22

 

Mit meinem Verdacht, dass mir Adams Plan nicht gefallen würde, lag ich genau richtig. Stell sich das mal einer vor. Da ich jedoch keinen besseren Vorschlag hatte …

An jenem Nachmittag hatte ich das einzigartige Vergnügen, mit Polizeieskorte auf Einkaufstour zu gehen. Mit Adam natürlich. Um zu vermeiden, dass einer unserer Gegner uns zusammen sah, gingen wir nicht in Philadelphia auf Tour, sondern fuhren rüber nach New Jersey. Adam blickte während der Fahrt alle fünf Sekunden in den Rückspiegel, entdeckte aber keinerlei Hinweise darauf, dass wir verfolgt wurden.

Als Erstes machten wir bei einem schäbigen Friseursalon Halt, wo ich mir von einer Kaugummi kauenden Teenagerbraut, deren eigene Frisur an einen überfahrenen Waschbären erinnerte, die Haare weißblond bleichen ließ. Sie unterzog meine Augenbrauen der gleichen Behandlung und stellte meine Haare dann mit Unmengen von Gel zu einer igelartigen Punkfrisur auf. Ich sah erbärmlich aus, aber auch kaum noch wie ich selbst, was der Sinn der Übung gewesen war.

Als Nächstes gingen wir in einen nicht weniger schäbigen Klamottenladen, der sich auf Kleidung für Motorradbräute spezialisiert hatte. Dort stellte mir Adam wortlos mein Outfit zusammen: einen knallengen schwarzen Lackminirock, ein Schnürmieder aus schwarzem Leder, das sich vorne nicht ganz schließen ließ, sowie schwarze Lackstiefel, die mir bis zu den Oberschenkeln reichten und bleistiftdünne Pfennigabsätze hatten. Als ich mich im Spiegel betrachtete, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

Als ich wieder aus der Umkleidekabine kam und mit meinem Kostüm auf dem Arm zur Kasse ging – ich weigerte mich, das Zeug als Kleidung zu bezeichnen –, sah ich, dass Adam noch ein Paar schwarze Nietenarmbänder und ein ebenfalls mit Nieten geschmücktes Hundehalsband gefunden hatte.

Ich schüttelte heftig den Kopf, doch er nahm mir grob die Kleider aus den Händen, legte alles zusammen auf die Theke und reichte dem grinsenden Verkäufer seine Kreditkarte.

»Wenn schon, denn schon, Schätzchen.«

Ich stellte mir vor, dieses Outfit in der Öffentlichkeit tragen zu müssen, und fragte mich ernsthaft, ob zu sterben nicht die angenehmere Alternative wäre.

Unseren letzten Halt machten wir bei einem Laden, der Theaterschminke verkaufte, und erstanden dort stark deckendes Gesichtspuder, grässlichen schwarzen Lippenstift und grässlichen schwarzen Eyeliner.

Na gut, der Eyeliner an sich war nicht grässlich. Aber ich wusste genau, wie viel davon ich Adams Vorstellungen zufolge auftragen sollte.

Am späten Nachmittag rief Dominic Adam auf dem Handy an, um ihm zu sagen, dass wie angekündigt ein weiteres Videoband an mein Büro geschickt worden war. Natürlich war es von einem Kurierdienst gebracht worden, damit wir den Absender nicht ermitteln konnten. Ich fragte, was drauf war, doch Adam wollte mir nicht mehr sagen, als dass es laut Dominic das war, »was man erwarten würde«. Vielleicht war es besser, wenn ich es gar nicht so genau wusste.

Ich rief Andrew von einem Münztelefon aus an, hatte aber Schwierigkeiten, meinen Hass gegen ihn unter Kontrolle zu halten. Wir begannen, über Brians Freilassung und den Ort der Übergabe zu verhandeln, doch mein Temperament ging mit mir durch, und er beendete ein weiteres Mal einfach die Verbindung. Das war uns im Grunde nur recht: In Wirklichkeit war ich ja sowieso nicht zu einem Austausch bereit, und auf diese Weise gewannen wir Zeit.

Zum Abendessen trafen wir uns mit Dominic in einem italienischen Restaurant, das wie ein echter Familienbetrieb wirkte, und mieteten uns dann ein Zimmer in einem schäbigen Motel. Adam wollte auf jeden Fall vermeiden, dass ich von einem der Bösen mit meiner neuen Frisur in seiner Gesellschaft gesehen wurde, und außerdem sichergehen, dass uns niemand folgen würde, wenn wir den Club besuchten.

Davon ausgehend, dass wir am leichtesten in der Menge untertauchen könnten, wenn der Club voll war, beschlossen wir, uns erst um Mitternacht dorthin zu begeben. Um halb elf begannen wir, unsere Kostüme anzulegen.

Ja, das war Gruppenarbeit. Nicht dass ich Hilfe brauchte, meine neuen Kleider anzuziehen, so viel war an denen ja schließlich sowieso nicht dran, aber womit ich unbedingt Hilfe brauchte, war das Make-up. Ich gab mir Mühe, nicht in hysterisches Gelächter auszubrechen, während Dominic mein auffälliges Tattoo mit der dicken, porenverstopfenden Bühnenschminke überdeckte.

Adam schickte mich dreimal ins Badezimmer zurück, damit ich mehr Eyeliner und Lippenstift auftrug – bis ich wie eine Motorradbraut aussah, die sich ein Clownsgesicht geschminkt hatte. Dann war Dominic dran. Ich hatte sein Kostüm bis dahin noch nicht zu Gesicht bekommen, war mir aber sicher, dass es nie und nimmer auch nur halb so schlimm aussehen konnte wie meins.

Als Dom im Badezimmer verschwunden war, musterte mich Adam mit anzüglichem Blick. So lüstern, wie er mich angrinste, wollte ich am liebsten auf der Stelle mein Mieder weiter zuschüren. Aber ich hatte es schon so stark zugeschnürt, wie es ging, wenn ich weiterhin Luft bekommen wollte. Zwischen meinen Brüsten stand es mindestens drei Zentimeter weit offen, und meine Titten wurden zur Schau gestellt wie zwei Pampelmusen auf einem Marktstand.

Adam fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wirklich eine Schande, dass du darauf bestanden hast, dir neue Höschen zu kaufen«, sagte er. »Es hätte viel mehr Spaß gemacht, sich vorzustellen, wie du in diesem Outift ohne rumläufst.«

Mir fiel die Kinnlade runter. Sein Blick bordete praktisch über vor Begierde, und wenn er sich nicht zufällig eine Gemüsegurke in die Hose gesteckt hatte, dann war diese Begierde nicht nur gespielt.

Ich warf einen wütenden Blick auf die Badezimmertür, aber Adam lachte nur.

»Keine Sorge, Schätzchen. Auch wenn ich nicht verhehlen kann, dass mir dein Anblick gefällt«, sagte er und fuhr mit der Hand über die Beule, »das hier ist nur für Dom.«

Ich lief rot an, was ihn noch mehr zu erheitern schien.

In dem Moment ging die Badezimmertür auf.

Dominic war zwar nicht ganz so herausstaffiert wie ich, aber auch er sah definitiv nicht mehr aus wie er selbst. Er hatte seine widerspenstigen gewellten Haare mit irgendeinem Zeug nach hinten gegelt, das ihnen einen öligen Glanz verlieh, außerdem ein schwarzes Netzhemd und eine geradezu obszön enge Lederhose angezogen. An den Handgelenken und am Hals trug er ähnliche Nietenbänder, wie Adam sie mir gekauft hatte.

»Was ist nur für Dom?«, fragte er mit erhobenen Brauen, spürte jedoch offenbar sofort die besondere Spannung im Raum und blickte geradewegs auf Adams Hosenlatz. Ich glaube, die Röte in meinem Gesicht war nicht allein auf Verlegenheit zurückzuführen. »Oh«, murmelte er.

So eng, wie Dominics Hose saß, war es nicht schwer zu erkennen, dass Adams Vergnügen ihm ebenfalls Vergnügen bereitete. Ich kann gar nicht sagen, wie dringend ich aus diesem Zimmer verschwinden wollte.

»Morgan«, sagte Adam mit einem Hauch Strenge in der Stimme, der mich aufblicken ließ. »Du musst wenigstens versuchen, so zu tun, als würdest du dich in unserer Gegenwart wohlfühlen. Im Seven Deadlies ist falsche Scham fehl am Platz, besonders, wenn wir als flotter Dreier durchgehen wollen.«

O Herr, bitte lass mich augenblicklich sterben.

Ich hatte mich den ganzen Tag erfolgreich dagegen gewehrt, genauer über unseren tollen Plan nachzudenken. Aber das konnte nicht ewig so weitergehen.

Es war nicht gerade ein Superplan. Da wir keine Ahnung hatten, von wie vielen Leuten – und Dämonen – Brian bewacht wurde, und ebenso wenig wussten, in welchem Zustand er sich bei unserer Ankunft befinden würde, hielten sich unsere Möglichkeiten zur präzisen Vorausplanung in Grenzen. Sicher wussten wir nur das eine – wir mussten irgendwie in diese Kellerräume gelangen. Und in Anbetracht dessen, was dort normalerweise vor sich ging, gab es dazu nur einen Weg.

Ich bin eine miserable Schauspielerin und wäre nie und nimmer in der Lage, bei irgendwelchen SM-Spielchen mitzumachen und dabei auch nur einigermaßen glaubhaft zu wirken. Deswegen hatte Adam sich eine Ausrede für mich ausgedacht. Ich sollte als sein neues menschliches Spielzeug auftreten, das er sich besorgt hatte, weil ihm Dominic ohne Dämon nicht mehr genug Befriedigung verschaffen konnte, und welches er jetzt langsam an seine neue Rolle heranführen wollte. Heute wurde ich jedoch »bestraft« und durfte deswegen nur zusehen, wie die beiden anderen sich miteinander vergnügten.

»Wenn du dich dadurch besser fühlst«, sagte Dominic und lächelte nervös. »Mir ist bei der ganzen Sache auch nicht besonders wohl. Saul hat es nichts ausgemacht, in aller Öffentlichkeit seinen Trieb auszuleben. Mir macht es schon was aus.«

»Oh«, sagte ich und schämte mich ein bisschen, weil ich darüber gar nicht nachgedacht hatte. Ich hatte ja bereits Gelegenheit gehabt, zu bemerken, dass Dominic nicht gerade ein Exhibitionist war. »Tut mir wirklich leid, dass du …«

»Es ist okay«, warf Adam ein, ging zu Dominic und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Ich werde schon dafür sorgen, dass du dich wohl fühlst.« Er umfasste Dominics Gesicht und zog es zu sich herunter.

Instinktiv wollte ich wegsehen, verkniff es mir dann aber. Die beiden hatten mich bereits davor gewarnt, was ich in den Kellerräumen des Clubs zu sehen bekommen würde, und wenn ich noch nicht einmal dabei zuschauen konnte, wie zwei Männer sich küssten, würde ich nicht gerade eine überzeugende Vorstellung hinlegen.

Es dauerte nicht lange und Dominic überwand seine Schüchternheit. Er erwiderte Adams Kuss, als sei niemand sonst mit im Zimmer, schmiegte sich eng an den Körper seines Liebsten und gab zufriedene, kehlige Laute von sich.

Als Adam seine Hände Dominics Rücken hinabgleiten ließ und seine Arschbacken umfasste, war ich ehrlich gesagt nicht mehr sicher, wonach mich genau verlangte. Klar, ein Teil von mir wollte wegsehen. Aber ich kann nicht bestreiten, dass ein anderer Teil – vielleicht sogar der größere – von dem Anblick unheimlich angeturnt wurde. Die zwei waren einfach tierisch sexy, jeder von beiden. Die Schlampe in mir war ganz heiß darauf, sich auf der Stelle zwischen ihre Körper zu drängen und sich von der unglaublichen sexuellen Energie anstecken zulassen, die von ihnen ausging. Ich wollte auch mit den Händen über Dominics Hintern fahren, genau wie Adam, und spüren, wie sich Adams imposante Erektion in meinen Rücken grub. Oder vielleicht sogar woanders rein …

Ich schüttelte den Kopf, um mich von diesen Gedanken freizumachen, und meine Erregung sank gerade so weit, dass ich es schaffte, den Blick abzuwenden. Mein Puls lief jedoch immer noch auf Hochtouren, und ich hatte meine Zweifel, dass ich diese Bilder jemals wieder ganz aus meinem Kopf bekommen würde.

Ich räusperte mich laut. »Okay, Jungs, ich denke, ich hab kapiert, was ihr meint. Können wir jetzt bitte weitermachen?«

Sie lachten.

»Ich würde liebend gerne weitermachen«, sagte Adam mit anzüglicher Stimme.

Dämlich, wie ich war, ließ ich meinen Blick abermals über ihre Körper wandern, nur um zu erkennen, dass Adam seine Hand mittlerweile woanders hingelegt hatte. Er streichelte jetzt nicht mehr Dominics Hintern. Dom gab sich mit in den Nacken geworfenem Kopf, geschlossenen Augen und geöffnetem Mund dem Vergnügen hin. Soweit ich sehen konnte, hatte er ganz und gar vergessen, dass ich mit im Zimmer war. Oder aber er ließ sich einfach nicht mehr davon stören.

Ich sammelte meine geistigen Kräfte. »Hört mal: Der Mann, den ich liebe, wird vielleicht gerade gefoltert. Glaubt ihr, ihr könntet auf das große Vergnügen, mich in Verlegenheit zu bringen, vorläufig verzichten, damit wir ihn retten gehen können?«

Adam gab einen theatralischen Seufzer von sich, nahm aber die Hand weg. Dominic öffnete die Augen. Es kostete ihn sichtliche Überwindung, nicht zu widersprechen.

»Na gut«, sagte Adam. »Du hast ja recht.« Er drückte noch einmal zärtlich Dominics Hand, ließ ihn dann jedoch stehen und legte sein Schulterhalfter an. Im Gegensatz zu Dominic und mir trug er keine Verkleidung. Da er immer seine Waffe bei sich haben musste, zog er es vor, bei seinen Besuchen im Seven Deadlies normale Kleidung zu tragen und die Pistole unter seiner Jacke zu verbergen.

Ich dankte Gott für dieses kleine Zeichen der Gnade. Schon normal angezogen sah Adam gefährlich sexy aus. Ich wollte gar nicht sehen, wie er sich in irgendeinem scharfen Lederoutfit machte.

Als wir das Zimmer verließen, reichte Dominic mir ein Handy.

»Hier«, sagte er. »Für den Fall, dass wir getrennt werden.«

»Wir werden nicht getrennt!«, sagte Adam, und das war ganz klar als Befehl gemeint.

»Wir werden nicht getrennt«, sagte ich gehorsam. Doch das Handy nahm ich trotzdem an mich und brachte es in einer praktischen kleinen Tasche oben an einem meiner Overknee-Stiefel unter, ohne dass Adam Einwände machte.

Wir trafen um kurz nach Mitternacht im Club ein. Der nächste Parkplatz war zwei Häuserblocks entfernt. Ich hatte das Gefühl, von allen Leuten angestarrt zu werden, während wir diese endlosen zwei Blocks zu Fuß gingen. Doch das bildete ich mir natürlich nur ein. So ungewöhnlich war mein Aufzug nicht für die Gegend um South Street, besonders nach Mitternacht.

Ich übte schon mal langsame, tiefe Atemzüge und ermahnte mich, dass Brians Leben unter Umständen davon abhing, dass ich ruhig und gefasst blieb.

Von außen sah The Seven Deadlies wie ein normales Gebäude aus. Es hatte eine schlichte Fassade, und auch das Neonschild über der Tür war eher unauffällig. Ich hatte wohl erwartet, dass man schon auf zehn Kilometer Entfernung erkennen könnte, mit welcher Art von Etablissement man es zu tun hatte.

Die Kasse lag direkt hinter der Eingangstür. Adam und Dominic legten ihre Mitgliedsausweise vor und gaben mich als einen ihrer Gäste aus. Adam zahlte großzügigerweise meinen Eintritt, und eine vergleichsweise sittsam aussehende junge Frau drückte uns einen Stempel auf den Handrücken.

Vor dem Türdurchgang, der in die Haupträume des Clubs führte, hatte sich eine beachtliche Schlange gebildet. Ich nutzte die Wartezeit, um mich umzusehen, und war ein wenig überrascht von dem, was ich sah. Auch die Kleidung einiger anderer Wartender war, nun, sagen wir, etwas ausgefallen, aber viele sahen auch ziemlich normal aus. Die Altersspanne reichte von eigentlich zu jung, um eingelassen zu werden, bis in die Vierziger, vielleicht sogar Fünfziger, mit einem hohen Anteil von Leuten in den Zwanzigern. Schätzungsweise die Hälfte der Wartenden sah so gut aus, dass es einem den Atem verschlug, und ich fragte mich, wie viele davon wohl Dämonen sein mochten. Doch dann sagte ich mir, dass ich es lieber gar nicht wissen wollte.

Um in die Haupträume des Clubs zu gelangen, mussten wir zwischen zwei Türstehern durch. Mir warfen sie beim Durchgehen nur einen flüchtigen Blick zu, aber als Adam weitergehen wollte, stellten sich ihm beide gleichzeitig in den Weg.

»Sir, ich muss Sie bitten, Ihre Waffe abzugeben«, sagte einer der beiden.

Ich entfernte mich etwas von der Tür, außerhalb von Adams Reichweite. Man musste kein Genie sein, um sich auszurechnen, dass er versuchen würde, die Aktion abzubrechen, sollte das Personal tatsächlich seine Waffe konfiszieren. Doch dazu würde ich es nicht kommen lassen.

»Ihr habt doch noch nie deswegen Anstalten gemacht«, sagte Adam. Er schien sich alle Mühe zu geben, ruhig und vernünftig zu klingen, aber die Wirkung wurde von dem gereizten Unterton in seiner Stimme zunichte gemacht.

»Wir haben unsere Politik geändert.«

»Ich bin verpflichtet, meine Waffe auch außerhalb des Dienstes zu tragen!«, sagte Adam und nahm eine aggressivere Körperhaltung ein.

Der Türsteher schien sich nicht einschüchtern zu lassen.

Ich fragte mich, ob er sehr mutig oder einfach nur sehr dumm war. »Dann schlage ich vor, dass Sie einen Club auf suchen, in dem Sie die Waffe bei sich behalten dürfen. Hier ist das jedenfalls nicht erlaubt.«

Die Leute hinter Adam begannen, sich über ihn aufzuregen, doch er beachtete sie nicht. »Ich möchte mit Shae sprechen.«

»Tut mir leid, Sir, aber ich muss Sie bitten, entweder die Waffe abzugeben oder beiseitezutreten.«

Adam sah aus, als sei er nur einen Schritt davon entfernt, jemandem die Lichter auszublasen. Er warf mir einen strengen Blick zu, der mich wohl dazu bewegen sollte, wieder zu ihm herauszukommen, war aber bestimmt nicht sonderlich überrascht zu sehen, dass ich ihm den Gehorsam verweigerte.

Er ließ grunzend das Magazin aus seiner Waffe springen und drückte es dem armen Unterling unwirsch in die Hand. Dieser dankte es ihm mit einer Eintrittskarte und einem giftigen Blick.

Ich glaube, Adam dachte ernsthaft darüber nach, mich am Kragen zu packen und mit Gewalt wieder aus dem Club zu zerren. Aber er wusste wahrscheinlich auch, dass ich mich mit Händen und Füßen wehren würde und es sich deswegen nicht so einfach bewerkstelligen ließe. Und da ich als sein persönlicher Gast hier war, konnte er schlecht vorgeben, mich festnehmen zu wollen.

Er drohte mir streng mit dem Finger. »Du bleibst immer dicht bei mir, verstanden?«

»Sicher.«

Er sah mich wütend an, doch dann legte ihm Dominic die Hand auf die Schulter, und das schien ihn zu besänftigen.

»Lasst uns was trinken gehen, in Ordnung?«, schlug er vor.

Ich wollte eigentlich keine weitere Verzögerung, aber Adam sagte, dass es unauffälliger wäre, wenn wir uns erst einmal ein wenig unter die Leute mischten.

Als wir durch die Tür zum Hauptraum traten, musste ich kurz stehenbleiben, um mich an den Ansturm auf meine Sinne zu gewöhnen.

Ich hatte die dumpfen Schläge des Basses schon von draußen gehört, aber nicht damit gerechnet, in einen solchen Krach hineinzuspazieren. Im Laufe meiner Zwanziger hatte ich jede Menge Club-Hopping gemacht, in letzter Zeit allerdings seltener. Ich hatte ganz vergessen, in welcher ohrenbetäubenden Lautstärke die Musik an diesen Orten manchmal gespielt wurde. Der monotone Technobeat und der fehlende Text machten die Sache nicht gerade besser.

In dem Schuppen war es so dunkel wie in einem Minenschacht, nur bunte Stroboskopblitze sorgten für kurze Momente der Helligkeit. Auf der winzigen Tanzfläche drängten sich zuckende Leiber im Rhythmus der Musik. Die Tanzfläche war so voll, dass sich kaum sagen ließ, wer mit wem tanzte, und die Tänzer rieben hemmungslos ihre Körper aneinander. Über der Tanzfläche hing ein Schild, auf dem Fegefeuer stand, was mir wie eine treffende Bezeichnung vorkam.

Um die Tanzfläche lief eine Galerie herum, auf der sich fast ebenso viele Leute drängten wie auf der Tanzfläche selbst. Einige lehnten am Geländer und sahen von oben den Tanzenden zu, andere warteten vor einer Reihe verschlossener, nummerierter Türen, die an die Türen in einem Hotel erinnerten. Auf einem Schild, das über der Treppe zu der Galerie hing, stand Himmel.

Am seltsamsten von allem waren jedoch die zwei Tische, die zu beiden Seiten des Eingangs standen. Auf dem einen lagen Stirnbänder mit Teufelshörnern, auf dem anderen welche mit kitschigen Heiligenscheinen. Viele der Gäste trugen entweder das eine oder das andere.

»Ich habe dir ja gesagt, dass es nicht nur ein SM-Club ist«, sagte Adam, der mir mehr oder weniger ins Ohr schreien musste, damit ich etwas verstand. »Wenn man jemanden für Blümchensex sucht, zieht man einen Heiligenschein auf. Hat man einen Partner gefunden, geht man zusammen in den Himmel.« Er wies mit dem Finger auf die Galerie. »Dort kann man dann ein Zimmer mieten. Mag man es lieber etwas ausgefallener, setzt man sich Hörner auf und geht mit seinem Partner in die Hölle.«

Ich folgte mit dem Blick seinem Finger und erkannte ein Schild, auf dem Hölle stand. Es hing über einer schweren Holztür, die genau so aussah, wie man es vom Tor zur Hölle erwarten würde.

Ich schluckte trocken. »Und dort wollen wir hin.«

Seine Antwort beschränkte sich auf ein kurzes Nicken.

Wir kämpften uns zur Bar durch. Adam bahnte sich einen Weg durch die Menge, und Dominic und ich taten unser Bestes, um an ihm dranzubleiben. Wir lauerten wie die Geier am Rand der Tische, und sobald einer frei wurde, stürzten wir uns auf die barhockerähnlichen Stühle. Ich war mir nicht sicher, ob mein Rock beim Sitzen nicht einen allzu offenherzigen Blick auf meine Unterwäsche gewährte, nahm aber an, dass bei dieser Dunkelheit sowieso nicht viel zu erkennen war. Adam schickte Dominic zur Bar und lachte herzlich, als ich Dom bat, mir eine meiner üblichen Pina Coladas mitzubringen. Wenigstens bestand er nicht darauf, dass ich mir etwas bestellte, was besser zu meiner Aufmachung passte. Bei meiner Nervosität war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt irgendwelchen Alkohol bei mir behalten konnte.

Dom kam mit den Drinks zurück und zog seinen Hocker so nahe an Adams heran, dass sich ihre Knie unter dem Tisch berührten. Sofort kam ich mir wie das fünfte Rad am Wagen vor, was vermutlich in Ordnung war, denn das war ja auch meine offizielle Rolle an diesem Abend.

Die Musik war zu laut, als dass wir uns unterhalten konnten, also versuchte ich, mich auf meinen Drink zu konzentrieren, während Adam und Dom es sich zunehmend … gemütlicher machten. Anscheinend hatte Dom vergessen, dass ihm öffentliche Zuneigungsbekundungen eigentlich unangenehm waren. War auch besser so, schließlich schien Adam gerade zu versuchen, ihm mit der Zunge die Mandeln rauszunehmen. Ich gab mir allergrößte Mühe, locker zu wirken, und kippte zügig meinen Drink runter, in der Hoffnung, der Alkohol würde mich entspannen.

Dominic saß praktisch schon auf Adams Schoß, als wie aus dem Nichts eine unbekannte Frau an unserem Tisch auftauchte.

Sie war groß, vielleicht sogar etwas größer als ich, und ihre Haut hatte diesen dunklen Ebenholzton, den man mit Menschen aus dem Herzen Afrikas verbindet. Ihre Haare waren ganz kurz geschnitten, so dass man die geradezu künstlerisch perfekte Form ihres Schädels besser bewundern konnte, und sie hatte den längsten, grazilsten Hals, den ich je gesehen habe. Sie musterte Adam und Dom mit einem Blick, der beinahe wirkte, als würde sie die beiden als ihr Eigentum betrachten, sah dann mich an und hob fragend die Brauen.

Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen oder tun sollte. Also beschränkte ich mich darauf, Adam mit dem Ellbogen anzustoßen, um ihm zu verstehen zu geben, dass wir nicht länger allein waren.

Er tauchte mit lustgetrübten Augen zum Luftholen auf. Ein paarmal blinzelte er orientierungslos, als hätte er tatsächlich vergessen, wo wir uns befanden. Doch dann Fokussierte sich sein Blick auf unsere Besucherin.

»Shae!«, rief er und klang hocherfreut. »Lange nicht gesehen!«

Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte, als habe er etwas unheimlich Witziges von sich gegeben. Ich begriff allerdings nicht was.

»Ich habe gehört, dass du ein böser Junge warst und meinen Angestellten das Leben schwergemacht hast«, sagte sie. Der Klang ihrer Stimme war ebenso dunkel wie ihre Haut, und etwas daran jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Vielleicht kam das aber nicht von ihrer Stimme, sondern von dem raubtierhaften Funkeln in ihren Augen.

Ich rief mir ins Gedächtnis, dass sie ein illegaler Dämon war. Das machte es leichter für mich zu verstehen, warum sie mir auf der Stelle unsympathisch war.

Adam grinste. »Ich komme deinetwegen noch in Schwierigkeiten, Shae. Ich verstoße gegen die Vorschriften, wenn ich meine Waffe nicht bei mir habe.«

Sie erwiderte sein Grinsen. »Ich verspreche dir, dich nicht zu verpfeifen.« Ihr Blick wanderte zu Dom hinüber. »Ich habe gehört, du hast ein bisschen Ärger gehabt.«

Er nickte, ließ sich aber nicht weiter über das Thema aus. Es kam mir so vor, als mochte er Shae nicht besonders. Als Adam vorhin über sie geredet hatte, war ihm das allerdings nicht anzumerken gewesen.

Shae wendete ihre Augen wieder mir zu und musterte mich von Kopf bis Fuß. Ihr Blick war aufdringlich und keineswegs freundlich. »Und wer ist dieses entzückende Geschöpf?«

Adam umfasste besitzergreifend mein Handgelenk. Wogegen ich in dem Moment nicht viel einzuwenden hatte. Er lächelte Shae an.

»Das ist mein neues Schoßhündchen. Muss aber erst noch dressiert werden.« Er festigte warnend seinen Griff. Wahrscheinlich wusste er, dass ich versucht sein würde, seinen Worten zu widersprechen. Doch ehrlich gesagt war es nicht nötig, mich an meine Rolle zu erinnern. Natürlich passte sie mir nicht, aber ich hatte mich einverstanden erklärt, sie zu spielen. Wenn Brian nicht anders zu retten war, dann bitteschön.

Shae schob die Unterlippe vor. »Aber Adam, du vernachlässigst das arme Ding auf geradezu schändliche Weise. Ich habe dich beobachtet.«

Er ließ mein Handgelenk los. »Weil sie bestraft werden muss. Sie muss lernen, in Gegenwart von Respektspersonen ihr Temperament zu zügeln.«

Ich senkte den Blick und hoffte, so auszusehen, als würde ich mich für mein schändliches Verhalten schämen. Gleichzeitig biss ich die Zähne zusammen, damit mir keine Widerworte rausrutschten.

»Trotzdem hast du sie mit auf die Rolle genommen?«

Ich ahnte, dass Adam mit den Achseln zuckte. »Was wäre eine bessere Bestrafung, als mit ansehen zu müssen, was ihr entgeht?«

»Meine Güte, du kennst aber auch kein Erbarmen.«

»Nicht das geringste.«

»Und ihr Süßen wollt heute Abend der Hölle einen Besuch abstatten?«

In mir krampfte sich alles zusammen, doch ich schaffte es, mir nichts anmerken zu lassen. Ich versuchte, alles ruhig auf mich zukommen zu lassen, doch in Gedanken eilte ich den Dingen voraus, fragte mich, ob mein Rettungsversuch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt war und Lughs und meinen Tod zur Folge hätte.

Zum Glück erwartete niemand, dass ich mich an der Unterhaltung beteiligte.

»Und ob wir das wollen«, antwortete Adam.

Shae gab ein katzenartiges Schnurren von sich. »Ihr zwei habt mir gefehlt. Ihr zieht immer eine super Show ab.«

Mir drehte sich der Magen um, und ich hob unwillkürlich den Blick. Adam schien sich bei diesem anzüglichen Geplauder pudelwohl zu fühlen, und Shae hatte offensichtlich ebenfalls ihre Freude daran. Dom hingegen saß mit stocksteifem Rücken auf seinem Hocker, und seine Wangenmuskeln arbeiteten, als versuche er, seine nicht vorhandenen Plomben zu zermahlen.

Dass er für Shae nichts übrighatte, war nur allzu deutlich. Und ihm schien auch nicht zu gefallen, welche Richtung dieses Gespräch gerade nahm.

Adam gab einen theatralischen Seufzer von sich. »Ich fürchte, damit ist es vorbei.« Er legte die Hand auf Dominics Knie. »Er ist zu zerbrechlich, um weiter für große Auftritte herzuhalten.«

Shaes Blick wurde plötzlich rasiermesserscharf. »Und trotzdem willst du mit ihm in die Hölle?« Ihre Stimme hatte etwas Herausforderndes, doch mir war nicht klar, wie es gemeint war.

»Um ein bisschen unser neues Terrain zu sondieren, sozusagen«, erwiderte Adam. »Du hast eine größere Auswahl an Spielzeugen als ich. Meine sind alle für gröbere Vergnügen gedacht, als Dom im Moment aushalten kann. Ich hab gedacht, ich probier mal ein paar von deinen aus.«

Shaes Augen schienen im Dunkeln zu funkeln. Vielleicht war das ihr Dämon, der hinter ihren Augen aufleuchtete, vielleicht spielte mir auch nur meine Phantasie einen Streich. »Oh, ich glaube, die Show wird trotzdem super – so gut, dass ich euch selbst nach unten bringe. Das Ganze geht aufs Haus.«

Adams Augen leuchteten nicht weniger hell als die seiner Gesprächspartnerin. »Deine Großzügigkeit als Gastgeberin ist unübertroffen.«

Während die beiden sich gegenseitig mit Lob überschütteten und einer dabei widerlicher lächelte als der andere, wurde Dom immer blasser. Seine Schultern wirkten so angespannt, dass ich ihm am liebsten eine Massage verpasst hätte. Doch als Adam den Arm um ihn legte und ihn mit sich vom Tisch zog, widersetzte er sich nicht. Ich hatte ein nagendes Schuldgefühl im Bauch. Mir gefiel gar nicht, was Dominic mir zuliebe alles über sich ergehen lassen musste. Ich wünschte, mir wäre vorher aufgefallen, wie unwohl ihm bei der ganzen Sache war. Aber dazu war ich zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen.

Wir folgten Shae durch die Menge und bewegten uns zügig auf den hinteren Teil des Clubs zu, wo das Tor zur Hölle auf uns wartete.