.« Er verstummte und rang um seine Fassung. »Gleichwohl, die Schattenherrscherin ist hier bekannt, ebenso wie ihre gescheiterten Versuche, den Roten Stern in Elfkyna zu erbeuten. Ihr beide habt sie mit ebendiesem Regiment besiegt. Heute Nacht werden die Krieger der Wüste Wache halten, und sie sind zwanzigtausend Mann stark. Was auch immer sie gegen uns aufbietet, wir werden obsiegen.«

Der Prinz war vollkommen damit beschäftigt, den heranziehenden, schwarzen Forst und den Sturm zu beobachten, und murmelte leise etwas über die Stärke des Letzteren. Konowa war sicher, dass die Zahl der Wüstenkrieger, die der Suljak genannt hatte, übertrieben war, aber ihn beschäftigte etwas anderes. »So wie dieser Sturm aussieht, könnte ihr Forst Hunderttausende von Bäumen stark sein. Und wo es Blutbäume gibt, existieren auch die Kreaturen, die sie aus den Tiefen der Erde beschwört. Sie vertrauen ein bisschen zu sehr auf Ihre Krieger, Suljak. Und was ist mit Kaman Rhal? Dass er eingreift, scheint Sie nicht übermäßig zu bekümmern.«

Der Suljak lächelte. »Sie vergessen eines, Major: Was auch immer Kaman Rhal sein mag, er stammt vor allem aus der Hasshugeb. Wenn er zurückgekehrt ist, wird er der Schattenherrscherin ebenso wenig erlauben, das Juwel der Wüste zu erbeuten, wie Sie das tun.«

Konowa lehnte sich im Sattel zurück. Er sah zum Prinzen hinüber, weil er erwartete, dass der sich einmischte, doch Prinz Tykkin hatte sein Kamel etliche Meter weitergeführt. Er war vollkommen von dem fasziniert, was er durch sein Teleskop sah. »Sie glauben, Sie können die Macht von Kaman Rhal benutzen?«, erkundigte sich Konowa.

Der Suljak beugte sich vor. »Diese Frage lässt Ihnen einfach keine Ruhe, nicht wahr? Die Schattenherrscherin ist unser beider Feindin. Kaman Rhals Macht kann kontrolliert werden.« Die Augen des Suljak glänzten. »Major, ich sollte es wissen …«

Die Wahrheit traf Konowa wie ein Schlag. »Sie … Sie haben ihn zurückgerufen. Sie haben die Macht von Kaman Rhal beschworen!«

Der Suljak verbeugte sich leicht. »Macht ist Macht, Major. Ich wusste, als der erste Stern zurückkehrte, dass das Imperium hier auftauchen würde, und ich musste mich auf diese Möglichkeit vorbereiten. Unsere Krieger sind sehr tapfer, aber sie können dem Imperium nicht standhalten, noch nicht. Also habe ich weitergesucht, tiefer gegraben … Ich fand die Fäden von etwas, das bereits lange verschollen war … und habe begonnen, es zurückzuholen.«

Konowa hob eine Faust, die von Frostfeuer umhüllt war. Der Drang, sie auszustrecken und den Suljak zu töten pulsierte durch seine Adern. Dieser Narr!, dachte er. Begriff er denn nicht, wie gefährlich es war, mit einer Macht herumzuspielen, die man nicht verstand?

»Ich habe Ihretwegen einen Soldaten verloren. Er ist auf dieser Insel qualvoll gestorben.« Es kostete Konowa ungeheure Überwindung, seine Faust zu öffnen und das Frostfeuer erlöschen zu lassen.

Der Suljak streckte abwehrend beide Hände aus und starrte Konowa erschrocken an. »Ich werde mein Volk verteidigen. Ich habe mein Bestes versucht, um diese Macht zu beherrschen, aber das ist selbst für mich eine Herausforderung. Trotzdem, machen Sie sich keine Sorgen – die Kreatur, die Ihren Soldaten getötet hat, war die einzige, die meinem Griff entkommen ist. Und außerdem ist sie nur durch das Meer geschwommen, weil sie das Auftauchen ihres Forsts gespürt hat. Nachdem jetzt ihr Forst in dieses Land eingefallen ist, werden diese Kreaturen ihn zerstören, ganz gleich, wie groß er sein mag.«

»Sie meinen, es gibt mehr als einen?«

»Es sind Hunderte, vielleicht sogar mittlerweile Tausende«, erwiderte der Suljak.

Die Beiläufigkeit, mit der der Suljak das sagte, drängte Konowa die Frage auf, wie viel Kontrolle dieser Mann tatsächlich über diese Monster besaß. »Und Kaman Rhal? Wie passt er ins Bild?«

»Gar nicht, Major. Kaman Rhal ist tot. Seine Macht war die Macht der Wüste. Er hat sie nur genutzt und sich in seinem Hochmut verloren. Aber das hat ihn das Leben gekostet und alles, was er besaß. Ich habe diesen Fehler nicht gemacht. Ich habe einfach nur so viel Macht beschworen, wie ich benötigte, um den Stern und mein Land zu sichern. Wenn dies vollbracht ist, werden die Kreaturen seiner Macht wieder dorthin zurückkehren, woher sie kamen.«

»Und wenn sie nicht zurückkehren wollen?«

»Aber verstehen Sie doch, Major, Sie haben bereits die Antwort auf diese Möglichkeit gegeben. Sie haben mit Hilfe des Roten Sterns ihren Forst vernichtet. Mit dem Juwel der Wüste werde ich das Gleiche tun und alles vernichten, was nicht aus dieser Zeit und von diesem Ort stammt.«

»Das wird der Prinz nicht zulassen«, sagte Konowa und warf einen Blick auf Prinz Tykkin. Im selben Moment wurde ihm bewusst, dass er keineswegs sicher war, was der Prinz davon halten würde. Denn in einer wahrhaft schrecklichen Art und Weise änderte das alles absolut nichts.

Der Suljak zuckte mit den Schultern. »Möglich ist es, doch wahrscheinlicher ist, dass er zustimmt. Warum sollte er überflüssigerweise Dinge verkomplizieren, die bereits entschieden sind? Ich werde den Stern bekommen, er wird seine Bibliothek bekommen, und Sie werden mit Ihren Elfen wiedervereint.«

Konowa hasste die kalte Logik hinter den Worten des Suljak. »Es funktioniert nie so, wie man es sich vorstellt, das sollten Sie mittlerweile wissen.«

»Selbstverständlich, Major, das weiß ich auch. Es gibt immer Variablen, die man nicht vorhersagen kann. Die Königin ist nicht die Einzige, die komplexe Spiele spielt. Sie werden ein guter Soldat sein und Ihren Befehlen folgen.«

»Warum sollte ich das tun?«, fragte Konowa.

»Weil Ihre Welt sinnvoll bleibt, solange Sie das tun. Ohne Regeln und Befehle herrscht nur das Chaos. Sie haben diese Regeln einmal gebrochen, und Sie wissen, was Ihnen das gebracht hat. Ich glaube nicht, dass Sie das wiederholen werden.«

Frostfeuer flammte ungebeten in Konowas Händen auf. »Sind Sie sich da ganz sicher?«

»Ach, kommen Sie, Major, Sie verstehen doch bestimmt, wie Staatsangelegenheiten geregelt werden. Es wurden bereits Vereinbarungen getroffen. Sie brauchen nur noch ein wenig zu warten, dann bekommen Sie, was Sie wollen.«

Das Feuer in Konowas Händen brannte kälter. Die Versuchung zuzuschlagen war so übermächtig, dass er kaum noch atmen konnte. Man hatte ihn belogen und zum Narren gehalten, schon wieder. Eine Stimme tief in seinem Inneren erklärte, dass so etwas passiert, wenn man ohne nachzudenken blindlings voranstürmt, aber Konowa schenkte ihr nur wenig Aufmerksamkeit.

Langsam, quälend langsam, ließ Konowa das Feuer erlöschen. Fürs Erste.

»Sehen Sie, Major, das war doch gar nicht so schwer, habe ich recht?«

»Ja«, log Konowa. »Sie haben recht, das war überhaupt nicht schwierig.«